Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2011, Az. 1 AZR 433/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 562

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Gegenstand

Teilnahme eines freigestellten Bezirkspersonalratsmitglieds an der Arbeitszeitregelung der Mittelbehörde - Zuordnung zur Mittelbehörde


Tenor

1. Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts [X.] vom 29. April 2010 - 11 Sa 1464/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeitreglung der Generalstaatsanwaltschaft [X.] entsprechend der Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit vom 19. Dezember 2007 teilzunehmen.

2. [X.] hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

[X.]ie Parteien streiten darüber, ob der Kläger als freigestelltes [X.]itglied des [X.] verpflichtet ist, die bei der [X.]ittelbehörde geltende [X.]ienstvereinbarung zur Arbeitszeit zu beachten.

2

[X.]er Kläger ist [X.] bei der Staatsanwaltschaft [X.] und dort [X.]itglied des örtlichen Personalrats. [X.]arüber hinaus ist er auch [X.]itglied des [X.] bei der [X.] und des beim [X.] in [X.] gebildeten [X.]auptpersonalrats. Aufgrund eines Beschlusses des [X.] ist er zu 80 % und aufgrund eines Beschlusses des [X.]auptpersonalrats zu weiteren 20 % von der Arbeitsleistung freigestellt. [X.]as ständige Büro des [X.] befindet sich bei der [X.].

3

In der [X.]ienststelle der [X.] gilt seit dem 1. Januar 2008 die mit dem örtlichen Personalrat abgeschlossene [X.]ienstvereinbarung „Flexible Arbeitszeit“ ([X.]V-FLAZ). [X.]arin ist bestimmt:

        

„II.   

Geltungsbereich

        

1.    

[X.]ie [X.]ienstvereinbarung gilt für alle an die Einhaltung von [X.]ienststunden gebundenen Kräfte des [X.] (im Folgenden: Beschäftigte). Ausgenommen sind lediglich die Beschäftigten im beruflichen Fahrdienst, deren Arbeitszeit sich nach einem besonderen [X.]ienstplan richtet.“

4

[X.]it Schreiben vom 23. September 2008 teilte der [X.] dem Kläger mit, er habe ab dem 1. Oktober 2008 die zwischen der [X.]schaft und dem örtlichen Personalrat vereinbarten [X.]ienstvereinbarung über flexible Arbeitszeitregelung zu beachten. Zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen kommt der Kläger dem seit dem 1. Januar 2009 unter Vorbehalt nach.

5

[X.]er Kläger hat geltend gemacht, die [X.]schaft könne ihn nicht anweisen, die [X.]V-FLAZ zu beachten. [X.]iese gelte nur für [X.]itarbeiter der [X.]. Er sei jedoch auch nach seiner Wahl in den Bezirkspersonalrat Beschäftigter der Staatsanwaltschaft [X.] geblieben und nach wie vor bei der Staatsanwaltschaft [X.] aktiv und passiv wahlberechtigt.

6

[X.]er Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Weisung des beklagten [X.] an den Kläger vom 22. Oktober 2008 rechtswidrig ist und der Kläger nicht verpflichtet ist, an der flexiblen Arbeitszeit der [X.]schaft in [X.] teilzunehmen.

7

[X.]as beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, der Kläger sei organisatorisch in die [X.]ienststelle der [X.] eingebunden und eingegliedert. [X.]eshalb habe er die dort geltende [X.]ienstvereinbarung zu beachten.

8

[X.]as Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. [X.]as [X.]arbeitsgericht hat ihr entsprochen. [X.]it der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des beklagten [X.] ist unbegründet. Das [X.]arbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die gebotene Auslegung des Klageantrags ergibt unter Berücksichtigung des gesamten Parteivorbringens und den Klarstellungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, dass der Kläger damit die Feststellung begehrt, die in der DV-FLAZ getroffene Arbeitszeitregelung nicht einhalten zu müssen. Dem liegt zugrunde, dass der [X.] mit seinem Schreiben vom 22. Oktober 2008 den Kläger lediglich auf die seiner Auffassung nach bestehende Rechtslage hingewiesen hat und dem Schreiben darüber hinaus keine weitergehende Bedeutung zukommt.

2. Der so verstandene Klageantrag betrifft ein hinreichend bestimmt bezeichnetes Rechtsverhältnis (§ 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1 ZPO). Es geht um die Feststellung des Nichtbestehens der Verpflichtung des [X.], die Arbeitszeitregelung der DV-FLAZ zu beachten. Hierfür besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Das mit der Feststellungsklage angestrebte Urteil ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig zu lösen, weil in Bezug auf die Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeiten nur diese Frage zwischen ihnen umstritten ist.

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Arbeitszeitregelung der DV-FLAZ zu befolgen.

1. Der Kläger fällt nicht in den Geltungsbereich der DV-FLAZ. Diese gilt nach [X.] 1 für alle an die Einhaltung von Dienststunden gebundenen Kräfte des [X.]. Ausgenommen sind lediglich die Beschäftigten im beruflichen Fahrdienst, deren Arbeitszeit sich nach einem besonderen Dienstplan richtet. Zwar mag der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag eine an die Einhaltung von Dienststunden gebundene Kraft iSd. DV-FLAZ sein. Deren Anwendung steht jedoch entgegen, dass der Kläger nicht Bediensteter der Dienststelle der [X.]schaft H ist. Die Regelungskompetenz des örtlichen Personalrats dieser Dienststelle, der die DV-FLAZ mit dem [X.] vereinbart hat, erstreckt sich nach allgemeinen Grundsätzen nur auf Beschäftigte dieser Dienststelle (dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Personalvertretungsrecht 3. Aufl. § 73 Rn. 26). Hierzu gehört der Kläger nicht. Er ist vielmehr auch nach seiner Wahl in den Bezirks- und Hauptpersonalrat Bediensteter der Staatsanwaltschaft [X.] geblieben.

2. Die erfolgte teilweise Freistellung für die Tätigkeit im Bezirkspersonalrat führt nicht zur Eingliederung in die Dienststelle der [X.]schaft [X.] ändert auch die zum [X.] ergangene Rechtsprechung des [X.] nichts, wonach bei einer Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach § 38 BetrVG im Einzelfall bei einem Betrieb mit mehreren Filialen eine Änderung des [X.] sowie der Lage der Arbeitszeit eintreten kann (vgl. [X.] 13. Juni 2007 - 7 [X.] - Rn. 14, [X.] BetrVG 1972 § 38 Nr. 31 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 13). Dem steht entgegen, dass die [X.] nach § 50 LPVG [X.] „bei“ den jeweiligen [X.] bzw. den obersten [X.]behörden gebildet werden. Sie werden diesen nur angegliedert, ohne dass die [X.]itglieder der jeweiligen [X.] zu Beschäftigten dieser Behörden werden, weil sie nicht mit Aufgaben der Behörde der [X.]ittelstufe oder der obersten Dienstbehörde befasst werden (vgl. BVerwG 20. November 1979 - 6 P 12.79 - [X.] 1981, 285). Dies kommt in § 13 Abs. 2 Satz 2 B[X.]G klarstellend zum Ausdruck, wonach der in Satz 1 dieser Bestimmung geregelte Verlust der Wahlberechtigung bei einer länger als drei [X.]onate andauernden Abordnung nicht für Beschäftigte gilt, die als [X.]itglieder einer Stufenvertretung freigestellt sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] Personalvertretungsrecht § 13 Rn. 30). Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 10 Abs. 2 LPVG [X.] führt allein dazu, dass der vom [X.] aufgestellte Grundsatz ohne hinzugefügte Klarstellung gilt (Cecior/[X.]/[X.]/[X.] Das Personalvertretungsrecht in [X.] Stand Dezember 2011 § 10 Rn. 51). Deshalb ist der Kläger auch [X.]itglied in drei Arbeitnehmervertretungen, dem örtlichen Personalrat der Staatsanwaltschaft [X.] sowie des Bezirks- und [X.]. Fehlt es danach an einer Eingliederung in die Dienststelle der [X.]schaft H, ist auch die DV-FLAZ für den Kläger nicht verbindlich.

3. Der Zuordnung des [X.] zur Staatsanwaltschaft [X.] entspricht auch, dass er weiterhin den Weisungen des Leiters dieser Staatsanwaltschaft unterliegt. Die Beklagte kann sich zur Begründung eines Weisungsrechts des [X.]s nicht auf §§ 14, 15 der Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20. [X.]ärz 1935 ([X.]I S. 403) berufen. Diese Verordnung ist durch Art. 21 des [X.] über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des [X.] (BGBl. I 2006 S. 866) gemäß Art. 210 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes mit Wirkung vom 24. April 2008 aufgehoben worden. Überdies sind nach [X.] Verfügung des [X.] vom 5. November 2000 idF vom 6. November 2003 (J[X.]Bl. [X.] S. 266) Personalangelegenheiten der Angestellten von den Beschäftigungsbehörden zu bearbeiten. Beschäftigungsbehörde des [X.] ist die Staatsanwaltschaft [X.]. Die Wahl in den Bezirkspersonalrat hat daran nichts geändert, weil - wie ausgeführt - der Bezirkspersonalrat „bei“ der jeweiligen [X.]ittelbehörde gebildet wird und die [X.]itglieder des [X.] ihren jeweiligen Dienststellen als Beschäftigte zugeordnet bleiben. Nichts anderes folgt aus dem seit dem 1. Januar 2011 geltenden § 8 Abs. 1 JustG [X.]. Dessen Regelungsgegenstand ist die behördeninterne Dienstaufsicht. Danach üben die Leitungen der Gerichte, Staatsanwaltschaften und sonstigen Behörden die Dienstaufsicht über ihre jeweilige Behörde aus und die [X.] über die jeweils nachgeordneten Behörden. Ein unmittelbares Weisungsrecht des [X.]s gegenüber den Bediensteten der Staatsanwaltschaft [X.] folgt daraus nicht.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Frischholz    

        

    [X.]. Seyboth    

                 

Meta

1 AZR 433/10

13.12.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Münster, 2. Oktober 2009, Az: 4 Ca 697/09, Urteil

§ 10 Abs 2 PersVG NW 1974, § 50 PersVG NW 1974, § 13 Abs 2 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2011, Az. 1 AZR 433/10 (REWIS RS 2011, 562)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 562

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