Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. III ZB 77/16

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10021

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617BIIIZB77.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 77/16
vom

1. Juni
2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 522 Abs. 1

a)
Reduziert der in erster Instanz voll unterlegene Kläger in seiner Berufung den Gesamtumfang der Klageforderung ohne anzugeben, wie sich der reduzierte Gesamtbetrag auf seine mehreren erstinstanzlich gestellten Klageanträge ver-teilt, so steht dies nicht der Zulässigkeit der Berufung, sondern allein
der Zu-lässigkeit der Klage entgegen und betrifft somit einen Mangel, der auch noch nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, nämlich bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, behoben werden kann ([X.] an Senatsurteil vom 18. September 1986 -
III ZR 124/85, [X.], 101 f sowie [X.], Beschlüsse vom 15. März 1956 -
II ZB 19/55, [X.]Z 20, 219, 220 f und vom 27. März 1985 -
IVb [X.], [X.], 631).

b)
Die Verwerfung der Berufung als unzulässig kann auf einzelne Streitgenossen begrenzt werden.

[X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 -
III ZB 77/16 -
KG Berlin

[X.]

-
2
-
Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am 1. Juni 2017
durch den [X.] Richter
Dr. [X.], [X.],
[X.], [X.] und die Richterin Dr. Liebert

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin zu 1 wird der Beschluss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 8. November 2016
-
9 [X.]/16
-
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Be-rufung der Klägerin zu 1 gegen das am 20. April 2016 verkündete Urteil der [X.] des [X.] -
86 [X.]/13
-
als unzulässig verworfen worden ist.

Die Rechtsbeschwerde des [X.] zu 2 gegen den vorgenannten Beschluss des [X.] wird als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zur erneuten Entschei-dung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des [X.] beträgt bis zu

-
3
-
Gründe:

I.

Die Kläger begehren vom beklagten Land unter dem Vorwurf von [X.] zum Nachteil des
[X.] zu 2, einem früheren Beamten und Angestellten des [X.],
den Ersatz materieller und immaterieller [X.].

In erster Instanz hat die Klägerin zu 1 aus abgetretenem Recht des [X.] zu 2, ihres [X.],
folgende Ansprüche geltend gemacht:

1.
Erstattung von Verdienstausfall in Höhe von 48.000

2.
Feststellung der Ersatzpflicht des [X.] hinsichtlich eingetretener und künftiger Schäden wegen Persönlichkeitsverletzungen in der [X.] von 1998 bis 2008, hilfsweise wegen nachteiliger Behauptungen oder Persönlichkeitsverletzungen in der [X.] von 1.
Oktober 1995 bis 31.
Dezember 2009;
3.
Erstattung von Aufwendungen für berufliche Umorientierung in Höhe von 7.020

4.
Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes,
mindestens jedoch 1.000

5.
Zinsen auf die vorgenannten Forderungen in Höhe von fünf Prozent-punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.

Der Kläger zu 2 hat ergänzend beantragt, den [X.]
zur Erstattung von Anwaltskosten in Höhe von 160

für die Einlegung einer
Beschwerde ge-gen einen
Durchsuchungsbeschluss
zu verurteilen.
1
2
3

-
4
-

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Klä-ger Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung ist der Antrag angekündigt
worden, den [X.] unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur [X.] von "5.010

"
(richtig: zu verurteilen.

Das Berufungsgericht hat
das Rechtsmittel durch Beschluss als unzuläs-sig verworfen
und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufung der Kläge-rin zu 1 sei nicht ordnungsgemäß und die Berufung des [X.] zu 2 überhaupt nicht begründet worden. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO müsse die Be-rufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten werde und welche Abänderungen des Urteils beantragt würden. Dem werde die Berufungsbegründung der Klägerin zu 1 nicht gerecht. Sie habe den Umfang der Berufung auf einen Teilbetrag von 5.10Bezug auf welchen Antrag das landgerichtliche Urteil angefochten werden solle. Damit seien Umfang und Ziel des Rechtsmittels nicht eindeutig bestimmt. Eine Berufungsbegründung des [X.] zu 2 sei nicht zur Akte gelangt. Die einge-gangene Berufungsbegründung sei dem Rubrum nach allein für die Klägerin zu
1 eingereicht worden und befasse sich auch nicht mit der Abweisung des Klageantrags des [X.] zu 2.

Hiergegen wenden sich beide Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

4
5
6

-
5
-
II.

1.
Die nach §
574
Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 in Verbindung mit §
522
Abs.
1 Satz
4
ZPO statthafte sowie form-
und fristgerecht
eingelegte und begründete Rechts-beschwerde der Klägerin zu 1 ist auch im Übrigen zulässig, da
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt die
Kläge-rin zu 1 in ihrem
Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung verkannt
und hierdurch der
Klägerin zu 1 den
Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.

a) Nach §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1
ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angefochten wird und welche Abänderungen beantragt werden. Diese Erklärung muss nicht [X.] in einem bestimmten Antrag niedergelegt werden. Die Vorschrift [X.] lediglich, dass die Begründungsschrift ihrem gesamten Inhalt nach [X.] erkennen lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil der ersten Instanz angefochten werden soll (s. etwa [X.], Beschlüsse vom 15. [X.] -
XI [X.], NJW-RR 2010, 424 Rn. 9; vom 31. August 2010
-
VIII ZB 13/10, [X.], 48
Rn. 7 und vom 19. November 2014 -
XII ZB 522/14, NJW-RR 2015, 188
Rn. 10).

7
8

-
6
-

b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung gerecht. Die Klägerin zu 1 hat mit ihrem angekündigten Berufungsantrag hinreichend deut-lich zum Ausdruck gebracht, dass sie das erstinstanzliche Urteil in einem Um-fang von 5.10Damit war das
Ziel des Rechtsmittels in bestimmter Weise erkennbar. Die unterbliebene Aufteilung des noch verlangten ([X.] auf die einzelnen erstinstanzlich gestellten Klageanträge hin-dert
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die
Zulässigkeit der Berufung, sondern allein die
Zulässigkeit der Klage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und betrifft somit
einen Mangel, der auch noch nach dem Ablauf der Beru-fungsbegründungsfrist, nämlich bis zum Schluss der letzten mündlichen
Ver-handlung in der Berufungsinstanz, behoben werden kann (s. Senatsurteil vom 18. September 1986 -
III ZR 124/85, [X.], 101 f sowie [X.], Beschlüsse vom 15. März 1956 -
II ZB 19/55, [X.]Z 20, 219, 220 f
und vom 27. März 1985
-
IVb ZB
20/85, [X.], 631; vgl. auch Senatsurteil vom 3. Dezember 1953 -
III ZR 66/52, [X.]Z 11, 192, 193 ff; [X.], 5.
Aufl., § 520 Rn. 27 mwN). Dies steht in Einklang damit, dass
der Berufungs-kläger sein Rechtsmittel noch bis zum Schluss der Berufungsverhandlung
er-weitern kann, soweit die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die
An-tragserweiterung
decken (s. etwa [X.], Beschluss vom 27. März 1985 aaO;
Urteil vom 28.
September 2000 -
IX ZR 6/99, NJW 2001,
146
[insoweit nicht in [X.]Z 145, 256
mit abgedruckt]
und Beschluss vom 27. März 2012 -
VI [X.], NJW-RR 2012, 662 f Rn. 7 f).

2.
Demgegenüber ist die -
ebenfalls nach §
574
Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 in [X.] mit §
522
Abs.
1 Satz
4 statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und be-gründete
-
Rechtsbeschwerde des [X.] zu 2 nicht zulässig, weil insoweit weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des 9
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-
7
-
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entschei-dung des [X.] erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Zu Recht hat das Berufungsgericht das Fehlen einer
Begründung der Berufung des [X.] zu 2 beanstandet. Zwar kann der Berufungsangriff, das erstinstanzliche Urteil sei nicht von den zuständigen Richtern unterschrieben worden, grundsätzlich auch die
Abweisung des Klageantrags des [X.] zu 2 betreffen.
Der [X.] vom 7. August 2016 erwähnt im Rubrum jedoch allein die Klägerin zu 1 und lässt auch im Übrigen nicht hin-reichend erkennen, dass sich die Berufungsbegründung
auch auf das Klagebe-gehren des [X.] zu 2 erstrecken
soll. Die darin enthaltenen umfangreichen Ausführungen sind -
bis auf die unspezifische Rüge der Mitwirkung unzuständi-ger Richter
-
ganz auf die Klage der Klägerin zu 1 zugeschnitten. [X.] zeigt die Rechtsbeschwerde auch nicht auf, aus welchen Gründen die Würdigung des Berufungsgerichts, es fehle an einer Berufungsbegründung des [X.] zu 2, rechtsfehlerhaft sein sollte.

3.
Nach alledem hat das [X.] die Berufung des [X.] zu 2 zu Recht, die Berufung der Klägerin zu 1 hingegen zu Unrecht als unzulässig [X.]. Hinsichtlich der Entscheidung über die
Berufung des [X.] zu 2 kann der Beschluss des Berufungsgerichts Bestand
behalten; die Verwerfung einer Berufung als unzulässig kann auf einzelne Streitgenossen begrenzt werden

(s. etwa [X.], [X.], 1375, 1376; MüKoZPO/[X.] aaO §
522 Rn. 12; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 522 Rn. 11: [X.]/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 522 Rn. 18). Im Übrigen unterliegt der Beschluss der Aufhe-

11
12

-
8
-
bung und ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert
Liebert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.04.2016 -
86 [X.]/13 -

KG Berlin, Entscheidung vom 08.11.2016 -
9 [X.]/16 -

Meta

III ZB 77/16

01.06.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. III ZB 77/16 (REWIS RS 2017, 10021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10021

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