Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2020, Az. AK 12/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11520

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:090620BAK12.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 12/20

vom
9. Juni 2020
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen [X.] u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der Beschuldig-ten und ihres Verteidigers am 9.
Juni 2020 gemäß §§
121, 122 StPO beschlos-sen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem [X.]punkt wird die Haftprüfung dem nach allge-meinen Grundsätzen zuständigen [X.] übertragen.

Gründe:
I.
Die Beschuldigte wurde am 15.
November 2019 festgenommen und be-findet sich seit dem 16.
November 2019 in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag (2
BGs
917/19). Gegenstand des Haftbefehls sind folgende Vorwürfe:
Die Beschuldigte habe sich von Anfang
2015 bis Anfang 2019 in [X.] und im [X.] durch drei rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "[X.]" ([X.]) und damit an einer außereuropäischen terroristischen [X.] beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB), Totschlag (§
212 StGB), Verbrechen gegen 1
2
-
3
-
die Menschlichkeit (§
7 [X.]) oder Kriegsverbrechen (§§
8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen; in einem dieser Fälle
(Fall
2) habe die Beschuldigte tat-einheitlich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaf-fenkontrollgesetz beruht habe; in einem weiteren dieser Fälle
(Fall
3) habe sie sich durch dieselbe Handlung im Zusammenhang mit einem [X.] Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, angeeignet (§
9 Abs.
1
[X.], §
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2, §§
52, 53 StGB, §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst.
a KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil
B Nr.
29 Buchst.
c der Anlage zu §
1 Abs.
1 KrWaffKontrG).
II.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und de-ren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.
1.
Die Beschuldigte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend ver-dächtig.
a)
Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
[X.])
Der [X.] ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islami-scher Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des [X.] und die historische Region "ash-Sham" -
die heutigen St[X.]ten [X.], [X.] und [X.] sowie Palästina
-
umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesst[X.]t" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] 3
4
5
6
-
4
-
Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fort-gesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen [X.], als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Ein-schüchterung durch Gewaltakte sieht der [X.] als legitimes
Mittel des Kampfes an.
Die Führung der [X.], die sich mit dem Ausrufen des "Kalifats" im Juni 2014 von "[X.] im [X.] und in Großsyrien" ([X.]IG/[X.]) in [X.] umbenannte, hatte seit 2010 bis zu seinem Tod im Oktober 2019 der "Emir" [X.] inne. [X.] war von seinem Sprecher zum "Kali-fen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "[X.]". Veröffent-lichungen werden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "al--Kanal und ein [X.] nutzt. Das auch von Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] besteht aus dem "Prophetensiegel" (einem weißen Oval mit der Inschrift: "Allah -
Rasul -
Muhammad") auf schwarzem Grund, ergänzt um das [X.] Glaubensbekenntnis. Die zur Tatzeit mehreren Tausend Kämpfer waren dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.
Die [X.] teilte die von ihr besetzten Gebiete in [X.] ein und richtete einen [X.] ein; diese Maßnahmen zielten auf das Schaffen totalitärer st[X.]tlicher Strukturen. Angehörige der [X.] [X.], aber auch von in Gegnerschaft zum [X.] stehenden Oppositionsgruppen, auslän-dische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie 7
8
-
5
-
Zivilisten, die den Herrschaftsbereich des [X.] in Frage stellten, sahen sich [X.], Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlichte der [X.] Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen. Darüber hinaus beging
die [X.] immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb ihres Machtbereichs Terroranschläge. So hat sie etwa für Anschläge in [X.], [X.] und [X.] die [X.] übernommen.
Im [X.] gelang es dem [X.] im [X.], etwa ein Drittel des St[X.]tsterrito-riums zu besetzen. Am 10.
Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die [X.] [X.], die bis zu der Offensive der von [X.] unterstützten iraki-schen [X.] Ende 2016 der zentrale Ort seiner [X.] [X.] war. Seit Januar 2015 wurde die [X.] schrittweise zurückgeschlagen. So begann am 16.
Oktober 2016 die Rückeroberung von [X.], die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27.
August 2017 wurde der [X.] aus seiner letzten nord-irakischen Hochburg in [X.] verdrängt. Heute hat der [X.] sein ehemaliges Herrschaftsgebiet in [X.] und im [X.] verloren.
bb)
Die Beschuldigte ist Anhängerin einer salafistischen Auslegung des Islam. Sie radikalisierte sich spätestens im [X.] und entschied sich dazu, von [X.] nach [X.] auszureisen, um sich dort dem [X.] anzuschließen und am Aufbau eines [X.]n St[X.]tes nach seinen Regeln mitzuwirken. Zu diesem Zweck flog sie Anfang Dezember 2014 im Alter von 16
Jahren unter konspirativen Umständen mit der gesondert verfolgten

S.

von
F.

nach A.

, [X.]. Von dort ließen sich die Frauen von Schleusern
über die [X.] in ein "Frauenhaus" des [X.] in [X.] bringen.
Hier schloss sich die Beschuldigte im Einvernehmen mit den verantwort-lich Handelnden dem [X.] an. Im "Frauenhaus", wo sie etwa zwei Monate ver-9
10
11
-
6
-
blieb und welches sie in dieser [X.] nicht verlassen durfte, unterwarf sie sich den Regeln der [X.]-Leiterin und der [X.]-Wächter. Dem entsprach es, dass sie ihren Pass und ihr Mobiltelefon abgeben musste und sich für die Hochzeit mit einem [X.]-Kämpfer zur Verfügung stellte. Durch Vermittlung des [X.] heiratete sie Anfang des Jahres 2015 nach [X.]m Ritus den ihr vorher unbekannten, gesondert verfolgten

E.

. Jener war bereits im Laufe des Jahres
2013 als Mitglied der sog.

von [X.] zum [X.] nach
[X.] ausgereist. Er hatte im [X.] als Angehöriger einer tschetscheni-schen Einheit für die Organisation gekämpft und
war in einem Propagandavideo des [X.] aufgetreten.
Die Beschuldigte führte nach der Hochzeit den Namen "

". Sie lebte mehrere Jahre mit E.

zusammen, folgte ihm zu sei-
nen jeweiligen Einsatzorten, befürwortete seine Kampfhandlungen und unter-stützte ihn, indem sie -
wie im [X.] für die Ehefrau eines Kämpfers
vorgesehen
-
den Haushalt führte und ihn versorgte. Nachdem er im Einsatz stark verwundet worden war, pflegte sie ihn.
Der [X.] alimentierte die Eheleute mit monatlich
wenigstens 100
US-Dollar. Ein Teil dieser Summe war ein offizieller Vergütungsanteil für die Ehefrau und diente explizit dem Unterhalt der Beschuldigten.
In den jeweiligen Kriegsgebieten wohnte das P[X.]r in vom [X.] zugewiese-nen Unterkünften. Darunter befand sich im [X.]raum 2015/2016 ein Haus in [X.] ([X.]), das zuvor von Angehörigen der einheimischen Bevölkerung [X.] und vom [X.] besetzt worden war, nachdem man die rechtmäßigen Inha-ber vertrieben, inhaftiert oder getötet hatte. Die Einrichtungsgegenstände im Haus stammten ebenfalls aus Kriegsbeute. Der Beschuldigten waren die [X.] Umstände bewusst und sie nahm diese jedenfalls billigend in Kauf.
12
13
14
-
7
-
Zumindest während ihres mehrere Monate umfassenden Aufenthalts in [X.] verfügte die Beschuldigte über ein vollautomatisches, geladenes Sturmgewehr vom Typ "[X.]", welches sie zu Verteidigungszwecken mit sich führte, wenn sie das Haus verließ.
In der Folgezeit zog die Beschuldigte innerhalb [X.]s weiter zwischen verschiedenen Hochburgen des [X.] um. Zunächst begab sie sich nach [X.], wo sich [X.] an den Kämpfen um die umzingelte Stadt beteiligte, dann nach [X.]. Im November 2017 lebte sie gemeinsam mit E.

in Hajin.
Nachdem sie sich über vier Jahre durchgehend im Herrschaftsgebiet des [X.] aufgehalten hatte, wurde sie Anfang 2019 von kurdischen Kräften in [X.] genommen und ins Camp "

" verbracht.
b)
Der dringende Tatverdacht stützt sich hinsichtlich der außereuropäi-schen terroristischen [X.] [X.] unter anderem auf Sachverständigengut-achten, Auswertevermerke des [X.] und Behördenerklärungen des [X.].
Im Hinblick auf die der Beschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht aus einer Vielzahl von Beweismitteln.
Die Beschuldigte hat sich in ihrer Vernehmung durch den Ermittlungs-richter des [X.] nicht zu den Tatvorwürfen eingelassen, aber bei verschiedenen anderen Gelegenheiten zur Sache geäußert. Anlässlich einer Befragung in der [X.] Botschaft in [X.] am 15.
November 2019 (vgl. zur Verwertbarkeit [X.], Beschluss vom 14.
September 2010 -
3
StR
573/09, [X.]St 55, 314 Rn.
7
ff.) hat sie die äußeren Umstände ihres langjährigen [X.] im Herrschaftsgebiet des [X.], ihrer Hochzeit mit E.

, ihrer zahlrei-
chen Umzüge und der monatlichen Entlohnung durch den [X.] eingeräumt. Auf 15
16
17
18
19
-
8
-
dem Rückführungsflug aus der [X.] hat sie den [X.] Ermittlern berich-tet, dass sie in den Kriegsgebieten in Häusern gewohnt und ständige
Bom-bardierungen erlebt habe. Der [X.] durch die [X.]-Opposition sei zuletzt so stark gewesen, dass sie sich den kurdischen Kräften ergeben habe. Am 19.
Februar 2020 hat sie als Zeugin in dem Ermittlungsverfahren gegen

S.

die gesamten Umstände ihrer Ausreise nach [X.] und ihres
Aufenthalts im [X.]-"Frauenhaus" geschildert.
Der Verdacht bezüglich des Wohnens in einem besetzten Haus in [X.] und des dortigen Führens einer "[X.]" folgt maßgeblich aus den Angaben der gesondert verfolgten und u.a. wegen Mitgliedschaft in einer aus-ländischen terroristischen [X.] am 5.
Juli 2019 rechtskräftig vom [X.] verurteilten

Sc.

. Diese Zeugin lebte selbst
im Laufe des Jahres 2015 beim [X.]
in [X.] und war mit [X.]" verhei-ratet. Sie hat ausgesagt, dass sie sich vor Ort regelmäßig mit gleichgesinnten Frauen getroffen habe, auch mit der Beschuldigten. Jene habe in der Öffent-lichkeit, wie alle [X.]-Angehörigen, stets eine geladene "[X.]" mit sich geführt. [X.] der Beschuldigten, E.

, sei sehr stark vom [X.] überzeugt
gewesen und habe bereitwillig gekämpft. Die Beschuldigte habe die [X.] ebenfalls befürwortet und [X.] im Kampf für den [X.] bestärkt. Das P[X.]r habe in [X.] nacheinander in zwei von der [X.] zugewie-senen Häusern gewohnt. Es habe sich jeweils um Immobilien der vertriebenen Einheimischen gehandelt. Das zweite Haus sei komplett ausgestattet gewesen, wobei auch die Einrichtung aus Kriegsbeute bestanden habe. Dies alles sei je-dem [X.]-Angehörigen vor Ort bekannt gewesen, auch der Beschuldigten.
Im Übrigen folgt der dringende Tatverdacht aus den zahlreichen im Haft-befehl vom 16.
November 2019 auf den Seiten
9 bis 14 aufgeführten Beweis-20
21
-
9
-
mitteln sowie den seither erhobenen Beweisen, insbesondere zahlreichen Zeu-genvernehmungen und einer Behördenerklärung des Bundesnachrichtendiens-tes vom 7.
April 2020, auf die Bezug genommen wird.
c)
Danach hat sich die Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit in drei Fällen als Mitglied an einer terroristischen [X.] im Ausland beteiligt (§
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2, §
53 StGB), davon in einem Fall (Fall
2) in Tateinheit (§
52 StGB) mit einem Verstoß gegen §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst.
a KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil
B Nr.
29 Buchst.
c der An-lage zu §
1 Abs.
1 KrWaffKontrG und in einem weiteren Fall (Fall
3) in Tatein-heit mit einem Kriegsverbrechen gegen Eigentum (§
9 Abs.
1 [X.], §
52 StGB).
[X.])
Die Beschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am [X.] drin-gend verdächtig (§
129a Abs.
1 Nr.
1, §
129b Abs.
1 Sätze
1 und 2 StGB).
Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtspre-chung des [X.] maßgeblichen [X.]sbegriffs (s. dazu
etwa [X.], Urteile vom 20.
März 1963 -
3
StR
5/63, [X.]St 18, 296, 299
f.; vom 14.
August 2009 -
3
StR
552/08, [X.]St 54, 69 Rn.
123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des §
129 Abs.
2 i.V.m. §
129a Abs.
1 StGB in der seit dem 22.
Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. §
2 Abs.
1, 3 StGB). Nach beiden Varianten ist entscheidend, dass der Täter die [X.] von innen heraus und nicht von außen her fördert. Die Unterstützung muss von einem einheitlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am [X.] sein (st. Rspr.;
vgl. im Einzelnen etwa [X.], Beschlüsse vom 17.
Okto-ber 2019 -
AK
56/19, juris Rn. 27
f. [X.], und
StB
26/19, juris Rn.
21
f.).
22
23
24
-
10
-
Diese Voraussetzungen liegen bei der Beschuldigten mit hoher Wahr-scheinlichkeit vor. Sie reiste aus eigenem Antrieb nach [X.], um dort den [X.], mit dessen Handlungsweisen und Zielen sie sich identifizierte, im Kampf gegen die "[X.]" zu unterstützen und am Aufbau eines [X.]n St[X.]tes mitzuwirken. Mit ihrem Einzug in das von der [X.] geführte "Frauen-haus" im Dezember 2014 gliederte sie sich in die Organisation ein und [X.] sich freiwillig deren Regeln. Die Beschuldigte stellte sich als Braut für
einen beliebigen [X.]-Kämpfer zur Verfügung, heiratete einen solchen nach ent-sprechender Vermittlung durch die [X.] und erfüllte fortan über mehrere Jahre die ihr von der Organisation zugedachte Rolle als dessen Ehefrau in
einem islamistischen Gemeinwesen, indem sie ihm den Haushalt führte und ihn moralisch im Kampf bestärkte.
Sie lebte mit [X.] ausschließlich in Städ-ten, die der [X.] kontrollierte, zeigte sich in der Öffentlichkeit mit einem Sturm-gewehr und nutzte Häuser und Einrichtungsgegenstände, die die [X.] von der Zivilbevölkerung erbeutet und dem P[X.]r zugewiesen hatte. Während der gesamten [X.] wurde sie von der Organisation alimentiert. Dies alles belegt, dass die Beschuldigte einvernehmlich in den [X.] aufgenommen wurde.
Durch die ihr zur Last gelegten Handlungen förderte sie bewusst und gewollt die Ziele des [X.]. Die von der Organisation initiierte Heirat und fortwäh-rende Unterstützung eines [X.]-Kämpfers bestärkte diesen in seiner Kampfbereit-schaft und ging über ein bloßes Alltagsleben im "Kalifat" hinaus (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 22.
März 2018 -
StB
32/17, [X.], 206, 207). Die Inbesitznahme der erbeuteten Häuser und Einrichtungsgegenstände durch An-gehörige der [X.] diente dem Ziel, die Besetzung durch den [X.] zu festi-gen und eine Rückkehr der rechtmäßigen, zuvor vertriebenen Bewohner zu er-schweren
(vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Mai 2019 -
AK
22/19, [X.], 26 Rn.
27). Die öffentlich zur Schau gestellte Bewaffnung mit dem Sturmgewehr 25
26
-
11
-
war geeignet, Gegner des [X.] einzuschüchtern, und sie versetzte die Beschul-digte in die Lage, jene im Fall eines Angriffs jederzeit wirksam bekämpfen zu können.
bb)
Die Beschuldigte ist wegen der letztgenannten Handlung zudem dringend verdächtig, in einem Fall tateinheitlich
einen Verstoß gegen §
22a Abs.
1 Nr.
6 Buchst.
a KrWaffKontrG begangen zu haben. Das Sturmgewehr "[X.]" stellt eine Kriegswaffe im Sinne von Teil
B Nr.
29 Buchst.
c der Anlage zu §
1 Abs.
1 KrWaffKontrG dar.
cc)
Die Beschuldigte ist schließlich in einem weiteren Fall eines tatein-heitlichen Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach §
9 Abs.
1 Variante
3 [X.] dringend verdächtig. Gemeinschaftlich mit E.

,
§
2 [X.] in Verbindung mit §
25 Abs.
2 StGB, eignete sie sich im [X.] mit einem bewaffneten Konflikt ein mit Kriegsbeute eingerichtetes Haus an, das zuvor vertriebene, getötete oder inhaftierte [X.]er bewohnt hatten. Es handelte sich hierbei um eine Sache der gegnerischen Konfliktpartei, die der Gewalt der eigenen Partei, des [X.], unterlag; dieser ist im Verhältnis zur Zivil-bevölkerung der von ihm okkupierten Gebiete als Gegner anzusehen, erst recht im Verhältnis zum irakischen St[X.]t und dessen [X.]. Die Aneignung durch die Beschuldigte und [X.] hatte nicht nur einen erheblichen Umfang, son-dern sie war auch darauf angelegt, die Sache den rechtmäßigen Bewohnern dauerhaft zu entziehen. Schließlich stand die Inbesitznahme des Hauses mit dem bewaffneten Konflikt in dem für die Tatbestandsverwirklichung [X.] funktionalen Zusammenhang, war völkerrechtlich nicht gerechtfertigt
und auch nicht durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten
(s. zu alledem im Einzelnen [X.], Beschlüsse vom 4.
April 2019 -
AK
12/19, 27
28
-
12
-
NStZ-RR
2019, 229, 230
f.; vom 15.
Mai 2019
-
AK
22/19, NStZ
2020, 26 Rn.
29
f.).
dd)
Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt:
Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die zugleich den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen, stehen gemäß §
52 Abs.
1 Alternative
1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch -
soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt
-
sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen [X.] Beteiligungsakte in Tatmehrheit ([X.], Beschlüsse vom 9.
Juli 2015 -
3
StR
537/14, [X.]St
60, 308 Rn.
23
ff.; vom 17.
Oktober 2019
-
StB 26/19, juris Rn.
30
ff., und AK
56/19, juris Rn.
53).
Das Waffendelikt und das Kriegsverbrechen standen im Interesse des [X.]. Beide Delikte bilden deshalb jeweils eine Tateinheit, §
52 StGB, mit der [X.] Beteiligung, stellen aber untereinander eigenständige Taten im Sinne des §
53 StGB dar. Zu den daneben von der Beschuldigten verwirk-lichten, keinen weiteren Tatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen [X.], namentlich ihrer langjährigen Versorgung und moralischen Bekräf-tigung des [X.]-Kämpfers E.

, stehen sie ebenfalls in Tatmehrheit gemäß
§
53 StGB.
d)
[X.] Strafrecht ist nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen für die [X.] Beschuldigte jedenfalls gemäß §
7 Abs.
2 Nr.
1 StGB anwend-bar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des [X.] und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt. Auslieferungen von und nach [X.] finden derzeit nicht statt (vgl. näher [X.], Beschlüsse vom 29
30
31
32
-
13
-
6.
Oktober 2016 -
AK
52/16, juris Rn.
33
ff.; vom 5.
Juni 2019 -
AK
26/19, juris Rn.
17).
Im Hinblick auf das Kriegsverbrechen folgt die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts aus §
1 [X.].
e)
Die nach §
129b Abs.
1 Sätze
2 und 3 StGB
erforderliche Verfolgungs-ermächtigung hat das [X.] [X.] am 13.
Oktober 2015 erteilt.
2.
Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die
Beschuldigte -
sollte sie auf freien Fuß gelangen
-
dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.
Die Beschuldigte hat trotz ihres zum [X.]punkt der Ausreise jungen Alters im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Jugendstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmen-den Umstände entgegen. Die Beschuldigte verfügt in [X.] weder über einen festen Wohnsitz noch über eine Erwerbstätigkeit. Die Bindung zu ihrer Familie war bereits vor ihrer Ausreise nach [X.] so schwach, dass sie sie nicht davon abhalten konnte, sich unter Hinnahme erheblicher Gefahren in das Kampfgebiet nach [X.] zu begeben.
Dies hat sich seither nicht geändert und gilt auch mit Blick auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 29.
Mai 2020. Zwar ist darin zutreffend geschildert, dass die Eltern ihre Tochter in der Haft besucht haben. Bei einem überwachten Besuch am 19.
Dezember 2019 hat sich die Beschuldigte jedoch völlig teilnahmslos gezeigt. Nach nur fünf Minuten hatten sich Mutter und Tochter nichts mehr zu sagen und brachen den Besuch ab.
33
34
35
36
-
14
-
Darüber hinaus liegt der Haftgrund der [X.] vor. Die Be-schuldigte ist der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereini-gung dringend verdächtig. Daher
sind die Voraussetzungen des §
112 Abs.
3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift
erfüllt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22.
September 2016 -
AK
47/16, juris Rn.
26; vom 24.
Januar 2019 -
AK
57/18, juris Rn.
30
ff.).
Ob außerdem Verdunklungsgefahr
gemäß §
112 Abs.
2 Nr.
3 StPO be-steht, weil die Beschuldigte auf ihrem Rückführungsflug am 15.
November 2019 ihr Mobiltelefon zerstört hat, um es dem Zugriff durch die Ermittlungsbehörden zu entziehen, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des §
116 StPO sind nicht erfolgversprechend.
3.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§
121 Abs.
1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwie-rigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht [X.].
Nach der Auslieferung der Beschuldigten aus der [X.] am 15.
Novem-ber 2019 sind Erkenntnisse aus zahlreichen weiteren Verfahren gegen [X.]-Ausreisende anzufragen und zusammenzutragen gewesen. Insgesamt 13
Zeu-gen sind -
teils mehrfach
-
vernommen worden. Zu 53 weiteren Zeugen laufen Ermittlungen, wobei sich 37 von diesen in [X.] oder im [X.] befinden sollen, sofern sie noch am Leben sind. Sehr komplex gestaltet sich die Auswertung des von der Beschuldigten im Flugzeug zerstörten Mobiltelefons. Hierzu sind Ersatzteile im Nahen Osten gekauft und nach [X.] verbracht worden, mit deren Hilfe sich Spezialkräfte des [X.] einen Zugriff auf die 37
38
39
40
41
-
15
-
Daten erhoffen. Die [X.] Ermittlungsbehörden sind überdies dabei, die Mobiltelefone der Schwester und des Schwagers von

E.

, die beide
in [X.] leben, auszuwerten. Mit jenen stand die Beschuldigte während ihres Aufenthalts in [X.] und in der [X.] in Kontakt. Hierbei handelt es sich um umfangreiches Datenmaterial von
insgesamt 108,9
Gigabyte.
Nach alldem ist das Verfahren bislang mit der gebotenen Beschleuni-gung geführt worden.
4.
Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§
120 Abs.
1 Satz
1 StPO). Der [X.] geht aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstands davon aus, dass die Generalst[X.]tsanwalt-schaft Frankfurt am Main zügig Anklage gegen die Beschuldigte erheben kann. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass die genannten Mobiltelefone der Schwester und des Schwagers von

E.

bisher nicht vollständig ausgewertet
sind.
Schäfer
Gericke
Erbguth
42
43

Meta

AK 12/20

09.06.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2020, Az. AK 12/20 (REWIS RS 2020, 11520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11520

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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