Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2015, Az. VIII ZR 14/15

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8802

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 14/15
Verkündet am:

1. Juli 2015

Ermel,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
Bei einem einheitlichen [X.], das wegen überwiegender [X.] als Wohnraummietverhältnis anzusehen ist, braucht sich ein vom Vermieter geltend gemachter Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen.

[X.], Urteil vom 1. Juli 2015 -
VIII ZR 14/15 -
LG [X.] II

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2015
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Milger sowie
die Richter Dr.
Achilles, Dr.
[X.],
Dr.
Bünger
und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.]s [X.] II -
12. Zivilkammer -
vom 23. Dezember 2014 wird [X.].
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tra-gen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten mieteten
vom
Kläger mit Vertrag vom 1. September 1996 ein ehemals landwirtschaftliches Anwesen (geräumiges Bauernhaus mit Neben-räumen). Sie nutzen das Wohnhaus und die weiteren Nutzflächen vertragsge-mäß
teils zu Wohnzwecken und teils gewerblich für ein Ladengeschäft zur Raumausstattung.
Der
Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. April 2012 wegen Eigenbedarfs, den er
mit dem Wunsch begründete,
seiner
28-jährigen Tochter und der 7-jährigen Enkelin, die beide noch in seinem
Haushalt lebten, eine eigene
Wohnung zur Verfügung zu stellen.
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Das Amtsgericht hat die Räumungsklage abgewiesen, das [X.] hat ihr unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die
Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Das einheitliche Mietverhältnis sei insgesamt als Mietverhältnis über Wohnraum einzuordnen, weil der Schwerpunkt bei der Nutzung des [X.] liege.
Der
Kläger habe
den geltend gemachten Eigenbedarf auch nach-gewiesen. Der Kündigung des einheitlichen Mietverhältnisses wegen [X.] stehe es
nicht entgegen, dass die [X.] nur die [X.] nutzen wollten und ein Bedarf bezüglich der gewerblich genutzten [X.] nicht bestehe. Auf die gewerblich genutzten Flächen könne insoweit nicht abgestellt werden, auch nicht bei der Beurteilung eines etwaigen "übermäßigen Bedarfs", denn das würde zu einer faktischen und mit der Eigentumsgarantie des Artikel 14 GG nicht vereinbaren Unmöglichkeit einer Eigenbedarfskündi-gung bei einem als Wohnraummiete zu qualifizierenden [X.] führen.
Die von den Beklagten angeführten
Entscheidungen des [X.] vom 19. Oktober 1993 (1 BvR
25/93 und 1 BvR 162/92) rechtfer-3
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tigten keine andere Beurteilung, denn dort sei lediglich ausgeführt, dass eine Beschränkung der Eigenbedarfskündigung auf die Fälle, in denen die ganze Wohnung benötigt werde, nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verstoße; hier benötige der
Kläger aber gerade sämtliche Wohnräume für seine
Tochter und die
Enkelin. Da die Beklagten die streitigen Räume nur mit zwei Personen be-wohnten, könnten sie dem
Kläger, der
die Wohnung seiner
Tochter und der [X.] zur Verfügung stellen wolle, ohnehin nicht entgegenhalten, dieser
bean-spruche einen "übermäßigen Bedarf".

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
Dem
Kläger steht gemäß § 546 BGB ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe des den Beklagten vermieteten Anwesens zu, weil die von ihm
mit Schreiben vom 15. April 2012
erklärte Eigenbedarfskündigung
gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB
begründet ist
und somit das Mietverhältnis zwischen den [X.] beendet hat.
a) Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Vermieter ein berechtigtes In-teresse an der Beendigung eines Mietverhältnisses, wenn er die Räume als Wohnung für sich oder einen Angehörigen benötigt. Diese Voraussetzung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfüllt, wenn der Wunsch des Vermieters, die Wohnung einem Angehörigen zur Verfügung zu stellen, auf vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen beruht (Senatsbeschluss [Rechtsent-scheid]
vom 20. Januar 1988 -
VIII ARZ 4/87, [X.]Z 103, 91, 100; Senatsurteil vom 4. März
2015 -
VIII ZR
166/14, NJW 2015, 1590 Rn. 14 f., zur Veröffentli-7
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chung in [X.]Z bestimmt). Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Wunsch des
[X.], die von den Beklagten bewohnten Räume seiner
bisher noch im [X.] untergebrachten Tochter und deren Kind
zwecks Begründung eines eigenen Hausstandes zur Verfügung zu stellen, die-se Voraussetzung erfüllt.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ist es unerheblich, dass die Tochter des [X.] lediglich die Wohnräume nutzen will und keinen Bedarf an einer Nutzung der übrigen, von den Beklagten für ihr Ladengeschäft benutzten Räume hat.
Denn bei einem [X.], das nach den unangegriffe-nen Feststellungen der Vorinstanzen insgesamt als Wohnraummietverhältnis einzustufen ist, braucht sich, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, der Eigenbedarf nur auf die Wohnräume zu beziehen.
Zwar ist auch ein solches Mietverhältnis nur in seiner Gesamtheit nach den [X.] kündbar (Senatsurteil vom 12.
Oktober 2011 -
VIII ZR 251/10, NJW 2012, 224 Rn. 11). Das besagt aber nicht, dass ein nach § 573 Abs. 1 BGB für die Kündigung erforderliches berech-tigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses, ins-besondere ein Eigenbedarf im Sinne von Absatz 2, sich auch auf die gewerblich genutzten Räumlichkeiten beziehen muss. Denn der mit dieser
Vorschrift auf den Mieter von Wohnraum zugeschnittene Schutz schließt eine in das Mietver-hältnis mit aufgenommene gewerbliche Nutzung der Mietsache nicht ein. Bei gewerblich oder geschäftlich genutzten Räumen hängt die Befugnis des [X.]
zur ordentlichen Kündigung gerade nicht vom Vorliegen eines berech-tigten Interesses (§ 573 Abs. 1 BGB) ab.

Die von der Revision vertretene Auffassung, der Eigenbedarf des [X.] müsse sich auch auf untergeordnete gewerblich genutzte Räume er-10
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strecken, würde -
wie auch das Berufungsgericht richtig gesehen hat -
dazu führen, dass der Vermieter zwar berechtigterweise Eigenbedarf an den zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten geltend machen könnte, damit aber gleichwohl regelmäßig scheitern müsste, weil er oder der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannte Personenkreis für sich keine Möglichkeiten zu einer (sinnvollen) gewerblichen Nachnutzung sieht und damit keinen entsprechenden gewerbli-chen [X.] geltend machen kann.
Es besteht kein Anlass, das für Wohnraum zu Gunsten des Mieters eingerichtete hohe Schutzniveau [X.] auf die nicht vergleichbar schutzwürdigen Teile des [X.] in gewerblicher Nutzung zu erstrecken und damit für [X.]se eine Eigenbedarfskündigung im praktischen Ergebnis weitgehend auszuschlie-ßen.
c) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Eigenbedarfskündigung des
[X.]
nicht der Einwand des Rechts-missbrauchs unter dem Gesichtspunkt eines "weit überhöhten"
Bedarfs entge-gensteht. Zutreffend hat das Berufungsgericht dabei darauf abgestellt, dass die Beklagten diesen Einwand -
unabhängig davon, wie groß die zu Wohnzwecken

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genutzten Flächen des Mietobjekts sind -
schon deshalb nicht mit Erfolg erhe-ben können, weil sie die
Räume
ebenfalls nur mit zwei Personen bewohnen.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. [X.]

Dr. Bünger
Kosziol

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.05.2014 -
1 [X.] -

LG [X.] II, Entscheidung vom 23.12.2014 -
12 S 2645/14 -

Meta

VIII ZR 14/15

01.07.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2015, Az. VIII ZR 14/15 (REWIS RS 2015, 8802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8802

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VIII ZR 14/15

VIII ZR 251/10

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