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Verfahren bei nachlaßgerichtlicher Genehmigung eines von dem Nachlaßpfleger abgeschlossenen Grundstücksgeschäfts
L e i t s ä t z e
zum Beschluss des [X.] vom 18. Januar 2000
- 1 BvR 321/96 -
[X.]
- 1 BvR 321/96 -
der Frau F...
gegen a) | den Beschluss des
[X.] vom 29.
Dezember 1995 - 3 W 78/95 -, |
b) | den Beschluss des
[X.]s Lübeck vom 28. August 1995 - 3 [X.]
-, |
c) | den Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 3. April 1995 - 5 VI 1247/93 - |
hat das [X.] - Erster Senat - unter Mitwirkung des
Vizepräsidenten Papier,
des [X.]s Kühling,
der [X.]innen [X.],
[X.],
der [X.] Hömig,
[X.],
der [X.]in Hohmann-Dennhardt
und des [X.]s Hoffmann-Riem
am 18. Januar 2000 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen des rechtlichen Gehörs, des fairen Verfahrens und des effektiven Rechtsschutzes bei nachlassgerichtlicher Genehmigung eines von dem Nachlasspfleger abgeschlossenen Grundstücksgeschäfts.
Ist nach einem Erbfall die Person des Erben unbekannt, hat das Nachlassgericht gemäß § 1960 Abs. 1 BGB von Amts wegen für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht. Als Sicherungsmittel kommt unter anderem die Bestellung eines Nachlasspflegers in Betracht (§ 1960 Abs. 2 BGB). Bei der Nachlasspflegschaft handelt es sich um einen Unterfall der Personenpflegschaft, auf die sowohl in materiellrechtlicher (§ 1915 Abs. 1 BGB) als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht (§ 75 [X.]) die Vorschriften über die Vormundschaft zur Anwendung kommen, und zwar mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Vormundschaftsgerichts das Nachlassgericht tritt (§ 1962 BGB).
Für bestimmte Geschäfte, insbesondere für Grundstücksgeschäfte, bedarf der Nachlasspfleger der Genehmigung des Nachlassgerichts (§ 1915 Abs. 1, §§ 1821, 1822 BGB). Zuständig für die Erteilung einer solchen Genehmigung ist gemäß § 3 Nr. 2 Buchstabe [X.] grundsätzlich der Rechtspfleger.
Eine Verfügung, durch die die Genehmigung zu einem genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft erteilt oder verweigert worden ist, kann nach der Regelung der §§ 75, 55 [X.] von dem Nachlassgericht insoweit nicht mehr geändert werden, als die Genehmigung oder deren Verweigerung einem [X.] gegenüber wirksam geworden ist. Die Wirksamkeit der nachlassgerichtlichen Genehmigung eines von dem Nachlasspfleger bereits abgeschlossenen Geschäfts tritt ein, wenn dieser die Genehmigung dem Vertragspartner mitgeteilt hat (§ 1915 Abs. 1, § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Mitteilung kann durch einen Bevollmächtigten erfolgen und von einem Bevollmächtigten entgegengenommen werden. Auch eine so genannte Doppelbevollmächtigung derselben Person (etwa des Notars) zur Mitteilung der Genehmigung an den [X.]und zur gleichzeitigen Entgegennahme dieser Mitteilung wird allgemein für zulässig erachtet (vgl. [X.], in: Keidel/[X.]/[X.], Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1999, § 55 Rn. 15 m.w.[X.]).
§ 62 [X.] bestimmt, dass auch das Beschwerdegericht nicht berechtigt ist, eine nach § 55 [X.] unabänderbare Verfügung zu ändern. Gemäß § 63 [X.] gilt dasselbe für das Gericht der weiteren Beschwerde.
Der Zweck des Änderungsverbots der §§ 62, 63, 55 [X.] besteht nach der Rechtsprechung und dem Schrifttum darin, Rechtssicherheit zu schaffen und das Vertrauen Dritter zu schützen, die sich im Hinblick auf die ihnen mitgeteilte Genehmigung auf die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts verlassen haben (vgl. [X.] 1996, 90 <93>). Die einmal hergestellte Rechtslage soll geschützt werden (vgl. [X.], a.a.[X.], Rn. 10).
Die Beschwerdeführerin ist eine von mehreren Erben der 1993 verstorbenen Frau [X.] Zur Ermittlung der Erben sowie zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellte das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger. Im Zuge der weiteren Ermittlungen konnten dreizehn Miterben, darunter die Beschwerdeführerin, ausfindig gemacht werden. Unbekannt blieben lediglich die Miterben hinsichtlich eines Anteils von 1/20 des Nachlasses. Eine Aufhebung der [X.]erfolgte jedoch nicht. Am 27. September 1994 erteilte das Amtsgericht einen gemeinschaftlichen Teilerbschein, in dem die Erbanteile der bekannten Erben ausgewiesen wurden. Der Anteil der Beschwerdeführerin beträgt danach 1/8 des Nachlasses.
[X.] war ihrerseits - zusammen mit zwei weiteren Personen - Mitglied einer nicht auseinander gesetzten Erbengemeinschaft gewesen, der ein Wohn- und Geschäftshaus mit fünf Wohneinheiten und einem Ladengeschäft in zentraler Lage von [X.] gehörte. Der Anteil der Erblasserin an dieser Erbengemeinschaft (im Folgenden: [X.]er Erbengemeinschaft), der mit ihrem Tod in ihren Nachlass fiel, betrug 1/2, die Anteile der beiden anderen [X.]nen beliefen sich jeweils auf 1/4 des Nachlasses.
Seit 1993 betrieb eine der [X.]er [X.]nen die Auflösung der dortigen Erbengemeinschaft. Sie wollte das Eigentum an dem Hausgrundstück übernehmen und die übrigen Miterben auszahlen. Zur Bemessung der Abfindung legte sie ein von ihr in Auftrag gegebenes Wertgutachten vor, in dem der Verkehrswert des Grundstücks auf etwa 176.000 [X.]veranschlagt wurde. Unter Berücksichtigung bestehender Verbindlichkeiten in Höhe von rund 60.000 DM, mit denen das Grundstück belastet war, machte diese [X.]er [X.] dem für die Erben der Erblasserin [X.] handelnden Nachlasspfleger den Vorschlag, deren Anteil mit etwa 58.000 DM abzufinden. Der Nachlasspfleger ging auf dieses Angebot im Jahre 1995 ein, ohne vorher die bereits ermittelten Erben der Frau [X.] zu informieren. Die neben den Erben der Frau [X.] an der [X.]er Erbengemeinschaft beteiligten beiden anderen [X.]nen schlossen am 3. Februar 1995 vor einem [X.]er Notar einen entsprechenden Erbauseinandersetzungsvertrag, wobei eine [X.] außer für sich selbst auch in vollmachtloser Vertretung für den Nachlasspfleger handelte. Der beurkundende Notar wurde bevollmächtigt, die erforderlichen Genehmigungen einzuholen, den Vertragspartnern mitzuteilen und diese Mitteilung entgegenzunehmen. Der Nachlasspfleger genehmigte in notariell beglaubigter Form am 21. Februar 1995 die bei dem [X.] in seinem Namen abgegebenen Erklärungen.
Daraufhin beantragte der beurkundende Notar beim Amtsgericht die Erteilung der nachlassgerichtlichen Genehmigung des [X.] 1995. Der für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens zuständige Rechtspfleger erteilte mit - nicht begründetem - Beschluss vom 3. April 1995 die nachlassgerichtliche Genehmigung, ohne zuvor die Beschwerdeführerin und die sonstigen bekannten Erben der Frau [X.] zu beteiligen. Die Genehmigung wurde dem [X.]er Notar am 6. April 1995 vom [X.]zugesandt.
Die Beschwerdeführerin, die erst einige Wochen später von dem Grundstücksgeschäft erfuhr, legte beim Nachlassgericht "Einspruch" ein. Der Rechtspfleger teilte ihr daraufhin mit, der Erbauseinandersetzungsvertrag sei noch durch den Nachlasspfleger abgeschlossen worden, um den Gesamtnachlass zügig abzuwickeln. Bei der Vielzahl der im Ausland wohnenden Miterben wären bei deren Beteiligung erhebliche Notar- und Übersetzungskosten entstanden. Die Beschwerdeführerin hielt nach Beauftragung eines Rechtsanwalts und gewährter Akteneinsicht ihren "Einspruch" als Erinnerung und Beschwerde aufrecht und führte im Wesentlichen aus, dass die Erbauseinandersetzung nicht ohne ihre Zustimmung hätte erfolgen dürfen. Sowohl der Rechtspfleger als auch der [X.] halfen dem Rechtsmittel - jeweils ohne Begründung - nicht ab. Im Beschwerdeverfahren machte die Beschwerdeführerin vor allem geltend, dass sie nicht vor Vertragsschluss gehört worden sei und dem [X.]nicht zustimme. Im Verfahren der weiteren Beschwerde führte sie aus, dass der Nachlasspfleger seine Kompetenz überschritten habe und dass der tatsächliche Wert des Grundstücks weit über dem Schätzwert liege.
Das [X.] verwarf die Beschwerde als unzulässig. Die durch Beschluss vom 3. April 1995 erteilte nachlassgerichtliche Genehmigung sei gemäß §§ 75, 55 [X.] unanfechtbar. Die nach den §§ 1962, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Wirksamkeit der Genehmigung erforderliche Mitteilung an den Vertragspartner sei mit der Übersendung des Beschlusses an den bevollmächtigten Notar erfolgt. Eine so genannte Doppelbevollmächtigung liege vor und sei zulässig.
[X.] von der Beschwerdeführerin eingelegte weitere Beschwerde wies das [X.]zurück. Das [X.] habe zu Recht festgestellt, dass es als Beschwerdegericht gemäß § 62 [X.] an die nach § 55 [X.] unanfechtbar gewordene Genehmigung gebunden sei. Im vorliegenden Fall sei zwar nicht nachvollziehbar, warum bei dem Erbauseinandersetzungsvertrag vom 3. Februar 1995 ein Wert zugrunde gelegt worden sei, der für einen fast zwei Jahre zurückliegenden Stichtag von einem von der Erwerberin beauftragten Gutachter festgesetzt worden sei. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, warum nicht vor dieser teilweisen Auseinandersetzung die dem Nachlassgericht bereits bekannten Erben befragt worden seien. Das [X.]habe möglicherweise sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Dies habe aber nur zur Folge, dass es sich um eine nicht richtige Entscheidung handele, nicht aber um eine Entscheidung, die jeder gesetzlichen Grundlage entbehre und inhaltlich dem Gesetz fremd sei, die also an einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit leide.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Sie trägt dazu im Wesentlichen vor:
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege darin, dass das Nachlassgericht sie nicht vor der Veräußerung des Grundstücks angehört habe. Die Begründung des Nachlassgerichts, es wären in diesem Fall erhebliche Notar- und Übersetzungskosten angefallen, sei als Rechtfertigung nicht nachvollziehbar. Die bekannten Miterben seien sämtlich Deutsche, zumindest der [X.] vollständig mächtig.
Die Entscheidung verletze auch das Erbrecht der Beschwerdeführerin. Dieses Recht sei ihr durch die zwischen dem Nachlasspfleger und dem [X.]abgesprochene Veräußerung in einer "Nacht- und Nebelaktion" mindestens grob willkürlich, wenn nicht vorsätzlich rechtsstaatswidrig entzogen worden. Der Nachlasspfleger sei grundsätzlich nur zur ordnungsgemäßen Sicherung und Verwaltung, nicht zur Verwertung des Nachlasses berechtigt.
Entgegen der Auffassung des [X.]s und des [X.] sei die Gewähr eines rechtsstaatlichen Verfahrens missachtet worden. Die Beschwerdegerichte hätten die nachlassgerichtliche Genehmigung im Wege der so genannten außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit und leichtfertigen Umgangs mit grundrechtlich geschützten Positionen der Beschwerdeführerin aufheben müssen.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich das [X.] namens der Bundesregierung und das [X.] Oberste Landesgericht geäußert.
1. Das [X.] hat seine Stellungnahme auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 62, 55 [X.] beschränkt. Es hält die gesetzlichen Regelungen für verfassungsmäßig. Zwar führten sie dazu, dass nach Eintritt der Wirksamkeit der Genehmigung anhängige Rechtsmittel als unzulässig verworfen werden müssten. Die §§ 62, 55 [X.] dienten aber der Herstellung der Rechtssicherheit, insbesondere für den am Rechtsgeschäft beteiligten [X.]. Die Vorschriften zögen die verfahrensrechtliche Konsequenz aus der in § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB getroffenen materiellrechtlichen Regelung, der zufolge die den Vertragsparteien mitgeteilte Genehmigungsentscheidung den Schwebezustand zwischen Wirksamkeit und Unwirksamkeit des Vertrages beende. Zu diesem Zweck seien die §§ 62, 55 [X.] geeignet, erforderlich und auch angemessen. Die hart erscheinende Regelung werde dadurch abgeschwächt, dass die Betroffenen im Falle einer fehlerhaften Entscheidung des [X.] Amtshaftungsansprüche geltend machen könnten.
2. Das [X.] Oberste Landesgericht hält die gesetzliche Regelung der §§ 62, 55 [X.] gleichfalls aus Gründen der Rechtssicherheit für verfassungsmäßig. Es führt aus, dass nach seiner Rechtsprechung Rechtsmittel gegen eine nicht mehr änderbare Genehmigung zweck- und gegenstandslos würden und damit als unzulässig zu verwerfen seien. Eine Ausnahme gelte bei arglistigem Zusammenwirken von Pfleger und Vertragspartner sowie ganz allgemein in den Fällen der §§ 826, 242, 226 BGB. Diese Voraussetzungen könnten bei einer Doppelbevollmächtigung des Notars gegeben sein. Eine Doppelbevollmächtigung allein reiche aber für den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht aus. Erst wenn Rechtsanwendung und Verfahrensgestaltung unter keinem Aspekt mehr rechtlich vertretbar seien und sich der Schluss aufdränge, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruhe, sei für die Anwendung der Verfahrensvorschriften der §§ 62, 55 [X.] kein Raum mehr.
Die Verletzung des rechtlichen Gehörs genüge jedoch nicht, um den Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Genehmigung zu durchbrechen. Hinzukommen müsse, dass das Genehmigungsverfahren darüber hinaus so gewichtige Rechtsfehler aufweise, dass die an ein rechtsstaatliches Verfahren zu stellenden Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt seien.
Das [X.] hat am 19. März 1996 auf Antrag der Beschwerdeführerin eine einstweilige Anordnung erlassen, aufgrund derer die Eintragung der [X.]er Erbin ins Grundbuch verhindert wurde. Die einstweilige Anordnung ist seither mehrfach verlängert worden.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gewährleisteten Recht auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren.
1. Dieses Grundrecht, nicht [ref=[X.]-4540-a27d-8c660aa2ba8b]Art. 103 Abs. 1 [X.]], bildet den Prüfungsmaßstab, an dem die von dem Rechtspfleger ohne Anhörung der Beschwerdeführerin getroffene Entscheidung zu messen ist.
Anspruch auf rechtliches Gehör aus [ref=[X.]-5dff-4f8b-984d-c0cb6a39b7de]Art. 103 Abs. 1 [X.]] hat jeder, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in ähnlicher Stellung beteiligt ist oder unmittelbar rechtlich von dem Verfahren betroffen wird (vgl. [X.] 65, 227 <233>). Für Verfahren, die nicht "vor Gericht" durchgeführt werden, etwa für Verwaltungsverfahren, gilt die Verfassungsbestimmung ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht (vgl. [X.] 27, 88 <103>; 36, 321 <330>).
Art. 103 Abs. 1 GG ist darüber hinaus auch nicht auf Verfahren vor dem Rechtspfleger anwendbar. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung dieser Verfassungsnorm innerhalb des Grundgesetzes. [[X.]-66be-4bb6-abbf-2800461c1631]Art. 103 Abs. 1 [X.]] befindet sich neben anderen Prozessgrundrechten im [X.]. Abschnitt, der die Überschrift "Die Rechtsprechung" trägt. Die rechtsprechende Gewalt ist nach Art. 92 GG allein den [X.]n anvertraut. Aus diesem systematischen Zusammenhang folgt, dass Art. 103 Abs. 1 GG Anspruch auf rechtliches Gehör nur in Verfahren vor dem [X.] im Sinne des Art. 92 GG gewährt. Die Stellung der [X.] ist durch ihre Unabhängigkeit gekennzeichnet (Art. 97 GG). Diese verbürgt die Verfassung den [X.] nicht. Ihnen dürfen auch keine Aufgaben übertragen werden, die nach Art. 92 GG den [X.]n vorbehalten sind. Der Rechtspfleger entscheidet zwar innerhalb des ihm nach § 3 [X.] übertragenen Aufgabenkreises als "Gericht". Er ist aber kein [X.], weder im Sinne des Verfassungsrechts noch im Sinne des Gerichtsverfassungsrechts (vgl. [X.] 56, 110 <127>). Aufgrund ihrer andersartigen Stellung sind die Rechtspfleger auch nicht zur [X.]vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG befugt (vgl. [X.] 61, 75 <77>; stRspr).
Die Einbeziehung der Verfahren vor dem Rechtspfleger in den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG ist auch nicht damit begründbar, dass nach der Rechtsprechung des [X.]s Art. 103 Abs. 1 GG Anwendung findet, wenn ein [X.] in seinem Zuständigkeitsbereich Maßnahmen trifft, die aus dem Gebiet der spezifisch richterlichen Aufgaben herausfallen, ihm aber wegen seiner besonderen verfassungsrechtlichen Stellung anvertraut sind (vgl. [X.] 9, 89 <97 f.>). Dieser Grund trifft für Verfahren, die von dem Rechtspfleger durchgeführt werden, nicht zu.
2. Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt das Recht auf ein faires Verfahren (vgl. [X.] 38, 105 <111>). Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 103 Abs. 1 GG darf der Einzelne deshalb nicht zum bloßen Objekt staatlicher Entscheidung werden; ihm muss insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können (vgl. [X.] 9, 89 <95>; 65, 171 <174 f.>). Dies setzt voraus, dass der Betroffene von dem Sachverhalt und dem Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, überhaupt Kenntnis erhält.
3. Diesen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügt die angegriffene Entscheidung des Nachlassgerichts nicht.
a) Als Mitglied der von dem Nachlasspfleger bei Abschluss des genehmigungsbedürftigen Grundstücksgeschäfts vertretenen Erbengemeinschaft ist die Beschwerdeführerin durch die Erteilung der nachlassgerichtlichen Genehmigung unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Dies war für den zuständigen Rechtspfleger auch ohne weiteres erkennbar; der die Erbenstellung der Beschwerdeführerin ausweisende gemeinschaftliche Teilerbschein vom 27. September 1994 befand sich im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bei den [X.]. Gründe, die es gerechtfertigt hätten, vor Erlass der Entscheidung von einer Anhörung der Beschwerdeführerin und der sonstigen bereits ermittelten Erben der Erblasserin [X.] abzusehen, sind nicht ersichtlich. Eine vorherige Anhörung hätte weder den Zweck der Maßnahme vereitelt noch wäre die Entscheidung nach vorheriger Anhörung zu spät gekommen (vgl. [X.] 83, 24 <35 f.>).
b) Die unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung der Beschwerdeführerin war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Nachlasspfleger, der gesetzlicher Vertreter der endgültigen Erben ist (vgl. [X.], 1 <5>), am Genehmigungsverfahren beteiligt war. Im Regelfall kann das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln, wie hier, im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll (vgl. [X.] 83, 24 <36>).
Ob und inwieweit die Grundsätze des fairen Verfahrens eingehalten wären, wenn der Nachlasspfleger die ermittelten Erben über das Genehmigungsverfahren und den diesem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt in Kenntnis gesetzt hätte, ist hier nicht zu entscheiden; denn der Nachlasspfleger hat dies unterlassen. Für das [X.]bestand nach den Umständen des Falles auch kein Anlass anzunehmen, dass der Nachlasspfleger die bekannten Erben unterrichtet hätte.
c) Die Entscheidung des Nachlassgerichts vom 3. Februar 1995 beruht auf dem Fehlen der Anhörung der Beschwerdeführerin. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Rechtspfleger bei Kenntnis der Einwände der Beschwerdeführerin, insbesondere der von ihr angemeldeten Zweifel an der Aktualität und Verwertbarkeit des der Preisbildung zugrunde liegenden Sachverständigengutachtens, die Genehmigung des Grundstücksgeschäfts versagt hätte.
4. Da die nachlassgerichtliche Entscheidung gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstößt und bereits deshalb aufzuheben ist, bedarf es nicht mehr der Prüfung, ob hierdurch zugleich die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG, auf die sich, jedenfalls vom Eintritt des Erbfalls an, auch der begünstigte Erbe berufen kann (vgl. [X.] 99, 341 <349>), verletzt ist.
Die Regelung der §§ 62, 55 [X.], auf der die angegriffenen Beschlüsse des [X.]s und des [X.] beruhen, ist mit Art. 19 Abs. 4 GG insoweit unvereinbar, als sie denjenigen, die von einer durch den Rechtspfleger getroffenen Entscheidung in ihren Rechten betroffen sind, jede Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung dieser Entscheidung verwehrt.
1. Das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet einen möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (vgl. [X.] 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; stRspr). Der Bürger hat einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, Umdruck S. 24; stRspr).
Akte des [X.] gehören zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Regelung. Soweit sie in Rechte des Bürgers eingreifen, müssen auch diese Akte vollständig, das heißt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht (vgl. [X.] 35, 263 <274>), der richterlichen Prüfung unterstellt werden können.
Die Möglichkeit, gegen Entscheidungen des [X.] den [X.] anzurufen, ist zwar regelmäßig durch § 11 [X.] eröffnet. Im Anwendungsbereich des § 55 [X.] ist diese Möglichkeit aber ab dem Zeitpunkt, in dem die Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung einem [X.] gegenüber wirksam geworden ist, abgeschnitten. Das kann zur Folge haben, dass eine richterliche Überprüfung der Rechtspflegerentscheidung faktisch nicht möglich ist. Dies wird im Fall einer Doppelbevollmächtigung des Notars, wie vorliegend, besonders deutlich. Hier kommt es nicht einmal zu einem nennenswerten "Schwebezustand", während dessen die Genehmigung zwar erteilt, aber noch nicht wirksam ist.
Die Rechtsschutzgewährleistung des [[X.]-419e-9333-07ba789ff63e]Art. 19 Abs. 4 [X.]] erfordert zwar keine voraussetzungslose und zeitlich unbegrenzte Zugänglichkeit des Rechtswegs. Die Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zum Gericht bleibt vielmehr den jeweils geltenden Prozessordnungen überlassen (vgl. [X.] 40, 237 <256>; 54, 94 <97>). Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle darf aber nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 88, 118 <123 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 -, Umdruck S. 27; stRspr).
In einer Konstellation wie der vorliegenden ist der Rechtsweg gegen die Entscheidung des [X.] von Anfang an versperrt. Es handelt sich der Sache nach nicht nur um eine Rechtswegerschwerung, sondern um einen Rechtswegausschluss. Wo aber eine Zugangsbeschränkung - jedenfalls faktisch - zu einem Ausschluss des Rechtsweges führt, ist die Grenze der Ausgestaltungsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber überschritten. Art. 19 Abs. 4 GG steht zwar - unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - Zugangserschwernissen nicht entgegen, verbietet aber in jedem Fall den vollständigen Rechtswegausschluss. Auch Belange der Rechtssicherheit können diesen nicht rechtfertigen.
2. In dem Umfang, in dem die Regelung der §§ 62, 55 [X.] einen solchen faktischen Rechtswegausschluss zur Konsequenz hat, verstößt sie somit gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts kann den dargelegten Einwänden auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung Rechnung getragen werden. Dass nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung die Unanfechtbarkeit der Entscheidung des [X.] in Fällen "greifbarer Gesetzeswidrigkeit" durchbrochen werden kann, reicht zur Gewährleistung des von Art. 19 Abs. 4 GG geforderten effektiven Rechtsschutzes nicht aus. Denn [ref=c343c6b6-41ca-4df7-8b5c-46e7918a78f0]Art. 19 Abs. 4 [X.]] garantiert den Rechtsweg prinzipiell bei jeder Verletzung eigener Rechte des Betroffenen durch die öffentliche Gewalt, nicht nur bei groben Rechtsverstößen.
3. Die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Beschlüsse des [X.]s und des [X.] ergibt sich aus der Verfassungswidrigkeit der Regelung der §§ 62, 55 [X.], die diesen Beschlüssen zugrunde liegt. Die Beschlüsse sind demgemäß aufzuheben.
Die Verfassungswidrigkeit der §§ 62, 55 [X.] führt nicht zur partiellen Nichtigkeit der Bestimmungen. Diese sind vielmehr lediglich für unvereinbar mit [ref=04962aef-2d22-439b-a688-898c0e87d9ee]Art. 19 Abs. 4 [X.]] zu erklären.
1. Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1 [X.]G). Etwas anderes gilt jedoch, wenn der verfassungswidrige Teil der Norm nicht klar abgrenzbar ist, wenn die Verfassungswidrigkeit darin besteht, dass eine Personen- oder Fallgruppe nicht einbezogen worden ist, oder wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. [X.] 92, 158 <186>).
Im vorliegenden Fall scheidet eine Nichtigerklärung aus, weil dem Gesetzgeber unterschiedliche Möglichkeiten zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit offen stehen. So kann er etwa vom Rechtspfleger getroffene Entscheidungen aus dem Anwendungsbereich der §§ 62, 55 [X.] herausnehmen und auf diese Weise eine richterliche Kontrolle der Entscheidung in der Beschwerdeinstanz ermöglichen. Er kann auch durch geeignete Regelungen dafür sorgen, dass in Fällen wie dem vorliegenden die zum faktischen Rechtswegausschluss führenden Rechtsfolgen der §§ 62, 55 [X.] nicht eintreten, bevor den Betroffenen Gelegenheit gegeben worden ist, eine Überprüfung durch den [X.] herbeizuführen. Dies könnte durch die Einführung eines Rechtsinstituts geschehen, das dem in der Rechtsprechung der Fachgerichte im Erbscheinsverfahren und im Verfahren zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses seit langem anerkannten so genannten Vorbescheid entspricht (vgl. [X.], 255 ff.; [X.] 1965, 86 ff.; [X.], [X.] 1970, 117 ff.). Hierbei handelt es sich um eine Zwischenentscheidung, mit der der Erlass der beabsichtigten Entscheidung - im Erbscheinsverfahren die Erteilung eines bestimmten Erbscheins - angekündigt wird, wenn nicht innerhalb einer gesetzten Frist ein Rechtsmittel eingelegt wird. Ein solcher Vorbescheid wird im vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren bislang allgemein zwar für unzulässig erachtet (vgl. [X.] 1958, 171 ff.; BayObLG, [X.], [X.] ff.; [X.], [X.], [X.], 2. Aufl. 1970, § 55 Rn. 5; [X.], a.a.[X.], Rn. 9 m.w.[X.]). Sofern er gesetzlich eingeführt würde, wäre jedoch auch er ein geeignetes Mittel, um in Fällen der vorliegenden Art die bestehende verfassungswidrige Lücke im Rechtsschutzsystem zu schließen.
2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung tragende Regelung zu schaffen. Bis zu einer Neuregelung ist in Verfahren der vorliegenden Art der zuständige Rechtspfleger von Verfassungs wegen verpflichtet, vor Erlass einer in den Anwendungsbereich der §§ 62, 55 [X.] fallenden Verfügung diese durch einen beschwerdefähigen Vorbescheid anzukündigen, wenn erkennbar ist, dass die beabsichtigte Entscheidung Rechte Dritter berührt, denen sonst der Rechtsweg gegen die Entscheidung selbst - jedenfalls faktisch - versperrt wäre.
[X.] beruht auf § 34 a Abs. 2 [X.]G. Die [X.] und das [X.] sind zu gleichen Teilen zur Auslagenerstattung verpflichtet, weil die aufgehobenen Entscheidungen des [X.]s und des [X.] auf einem verfassungswidrigen Bundesgesetz beruhen und in der aufgehobenen Entscheidung des Amtsgerichts eine selbständige Grundrechtsverletzung liegt.
Papier | Kühling | [X.] | |
[X.] | Hömig | [X.] | |
Hohmann-Dennhardt | Hoffmann-Riem |
Meta
18.01.2000
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 18.01.2000, Az. 1 BvR 321/96 (REWIS RS 2000, 3469)
Papierfundstellen: REWIS RS 2000, 3469 BVerfGE 101, 397-410 REWIS RS 2000, 3469
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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