Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2016, Az. V ZR 125/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10179

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:100616UV[X.].15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
125/15
Verkündet am:

10. Juni 2016

Weschenfelder

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1004, 862; ZPO § 51
Macht eine Partei den Unterlassungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus §
1004 BGB bzw. aus § 862 BGB im Wege der gewillkürten Prozessstand-schaft geltend, muss sich das schutzwürdige Eigeninteresse auf die Beseiti-gung der Beeinträchtigung des Eigentums bzw. des Besitzes an dem [X.] beziehen.

[X.], Urteil vom 10. Juni 2016 -
V [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2016
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Dr.
Brückner und Weinland, den Richter Dr.
Kazele und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden der Beschluss
des [X.]s [X.] -
27.
Zivilsenat
-
vom 11.
Mai
2015 aufgehoben und das Urteil des [X.] -
3. Zivilkammer -
vom 13. Januar 2015 abgeändert.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin und der Beklagte führen unabhängig voneinander [X.] durch, indem sie öffentlich zugängliche Sammelcontainer für Kleiderspenden aufstellen. Der Beklagte stellte auf drei Grundstücken [X.] auf, ohne eine Genehmigung der jeweiligen Eigentümer eingeholt zu haben. Die Klägerin verlangt im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft von ihm, das Aufstellen von Altkleidercontainern auf den Grundstücken zu [X.]. Sie ist hierzu
von den Grundstückseigentümern ermächtigt.
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3
-
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist vor dem [X.] ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen [X.] auf Klageabweisung weiter; die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die gewillkürte Prozessstandschaft der Kläge-rin für zulässig. Nach den Feststellungen des [X.] würden die [X.] des Beklagten aufgrund ihres optischen Erscheinungsbildes häufig mit denjenigen der Klägerin verwechselt. Die Klägerin sei Mitbewerberin des Beklagten auf dem Gebiet der Altkleidersammlung. Die Parteien befänden sich somit in einer Konkurrenzsituation. Das genüge, um ein wirtschaftliches Inte-resse und damit das für eine gewillkürte
Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse zu bejahen. Der Unterlassungsanspruch beruhe auf §§ 1004, 862 BGB.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Kla-ge ist
unzulässig, da die Klägerin nicht prozessführungsbefugt ist (§ 51 ZPO).
1. Zutreffend ist allerdings
der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungs-gerichts. Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der [X.] vom Rechtsinhaber zu dieser Art der
Prozessführung ermächtigt wor-2
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den ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1987 -
V
ZR
182/86, NJW-RR 1988, 126, 127;
Urteil vom
3. Juli 1980 -
IVa [X.], [X.]Z 78, 1, 4; Urteil vom 24.
Oktober
1985 -
VII ZR 337/84, [X.]Z 96, 151, 152 f.; Urteil vom 19.
März
1987 -
III ZR 2/86, [X.]Z 100, 217, 218; Urteil vom 3. Dezember 1987
-
VII ZR 374/86, [X.]Z 102, 293, 296; so auch schon [X.], 390, 395 f.). Das schutzwürdige Eigeninteresse ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage
des Prozessführungsbefugten hat (vgl. [X.], Urteil vom
2. Oktober 1987 -
V [X.], NJW-RR 1988, 126, 127; [X.], Urteil vom 5.
Februar 2009 -
III ZR 164/08, [X.], 1213 Rn.
21, insoweit in [X.]Z 179, 329 nicht abgedruckt). Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden ([X.], Urteil vom 23.
September 1992 -
I [X.], [X.]Z 119, 237, 242; Urteil vom 19.
September 1995 -
VI [X.], NJW 1995, 3186; Urteil vom 5.
November
2015 -
I [X.], [X.], 596 Rn. 20).
2. Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, diese Voraussetzungen seien gegeben.
a) Allerdings ist die Klägerin durch die Grundstückseigentümer zur Gel-tendmachung des Unterlassungsanspruchs ermächtigt
worden. Die Ermächti-gung ist auch wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass der Anspruch aus §
1004 BGB untrennbar mit dem dinglichen Recht verbunden und nicht [X.] übertragbar ist ([X.], Urteil vom 23. Februar 1973 -
V [X.], [X.]Z 60, 235, 240;
[X.]/[X.], BGB [2013], § 1004 Rn. 90) und dass auch der Anspruch wegen Besitzstörung aus § 862 BGB nicht isoliert, sondern nur dann abgetreten werden kann, wenn der Besitz an den [X.] wird ([X.], Urteil vom 23. November 2007 -
LwZR 5/07, [X.], 580
Rn.
17; MüKoBGB/[X.], 6. Aufl., § 862 Rn. 8; [X.]/[X.], BGB [2012], § 862 Rn. 8). Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt zwar in der Regel die 6
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Abtretbarkeit des geltend zu machenden Rechts voraus (vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 1997 -
XII
ZR
278/95, [X.], 357; Urteil vom 2.
Dezember
2003 -
VI [X.], NJW-RR 2004, 595, 597; Urteil vom 10.
Februar 2010 -
VIII ZR 53/09, NJW 2010, 2509 Rn. 27). In der höchstrich-terlichen Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass ein Anspruch unter [X.] auch dann im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden kann, wenn er nicht abtretbar ist ([X.], Beschluss vom 16.
Januar
2014 -
V [X.], [X.], 267 Rn. 11; [X.], Urteil vom 25.
Juli
2012 -
XII ZR 22/11, Grundeigentum 2012, 1225 Rn. 23; Urteil vom 16.
Juni 1999 -
VII ZR 385/98, NJW 1999, 3707, 3708). Der [X.] hat dies be-jaht für den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB (Urteil vom 2.
Oktober
1987 -
V [X.], NJW-RR 1988, 126, 127 mwN) und für den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB (Urteil vom 12. Juli 1985 -
V [X.], NJW-RR 1986, 158). Er hat dies auch für den Unterlassungsanspruch des [X.] aus §
1004 BGB angenommen
(vgl. Urteil vom 1. März 2013
-
V [X.], NJW 2013, 1809 Rn. 23).
Das gilt für den Anspruch wegen Be-sitzstörung aus § 862 BGB gleichermaßen (so auch [X.]/[X.], 38. Edition, § 862 Rn. 2; [X.], Urteil vom 30.
April 2008,
3 [X.], juris). Denn es besteht kein sachlicher Grund, den possessorischen Anspruch des Besitzers wegen Besitzstörung anders zu behandeln als den dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers.
b) Der Klägerin fehlt aber das für eine gewillkürte Prozessstandschaft [X.] schutzwürdige Eigeninteresse.
aa) Es
ergibt sich, anders als das Berufungsgericht meint, nicht daraus, dass die Parteien Konkurrenten auf dem [X.] sind und die Altkleidercontainer des Beklagten mit denjenigen der Klägerin verwechselt wer-den können.
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(1) Das schutzwürdige Eigeninteresse
des [X.]s muss sich auf das Recht beziehen, zu dessen Geltendmachung
er ermächtigt worden ist. Geht es um die Beeinträchtigung eines Rechts, muss es
in der Beseitigung der eingetretenen Beeinträchtigung bestehen.
Das ist auch für die Anerkennung
eines wirtschaftlichen
Eigeninteresses
erforderlich
und bedeutet, dass nicht je-des wirtschaftliche Eigeninteresse des [X.]s ausreichend ist. Auch dieses muss sich aus der
Beziehung zu dem fremden Recht ergeben. Die Zulässigkeit der klageweisen Geltendmachung eines fremden Rechts im eige-nen Namen, bei der es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt (vgl. statt aller [X.]
in Festgabe 50 Jahre Bundesgerichtshof, 2000,
109, 112), findet nur dann ihre Rechtfertigung, wenn das Interesse des Prozesstandschafters auf die Verwirklichung gerade dieses Rechts gerichtet ist. Macht eine Partei den Unterlassungsanspruch eines Grundstückseigentümers aus § 1004
BGB bzw. aus §
862 BGB im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend, muss
sich das
schutzwürdige Eigeninteresse
daher auf die
Beseitigung der [X.] bzw. des Besitzes an dem Grundstück beziehen.
(2) Das ist hier nicht der Fall. Das Eigeninteresse
der Klägerin bezieht sich nicht auf die Beseitigung der von den Altkleidercontainern ausgehenden Beeinträchtigung des Eigentums oder
des Besitzes an den
Grundstücken
der Ermächtigenden,
sondern auf die Beendigung einer Wettbewerbssituation
auf dem [X.]. Etwaige Wettbewerbsverstöße der Beklagten [X.] das schutzwürdige Interesse aber nicht begründen. Die Vorschriften zum Schutz des Eigentums sind keine Marktverhaltensregelungen, die unter dem Gesichtspunkt des [X.] als Wettbewerbsverstöße nach § 3, § 4 Nr. 11 UWG verfolgt werden könnten ([X.], Urteil vom 16. März 2006 -
I [X.], [X.], 879 Rn. 13 mwN; vgl. auch Urteil vom 10. Dezember 1998

-
I [X.], [X.]Z 140, 183, 187 f.).
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Anders wäre es, wenn die Klägerin aufgrund einer Nutzungsvereinba-rung mit den Grundstückseigentümern berechtigt wäre, (künftig)
eigene [X.] aufzustellen. Dann bestünde zwischen ihnen
eine Rechtsbezie-hung, aus der ein Interesse der Klägerin abgeleitet werden könnte, die [X.]e von den störenden Altkleidercontainern des Beklagten frei zu machen.
Vortrag zu einer solchen
Nutzungsvereinbarung
ist indes nicht aufgezeigt.
[X.]) Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, das Interesse der Grundstückseigentümer,
die
Mühe der Rechtsverfolgung gegen den [X.] nicht auf sich nehmen zu müssen,
sei ausreichend.
Das schutzwürdige Eigeninteresse kann zwar auch darin bestehen, dass der [X.] wegen größerer [X.] den Rechtsstreit besser als der Gläubiger führen kann (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1985
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I [X.], NJW 1986,
423; Urteil vom
3. Dezember 1987 -
VII ZR 374/86, [X.]Z 102, 293, 296). Das
Interesse
an einer wirtschaftlichen und technisch erleichterten Prozessführung allein ist
dafür jedoch nicht ausreichend
([X.], Urteil vom 3. Juli 1980 -
IVa [X.], [X.]Z 78, 1, 4; Urteil vom 5.
Februar
2009 -
III ZR 164/08, [X.], 1213 Rn. 21). Die [X.] muss vielmehr zu dem geltend gemachten Recht bestehen. Wie dargelegt, fehlt es hier daran.

III.
Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in
der Sache selbst entscheiden, weil es keiner weiteren Feststellungen bedarf und die Sache zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis der
Klägerin als unzulässig abzuweisen.
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-
8
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Stresemann
Brückner
Weinland

Kazele
Haberkamp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.01.2015 -
31 O 1514/14 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 11.05.2015 -
27 [X.] -

16

Meta

V ZR 125/15

10.06.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2016, Az. V ZR 125/15 (REWIS RS 2016, 10179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 125/15

I ZR 91/11

VIII ZR 53/09

V ZB 12/13

XII ZR 22/11

V ZR 14/12

27 U 770/15

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