Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. IX ZR 140/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1019

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04
Verkündet am: 3. November 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] § 61 UStG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1

Der Anspruch des [X.] gegen den Verwalter auf Schadensersatz umfasst nicht die Umsatzsteuer.

[X.], Urteil vom 3. November 2005 - [X.]/04 - OLG Frankfurt am Main

LG Gießen

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2005 durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des [X.]n werden das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 2. Juli 2004 und das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 10. Dezember 2003 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als in einer 7.898,88 • nebst Zinsen übersteigenden Höhe zu seinem Nachteil erkannt worden ist; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klä-gerin 1/4 und der [X.] 3/4 zu tragen. Die Kosten der Beru-fungsinstanz fallen der Klägerin zu 6/7 und dem [X.]n zu 1/7 zur Last. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der [X.] ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der [X.]. Nach Anzeige der drohenden 1 - 3 - Masseunzulänglichkeit bestellte der [X.] bei der Klägerin [X.]. Die Klägerin lieferte die Bänder aus und stellte der Masse - unter Berücksichti-gung einer später erteilten Gutschrift - insgesamt 10.779,65 • (brutto) in Rech-nung. Da Zahlungen der Masse ausblieben, nimmt die Klägerin den [X.]n persönlich in Anspruch.

Das [X.] hat den [X.]n zur Zahlung des Rechnungsbetrags nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des [X.]n hat das Berufungsge-richt diese Verurteilung auf 9.162,70 • nebst Zinsen reduziert. Hiergegen rich-tet sich die zugelassene Revision des [X.]n, soweit in der Urteilssumme Umsatzsteuer von 16 % (1.263,82 •) enthalten ist.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

[X.]

Das Berufungsgericht meint, der [X.] sei verpflichtet, der Klägerin die Umsatzsteuer zu ersetzen, die diese auf den ihr zufließenden [X.] zu entrichten habe. Der vom [X.]n zu leistende Schadenser-satz stelle ein Entgelt für die von der Klägerin als Unternehmerin erbrachte Leistung dar. Dem stehe nicht entgegen, dass der Schadensersatzanspruch nach § 61 [X.] auf das negative Interesse ([X.]) gerichtet sei. 2 3 4 - 4 - Denn die Schadensersatzleistung des [X.]n falle unter § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG.

I[X.]

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klägerin kann vom [X.]n nicht die Zahlung der Umsatzsteuer in Höhe von 1.263,82 • als Schadensersatz beanspruchen.

1. Auf den der Klägerin rechtskräftig zuerkannten Betrag entfällt keine Umsatzsteuer.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Liefe-rungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen [X.] im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Hat sich die Bemessungs-grundlage für einen danach steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat nach § 17 Abs. 1 UStG der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Dies gilt sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG der Steuerbetrag im Besteuerungszeitraum der Zahlung erneut zu berichtigen.

Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer bei Lieferungen und sons-tigen Leistungen ist das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, 5 6 7 8 - 5 - jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

b) Eine Zahlung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] Gemeinschaften wie des [X.] grundsätzlich nur dann Entgelt für eine bestimmte Leistung, wenn sie "für die Leistung" bzw. "für diese Umsätze" gewährt wird oder der Leistende sie hierfür erhält. Entscheidend ist, dass zwischen [X.] und Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis be-steht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, und zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht ([X.] NJW 1994, 1941, 1942; [X.] 2001, 661, 663; [X.] 2002, 217, 218). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Beurteilung der Frage, ob die Zahlung eines [X.] - etwa eines Bürgen im Fall des Ausbleibens der Gegenleistung - für eine bestimmte Lei-stung des Leistenden gewährt wird ([X.], 376, 379; [X.] 2002, 217, 219).

c) Schadensersatzzahlungen sind danach kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn die Zahlung nicht "für eine Lieferung oder sonstige Leistung" an den Zahlenden erfolgt, sondern weil der Zahlende nach Gesetz oder [X.] und seine Folgen einzustehen hat ([X.]NV 1999, 987, 989; BFH [X.] 2003, 681, 682). Die Entscheidung darüber, ob es sich bei einer Entschädigungszahlung steuerrechtlich um nicht umsatzsteuer-pflichtigen echten Schadensersatz oder um eine steuerbare sonstige Leistung handelt, hängt davon ab, ob die Zahlung der Summe mit einer Leistung des Steuerpflichtigen in Wechselbeziehung steht, ob also ein Leistungsaustausch 9 10 - 6 - stattgefunden hat. Grundlage des Leistungsaustauschs ist dabei eine innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Maßgebend ist der tatsächliche Geschehensablauf. Lässt dieser erkennen, dass die "Ersatzleistung" die Ge-genleistung für eine empfangene Lieferung oder sonstige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG darstellt, liegt keine nichtsteuerbare Schadenser-satzleistung, sondern steuerpflichtiges Entgelt vor ([X.], Urt. v. 22. Oktober 1997 - [X.], [X.], 609, 612 f; [X.], 298, 300). Danach ist etwa eine auf Nichterfüllung gestützte Schadensersatzforderung nach § 326 BGB a.F., soweit mit ihr als Schaden die infolge des [X.] untergegangene Vergütungsforderung für tatsächlich erbrachte Leistun-gen verfolgt wird, umsatzsteuerrechtlich der auf die steuerbare Leistung zu stützenden Vergütungsforderung gleich zu erachten und damit selbst steuerba-rer Umsatz ([X.], Urt. v. 17. Juli 2001 - [X.], NJW 2001, 3535, 3536).

2. In dem hier zu entscheidenden Fall schuldet der [X.] jedoch ge-mäß § 61 [X.] "echten" Schadensersatz. Dies hat der Senat bereits wiederholt so entschieden ([X.], Urt. v. 6. Mai 2004 - [X.] ZR 50/03, n.v.; v. 17. Dezember 2004 - [X.] ZR 185/03, [X.], 222, 223). Zur Begründung hat der Senat aus-geführt, dass die Ersatzzahlung des persönlich in Anspruch genommenen [X.] nicht auf einem Leistungsaustausch beruht ([X.], Urt. v. 17. Dezember 2004, aaO; zustimmend [X.]. 2004, 518; vgl. ferner [X.] Stöcker, UStG [66. Lfg. 2005] § 1 Rn. 432 f). Daran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Ergänzend ist auszuführen:

a) § 61 [X.] gewährt einen Anspruch auf das negative Interesse. Die schuldhafte Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters besteht hier nicht in ei-nem Verhalten, das der Nichterfüllung einer vertraglichen Leistungspflicht 11 12 - 7 - gleichsteht. Der Grund für die Haftung des Verwalters liegt darin, dass er die vertragliche Bindung überhaupt eingegangen ist, obwohl er die voraussichtli-che Unzulänglichkeit der Masse hätte erkennen können. Der [X.] verdient daher nur, so gestellt zu werden, wie er bei sachgerechtem Verhalten des Insolvenzverwalters, also bei Unterbleiben des Vertragsschlusses, stände ([X.] 159, 104, 117 ff). Wäre der Vertragsschluss aber unterblieben, läge keine Lieferung oder sonstige Leistung gegen Entgelt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor.

b) Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht auf das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2003 (NJW 2003, 2190). Dort hat der [X.] klargestellt, dass für die Höhe des Entgelts maßgebend ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. [X.] ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Daraus hat das Gericht gefolgert, dass es umsatzsteuerrechtlich kei-nen Unterschied mache, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, dieses behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichter-füllung gemäß § 635 BGB a.F. verlangt.

Davon zu unterscheiden ist der auf Ersatz des negativen Interesses ge-richtete Anspruch aus § 61 [X.]. Bereits zu § 82 KO hat der [X.] betont, dass der Verwalter keineswegs für die Erfüllung der Forderung des Un-ternehmers - gar nach Art eines Ausfallbürgen - persönlich "geradezustehen" habe ([X.], Urt. v. 10. Mai 1977 - [X.], [X.], 847, 848). Der [X.] aus § 61 [X.] hat ebenfalls nicht die Aufgabe, die Unfähigkeit der [X.] zur Befriedigung des Vertragspartners auszugleichen (vgl. [X.] 159, 104, 118). Der nach beiden Vorschriften zu ersetzende [X.] ist keine 13 14 - 8 - Gegenleistung für die erbrachte Leistung. Das Berufungsgericht hat der Kläge-rin als Schaden deshalb die "Aufwendungen (zugesprochen), die sie tätigen musste, um diese Bänder herzustellen oder zu erwerben zuzüglich der durch den Verkauf und den Transport entstanden(en) Kosten." Dieser Schaden orien-tiert sich nicht an der Höhe der noch nicht bezahlten Leistungen. Der [X.] zahlt daher nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung, sondern weil er nach dem Gesetz für den Schaden einzustehen hat (vgl. [X.]NV 1999, 987, 989). Diese Einstandspflicht beruht auf einem eigenständigen, von dem Ge-schäft des Leistenden mit der Masse losgelösten Zurechnungsgrund ([X.], Urt. v. 10. Mai 1977, aaO). Der Schaden kann somit umsatzsteuerrechtlich auch nicht teilweise als Entgelt eines [X.] für die Leistung der Klägerin [X.] werden (vgl. [X.] 2002, 217, 218 f).

c) Keines der vom Berufungsgericht angeführten Urteile des [X.]s ([X.] 2002, 217, 218 f; NJW 2003, 2190, 2191; [X.] 2003, 681, 682) trägt die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffas-sung. In den zuletzt genannten Fällen ging es um die Frage, ob und in welcher Weise Zahlungen auf Grund eines Vergleichs die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz ändern (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG). In dem zuerst genannten Fall war [X.] der Vereinbarung zwischen dem [X.] und dem [X.], dass Letzterer ähnlich einem Bürgen ([X.] 2002, 217, 219, 220) anstelle des in Konkurs gefallenen Leistungsempfängers das ausstehende Entgelt für die erbrachten Leistungen entrichtet und damit den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG erfüllt. In keinem der Fälle ging es um den Ersatz eines [X.]s. Auch in dem in [X.], 327, 330 ff abgedruckten Urteil, auf das sich das Oberlan-desgericht [X.] in seinem der Senatsentscheidung vom 6. Mai 2004 ([X.] ZR 15 - 9 - 50/03, n.v.) vorausgegangenen Berufungsurteil ([X.], 263, 266) bezogen hat, ging es nicht um den Ersatz des [X.]s, sondern um Garan-tiezahlungen, die der [X.] als Entgelte für eine künftige Leistung beurteilt hat.

d) Das Ergebnis ist auch interessegerecht; denn die Klägerin kann tat-sächlich abgeführte Umsatzsteuer wegen Uneinbringlichkeit des Kaufpreises nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG berichtigen.
16 - 10 - II[X.]

Da die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden. Das Urteil des [X.]s ist [X.] auch insoweit abzuändern, als es der Klägerin den geltend gemachten [X.] als Schadensersatz zugesprochen hat.

Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.12.2003 - 5 [X.]/03 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.07.2004 - 4 U 13/04 - 17

Meta

IX ZR 140/04

03.11.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. IX ZR 140/04 (REWIS RS 2005, 1019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1019

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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