Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.08.2017, Az. X ARZ 204/17

X. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 6588

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:150817BXARZ204.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X
ARZ
204/17
vom
15. August 2017
in dem Gerichtsstandbestimmungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 36 Abs. 3 Satz 1, § 24
a)
Das [X.] hat eine Sache bei Bestimmung des zuständigen Gerichts auch dann dem [X.] vorzulegen, wenn es von der Rechtsprechung eines anderen Senats desselben [X.]s abweichen will.
b)
Der ausschließliche dingliche Gerichtsstand ist nicht schon dann eröffnet, wenn der Kläger einen auf das Anfechtungsgesetz gestützten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Sache geltend macht.
[X.], Beschluss vom 15. August 2017 -
X [X.]/17 -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.]s hat am 15.
August 2017
durch [X.]
[X.], [X.], Dr.
Grabinski und [X.] sowie die Richterin
Dr.
Kober-Dehm

beschlossen:

Zuständig ist das [X.].
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen mit ihrer vor dem [X.] erhobenen Klage die beiden beklagten
Gesellschaften bürgerlichen
Rechts mit Sitz in Essen
auf Duldung der Zwangsvollstreckung nach dem Anfechtungsgesetz in zwei ihnen gehö-rende, im [X.] belegene Grundstücke in Anspruch.

Die Beklagten haben in der Klageerwiderung die örtliche Zuständigkeit des
[X.] mit der Begründung gerügt, für die Klagen sei das Landgericht
Stralsund im ausschließlichen dinglichen Gerichtsstand nach §
24 ZPO zuständig. Auf Antrag der Kläger
hat sich daraufhin das [X.] für unzuständig er-klärt und den
Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Dieses hat seine Zuständigkeit ebenfalls verneint und das [X.] Hamm um Bestimmung des zuständigen
Gerichts
ersucht. Der 32. Zivilsenat dieses [X.]s hat die Sache dem [X.] gemäß §
36 Abs.
3 ZPO vorgelegt.
Es sieht sich an der Bestimmung des seiner Ansicht nach örtlich zuständigen [X.] durch die Entscheidung eines anderen Senats des [X.]s Hamm ([X.] vom 28. März 2002

27
W
7/02; [X.], 575)
gehindert.
1
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-
3
-
II.
Die Vorlage ist zulässig.
Nach §
36 Abs.
3 Satz
1 ZPO hat ein [X.], wenn es bei der Be-stimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen [X.]s oder des [X.]s abweichen will, die Sache dem [X.] vorzulegen.
Diese Voraussetzung
ist gegeben.
1.
Das an sich zur Zuständigkeitsbestimmung berufene [X.] Hamm erachtet die vom [X.] beschlossene Verweisung für objektiv willkürlich und deshalb nicht bindend und möchte seiner Entscheidung zugrunde le-gen, dass §
24 ZPO nicht für Klagen auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück
nach dem Anfechtungsgesetz
gilt. Darin läge eine Abweichung von der genannten Entscheidung des 27.
Zivilsenats desselben Gerichts.

Für die Zulässigkeit der Vorlage reicht es aus, dass die für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage nach Auffassung des vorlegenden [X.]s ent-scheidungserheblich ist und dies in den Gründen des Vorlagebeschlusses nachvoll-ziehbar dargelegt wird. So verhält es sich hier. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der [X.] die Frage ebenfalls als entscheidungserheblich ansieht.
(vgl. [X.], Beschluss vom 26.
August 2014

X
ARZ
275/14, [X.], 2015
Rn.
2 mwN).
2.
Die Regelung in §
36 Abs.
3 ZPO gilt auch für beabsichtigte Abwei-chungen von der Rechtsauffassung eines anderen Senats desselben Oberlandesge-richts (ebenso Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 14.
Aufl., §
36
Rn.
10; [X.], ZPO, 23.
Aufl., §
36
Rn.
18; [X.]/Vollkommer, ZPO, 31.
Aufl., §
36
Rn.
10).
Soweit §
36 Abs.
3 S. 1 ZPO auf die Abweichung von einer Entscheidung "ei-nes anderen"
[X.]s
abstellt, liegt darin nach der Entstehungsgeschich-te der Norm und ihrem Sinn und Zweck keine abschließende Regelung ihres Anwen-dungsbereichs.
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-
4
-
Mit der im Rahmen des [X.] des Schiedsverfahrens-rechts vom 22.
Dezember 1997 ([X.]
I S.
3224) eingeführten Regelung in §
36 Abs.
2 ZPO wurde die Bestimmungszuständigkeit in Konstellationen, in denen der [X.] das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht ist, vom [X.] auf [X.] der [X.]e verlagert und zugleich in §
36 Abs.
3 ZPO eine Divergenzvorlage eingeführt. Dies dient dem Zweck, den [X.] von Routineaufgaben zu entlasten
und zugleich
dauerhaft die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. den Bericht des [X.], BT-Drucks.
13/9124, S.
43, 45
f.).
Diese Zwecksetzung gebietet es
entgegen einer in der Rechtsprechung ver-tretenen [X.] ([X.], Beschluss vom 10.
März 2000

2
W
22/00, [X.], 1321), die Entscheidung einer in der Rechtsprechung umstrit-tenen Rechtsfrage durch den [X.] in allen Konstellationen zu ermögli-chen, in denen dies nach §
36 ZPO a.F. möglich war. Hierzu gehört auch der Fall, dass eine Rechtsfrage zwischen verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts umstritten ist.

III.
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO liegen vor.
Die beiden mit der Sache befassten Landgerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt;
das [X.] durch
unanfecht-baren Verweisungsbeschluss (§
281 Abs.
2 Satz
2 ZPO), das [X.] durch die
seine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 27.
Januar
2017. Eine solche [X.] genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO zu stellen sind ([X.], Beschluss vom 26.
August 2014

X
ARZ
275/14, Rn.
3; Beschluss vom 19.
Februar 2013

X
ARZ
507/12, NJW-RR 2013, 764, 764
f.
mwN).
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-
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-
IV.
Örtlich zuständig ist das [X.], weil der [X.] des [X.] entgegen der Auffassung des vorlegenden [X.] gemäß §
281 Abs.
2 Satz
4 ZPO bindend ist.
1.
Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache zuerst verwiesen worden ist.
Dies folgt aus der Regelung in §
281 Abs.
2 Satz
4 ZPO, wonach ein auf der Grundlage von §
281 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, bindend ist. Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des §
281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch [X.] erlassen wurde oder jeder gesetzlichen
Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Als in die-sem Sinne willkürlich erweist sich ein Verweisungsbeschluss dann, wenn er bei ver-ständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken als [X.] nicht mehr nachvollziehbar und unverständlich erscheint und deshalb offen-sichtlich unhaltbar ist ([X.], Beschluss vom 9.
Juli 2002

X
ARZ
110/02, NJW-RR 2002, 1498, 1498
f.; [X.], Beschluss vom 9.
Juni 2015

X
ARZ
115/15, NJW-RR 2015, 1016 mwN in
Rn.
9).
2.
Bei
Anlegung dieses Maßstabs ist der Verweisungsbeschluss des [X.] nicht als willkürlich anzusehen.
a)
Die Bindungswirkung entfällt nicht deswegen, weil das [X.] den Beklagten nicht die Gelegenheit gegeben hat, zu dem Verweisungsantrag der Kläger Stellung zu nehmen.
Die Beklagten haben bereits in der Klageerwiderung zu der für die Verwei-sungsentscheidung maßgeblichen Zuständigkeitsfrage Stellung genommen und für 13
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-
6
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den Fall eines unterbleibenden Verweisungsantrags der Kläger einen
Klageabwei-sungsantrag angekündigt. Der nachfolgende Verweisungsantrag der Kläger hat keine zusätzlichen Fragen aufgeworfen, zu denen eine ergänzende Anhörung der [X.] erforderlich gewesen wäre.
b)
Die Verweisung ist nicht deshalb als willkürlich anzusehen, weil das [X.] nicht näher begründet hat, weshalb es sich der Auffassung des 27.
Zivilsenats des [X.]s Hamm und nicht der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und vor allem in der Fachliteratur verbreiteten Gegenposition ange-schlossen hat.
aa)
Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Gerichtsstand des §
24 ZPO allerdings nicht schon dann eröffnet, wenn der Kläger einen auf das Anfechtungsgesetz gestützten Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Sache geltend macht.
(1)
Wie auch der 27.
Zivilsenat des [X.]s Hamm nicht ver-kannt hat, wird die genannte Konstellation vom Wortlaut des §
24 Abs.
1 ZPO nicht erfasst. Dieser setzt voraus, dass das Eigentum, eine dingliche Belastung
oder ein Besitzrecht geltend gemacht wird. Dass die Klage auf Übertragung des Eigentums oder auf Einräumung einer dinglichen Belastung gerichtet ist, reicht hingegen nicht aus.
Ein Anspruch nach §
11 [X.] ist nicht auf eines der in §
24 Abs.
1 ZPO ge-nannten Rechte gestützt, sondern auf einen der in §§
3
ff. [X.] normierten Anfech-tungstatbestände. Dass der Eigentümer mit der Klage verpflichtet werden soll, den Vollstreckungszugriff auf die Sache hinzunehmen, reicht für die Anwendung von §
24 Abs.
1 ZPO nicht aus ([X.], Urteil vom 11.
Juli 1986 -
8
U
202/85, [X.] 1986, 1031; Urteil vom 17.
Januar 2008 -
13
U
56/07, juris
Rn.
13; BayObLG, Beschluss vom 25.
Juli 2003 -
1Z
AR
71/03, juris
Rn.
12; [X.] in BeckOK
ZPO, §
24
19
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22
-
7
-
Rn.
8.1; [X.] in MünchKomm
ZPO, 5.
Aufl., §
24
Rn.
8; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 14.
Aufl., §
24
Rn.
9; Vollkommer in [X.], ZPO, 31.
Aufl., §
24
Rn.
9).
(2)
Die Anwendung von §
24 Abs.
1 ZPO ist auch nicht durch den Sinn und Zweck der Vorschrift geboten.
Nach der [X.] soll eine Klage im Gerichtsstand des §
24 Abs.
1 ZPO jedenfalls bei [X.] in Bezug auf Grundstücke erforderlich sein, um Eintragungen im Grundbuch zu erleichtern ([X.], [X.], 575, 576). Diesem Aspekt kommt indes schon deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil er im Wesentlichen nur für die Vollstreckung der vom Kläger angestrebten Ent-scheidung von Bedeutung ist, nicht aber für das Erkenntnisverfahren. Die Vollstre-ckung obliegt ohnehin dem Kläger. Für diesen ergibt sich in der Regel keine wesent-liche Erleichterung daraus, dass das Grundbuchamt, das für entsprechende Eintra-gungen zuständig ist, denselben Sitz hat wie das Prozessgericht.
Die Anwendung von §
24 Abs.
1 ZPO soll darüber hinaus geboten sein, damit der Kläger Vermögensverschiebungen ins Ausland besser begegnen kann ([X.], [X.], 575, 576). Dies vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, weil für eine Anfechtungsklage in der Regel auch dann ein anderer Gerichtsstand zur Verfü-gung steht, wenn der Beklagte
seinen allgemeinen Gerichtsstand nicht im Inland hat ([X.],
Urteil vom 17.
Januar 2008 -
13
U
56/07, juris
Rn.
14
f.).
bb)
Wie auch das vorlegende Gericht im Ansatz nicht verkennt, ist ein Ver-weisungsbeschluss jedoch nicht allein deshalb als willkürlich anzusehen, weil er
von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung oder von einer in der Literatur vorherrschenden Auffassung abweicht. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvoll-ziehbar erscheinen lassen ([X.], Beschluss vom 9.
Juli 2002 -
X
ARZ
110/02, NJW-RR 2002, 1498
f.).
23
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25
26
-
8
-
Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts bietet der Umstand, dass das [X.] seine Auffassung nicht näher begründet hat, keinen hinrei-chenden Anhaltspunkt für die Bejahung von Willkür.
Der [X.] hat bislang nicht abschließend entschieden, inwieweit ein Verweisungsbeschluss einer Begründung bedarf (vgl. [X.], Beschluss vom 26.
August 2014 -
X
ARZ
275/14
Rn.
9; Beschluss vom 23.
März 1988

IVb
ARZ
8/88, [X.], 943). Diese Frage bedarf auch im Streitfall keiner Ent-scheidung. Die Ausführungen des [X.] sind vor dem Hintergrund der von den Parteien angeführten Stimmen aus Rechtsprechung und Fachliteratur so zu verstehen, dass sich das Gericht die von den Beklagten angeführte Rechtsauffas-sung des 27.
Zivilsenats des [X.]s Hamm aus dem Beschluss vom

27
28
-
9
-

28.
März 2002 zu eigen macht. Dies stellt jedenfalls deshalb eine nachvollziehbare Begründung dar, weil das [X.] im Bezirk des [X.]s Hamm liegt und aus dem ihm vorliegenden Streitstoff nicht hervorging, dass die rele-vante Rechtsfrage innerhalb dieses Gerichts unterschiedlich beurteilt wird.
[X.]
[X.]
Grabinski

[X.]
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 4.
April 2017 -
I-32 SA 9/17 -

Meta

X ARZ 204/17

15.08.2017

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.08.2017, Az. X ARZ 204/17 (REWIS RS 2017, 6588)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6588

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ARZ 204/17

32 SA 9/17

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