Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. XII ZR 310/99

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 729

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[X.] DES VOLKESURTEILXII ZR 310/99Verkündet am:13. November 2002Breskic,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 3 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 13. November 2002 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] [X.]s München vom 20. Juli 1999 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] worden ist.Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen [X.] - auch über die Kosten des [X.] - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin verlangt vom [X.] Räumung und Herausgabe eines[X.].1994 verpachtete die Klägerin dem [X.] ihren "Brauerei G. O. " auf zehn Jahre mit Verlängerungsoption für weitere zwei mal fünfJahre. Nach § 1 vorletzter Absatz des Pachtvertrags sollten "nach [X.] Baumaßnahmen 1. und 2. Stock und Speicher innerhalb von vier [X.] werden".- 4 -Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 kündigte die Klägerin dem [X.] für die [X.] ab dem 1. April 1999 Baumaßnahmen an und forderte ihnauf, das erste und zweite Obergeschoß des [X.] zu räumen. Als der [X.] dieser Aufforderung nicht nachkam, kündigte die Klägerin mit [X.] 22. April 1999 das Pachtverhältnis fristlos.Zuvor hatte die Klägerin das Pachtverhältnis bereits mit Schreiben vom27. Januar 1998 zum 30. April 1998 gekündigt, weil der Beklagte die verein-barte Bierbezugsmenge unterschritten und seine Verpflichtung zu [X.] verletzt habe. Gestützt auf diese Kündigung hat die Klägerin die vor-liegende Räumungsklage erhoben.Das [X.] hat die Kündigung vom 27. Januar 1998 für unwirksamerachtet und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin [X.] erstmals auch auf die Kündigung vom 22. April 1999 ge-stützt, jedoch zusätzlich beantragt festzustellen, daß das Pachtverhältnis be-reits zum 30. April 1998 beendet worden sei. Das [X.] hat [X.] vom 27. Januar 1998 ebenfalls für unwirksam erachtet und die Be-rufung deshalb hinsichtlich des [X.] zurückgewiesen. [X.] hat das [X.] jedoch entsprochen, weil dasPachtverhältnis durch die Kündigung vom 22. April 1999 aufgelöst worden sei.Mit der Revision begehrt der Beklagte, die Klage auch in Ansehung der Kündi-gung vom 22. April 1999 [X.] 5 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit [X.] des [X.] erkannt worden ist, und zur Zurückverweisung der Sa-che an das [X.].1. Nach Auffassung des [X.]s verpflichtet § 1 vorletzterAbsatz des Pachtvertrags den Kläger, nach Ankündigung von [X.] ersten und zweiten Stock sowie den Speicher des [X.] innerhalb vonvier Wochen zu räumen; § 541 b BGB sei durch diese Regelung abbedungen.Dem [X.] sei aus Besprechungen vom 13. Dezember 1996 und16. Februar 1997 bekannt gewesen, daß die Klägerin Baumaßnahmen plane.Mit Schreiben vom 8. Dezember 1998 habe der Beklagte die Ankündigung [X.], daß die Baumaßnahmen ab dem 1. April 1999 beginnen würden und erdie beiden Obergeschosse sowie den Speicher bis zu diesem [X.]punkt zuräumen habe. Die Unterlassung der rechtzeitigen Räumung stelle eine [X.] dar, welche die Klägerin nach § 11 des Pachtvertrags zur [X.] Kündigung [X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.Das [X.] geht ersichtlich davon aus, daß die Regelung des § 1vorletzter Absatz des Pachtvertrags eindeutig ist und deshalb keiner Auslegungbedarf. Eine solche Eindeutigkeit vermag der Senat der Absprache indes [X.]. Die genannte Abrede verpflichtet den [X.] zur Räumungder Obergeschosse des ihm verpachteten [X.] bei Ankündigung von [X.], deren Art und Umfang nicht beschrieben werden. Damit bleibtoffen, ob die [X.] nur für solche Baumaßnahmen gelten soll, dieder Beklagte nach § 541 b Abs. 1 [X.] zu dulden hat, oder ob sie jeglicheBaumaßnahmen umfaßt, welche die Klägerin im Hinblick auf eine von ihr ange-- 6 -strebte künftige Verwendung des Pachtobjekts für nützlich erachtet und die- wie hier - sogar auf eine weitgehende Umgestaltung des [X.]. Das [X.], das - in anderem Zusammenhang und auch dortohne nähere Begründung - § 541 b [X.] für abbedungen erachtet, verstehtdie in § 1 vorletzter Absatz des Pachtvertrags geregelte [X.] [X.] im zweiten Sinn; denn es prüft nicht, ob die von der Klägerin beabsich-tigten Baumaßnahmen überhaupt die in § 541 b Abs. 1 [X.] genanntenZiele verfolgen und die dort normierten weiteren Voraussetzungen für eine Dul-dungspflicht des [X.] erfüllt sind. Ein solches Verständnis der Abrede [X.] allerdings eher fernliegend; es widerspricht zudem den [X.] auch der Klägerin, die ihr Räumungsverlangen in ihrem Schreiben [X.] Dezember 1998 ausdrücklich auf die §§ 541 a, 541 b [X.] stützt. In je-dem Falle setzt ein derart weites Verständnis der Abrede eine Auslegung [X.], welche die Interessen der Parteien abwägend gegenüberstellt und auf [X.] Weise den von den Parteien gewollten Sinn und die beabsichtigte Reich-weite der Absprache zu erfassen versucht. Eine solche Abwägung müßte [X.] u.a. der Frage nachgehen, welche Sicherheit ein auf zehnJahre geschlossener Pachtvertrag mit einer dem Pächter eingeräumten zwei-maligen Verlängerungsoption um jeweils fünf Jahre dem Pächter bieten soll,wenn der Verpächter ihn jederzeit unter Ankündigung beliebiger [X.] zu einer weitgehenden und unbefristeten Räumung der [X.] und dabei das Pachtobjekt - losgelöst von der pachtvertraglichenGebrauchsüberlassungspflicht - nach seinem Gutdünken umgestalten kann.Außerdem müßte eine solche Interessenabwägung prüfen, welche Konsequen-zen sich - nach dem Parteiwillen - wohl aus einem dann möglichen, von derKlägerin erzwungenen und den bisherigen Nutzungszweck [X.] für den Fortbestand des Pachtvertrags ergeben soll-- 7 -ten. Eine solche interessenorientierte Auslegung hat das [X.]nicht vorgenommen.Das [X.] geht ferner - stillschweigend - davon aus, daß [X.] (1994) getroffene und von ihm weit verstandene [X.] im [X.]punkt des Räumungsverlangens der Klägerin (Ende 1998/Anfang1999) unverändert fortgilt, von den Parteien in zwischenzeitlichen Besprechun-gen und Abreden also nicht modifiziert worden ist. Auch diese Annahme [X.] nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - gerechtfertigt.Das ergibt sich aus von der Klägerin erstellten und von ihr vorgelegtenProtokollen über Besprechungen, welche die Klägerin am 13. Dezember 1996und 16. Februar 1997 über einen Umbau sowie eine Erweiterung des [X.]führte und an denen u.a. der Beklagte teilnahm. Nach dem Protokoll über [X.] vom 16. Februar 1997 über "Umbau/Erweiterungsbau [X.] und damit zusammenhängende Vertragsgestaltungen" wurden eine"kleine Lösung" (Schaffung von Zimmern für 42 Gäste) sowie eine "große Lö-sung" (Schaffung von Zimmern für 74 Gäste) diskutiert und eine entsprechendeAnhebung des [X.] um ca. 15.000 DM bzw. ca. 22.000 DM in [X.]. Der Beklagte müsse sich überlegen, "in welcher Besetzung und in wel-cher Form die gesamte Gaststätten- und Hotellösung betrieben" werden solle.Man sei sich einig, daß es grundsätzlich sinnvoll sei, "daß Hotel und Gaststättein einer Hand" blieben. Bereits daraus erhellt, daß die Parteien bei ihren Erörte-rungen vom Dezember 1996 und Februar 1997 über eine künftige grundlegen-de Umgestaltung des [X.] im Sinne einer "Gaststätten- und Hotellösung"von der Notwendigkeit ausgegangen sind, dem veränderten [X.] durch eine Anpassung des Pachtvertrags Rechung zu tragen, die aucheine erhebliche Anhebung des [X.] umfassen sollte. Außerdem [X.] ausweislich dieses Protokolls - zunächst ein "Gesamtkonzept", das vom Be-- 8 -klagten anzustellende "[X.]" einbeziehen müsse, vorgelegtund sodann "ein Vorvertrag gefertigt", später ein "Zwischenvertrag für die [X.]" erstellt und schließlich ein endgültiger neuer Pachtvertrag geschlossenwerden. Diese Vorstellung der Parteien vom weiteren Vorgehen liegt [X.] auch dem von ihnen im Oktober 1997 geschlossenen Nachtrag zum [X.] zugrunde, der die Ausgliederung des - zum Areal des [X.] gehö-renden und zuvor der [X.] im Wege eines Tauschgeschäfts überlasse-nen - "[X.]" aus dem Pachtvertrag sowie die mit dem Verkauf ein-hergehenden baulichen Veränderungen regelt und klarstellt, daß "ein erneuterNachtrag zum Vertrag aktuell ab dem [X.]punkt besprochen" werden solle, zudem "weitere Baumaßnahmen zur Durchführung anstehen".Die in den Erörterungen und Abreden der Parteien erwogenen baulichenVeränderungen gehen weit über solche Maßnahmen hinaus, die der Beklagtebereits nach Maßgabe des § 541 b [X.] hinzunehmen hätte. Die Parteiensind bei ihren Besprechungen ebenso wie in der [X.] [X.] von der Notwendigkeit ausgegangen, über die Neukonzeption des[X.] Einvernehmen zu erzielen. Dieser Umstand begründet nicht nur zu-sätzliche Zweifel, ob § 1 vorletzter Absatz des ursprünglichen [X.] dem eigenen Verständnis der Parteien die Klägerin wirklich - wie vom[X.] angenommen - berechtigen sollte, auch derart weitreichendeBaumaßnahmen einseitig und damit notfalls gegen den Willen des [X.]durchzusetzen und zu deren Durchführung die teilweise Räumung des [X.] zu verlangen. Er stellt auch in Frage, ob die Parteien eine derart weit-gehende Berechtigung der Klägerin, falls sie denn von den Parteien überhauptjemals gewollt und vereinbart worden sein sollte, auch ihren späteren Planun-gen für eine grundlegende Umstrukturierung des Pachtobjekts zugrundegelegtund mit dem Nachtrag zum Pachtvertrag unverändert fortgeschrieben haben.Dem ist das [X.] rechtsfehlerhaft nicht nachgegangen. Die nicht- 9 -näher begründete Annahme des [X.]s, der Beklagte hätte nachDurchführung der von der Klägerin beabsichtigten Baumaßnahmen "einen An-spruch auf die Räume, zudem ohne daß im Pachtvertrag eine Erhöhung des[X.] vorgesehen war", erscheint bei einer grundlegenden Umgestaltungdes [X.] zu einem Komforthotel, wie sie in den Besprechungen zwischenden Parteien vom Dezember 1996 und Februar 1997 geplant worden ist, nichtunzweifelhaft und widerspricht jedenfalls den eigenen Vorstellungen der [X.], wie sie in den vom [X.] angeführten Besprechungsprotokol-len niedergelegt sind und auch in der [X.] vom [X.] gefunden haben.4. Nach Auffassung des [X.]s steht § 541 b Abs. 2 (wie zuergänzen ist: Satz 1) [X.] der [X.] des [X.] nicht entge-gen. Einer Mitteilung über Umfang und Dauer der Baumaßnahmen, wie sie vondieser Vorschrift vorgeschrieben wird, habe es nicht bedurft. Dem [X.]seien aus den Besprechungen vom Dezember 1996 und Februar 1997 Art undUmfang der Baumaßnahmen bekannt gewesen. Außerdem sei § 541 b BGBa.[X.] durch § 1 vorletzter Absatz des Pachtvertrags wirksam abbedungen. Auchdiese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum:Geht man mit dem [X.] davon aus, daß die Parteien§ 541 b [X.] abbedungen und die [X.] des [X.] in § 1vorletzter Absatz ihres Pachtvertrags eigenständig geregelt haben, so folgt [X.] keineswegs zwangsläufig, daß diese vertraglich festgelegte [X.] des [X.] nach dem Willen der Vertragsparteien an keinerlei Mittei-lung der Klägerin über Art und Dauer der von der Klägerin beabsichtigten [X.] gebunden sein sollte. Für die auf Gesetz (§ 541 b Abs. 1 BGBa.[X.]) gestützte Duldungspflicht des Mieters oder Pächters stellt § 541 Abs. 2Satz 1 BGB a.[X.] ein Korrektiv dar, das es dem Mieter ermöglichen soll, vom- 10 -Vermieter oder Verpächter geplante Maßnahmen auf die Voraussetzungen derdem Mieter oder Pächter vom Gesetz auferlegten Duldungspflicht hin zu über-prüfen und sich rechtzeitig auf danach zu duldende Maßnahmen einzustellen.Es ist nicht erkennbar und wäre auch schwer verständlich, daß die Parteien [X.] vertraglich vereinbarten Räumungsabrede auf ein solches von der Billig-keit gefordertes Korrektiv bewußt hätten verzichten wollen.Soweit die vertraglich vereinbarte [X.] des [X.] da-nach eine rechtzeitige Mitteilung der Klägerin über Art und Dauer von ihr beab-sichtigter Baumaßnahmen verlangte, war eine solche Mitteilung für das von derKlägerin erstmals Ende 1998 gestellte Räumungsverlangen nicht deshalb ent-behrlich, weil der Beklagte an den im Dezember 1996 und Februar 1997 er-folgten Besprechungen über eine bauliche Umgestaltung des [X.] teilge-nommen hatte. Das folgt nicht nur aus dem dazwischen liegenden beträchtli-chen [X.]raum, sondern auch aus dem Umstand, daß in den genannten Be-sprechungen - ausweislich der Protokolle - alternative Vorhaben ("große" und"kleine Lösung") erörtert worden sind und der vage Charakter der damaligenPlanungen keine verläßlichen Schlüsse auf konkrete Entscheidungen zuließ.Das [X.] geht zudem davon aus, daß die in den genannten Be-sprechungen erörterten Baumaßnahmen jenen Baumaßnahmen entsprechen,derentwegen die Klägerin vom [X.] die teilweise Räumung des [X.] verlangt. Diese Annahme wird, worauf die Revision mit Recht hinweist,vom Vortrag der Parteien nicht gedeckt. Der Beklagte hat vielmehr unter [X.] auf das schriftliche Räumungsverlangen der Klägerin vom [X.] vorgetragen, daß sich die Klägerin mit ihrem Räumungsverlangen nicht(nur) den in den Besprechungen vom Dezember 1996 und Februar 1997 erör-terten Ausbau des [X.] zum Hotel, sondern auch die Schaffung von Wohn-raum ermöglichen wollte. Eine solche Baumaßnahme war aber bislang wederzwischen den Parteien erörtert noch in sonstiger Weise angekündigt. Schon- 11 -deshalb fehlt es an einer Mitteilung über Art und Umfang von die [X.] begründenden Baumaßnahmen.5. Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der [X.] ist nicht in der Lage, anhand der vom [X.] getroffenen Fest-stellungen abschließend zu entscheiden. Die Sache ist vielmehr an das Ober-landesgericht zurückzuverweisen, damit es - nach gegebenenfalls weiterer Auf-klärung des Parteiwillens - die gebotene Auslegung der [X.] erforderlichenfalls ihre Fortgeltung sowie das Bestehen und die [X.] überprüft.HahneWeber-Monecke[X.]AhltVézina

Meta

XII ZR 310/99

13.11.2002

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2002, Az. XII ZR 310/99 (REWIS RS 2002, 729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 729

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