Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2019, Az. I ZR 53/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 9601

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT URHEBER BUNDESGERICHTSHOF (BGH) INTERNET ABMAHNUNG STÖRERHAFTUNG WLAN

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing über eine Internet-Musiktauschbörse: Begründung einer Erstbegehungsgefahr im Rahmen einer negativen Feststellungsklage gegen einen außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch - Bring mich nach Hause


Leitsatz

Bring mich nach Hause

Die Erhebung einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, zu einer außergerichtlich verfolgten Unterlassung nicht verpflichtet zu sein, begründet regelmäßig keine Erstbegehungsgefahr für das im Feststellungsantrag bezeichnete Verhalten.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 15. März 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Inhaber eines Internetanschlusses. Die Beklagte ist Inhaberin der Tonträgerherstellerrechte an dem Musikalbum "Bring [X.] nach Hause" der Musikgruppe "[X.]". Dieses Musikalbum wurde am 4. September 2010 über den Internetanschluss des [X.] in einer Internet-Tauschbörse zum Herunterladen angeboten. Die Beklagte sieht darin eine Verletzung ihrer Rechte als Tonträgerherstellerin. Sie ist der Ansicht, der Kläger hafte für diese Rechtsverletzung. Sie hat den Kläger deshalb mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Oktober 2010 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

2

Der Kläger hat mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass der Beklagten keine Ansprüche wegen des Angebots zum Herunterladen zustehen, und die Zahlung der Kosten verlangt, die ihm durch seine Gegenabmahnung der Beklagten entstanden sind.

3

Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage beantragt,

den Kläger unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, das Musikalbum "Bring [X.] nach Hause" der Künstlergruppe "[X.]" oder Teile daraus über [X.] zum elektronischen Abruf bereitzustellen.

4

Weiter hat die Beklagte mit ihrer Widerklage Zahlung von 600 € Schadensersatz sowie 506 € Abmahnkosten, jeweils nebst Zinsen, verlangt.

5

Das [X.] hat zunächst im Wege des Versäumnisurteils die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Nach Einlegung des Einspruchs hat das [X.] die Sache dem [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt ([X.], ZUM 2015, 344). Der [X.] hat über die Vorlagefragen mit Urteil vom 15. September 2016 entschieden ([X.]/14, [X.], 1146 = [X.], 1486 - [X.]/[X.]). Sodann hat das [X.] das Versäumnisurteil hinsichtlich der Klageabweisung und der Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten aufrechterhalten und im Übrigen aufgehoben ([X.], [X.] 2018, 180). Es hat unter Abweisung der Widerklage im Übrigen den Kläger, wie von der Beklagten hilfsweise beantragt, unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen, es [X.] zu ermöglichen, über seinen Internetanschluss das Musikalbum "Bring [X.] nach Hause" der Künstlergruppe "[X.]" oder Teile daraus über [X.] zum elektronischen Abruf bereitzustellen.

6

Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil des [X.]s hinsichtlich der Klageabweisung und der Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten aufrechterhalten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Widerklage abgewiesen ([X.], [X.], 721 = [X.], 1243).

7

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Unterlassungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagten stehe der Unterlassungsanspruch nicht zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9

Die Voraussetzungen einer täterschaftlichen Haftung des [X.] lägen nicht vor. Der Kläger hafte auch nicht als Störer. Zwar hätten die Haftungsvoraussetzungen zunächst vorgelegen, dies sei aber nun nicht mehr der Fall. Nach der mit Wirkung vom 13. Oktober 2017 in [X.] getretenen Neufassung des § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] könne der Diensteanbieter nicht wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Diese Vorschrift sei mit dem Unionsrecht vereinbar.

II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen der Haftung des [X.] als Täter gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 [X.] lägen nicht vor, wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger hafte nicht als Störer, hat im Ergebnis Bestand. Sie folgt allerdings nicht erst aus dem nachträglichen Entfallen der Haftungsvoraussetzungen, sondern daraus, dass diese bereits anfänglich - im [X.]punkt der beanstandeten Bereitstellung zum Herunterladen - nicht erfüllt waren. Es liegen weder die Voraussetzungen einer Wiederholungsgefahr (dazu [X.]) noch diejenigen einer Erstbegehungsgefahr vor (dazu [X.]). Eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht ist nicht veranlasst (dazu [X.] c).

a) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann nicht erfolgreich auf Wiederholungsgefahr gestützt werden, weil die Voraussetzungen der Störerhaftung schon im [X.]punkt des beanstandeten Angebots zum Herunterladen nicht vorlagen.

aa) Ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsantrag ist nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl zur [X.] seiner Begehung rechtswidrig war als auch zum [X.]punkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 1. März 2018 - I ZR 264/16, [X.], 62 Rn. 11 = [X.], 835 - [X.]; Urteil vom 13. Dezember 2018 - [X.], [X.], 298 Rn. 26 = [X.], 327 - [X.] II).

bb) Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden kann, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch [X.] nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens; Urteil vom 26. November 2015 - [X.], [X.]Z 208, 82 Rn. 21 - Störerhaftung des [X.]; Urteil vom 26. Juli 2018 - [X.], [X.], 1044 Rn. 15 = [X.], 1202 - [X.], jeweils mwN). Bei der Auferlegung von Kontrollmaßnahmen ist zu beachten, dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Urheberrechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 15 - [X.], mwN).

cc) Die in § 8 Abs. 1 [X.] in seiner im [X.]punkt der beanstandeten Bereitstellung zum Herunterladen geltenden Fassung vom 26. Februar 2007 geregelte und auf Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/[X.] über den elektronischen Geschäftsverkehr beruhende Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters steht der Annahme nicht entgegen, dass der Anbieter eines Internetzugangs für von [X.] über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung haften kann ([X.], [X.], 1044 Rn. 16 - [X.]).

(1) Nach Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/[X.] und § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] in seiner im Tatzeitpunkt und im [X.]punkt der vorliegenden Entscheidung geltenden Fassung sind Diensteanbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3).

(2) Der Kläger ist als Betreiber eines WLAN Diensteanbieter im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 18 - [X.], mwN).

(3) Es ist mit Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/[X.] vereinbar, von einem Diensteanbieter, dessen Dienste zur Begehung einer Rechtsverletzung genutzt worden sind, zu verlangen, dass er diese Rechtsverletzung abstellt oder verhindert und die für ein solches Verlangen aufgewendeten Abmahnkosten und Gerichtskosten erstattet (vgl. [X.], [X.], 1146 Rn. 76 bis 78 - [X.]/[X.]). Ebenso steht diese Vorschrift der Verpflichtung des Betreibers eines privaten oder gewerblichen [X.] zu Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen (vgl. [X.], [X.], 1146 Rn. 90 bis 101 - [X.]/[X.]).

Nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/[X.] lässt Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie die Möglichkeit unberührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/[X.] zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Inhaber nach der Richtlinie zu schützender Rechte gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem [X.] zur Verletzung dieser Rechte genutzt werden. Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/[X.] zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums verpflichtet die Mitgliedstaaten gleichfalls sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen [X.] beantragen können, deren Dienste von einem [X.] zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Die Modalitäten dieser Anordnungen sind im Recht der Mitgliedstaaten zu regeln (vgl. Erwägungsgrund 59 der Richtlinie 2001/29/[X.]; [X.], Urteil vom 12. Juli 2011 - [X.]/09, [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2011, 1025 Rn. 135 - [X.]/[X.]; Urteil vom 24. November 2011 - [X.]/10, [X.]. 2011, [X.] = GRUR 2012, 265 Rn. 32 - [X.]/[X.]; Urteil vom 27. März 2014 - [X.], [X.], 468 Rn. 43 = [X.], 540 - [X.]Constantin Film).

Bei der Beurteilung der Frage, welche technischen Maßnahmen einem Diensteanbieter auferlegt werden können, um Rechtsverletzungen abzustellen oder zu verhindern, haben die für eine solche Anordnung zuständigen innerstaatlichen Behörden oder Gerichte die betroffenen Grundrechte in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen ([X.], [X.], 1146 Rn. 83 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 1044 Rn. 21 - [X.], mwN). Hierbei sind insbesondere das Grundrecht der Rechteinhaber auf Schutz des geistigen Eigentums (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta; Art. 14 Abs. 1 GG) einerseits und das Recht des Diensteanbieters auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 EU-Grundrechtecharta; Art. 12 Abs. 1 GG) sowie das Recht der Nutzer dieses Dienstes auf Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) andererseits zu berücksichtigen (vgl. [X.], [X.], 1146 Rn. 100 - [X.]/[X.]; [X.], [X.], 1044 Rn. 21 - [X.], mwN).

dd) Der Betreiber eines privaten [X.] haftet unter der Geltung des § 8 [X.] aF für über diesen [X.] von [X.] begangene Rechtsverletzungen, wenn das WLAN ohne die im privaten Gebrauch verkehrsüblichen und zumutbaren Zugangssicherungen - im Kaufzeitpunkt aktueller Verschlüsselungsstandard sowie die Verwendung eines individuellen, ausreichend langen und sicheren Passworts - betrieben wird (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens; [X.], Urteil vom 24. November 2016 - I ZR 220/15, [X.], 617 Rn. 14 = [X.], 705 - [X.]). Die dem privaten WLAN-[X.]inhaber obliegende Verhaltenspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines [X.]es zu einer ersten Rechtsverletzung durch Dritte gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des [X.]es (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 24 - [X.], mwN). Die Gründe, die den Senat bewogen haben, eine Störerhaftung des [X.] erst anzunehmen, nachdem er von einer ersten Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat, liegen bei privaten [X.] nicht vor. Bei diesen ist kein Geschäftsmodell betroffen, das durch die Auferlegung präventiver Prüfungspflichten gefährdet wäre. Auf den [X.] sind die Haftungsprivilegien nach Art. 14 der Richtlinie 2000/31/[X.] über den elektronischen Geschäftsverkehr und § 10 [X.], die im Falle des [X.] einen weitergehenden Unterlassungsanspruch ausschließen, nicht anwendbar (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 24 - [X.], mwN).

ee) Auch im Falle der gewerblichen Bereitstellung eines Internetzugangs über WLAN ist der Betreiber unter der Geltung des § 8 [X.] aF zur Abwendung seiner Störerhaftung zur Vornahme entsprechender Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet. Diese Verpflichtung entsteht allerdings erst nach Erhalt eines geeigneten Hinweises auf eine Rechtsverletzung. Zwar ist die in Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/[X.] und § 10 Satz 1 Nr. 2 [X.] vorgesehene Privilegierung des [X.] auf den Betreiber eines gewerblichen WLAN nicht anwendbar (vgl. [X.], [X.], 1146 Rn. 55 bis 65 - [X.]/[X.]). Die Auferlegung einer anlasslosen Verhaltenspflicht bei Inbetriebnahme - wie der Pflicht zur Verschlüsselung mittels eines Passworts - wäre aber geeignet, das Geschäftsmodell der gewerblichen Bereitstellung von Internetzugängen unverhältnismäßig zu erschweren (vgl. [X.]Z 208, 82 Rn. 27 - Störerhaftung des [X.]; [X.], [X.], 1044 Rn. 25 f. - [X.]).

ff) Nach den Feststellungen des [X.], die das Berufungsgericht in Bezug genommen hat und die von der Revision nicht angegriffen worden sind, erfolgte die Bereitstellung des WLAN durch den Kläger im Zusammenhang mit dem Angebot gewerblicher Leistungen (vgl. auch [X.], [X.], 1146 Rn. 43 - [X.]/[X.]). Es handelt sich damit um einen Fall der gewerblichen Bereitstellung eines Internetzugangs.

Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, den Kläger bereits vor dem im Streitfall beanstandeten Angebot zum Herunterladen darauf hingewiesen zu haben, dass über sein WLAN urheberrechtsverletzende Handlungen begangen worden sind. Die Voraussetzungen der Störerhaftung lagen damit schon im [X.]punkt des beanstandeten Angebots zum Herunterladen nicht vor, so dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mangels Wiederholungsgefahr nicht besteht.

b) Die Revision sieht den Unterlassungsanspruch zu Unrecht als auf der Grundlage einer Erstbegehungsgefahr begründet an.

aa) Die Prüfung des Anspruchs unter dem Gesichtspunkt einer Erstbegehungsgefahr steht offen, weil es sich insoweit nicht um einen neuen Streitgegenstand handelt, dessen Geltendmachung eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung darstellte (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2015 - [X.], [X.], 83 Rn. 40 = [X.], 213 - [X.]/ampliteq). Vielmehr ist vorliegend ein einheitlicher Streitgegenstand betroffen.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.] wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, [X.]Z 194, 314 Rn. 19 - [X.]; Urteil vom 11. Oktober 2017 - [X.], [X.], 431 Rn. 11 = [X.], 413 - [X.], jeweils mwN). Der neben dem Klageantrag für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Klagegrund wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das [X.] der [X.] bezieht ([X.]Z 194, 314 Rn. 19 - [X.]). Unterschiedliche Klagegründe liegen vor, wenn ein Unterlassungsantrag zum einen auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr gestützt wird, sofern unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen sind, zwischen denen kein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht (vgl. [X.], [X.], 83 Rn. 41 - [X.]/ampliteq, mwN; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 280). Danach handelt es sich grundsätzlich um zwei Streitgegenstände, wenn ein Unterlassungsanspruch zum einen wegen der vorprozessual begangenen Verletzungshandlung auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr wegen Erklärungen gestützt wird, die der in Anspruch Genommene erst später im gerichtlichen Verfahren abgibt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, [X.], 429 Rn. 22 = [X.], 584 - [X.]; [X.], [X.], 83 Rn. 41 - [X.]/ampliteq). Geht einem einheitlichen Unterlassungsantrag hingegen sowohl ein als Verletzungshandlung beanstandetes Verhalten als auch eine hiermit zeitlich und sachlich in Zusammenhang stehende Rechtsberühmung voraus, ist nur ein Klagegrund gegeben (vgl. [X.], [X.], 83 Rn. 41 - [X.]/ampliteq).

(2) Nach diesen Grundsätzen ist Klagegrund der Widerklage im Streitfall ein einheitlicher Lebenssachverhalt, so dass nur ein Streitgegenstand zur Prüfung steht.

Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage einen einheitlichen Unterlassungsantrag gestellt und hierzu nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des [X.] vorgetragen, über den nicht durch ein Passwort geschützten WLAN-Internetzugang des [X.] sei der Musiktitel "Bring [X.] nach Hause" zum Herunterladen im Wege des [X.] bereitgestellt worden. Der Erhebung der Widerklage ist ferner die Erhebung der Feststellungsklage sowie eine entsprechende Berühmung des [X.] mit dem Inhalt vorausgegangen, zum einen nicht zur Unterlassung der ihm von der Beklagten außergerichtlich vorgehaltenen Verletzungshandlung, zum anderen auch nicht zur Sicherung des von ihm angebotenen [X.] verpflichtet zu sein. Dieses der Erhebung der Widerklage vorausgegangene Verhalten des [X.] steht in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der beanstandeten Verletzungshandlung, so dass der Widerklage ein einheitlicher Streitgegenstand zugrunde liegt.

bb) Die Voraussetzungen einer Erstbegehungsgefahr liegen allerdings im Streitfall nicht vor.

(1) Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der fraglichen Weise rechtswidrig verhalten. Eine Erstbegehungsgefahr kann auch begründen, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Eine solche Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden. Die Tatsache allein, dass sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet. Eine Rechtsverteidigung kann aber dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falls auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten ([X.], Urteil vom 31. Mai 2001 - [X.], [X.], 1174, 1175 [juris Rn. 35 bis 37] = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe; Urteil vom 17. August 2011 - [X.], [X.]Z 191, 19 Rn. 44 - Stiftparfum, jeweils mwN).

(2) Danach begründet das der Erhebung der Widerklage vorausgegangene Verhalten des [X.] keine Erstbegehungsgefahr für eine Verwirklichung der mit der Widerklage beanstandeten rechtswidrigen Handlung.

Soweit sich der Kläger vorprozessual und gegenüber der Widerklage unter Hinweis darauf verteidigt hat, für die behauptete Rechtsverletzung nicht verantwortlich und zu einer Sicherung des von ihm bereitgestellten [X.] nicht verpflichtet zu sein, stellt dies lediglich eine rechtsverteidigende Einlassung dar, die die Annahme einer Erstbegehungsgefahr nicht rechtfertigt.

An einer Erstbegehungsgefahr fehlt es aber auch im Hinblick auf die vom Kläger erhobene Feststellungsklage. Mit der Stellung eines Klageantrags, mit dem die Feststellung begehrt wird, zu einem außergerichtlich verfolgten Begehren nicht verpflichtet zu sein, verfolgt der Feststellungskläger in der Regel den Zweck, sich die Möglichkeit eines bestimmten Verhaltens nach gerichtlicher Klärung offenzuhalten. Daraus kann regelmäßig - so auch im Streitfall - gefolgert werden, dass der Kläger die Vornahme des im Feststellungsantrag bezeichneten Verhaltens von der gerichtlichen Feststellung seiner Rechtmäßigkeit abhängig machen will. Mithin bringt der Feststellungskläger gerade nicht - wie für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr erforderlich - zum Ausdruck, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in der beanstandeten Weise verhalten zu wollen (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2016 - [X.], [X.]Z 210, 144 Rn. 36 - Segmentstruktur).

c) Es besteht keine Veranlassung, der Beklagten durch Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zur Stellung eines an die veränderte Rechtslage angepassten Antrags zu geben.

Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der [X.]en auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) gebieten, der klagenden [X.] durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den auf der nach Beendigung der Berufungsinstanz durch das [X.] ([X.] [X.], [X.]) mit Wirkung vom 13. Oktober 2017 erfolgten Ersetzung des Unterlassungsanspruchs durch einen Anspruch auf Sperrmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 4 [X.] nF gründenden Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Unterlassungsklage durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 57 - [X.]).

Im Streitfall hat der mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsanspruch allerdings bereits deshalb keine Erfolgsaussicht, weil seine Voraussetzungen schon vor der Neufassung der §§ 7 und 8 [X.] nicht vorlagen.

III. Eine Vorlage an den [X.] ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]). Die von der Revision aufgeworfene Frage der Übereinstimmung der §§ 7 und 8 [X.] nF mit dem Unionsrecht ist - soweit nicht ohnehin klar zu beantworten (vgl. [X.], [X.], 1044 Rn. 49 - [X.]) - im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

IV. Danach ist die Revision zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Feddersen     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 53/18

07.03.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 15. März 2018, Az: 6 U 1741/17, Urteil

Art 47 Abs 2 S 1 EUGrdRCh, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 12 Abs 1 EGRL 31/2000, Art 14 Abs 1 EGRL 31/2000, § 97 Abs 1 S 1 UrhG, § 7 Abs 4 TMG, § 8 Abs 1 TMG, § 10 S 1 Nr 2 TMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2019, Az. I ZR 53/18 (REWIS RS 2019, 9601)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1146-1147 NJW 2019, 3381 REWIS RS 2019, 9601


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 53/18

Bundesgerichtshof, I ZR 53/18, 19.09.2019.

Bundesgerichtshof, I ZR 53/18, 07.03.2019.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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