29. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2446
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Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.
Das Urteil des Sad Rejonowy (Rayonsgericht) Szczecin, VIII. Familien- und Jugendabteilung, vom 10. Mai 2000 ist mit der Vollstreckungsklausel zu ver-sehen.
Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet: Der Beklagte C (rich¬tig: C1) wird verurteilt, eine Unterhaltsrente zugunsten der minderjährigen Antragstellerin X zu zahlen, und zwar im Betrag von je 400,- (vierhundert) Zloty monatlich ab dem 19.4.2000, zahlbar im voraus bis zum 15. jeden Monats.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Für das Verfahren vor dem Landgericht werden keine Gerichtskosten erhoben. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Gegenstandswert beider Instanzen beträgt 4.420,43 €.
G r ü n d e
I.
Die gemäß § 11 Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG - vom 19.2.2001 und Art.40 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
- LugÜ - vom 16.9.1988 (BGBl.1994 II 2660) unbefristete Beschwerde ist zulässig.
Sie hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg, weil der Antrag über die Verurteilung des Antragsgegners durch das polnische Gericht hinausgeht. Die Entscheidung des Landgerichts war allerdings schon unzulässig, denn es hat in der Hauptsache entschieden, obwohl der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ausdrücklich unter den Vorbehalt der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gestellt worden war und das Landgericht diese verweigert hat.
II.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Urteils hinsichtlich des Ausspruchs zum Kindesunterhalt. Das Urteil hat darüber hinaus die Vaterschaft des Antragsgegners festgestellt, den Familiennamen des Kindes und das Sorgerecht geregelt und der Mutter 800,- Zloty als Aufwendungsersatz für die Säuglingsausstattung zuerkannt.
Rechtsgrundlage für die Vollstreckbarerklärung in der Unterhaltssache sind entweder das auch vom Landgericht in Bezug genommene Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 - HUVollstrÜ -, dem Polen mit Wirkung vom 1.7.1996 (BGBl. II 1073) beigetreten ist, oder das LugÜ, dem Polen mit Wirkung vom 1.2.2000 (BGBl. II 1246) beigetreten ist. Das LugÜ ist gemäß Art. 54 Abs. 2 anwendbar, obwohl das Verfahren vor dem Inkrafttreten für Polen eingeleitet worden ist, da das polnische Gericht seine internationale Zuständigkeit auch auf Art. 5 Nr. 2 LugÜ hätte stützen können. Beide Staatsverträge lassen die Anwendung des anderen unberührt (vgl. Art. 57 Abs. 1 LugÜ, Art. 23 HUVollstrÜ); maßgebend ist die dem Urteilsgläubiger günstigere Rechtsgrundlage (Göppinger/Wax/Linke, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 3262, 3264 m.Nw.). Die Vollstreckbarerklärung ist nach beiden gerechtfertigt, jedoch erübrigt sich bei Anwendung des HUVollstrÜ die Erörterung zu Art. 27 Nr. 4 LugÜ.
III.
Die Vollstreckbarerklärung des Urteils hinsichtlich des Ausspruchs zum Unterhalt ist allerdings abhängig von der Anerkennung der Statusentscheidung (Andrae, Internationales Familienrecht, Rz. 769; Baumann, in: Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Erl. II. 2. c, bb zu Art. 3 HUVollstrÜ = Glied.nr. 795 S. 102; vgl. Göppinger/Wax/Linke, aaO, Rz. 3285; OLG Hamm, FamRZ 1989, 785; ebenso BGH NJW 1975, 273, 274 für die Anerkennung einer von der Ehescheidung abhängigen Sorgerechtsregelung; aA Eschenbruch/ Dörner, Der Unterhaltsprozeß, 2. Aufl., Rz. 8047; Staudinger/Kropholler, Anh III zu Art. 18 EGBGB, Rz. 156). Diese Feststellung ist im Rahmen einer Vorfragenprüfung zu treffen, nicht erst im Rahmen der Prüfung, ob die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich des Unterhalts gegen den Ordre public verstößt (so aber Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, S. 53 ff, 56; OLG München, FamRZ 2003, 462). Das ergibt sich schon daraus, daß im Falle einer förmlichen Feststellung der Nichtanerkennung der Statusentscheidung der Unterhaltstitel wegen der Unvereinbarkeit mit eben dieser gerichtlichen Feststellung nicht für vollstreckbar erklärt werden könnte (vgl. Art. 5 Nr. 4 HUVollstrÜ, Art. 27 Nr. 3 LugÜ).
Die Anerkennung des polnischen Urteils im Ausspruch zur Vaterschaft unterliegt den Voraussetzungen des § 328 ZPO. Das Haager Übereinkommen gilt dafür ausdrücklich nicht (Art. 3 HUVollstrÜ). Die Gegenseitigkeit ist nicht erforderlich (§ 328 Abs. 2 ZPO). Das polnische Gericht war aus deutscher Sicht international zuständig (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 640a Abs. 2 ZPO). Ob der Antragsgegner sich - etwa im Rahmen seiner Anhörung im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Siegen - auf das Verfahren eingelassen hat, kann dahinstehen, denn die Antragstellerin hat die ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO belegt. Die Vaterschaftsfestellung ist auch nicht unvereinbar mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Das ist nicht schon prinzipiell dann der Fall, wenn die Feststellung auf der Grundlage von Zeugenaussagen ohne Abstammungsgutachten getroffen worden ist (BGH NJW 1986, 2193; OLG München FamRZ 2003, 463; AG Würzburg FamRZ 1994, 1596). Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß das polnische Gericht sich um ein Abstammungsgutachten bemüht und dem Beklagten angeboten hat, dies ggf. in Stettin vornehmen zu lassen. Daß der Antragsgegner dieses Angebot wegen Zweifeln über eine evtl. Kostenbelastung unbeantwortet gelassen hat, ist für die Frage, ob die Vorgehensweise des polnischen Gerichts mit deutschen Rechtsvorstellungen unvereinbar ist, unerheblich. Die Vaterschaftsfeststellung des polnischen Urteils ist also in Deutschland anzuerkennen.
IV.
Die Antragstellerin hat die nach Art. 17 HUVollstrÜ erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Die weiteren Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sind ebenfalls erfüllt. Das polnische Gericht war gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 7 Nr. 1 HUVollstrÜ international zuständig. Die Entscheidung ist nicht erschlichen und verstößt auch sonst nicht gegen den deutschen Ordre public (Art. 5 Nr. 1 und 2 HUVollstrÜ). Eine Versäumnisentscheidung im Sinne von Art. 6 HUVollstrÜ liegt nicht vor (vgl. Baumann, aaO, S. 44), denn der Antragsgegner hat sich über seine Aussage im Rechtshilfeverfahren beteiligen können, und im übrigen hat das polnische Gericht - ähnlich wie im deutschen Kindschaftsverfahren - von Amts wegen Ermittlungen angestellt. Im übrigen ist die korrekte Zustellung der Klage nachgewiesen. Eine weitergehende Überprüfung der polnischen Entscheidung in der Sache ist im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nicht zulässig (Art. 12 HUVollstrÜ), wie es auch das deutsche Verfahrensrecht außerhalb der Staatsverträge vorsieht (§ 723 Abs. 1 ZPO). Damit kann dahinstehen, welche anderen Zeugen das polnische Gericht noch angehört hat und welche Bedeutung es diesen Aussagen beigemessen hat.
V.
Die Vollstreckbarerklärung ist in zulässiger Weise auf den Unterhalt ab 19.4.2000 beschränkt worden (vgl. Art. 14 HUVollstrÜ). Der Antrag war zurückzuweisen, soweit die Vollstreckbarerklärung für einen monatlichen Betrag von 800,- Zloty verlangt worden ist. Auf die fehlerhafte Antragstellung ist die Antragstellerin wiederholt hingewiesen worden. Daraus ergibt sich die Kostenaufhebung für das Beschwerdeverfahren (§ 92 Abs. 1 ZPO analog). Für die erste Instanz sind - soweit ersichtlich - keine außergerichtlichen Kosten angefallen. Die Gerichtskosten waren entgegen § 8 Abs. 2 AVAG nicht der Antragstellerin aufzuerlegen, sondern gemäß § 8 GKG niederzuschlagen. Sie wären nicht angefallen, wenn das Landgericht korrekter Weise allein über die Prozeßkostenhilfe entschieden hätte, die der Senat im Wege der Beschwerdeentscheidung nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen bewilligt hätte.
Meta
08.07.2003
Oberlandesgericht Hamm 29. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: W
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 08.07.2003, Az. 29 W 34/02 (REWIS RS 2003, 2446)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 2446
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