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Verpflichtung zur Vorlage von Arbeitszeitnachweisen und Auskunftserteilung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten auf der Grundlage des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), wodurch sie zur Vorlage von Arbeitszeitnachweisen und zur Auskunftserteilung verpflichtet worden ist.
Die Klägerin betreibt Parfümerien an den Standorten … (…, …, … …), … (…), … (…), … (… …), … (…) und … (…).
Mit Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes … (Gewerbeaufsichtsamt) vom 8. Mai 2015 wurde die Klägerin unter Nr. 1 aufgefordert, unverzüglich, spätestens jedoch bis 1. Juni 2015, für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. April 2015 für alle Arbeitnehmer (auch Teilzeitkräfte) ihrer Filialen in …, … und …, sowie …, …, dem Gewerbeaufsichtsamt folgende Unterlagen über die werktägliche Arbeitszeit und die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen lückenlos einzusenden und Auskünfte zu erteilen:
„1.1 Arbeitszeitnachweise (Zeiterfassungskarten bzw. -ausdrucke).
1.2 Sonstige, die Arbeitszeit betreffende Aufzeichnungen (z.B. Stundenlisten).
1.3 Angaben über regelmäßige tägliche Arbeitszeiten (Beginn und Ende der Arbeitszeit) und die darüber hinausgehenden Arbeitszeiten sowie über die Pausenregelungen.
1.4 Namentliche Auflistung der im v.g. Zeitraum beschäftigten Arbeitnehmer.
Die v.g. Auflistung muss beinhalten:
Name, Vorname, ladungsfähige Anschrift, Geburtsdatum und die Art der durchgeführten Tätigkeiten (z.B. Filialleiter, Verkaufskraft etc.).
1.5 Angaben zur arbeitszeitrechtlichen verantwortlichen Person für die o.g. Betriebsstätte (Name, Vorname, ladungsfähige Anschrift, Geburtsdatum, Stellung in der Firma).“
Zur Begründung der Anordnung unter Nr. 1 wurde folgendes ausgeführt: Die Klägerin sei als Arbeitgeberin verpflichtet, die über die normale werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer aufzuzeichnen und mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Das Gewerbeaufsichtsamt … sei kraft Gesetzes zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften befugt. Das Amt sei insbesondere bei konkreten Beschwerden berechtigt, die zur Durchführung dieser Überwachungsaufgabe erforderlichen Auskünfte zu verlangen und anzuordnen, dass die Arbeitszeitnachweise zur Einsicht einzusenden seien. Zu den Nachweisen, die dem Gewerbeaufsichtsamt auf Verlangen einzusenden seien, gehörten sämtliche Verzeichnisse und Karteien, insbesondere auch Stempeluhren, Lohn- und Gehaltslisten sowie sonstige Unterlagen, aus denen Zahl und Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft, die Art und Dauer der Beschäftigung sowie die Ruhezeit jedes Arbeitnehmers ersichtlich seien. Als Rechtsgrundlage seien §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 1, 2 und 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes, der Sicherheitstechnik, des Chemikalien- und Medizinprodukterechts (ASiMPV) heranzuziehen.
Zudem unter Nr. 2 des Bescheids gleichzeitig angeordneten Sofortvollzug wurde ausgeführt: Bei der Überprüfung der Arbeitszeitnachweise der Mitarbeiter der Antragstellerin in den o.g. Filialen am 6. Mai 2015 seien bei Stichproben Verstöße gegen die Bestimmungen des § 4 ArbZG festgestellt worden. Durch Arbeitszeiten ohne Ruhepausen oder mit zu geringer Dauer der Ruhepausen seien die Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit gefährdet. Zur Abwendung einer möglichen Gesundheitsgefahr sei die Überprüfung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit erforderlich. Die Anordnung des sofortigen Vollzugs habe den Zweck, gegebenenfalls die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ohne Zeitverzug durchsetzen zu können.
Mit am 9. Juni 2015 beim Gericht eingegangenem Schriftsatz erhob die Klägerin Klage gegen den ihr am 9. Mai 2015 zugestellten Bescheid und beantragte,
den Bescheid der Regierung von Mittelfranken - Gewerbeaufsichtsamt - vom 8. Mai 2015 aufzuheben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der angefochtene Bescheid, der ein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 BayVwVfG sei, entbehre jeglicher nachvollziehbarer tatsächlichen Grundlage. Nach den Auskünften des Beklagten habe sich in der Verwaltungsakte zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs lediglich der Bescheid befunden. Ein Bericht über die Prüfung habe sich folglich nicht in der Akte befunden. Unbestritten räume § 17 Abs. 2 ArbZG der Aufsichtsbehörde eine Überwachungsbefugnis hinsichtlich der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ein. Die Vorschrift des § 17 Abs. 2 ArbZG vermittele eine Generalklausel, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Dieses Einschreiten stehe allerdings im Ermessen der Behörde (Entschließungs- und Auswahlermessen). Die Behörde habe fehlerfrei darüber zu entscheiden, ob sie einschreite und - wenn diese Entscheidung gefallen sei - welche Maßnahmen sie ergreife. Die ergriffenen Maßnahmen müssten dabei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Die Aufsichtsbehörde dürfe ihr Auskunftsrecht nicht ohne konkrete Anhaltspunkte ausüben. Ein Auskunftsverlangen allein mit dem Ziel, die behördliche Aufsicht zu erleichtern, sei unzulässig (vgl. OVG Berlin, U.v. 18.3.1982 - OVG 2 B 24/79 - Gewerbearchiv 1982, 279 f.).
Vorliegend sei - und die Feststellungslast hierfür trage im Ergebnis der Beklagte - bereits überhaupt nicht nachvollziehbar, auf welcher Tatsachengrundlage entschieden worden sei. Unabhängig davon sei dem Bescheid eine Ermessensausübung nicht zu entnehmen. Auf Basis des Akteninhalts seien weder Tatsachengrundlagen noch Ermessensausübung nachvollziehbar. Dies gehe zu Lasten des Beklagten. Ein Verwaltungsakt ohne Tatsachengrundlage könne keinen rechtlichen Bestand haben. Die Behördenakte müsste einen schriftlichen Prüfungsbericht enthalten und mindestens Auskunft geben über folgende Fragen: Inhalt der Beschwerde, Art und Ausmaß der festgestellten Verstöße unter Benennung des zuzuordnenden Arbeitnehmers und der Filiale. Die Mindestinhalte und -funktionen einer Behördenakte sollten sein: Informationsfunktion für die verwaltungsinterne Sachbearbeitung, Dokumentations- und Kontrollfunktion. Die den Verwaltungsentscheidungen zugrunde liegenden Vorgänge und Prozesse müssten jederzeit zuverlässig und vollständig nachgewiesen werden können (Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG). Auf eine derartige Aktenführung beziehe sich die Pflicht, auf Anforderung des Gerichts die auf den Verfahrensgegenstand bezogenen Urkunden und Vorgänge vollständig vorzulegen, § 99 VwGO. Es gälten die Grundsätze der Aktenvollständigkeit, Aktenwahrheit und die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns (Transparenzprinzip); all diese Punkte müssten sowohl in Bezug auf die Erledigung der Sachaufgaben (einschließlich der Dokumentation von Entscheidungsabläufen) als auch hinsichtlich der handelnden Personen (personale Verantwortlichkeit) sichergestellt sein.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015 die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Anlässlich einer Beschwerde hinsichtlich der Arbeits- und Pausenzeiten seien die Filialen der Klägerin in …, …, …, …, und …, …, durch einen Gewerbeaufsichtsbeamten am 6. Mai 2015 im Rahmen dessen Außendienstes im Hinblick auf die Einhaltung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften kontrolliert worden. Bei der stichprobenartigen Überprüfung der Arbeitszeitnachweise für die Mitarbeiter dieser Filialen hätten sich Zweifel hinsichtlich der Einhaltung des § 4 ArbZG ergeben. Auf Grund dieses Ergebnisses der Kontrollen vor Ort sei am 8. Mai 2015 der streitgegenständliche Bescheid ergangen. Die Anfechtungsklage sei nicht begründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei.
Ergänzend zur Begründung des angefochtenen Bescheids sei auszuführen: Rechtsgrundlage für die Anordnungen in Nr. 1 sei § 17 Abs. 4 Satz 2 (für Nr. 1.1) bzw. § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG. Danach könne die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung erforderlichen Auskünfte verlangen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG). Sie könne ferner vom Arbeitgeber verlangen, die Arbeitszeitnachweise vorzulegen oder zur Einsicht einzusenden. Voraussetzung für die Auskunftspflicht des Arbeitgebers sei nicht, dass der Verdacht auf einen Gesetzesverstoß bestehe, unzulässig sei jedoch die allgemeine ungezielte Ausforschung des Arbeitgebers, die nur die behördliche Aufsicht erleichtern solle. Eine solche ungezielte allgemeine Ausforschung sei vorliegend aber gerade nicht gegeben, vielmehr habe bei der Kontrolle der o.g. Filialen der Klägerin am 6. Mai 2015 die stichprobenartige Überprüfung von Arbeitszeitennachweisen Anhaltspunkte für mögliche Verstöße gegen die Regelung der Ruhepausen in § 4 ArbZG ergeben. Dass das Ergebnis der Kontrolle der Filialen der Klägerin am 6. Mai 2015 einen weiteren Niederschlag in der Verfahrensakte hätte finden müssen, sei nach Ansicht des Beklagten im Hinblick darauf, dass § 17 Abs. 4 ArbZG von einer grundsätzlichen Befugnis der Aufsichtsbehörde, die für die Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Auskünfte und Vorlage der Arbeitszeitnachweise zu verlangen, ausgehe, nicht erforderlich.
Die Einsende- bzw. Auskunftsverlangen unter Nr. 1 des Bescheids für den Zeitraum vom 1. März 2015 bis 30. April 2015 seien auch im Einzelnen von § 17 Abs. 4 ArbZG gedeckt, da die begehrten Informationen für die Durchführung des Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung erforderlich seien. Die Forderung nach Einsendung der Arbeitszeitnachweise laut Nr. 1.1 des streitgegenständlichen Bescheids betreffe Arbeitszeitnachweise, zu deren Führung der Arbeitgeber nach § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG verpflichtet sei, soweit Arbeitszeiten der Arbeitnehmer über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehen. Die Einsendung dieser Nachweise sei erforderlich, damit das Amt die Einhaltung der §§ 3 Satz 2, 4, 5, 9 und 11 ArbZG überprüfen könne.
Die Einsendung sonstiger, die Arbeitszeit betreffende Aufzeichnungen (Nr. 1.2), bezwecke einen Erkenntnisgewinn, wie der Arbeitgeber den Einsatz der Arbeitnehmer tatsächlich disponiere. Angaben über regelmäßige tägliche Arbeitszeiten (Beginn und Ende der Arbeitszeit) und die darüber hinausgehenden Arbeitszeiten sowie über die Pausenregelungen (Nr. 1.3) dienten gemeinsam mit den Aufzeichnungen laut Nr. 1.2 der Klärung, welche der möglichen Arbeitszeitsysteme, z.B. Gleitzeit, starre Arbeitszeitregelung, Schichtarbeit, für die o.g. Filialen gelten, und ermöglichten u.a. die Prüfung der Einhaltung von Lage und Dauer der Pausen, § 4 ArbZG, und der Ruhezeiten, § 5 Abs. 1 ArbZG, sowie die Klärung der Frage, ob der Arbeitgeber den Einsatz der Arbeitnehmer gesetzeskonform plane.
Die in Nr. 1.4 geforderte namentliche Auflistung der dort näher bezeichneten Arbeitnehmer diene dem Abgleich mit den Aufzeichnungen und Angaben nach Nr. 1.1 bis 1.3 und damit der Überprüfung nach den o.g. Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Die Angabe von Name, Vorname, ladungsfähiger Anschrift und Geburtsdatum sei zur Differenzierung der Arbeitnehmer, insbesondere im Falle einer Namensgleichheit, und zur Feststellung, ob diese unter die Regelung des Arbeitszeitgesetzes oder des Jugendarbeitsschutzgesetzes fallen, erforderlich. Da in Betrieben häufig unterschiedliche Arbeitszeitregelungen entsprechend der Tätigkeit der Arbeitnehmer gälten, sei auch die Angabe der Tätigkeit gefordert.
Die Angaben zur arbeitszeitrechtlich verantwortlichen Person (Nr. 1.5) seien zur Aufgabenerfüllung des Amtes nach dem Arbeitszeitgesetz ebenfalls erforderlich, da jene die Ansprechpartner für eventuell notwendige weitere Handlungen der Behörde seien.
Die Anordnungen in Nr. 1.1 bis 1.4 seien auch verhältnismäßig. Die vom Gewerbeaufsichtsamt mit diesen Anordnungen geforderten Arbeitszeitnachweise und Auskünfte seien geeignet, eine Überprüfung zu ermöglichen, ob seitens der Antragstellerin bei der Beschäftigung ihrer Arbeitnehmer in den im streitgegenständlichen Bescheid genannten Filialen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes, insbesondere §§ 3, 4, 5 und 9 ArbZG, eingehalten werden.
Sie seien hierzu auch erforderlich, und es sei weder ein milderes Mittel ersichtlich noch in der Klageschrift vorgetragen, um die erforderliche Überprüfung zu ermöglichen. Insbesondere hätten die in den Filialen am 6. Mai 2015 vorgenommenen Kontrollen keine Klärung herbeiführen können.
Die Anordnungen seien auch nicht im Hinblick auf den angestrebten Zweck - nämlich die Prüfung, ob die o.g. Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes durch die Antragstellerin eingehalten werden, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen (vgl. § 1 Nr. 1 ArbZG) - unverhältnismäßig. Dabei sei einerseits zu berücksichtigen, dass der Schutz eines hohen Gutes bezweckt sei und andererseits die Belastungen für die Klägerin als relativ gering einzuschätzen seien. So würden Unterlagen und Auskünfte für einen Zeitraum von nur zwei Monaten gefordert, zu deren Führung und Aufbewahrung für mindestens zwei Jahre die Klägerin gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG ohnehin verpflichtet sei (Nr. 1.1) bzw. die in aller Regel ohne größeren Aufwand gegeben werden könnten (Nr. 1.2 bis 1.5).
Entgegen der Klagebegründung sei das Gewerbeaufsichtsamt der Auffassung, dass der streitgegenständliche Bescheid eine Ermessensausübung sehr wohl erkennen lasse. Aus der Formulierung im Bescheid unter „Zu Nr. 1“ „ist … berechtigt“ ergebe sich, dass hier zutreffend von einem Ermessen der Behörde zum Erlass der auf § 17 Abs. 4 ArbZG beruhenden Anordnungen ausgegangen worden sei. Anhaltspunkte für einen fehlerhaften Ermessensgebrauch seien nicht ersichtlich.
Die vom Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Behördenakten bestehen aus dem streitgegenständlichen Bescheid, der Postzustellungsurkunde, einem Akteneinsichtsgesuch des Vertreters der Klägerin vom 21. Mai 2015 sowie einem Aktenvermerk des Sachbearbeiters des Antragsgegners vom 27. Mai 2015. Dieser Aktenvermerk hat den Inhalt, dass einer Fristverlängerung bis 15. Juni 2015 zugestimmt werde, die Akte nur aus dem Bescheid bestehe, welcher dem Vertreter der Antragstellerin bereits vorliege, und sich somit das Akteneinsichtsgesuch erledigt habe.
Die aufschiebende Wirkung (AN 4 S 15.00906) der Klage gegen den Bescheid vom 8. Mai 2015 wurde mit Beschluss der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Juli 2015 wiederhergestellt. Die Erfolgsaussichten der Klage wurden bei summarischer Überprüfung im Eilverfahren als offen angesehen; die vorgenommene Interessenabwägung wurde zu Gunsten der Klägerin getroffen.
Mit Schriftsatz vom 21. März 2016 legte der Beklagte die im Rahmen der Betriebsbesichtigung vom 6. Mai 2015 in den Filialen der Klägerin in …, …, und in …, …, gewonnenen Erkenntnisse dar.
Der Klägervertreter nahm hierzu mit Schriftsätzen vom 29. März 2016 und vom 14. April 2016 Stellung.
Die Parteien verzichteten einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Über die vorliegende Klage konnte auf Grund des jeweils durch Schriftsatz an das Gericht erklärten Einverständnisses der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid vom 8. Mai 2015 rechtmäßig ist und die Klägerin dadurch nicht in eigenen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Denn die vom Beklagten geforderten Auskünfte in Ziffern 1.1-1.5 des Bescheids vom 8. Mai 2015 erweisen sich sowohl in formeller (1.) als auch in materieller (2.) Hinsicht als rechtmäßig und sind darüber hinaus verhältnismäßig im engeren Sinne (3.).
1. Dem angefochtenen Bescheid begegnen in formeller Hinsicht keine Bedenken.
1.1 Im Rahmen der Generalklausel des § 17 Abs. 2 ArbZG kann die Aufsichtsbehörde diejenigen Maßnahmen anordnen, die der Arbeitgeber zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten zu treffen hat.
§ 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG als insoweit speziellere Befugnisnorm ermächtigt die Aufsichtsbehörde, vom Arbeitgeber die für die Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Auskünfte zu verlangen. Darüber hinaus kann die Behörde den Arbeitgeber verpflichten, die Arbeitszeitnachweise vorzulegen, § 17 Abs. 4 Satz 2 ArbZG.
1.2 Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes wird gemäß § 17 Abs. 1 ArbZG von den nach Landesrecht zuständigen Behörden überwacht. Im Freistaat Bayern sind dies die bei den Regierungen angesiedelten Gewerbeaufsichtsämter in ihrem jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereich, § 1 Abs. 1 Satz 2 Verordnung über Gewerbeaufsichtszuständigkeiten (ZuStV-GA) i.V.m. § 10 Nummer 1c) Verordnung über die Geschäftsverteilung der bayerischen Staatsregierung (StRGVV) vom 28. Januar 2014.
Für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist im Hinblick auf die in Mittelfranken ansässige Klägerin demnach das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Mittelfranken sachlich und örtlich zuständig.
1.3 Die von der Klägerin geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, was sein Zustandekommen und seine Form angeht, erweisen sich - jedenfalls durch den Vortrag des Gewerbeaufsichtsamtes im Rahmen des Klageverfahrens - als unbegründet.
1.3.1 Gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist zwar grundsätzlich vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes die Anhörung des Betroffenen erforderlich, indem diesem von der Behörde die Gelegenheit gegeben wird, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörung ist vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids hier nicht durchgeführt worden. Die im behördlichen Verfahren unterbliebene Anhörung wurde jedoch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt, so dass der insoweit entstandene Verfahrensmangel geheilt wurde, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG.
Im Einzelnen ist auszuführen: Auch wenn der Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes vom 8. Mai 2015 weder eine Zwangsmittelandrohung noch eine Kostenentscheidung zulasten der Klägerin beinhaltete, stellt sich dieser als Akt der Eingriffsverwaltung dar und löste grundsätzlich eine Pflicht zur Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG aus.
Denn durch die angefochtene Verpflichtung der Klägerin zur Vorlage verschiedener Unterlagen und Nachweise wurde in eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Inmitten stehen die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG sowie die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, in der Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausfluss der Menschenwürde.
Teilweise wird in der zum Arbeitszeitgesetz veröffentlichten Kommentarliteratur zwar die Auffassung vertreten, dass das Auskunftsverlangen aufgrund von § 17 Abs. 4 ArbZG nicht zwingend als Verwaltungsakt ergehen müsse (so Anzinger/Koberski, Kommentar zum ArbZG, 4. Aufl., § 17, Rn. 19a; Neumann/Biebl, Kommentar zum ArbZG, 16. Aufl., § 17, Rn. 3; jeweils unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 12/5888, S. 32). So wird auch in der Gesetzesbegründung formuliert: „Das Auskunftsverlangen muss nicht in Form einer Anordnung an den Arbeitgeber gerichtet werden.“ (BT-Drucks., aaO).
Selbst wenn diese Auffassung richtig - und in der praktischen Umsetzung sinnvoll - sein sollte, ist im vorliegenden Fall jedenfalls von der Möglichkeit, einen Verwaltungsakt zu erlassen, Gebrauch gemacht worden. Davon gehen die Beteiligten wohl auch übereinstimmend aus. Es spricht zudem der äußere Anschein der Anordnung für diese Sichtweise: So ist die Anordnung mit „Bescheid“ überschrieben und mit einer Rechtsmittelbelehrungversehen. Darüber hinaus sind die inhaltlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines Verwaltungsaktes im Sinne des Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG erfüllt: Das Gewerbeaufsichtsamt hat in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde im Rahmen der Überwachung des Arbeitszeitgesetzes, also auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, eine den Einzelfall regelnde, hoheitliche Maßnahme mit unmittelbarer Außenwirkung getroffen.
Aufgrund dessen hätte das Gewerbeaufsichtsamt der Klägerin gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG die Gelegenheit geben müssen, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. In der Filialbesichtigung am 6. Mai 2015 ist keine - mündliche - Anhörung zu sehen, weil diese wirksam nur gegenüber einer weisungsberechtigten Leitungsperson hätte erfolgen können.
Etwaige Ausnahmen von der grundsätzlichen Pflicht zur Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 2 oder 3 BayVwVfG greifen im vorliegenden Fall erkennbar nicht ein.
Unter Berücksichtigung der in diesem Zusammenhang jüngst ergangenen Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH, B.v.15.9.2016 - 20 ZB 16.587 - juris) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 17.12.2015 - 7 C 5/14 - juris) ist für den vorliegenden Fall jedoch von einer wirksamen Nachholung der Anhörung im Rahmen des Gerichtsverfahrens gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG auszugehen.
Voraussetzung für eine Heilung ist nach Auffassung beider Gerichte, dass die Anhörung nicht nur nachträglich durchgeführt wird, was gemäß Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich ist, sondern dass auch die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess uneingeschränkt nachgeholt wird. Die Behörde darf sich demnach nicht darauf beschränken, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen. Vielmehr muss sie das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nehmen, ihre Entscheidung kritisch zu überdenken (BVerwG, aaO, Rn. 17).
Die Anhörung hat zuvorderst - als notwendige Folge des Rechtsstaatsprinzips - den Zweck, dem Betroffenen im Bereich der Eingriffsverwaltung rechtliches Gehör zu verschaffen, um Überraschungsentscheidungen zu verhindern und ihn auf diese Weise nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns zu degradieren (vgl. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 28 VwVfG, Rn. 1-8, beck-online).
Dem Bürger muss daher die Möglichkeit gegeben werden, auf die angekündigte Entscheidung der Behörde noch Einfluss nehmen zu können bzw. schlicht zu wissen, welche Maßnahme auf ihn zukommt.
Die Anhörung ist aber zugleich ein Mittel der Sachverhaltsaufklärung (Kallerhoff, aaO), wodurch die Behörde belegen kann, das ihr zustehende Ermessen erkannt und ausgeübt zu haben. Ob die Ermessensentscheidung als solche fehlerfrei war, spielt aber maßgeblich erst bei der Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung eine Rolle.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Beschluss vom 26. November 2011 (22 CS 11.1989) ebenfalls über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung gemäß § 17 Abs. 4 ArbZG zu entscheiden. Das Gewerbeaufsichtsamt hatte in dem dort zugrundeliegenden Fall einen Aktenvermerk über die Betriebsbesichtigung gefertigt und diesen im Klageverfahren vorgelegt, was nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu einer Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geführt hat:
„Denn die Antragstellerin hatte Gelegenheit, sich zu dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 27. Juni 2011 über die Feststellungen der Heimbesichtigung vom 29. März 2011 zu äußern.“
Weiter heißt es:
„Der Aktenvermerk enthält alle Tatsachen, die den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nach Ansicht des Gewerbeaufsichtsamts rechtfertigen sollen. Eine gegenüber dem Aktenvermerk vom 27. Juni 2011 detailliertere Schilderung der vom Gewerbeaufsichtsamt beanstandeten Mängel und Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz war nicht notwendig, um der Antragstellerin eine Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu ermöglichen. Ob die im Aktenvermerk festgehaltenen Tatsachen zutreffen und ob sie den Erlass des angefochtenen Bescheids rechtfertigen können, ist keine verfahrensrechtliche, sondern eine materiellrechtliche Frage.“
Ausgangspunkt für den streitgegenständlichen Bescheid war im vorliegenden Verfahren eine am 6. Mai 2015 - unstreitig - durchgeführte Betriebsbesichtigung mehrerer Filialen der Klägerin durch einen Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes.
Im angefochtenen Bescheid ist zwar zunächst nur davon die Rede, dass im Rahmen „der Überprüfung der Arbeitszeitnachweise Ihrer Mitarbeiter in v.g. Filialen am 6. Mai 2015 (…) bei Stichproben Verstöße gegen die Bestimmungen des § 4 Arbeitszeitgesetz festgestellt“ worden seien. Zudem hat das Gewerbeaufsichtsamt bis zum Tage der heutigen Entscheidung keine Aufzeichnungen des Gewerbeaufsichtsbeamten über die am 6. Mai 2016 durchgeführten Betriebsbesichtigungen vorgelegt.
Allerdings hat das Gewerbeaufsichtsamt in seinen Schriftsätzen an das Verwaltungsgericht vom 19. Juni 2015, vom 13. Juli 2015, vom 21. März 2016 und zuletzt vom 19. April 2016 zu den bei der Betriebsbesichtigung gewonnenen Erkenntnissen bzw. den Tatsachen, die den streitgegenständlichen Bescheid veranlasst haben, Stellung genommen.
Im Schriftsatz vom 21. März 2016 hat die Behörde - erstmals - ihre Erkenntnisse aus der Betriebsbesichtigung in zwei Filialen der Klägerin detailliert erläutert und klargestellt, von welchen Tatsachen sie bei Erlass des Bescheides ausgegangen ist, so dass die Funktion der Anhörung im vorliegenden Verfahren uneingeschränkt nachgeholt wurde: Denn die Klägerin hatte ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme und hat diese durch die Schriftsätze vom 29. März 2016 und vom 14. April 2016 genutzt. Das Gewerbeaufsichtsamt wiederum ist mit Schriftsatz vom 19. April 2016 auf das Vorbringen der Klägerin - im Einzelnen - eingegangen und hat damit zu erkennen gegeben, sich kritisch mit der eigenen Entscheidung auseinanderzusetzen. Dass das Gewerbeaufsichtsamt letztlich bei seiner Rechtsmeinung geblieben ist, steht einer Heilung nicht entgegen.
Hinsichtlich der zweiten Filiale in …, welche durch den Bescheid betroffen ist, wurden bis zum Erlass der heutigen Entscheidung zwar keine näheren Angaben gemacht. Das schadet jedoch im Hinblick auf die wirksame Nachholung der Anhörung nicht, weil die Frage, ob die der Anhörung zugrunde gelegten Tatsachen den Bescheid rechtfertigen, ein Problem des materiellen Rechts darstellt (so BayVGH, aaO).
1.3.2 Mit dem Anhörungsmangel korrespondiert die fehlende bzw. nicht ausreichende Begründung der die Anordnung tragenden Ermessenserwägungen. Gemäß Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Satz 2 ordnet darüber hinaus an, dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind. Gemäß Satz 3 soll die Behörde „auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist“. Ob der streitgegenständliche Bescheid diese Anforderungen erfüllt, kann dahinstehen, weil ein etwaiger Begründungsmangel jedenfalls durch die Ausführungen des Gewerbeaufsichtsamtes im gerichtlichen Verfahren wirksam geheilt worden ist, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG.
2. Der angefochtene Bescheid erweist darüber hinaus auch in materieller Hinsicht als rechtmäßig.
Denn die Tatbestandsvoraussetzungen für das auf § 17 Abs. 4 ArbZG beruhende Auskunftsverlangen lagen im maßgeblichen Zeitpunkt vor (2.1). Die Anordnung beruht zudem auf einer fehlerfreien Ermessensausübung (2.2).
2.1 Wie die 4. Kammer in ihrem Beschluss vom 30. Juli 2015 zum Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 4 S. 15.00906 bereits klargestellt hat, kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 ArbZG im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nachweislich vorlagen. Dies ist nach Auffassung der im Hauptsacheverfahren erkennenden Kammer der Fall.
2.1.1 Ein berechtigtes Auskunftsverlangen ist (OVG Berlin, U.v. 18.3.1982, OVG 2 B 24.79, GewArch 1982/8, 279f.) abzugrenzen zur - unzulässigen - allgemeinen Ausforschung durch die Aufsichtsbehörde. In dem Fall, den das OVG Berlin zu entscheiden hatte, ging es um ein auf § 52 Abs. 2 BImSchG gestütztes Auskunftsverlangen. Die Behörde forderte von einem Bauunternehmer eine Auflistung des gesamten Baumaschinenbestandes, obwohl zur Sicherstellung der Aufgabenerfüllung eine Auflistung bestimmter (nicht ausreichend schallgedämpfter) Maschinen ausgereicht hätte. Das darüber hinausgehende Auskunftsverlangen wertete das OVG Berlin als unzulässige, allgemeine Ausforschung.
Daraus ergibt sich nach Auffassung der im Hauptsacheverfahren erkennenden Kammer für das vorliegende Verfahren jedoch nur, dass der in § 1 ArbZG umschriebene Zweck des Arbeitszeitgesetzes sowie die in § 17 Abs. 1 ArbZG genannten Aufgaben der Aufsichtsbehörde bei der Auslegung dessen, was zulässigerweise an Auskünften verlangt werden darf, zu berücksichtigen sind: Gemäß § 1 Nr. 1 ArbZG geht es unter anderem darum, „die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten“. Korrespondierend dazu weist § 17 Abs. 1 ArbZG den Aufsichtsbehörden die Aufgabe zu, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu überwachen.
In diesem Kontext ist die Reichweite der Befugnisnorm des § 17 Abs. 4 ArbZG auszulegen und die allgemeine, d.h. über den Zweck des ArbZG hinausgehende, Ausforschung als unzulässig anzusehen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes: Aufgrund von § 17 Abs. 4 Satz 1 ArbZG können nur diejenigen Auskünfte verlangt werden, die für die Durchführung des ArbZG erforderlich sind.
Bei den vom Gewerbeaufsichtsamt angeordneten Nachweisen und Auskünften geht es durchweg um Informationen, die einen Rückschluss auf die Einhaltung der §§ 3 und 4 ArbZG geben sollen und können. Fraglich ist allein, ob eine gewisse und - wenn ja - welche Eingriffsschwelle im Rahmen von § 17 Abs. 4 ArbZG zu überwinden ist.
2.1.2 Die Kammer hält insoweit an der schon im Rahmen des Beschlusses zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geäußerten Auffassung fest, dass eine anlasslose Befugnis, d.h. ohne Darlegung der Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte, nicht auf § 17 Abs. 4 ArbZG gestützt werden kann. Dies ergibt sich zum einen schon aus dem Wortlaut der Befugnisnorm („erforderliche Auskünfte“) und zum anderen aus dem Kontext und aus der Funktion der Vorschrift. Denn bei § 17 Abs. 4 ArbZG handelt es sich um eine sicherheitsrechtliche und grundrechtsbeschränkende Ermächtigungsgrundlage, auf die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden ist, so dass jeder darauf gestützte Eingriff geeignet, erforderlich und angemessen sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein muss.
Ergänzend wird auf die Ausführungen der 4. Kammer im o.g. Beschluss vom 30. Juli 2015 Bezug genommen.
Zusätzlich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber durchaus unterschiedlich formuliert, wenn er eine anlasslose, verdachtsunabhängige Kontrolle im Sinne eines Nachweises, dass kein Rechtsverstoß vorliegt, ermöglichen will. So haben sich die Kontrolleure im Rahmen der Lebensmittelüberwachung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) „durch regelmäßige Überprüfungen und Probennahmen davon zu überzeugen, dass die Vorschriften eingehalten werden“. Hier besteht weder ein Ermessen der Aufsichtsbehörde, noch sind die regelmäßigen Überprüfungen und Probenentnahmen vom Bestehen eines konkreten Verdachtes abhängig. Insoweit ist der Gesetzgeber offenkundig zu der Überzeugung gelangt, dass das betroffene Rechtsgut des Gesundheits- und Verbraucherschutzes nur durch anlasslose Kontrollen durchgesetzt werden kann.
So weit ist der Gesetzgeber jedoch im Rahmen der Überwachung des ArbZG gerade nicht gegangen, sondern er hat - im Hinblick auf die gegeneinander abzuwägenden betroffenen Rechtsgüter - das Auskunftsverlangen erkennbar unter den Vorbehalt der Erforderlichkeit gestellt.
2.1.3 Dass das angefochtene Auskunftsverlangen erforderlich war, weil die Betriebsbesichtigung durch einen Mitarbeiter des Beklagten Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Pausenregelung im Betrieb der Klägerin geliefert hat, steht nach Überzeugung der erkennenden Kammer fest. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht über den Wahrheitsgehalt der die Tatbestandsvoraussetzungen begründenden Informationen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Verfahren der richterlichen Prüfung, ob der Sachverhalt erwiesen ist, stellt die Beweiswürdigung dar (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Dawin VwGO § 108 Rn. 9-12).
Das Gewerbeaufsichtsamt hat durch seine Einlassungen im Schriftsatz vom 21. März 2016 schlüssig und substantiiert dargelegt, dass Anhaltspunkte für Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz durch die in den Filialen …, …, und …, …, durchgeführten Kontrollen und damit für eine Gefährdung der durch das ArbZG unter Schutz gestellten Gesundheit der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer bestanden haben.
Zwar wurde bis zum Tage der heutigen Entscheidung kein - im zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebsbesichtigung gefertigter - Aktenvermerk durch das Gewerbeaufsichtsamt vorgelegt.
Allerdings führt das Fehlen einer Akte, anders als der Klägervertreter meint, nicht - ohne weiteres - zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Maßnahme. Vielmehr bedürfte es eines Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition der Klägerin. Das Fehlen oder die Unvollständigkeit einer Akte kann allenfalls zu einer für die Behörde, die sich im Bereich der Eingriffsverwaltung auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen beruft und damit die Beweislast für deren Vorliegen trägt (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Dawin VwGO § 108 Rn. 102-104), nachteiligen Beweislastentscheidung des Gerichts führen. Eine solche kommt jedoch nur dann in Frage, wenn sich der Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren nach Ausschöpfung sämtlicher Aufklärungsmöglichkeiten nicht abschließend und zweifelsfrei klären ließe und deshalb im vorliegenden Fall nicht zur Überzeugung des Gerichts feststünde, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 ArbZG vorliegen.
Zulässiges Aufklärungs- und Beweismittel für das Gericht ist jedenfalls der Tatsachenvortrag der Beteiligten, der - nach dem einvernehmlichen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorliegend ausführlich und aus Sicht der Beteiligten erschöpfend erfolgte. Im Einzelnen gilt insoweit folgendes: Für die … Filiale am … wird von der Beklagtenseite vorgetragen, dass bei der Betriebsbesichtigung am 6. Mai 2015 zwei Mitarbeiterinnen anwesend gewesen seien, die nach den Feststellungen des Beklagten nicht gewusst hätten, wer, wann oder wie lange in die Pause gehen könne. Der Klägervertreter wandte diesbezüglich in seinem Schriftsatz vom 14. April 2016 ein, dass es eine Anweisung der Geschäftsleitung gebe, wonach die Mitarbeiter nach maximal sechs Stunden durchgehender Arbeitszeit eine Pause von 30 Minuten einzulegen hätten. Dafür sei bei Anwesenheit von zwei Mitarbeiterinnen ein zeitlicher Korridor um die Mittagszeit vorgesehen. Dieser sei zu Beginn der täglichen Arbeitszeit bekannt. Detailfestlegungen hätten die Filialleiterinnen zu treffen.
Der vom Gewerbeaufsichtsamt mitgeteilte Sachverhalt begründet nach Überzeugung des Gerichts trotz dieses Einwands hinreichend Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, weil den in der Filiale angetroffenen Mitarbeiterinnen eine Pausenregelung nach den - insoweit unbestrittenen - Feststellungen des Gewerbeaufsichtsbeamten nicht bekannt war. Der Klägervertreter stellte in seinem Schriftsatz an das Gericht vom 14. April 2016 diesbezüglich lediglich fest, dass es nach der Rechtsprechung ausreiche, wenn zu Beginn der täglichen Arbeitszeit ein zeitlicher Rahmen für die Ruhepausen festgelegt werde. Dies mag zwar zutreffend sein, hilft aber nicht darüber hinweg, dass ein solcher zeitlicher Rahmen den Mitarbeiterinnen für ihren Dienst am 6. Mai 2015 offenkundig nicht bekannt gewesen ist.
Der allgemeine Hinweis des Klägervertreters in seinen Schriftsätzen vom 29. März 2016 und vom 14. April 2016, dass nach einem derart langen Zeitraum eine Überprüfung der Richtigkeit der Feststellungen des Gewerbeaufsichtsbeamten nicht mehr möglich sei, erschüttert die Glaubhaftigkeit des Vortrages des Beklagten darüber hinaus nicht. Denn hinsichtlich der Pausenregelung am 6. Mai 2015 kommt es nicht auf die Kenntnis der Geschäftsführung an, sondern auf die der betroffenen Mitarbeiterinnen. Eine Zeugeneinvernahme der angetroffenen Mitarbeiterinnen wurde vom Klägervertreter nicht beantragt, drängte sich aber auch im Hinblick auf eine von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme nicht auf. Denn dem Gewerbeaufsichtsamt ist insoweit Recht zu geben, als ein Nachweis eines tatsächlichen Rechtsverstoßes im Rahmen von § 17 Abs. 4 ArbZG jedenfalls nicht geführt werden muss.
Die vom Beklagten geschilderte und von der Klägerin nicht bestrittene „Einmann“-Belegung in der … Filiale lässt ebenfalls den Schluss auf einen möglichen Gesetzesverstoß zu. Zwar hat die Klägerin im Schriftsatz vom 14. April 2016 insoweit eingewendet, dass die Arbeitnehmerin während der ihr zustehenden Pause den Laden entweder zuschließen oder die Geschäftsführung einer ebenfalls in dieser Filiale tätigen freiberuflichen Kosmetikerin überlassen dürfe. Dass eine im Einzelhandel beschäftigte Arbeitnehmerin im Rahmen ihres Arbeitsvertrages berechtigt sein soll, das von ihr zu betreuende und während der Öffnungszeiten offen zu haltende Geschäft abzuschließen, um eine ihr gesetzlich zustehende Pause wahrzunehmen, wurde von der Klägerin nicht belegt, z.B. durch Vorlage einer schriftlichen Anweisung oder durch ein sonstiges Beweisangebot. Auch die angeblich praktizierte Einbindung der freiberuflichen Kosmetikerin würde eine für den Einzelhandel ungewöhnliche Ausnahmeregelung darstellen, für die ebenfalls kein Beleg angeführt wurde. Insbesondere wurde nicht plausibel und substantiiert dargestellt, wie oft die Kosmetikerin überhaupt vor Ort war und diese Regelung auch mitgetragen hat. Ein Beweisangebot im Sinne einer Zeugeneinvernahme der ehemaligen Beschäftigten oder der freiberuflichen Kosmetikerin wurde darüber hinaus wiederum nicht gestellt und drängt sich auch an dieser Stelle nicht auf, so dass auch von Amts wegen keine weitere Beweisaufnahme angezeigt ist.
Hinzu kommt bei der Würdigung des Tatsachenvortrages hinsichtlich der … Filiale, dass es im Rahmen von § 17 Abs. 4 ArbZG ebenfalls nicht auf einen Nachweis, ob tatsächlich gegen das ArbZG verstoßen worden ist, ankommt. Ausreichend sind vielmehr Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 4 ArbZG. Ob tatsächlich ein - bußgeldbewehrter - Verstoß vorliegt oder ggf. weitergehende, beispielsweise auf § 17 Abs. 2 ArbZG gestützte Anordnungen zur Aufzeichnung der Lage der Pause erlassen werden müssten, kann erst nach Vorlage der entsprechenden Auskünfte festgestellt werden.
2.2 Die streitgegenständliche Anordnung entspricht nach Auffassung des erkennenden Gerichts pflichtgemäßer Ermessensausübung.
Gemäß § 17 Abs. 4 ArbZG kann die Aufsichtsbehörde vom Arbeitgeber die für die Durchführung dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlichen Auskünfte verlangen. Darüber hinaus kann die Behörde vom Arbeitgeber verlangen, die Arbeitszeitnachweise vorzulegen, § 17 Abs. 4 Satz 2 ArbZG.
Die Aufsichtsbehörde hat demnach ein Entschließungs- und Auswahlermessen. Ermessensentscheidungen sind jedoch durch das Verwaltungsgericht nur eingeschränkt überprüfbar. Insbesondere kommt keine Zweckmäßigkeitskontrolle in Betracht.
Gemäß § 114 Satz 1 VwGO überprüft das Gericht im Hinblick auf die behördliche Ermessensentscheidung nämlich nur, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung findet hingegen gerade nicht statt.
§ 114 Satz 2 VwGO berechtigt die Verwaltungsbehörde, ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Diese Vorschrift regelt jedoch allein, ob die nachträgliche Begründung der Ermessensentscheidung prozessrechtlich Berücksichtigung finden muss. Die (prozess-)rechtlichen Grenzen für das Nachschieben von Ermessenserwägungen sind jedenfalls dann überschritten, wenn das Ermessen überhaupt noch nicht ausgeübt oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 114 Rn. 50 m.w.N.).
Von einem Ermessensnichtgebrauch ist vorliegend jedoch nicht auszugehen, weil die Behörde das ihr zustehende Ermessen erkennbar ausgeübt hat. So hat das Gewerbeaufsichtsamt zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass der zugrundeliegende Sachverhalt ein Auskunftsverlangen zwingend nach sich ziehe. Vielmehr geht aus dem streitgegenständlichen Bescheid hervor, dass Ausgangspunkt für die Anordnung die Betriebsbesichtigung vom 6. Mai 2015 gewesen sei und dass das Gewerbeaufsichtsamt im Rahmen von § 17 Abs. 4 ArbZG „berechtigt“ sei, „erforderliche Auskünfte zu verlangen“.
Ein sonstiger Ermessensfehler ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.
Bei den im Rahmen der Betriebsbesichtigung gewonnenen, im Bescheid nicht näher erläuterten Erkenntnissen handelt es sich nicht um Ermessenserwägungen im Sinne einer Rechtsfolgenabwägung, sondern um die den Gefahrenverdacht begründenden Umstände auf Tatbestandsebene.
3. Das Auskunftsverlangen erweist sich zudem als verhältnismäßig.
Das Gewerbeaufsichtsamt hat insbesondere im Hinblick auf das von ihr verfolgte Ziel - die Überwachung der Pausenregelung in den Filialen der Klägerin - das erkennbar mildeste Mittel angewandt. Die Vorlage der Unterlagen, aus denen sich die Arbeitszeit und die Länge der Pausen ergeben, stellt letztlich die einzige Möglichkeit dar, die Einhaltung des § 4 ArbZG zu überprüfen.
Ob die Klägerin bestimmte Nachweise nicht zu führen braucht, wie z.B. den Nachweis gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG, lässt sich abschließend erst nach Vorlage der genannten und bei der Klägerin vorhandenen Unterlagen klären und begründet keine Bedenken, was die Rechtmäßigkeit der Anordnung angeht. Sollten nach der Prüfung weiterhin begründete Zweifel an der Einhaltung der Pausenregelung des § 4 ArbZG bestehen, könnte die Aufsichtsbehörde als weiteren Schritt die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Lage der Pausen aufgrund von § 17 Abs. 2 ArbZG verfügen (vgl. Anzinger/Koberski, aaO, § 16, Rn. 15).
Unschädlich ist, dass offenkundig nur zwei Filialen der Klägerin besichtigt wurden, der Bescheid sich jedoch auf drei Filialen bezieht. Insoweit ist nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen, dass die in den kontrollierten Filialen vorgefundene Handhabung der Pausenregelung, welche nach Erklärung des Klägervertreters von der Geschäftsleitung für sämtliche Filialen vorgegeben wird, einen Rückschluss auf den Umgang mit den Vorgaben des § 4 ArbZG in sämtlichen Filialen zulässt. Aus diesem Grund wäre das Gewerbeaufsichtsamt unter Umständen sogar befugt gewesen, auch für sämtliche Filialen der Klägerin eine entsprechende Anordnung zu erlassen.
Dass sich die Behörde, möglicherweise aus Gründen der Praktikabilität, auf drei Filialen beschränkt hat, entspricht somit ebenfalls dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Nach alledem erweist sich der Bescheid vom 8. Mai 2015 als rechtmäßig, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
25.01.2017
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Ansbach, Urteil vom 25.01.2017, Az. AN 4 K 15.00907 (REWIS RS 2017, 16695)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 16695
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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