Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2018, Az. 10 AZR 496/17

10. Senat | REWIS RS 2018, 3652

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Gegenstand

Arbeitszeitkonto - Stundenabbau - Zeitzuschläge - Auslegung des Manteltarifvertrages für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (MTV) - Entgeltfortzahlungsprinzip


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] - [X.] - vom 16. August 2017 - 19 [X.]/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifli[X.]he [X.], Sonntags-, Feiertags- und Na[X.]htarbeitszus[X.]hläge für [X.]en, in denen der Kläger ni[X.]ht gearbeitet hat, weil er ein [X.]guthaben in Anspru[X.]h genommen hat.

2

Der Kläger arbeitet für die Beklagte als Fluglotse und ist Mitglied des Betriebsrats. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertragli[X.]her Bezugnahme ua. der Manteltarifvertrag für die bei der [X.] bes[X.]häftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ([X.]) vom 19. November 2004 in den Fassungen vom 6. Mai 2010 bzw. vom 16. Mai 2012 Anwendung. Die Fassungen sind in den für die Revision erhebli[X.]hen Teilen wortglei[X.]h.

3

Die Arbeitszeit ist na[X.]h § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] grundsätzli[X.]h auf die Arbeitstage Montag bis Freitag der Wo[X.]he zu verteilen. Es ist aber au[X.]h eine Verteilung auf Samstage, Sonntage und Feiertage zulässig. Na[X.]h § 11 Abs. 2 [X.] werden Beginn und Ende der tägli[X.]hen Arbeitszeit dur[X.]h S[X.]hi[X.]htpläne geregelt. Der Kläger nimmt als Fluglotse an der sog. flexiblen S[X.]hi[X.]htplanung teil. Für ihn wird ein Arbeitszeitkonto geführt.

4

§ 14 [X.] lautet auszugsweise:

        

        „Monatli[X.]he Abre[X.]hnung und Übertragung von Arbeitsstunden
        

…       

        
        

(3)     

Die monatli[X.]hen Sollstunden werden zum Monatsende der tatsä[X.]hli[X.]hen Arbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit zuzügli[X.]h der - soweit zutreffend - Stundenguts[X.]hriften für Urlaub, Krankheit, Rufbereits[X.]haft, Arbeitsbefreiung für Überstunden und für sonstige Arbeitsbefreiungen gegenübergestellt. Die Differenz sind Mehr- oder Minderarbeitsstunden.

        

(4)     

Mehrarbeit ergibt si[X.]h au[X.]h dur[X.]h ...

        

(5)     

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können mit Zustimmung des jeweiligen Vorgesetzten bis zu 150 [X.] ansammeln. Au[X.]h dur[X.]h die Anordnung von Überstunden darf diese Grenze insgesamt ni[X.]ht übers[X.]hritten werden.

                 

Ab einem [X.]kontostand von 30 [X.] kann die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter, mit einer Ankündigungsfrist von mindestens 15 Tagen, einen [X.]abbau in einer Größenordnung von bis zu 3 Tagen verlangen. ... Stehen zwingende betriebli[X.]he Gründe (z. B. Unterbesetzung eines Arbeitsberei[X.]hes bzw. einer [X.]) einem Stundenabbau ni[X.]ht entgegen, ist dem Verlangen der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters stattzugeben. ... Liegen betriebli[X.]he Gründe vor (z. B. Überbesetzung eines Arbeitsberei[X.]hs bzw. einer [X.]), kann der jeweilige Vorgesetzte von den Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern mit einem [X.]konto von mehr als 30 Stunden einen Stundenabbau verlangen.

                 

Der Abbau kann nur in ganzen Tagen und im Zusammenhang mit anderen Freizeitblö[X.]ken erfolgen. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter kann diesem Abbau nur dann widerspre[X.]hen, wenn dringende persönli[X.]he Gründe vorliegen. …“

5

Die Beklagte berü[X.]ksi[X.]htigt bei der Feststellung der tatsä[X.]hli[X.]hen Arbeitszeiten des [X.] au[X.]h dessen Tätigkeit als Betriebsrat. In der [X.] vom 25. Februar 2012 bis 25. April 2014 beantragte und erhielt der Kläger in insgesamt 24 Fällen zwis[X.]hen 0,75 und 8,15 Stunden [X.]abbau. In allen diesen Fällen betraf der Stundenabbau [X.]en, zu denen der Kläger im S[X.]hi[X.]htplan zu [X.], Sonntags-, Feiertags- und/oder Na[X.]htarbeit eingeteilt war.

6

Hinsi[X.]htli[X.]h des Anspru[X.]hs auf Vergütung nimmt § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] Bezug auf einen Vergütungstarifvertrag und einen Zulagentarifvertrag. § 20 [X.] regelt sog. [X.]zus[X.]hläge und lautet in Teilen:

        

[X.]zus[X.]hläge

        

(1)     

[X.]zus[X.]hläge werden gezahlt für geleistete

                 

a)    

Überstunden (…) in Höhe von 25 vom Hundert der Stundenvergütung,

                 

b)    

Samstagsarbeit in Höhe von fünf vom Hundert der Stundenvergütung,

                 

[X.])    

Sonntagsarbeit und Arbeit am Ostersamstag sowie Arbeit ab 12 Uhr am 24. Dezember und 31. Dezember in Höhe von 50 vom Hundert der Stundenvergütung,

                 

d)    

Feiertagsarbeit in Höhe der vollen Stundenvergütung,

                 

e)    

Na[X.]htarbeit in Höhe von neun Euro je Stunde.

                 

Treffen mehrere Gründe für die Zahlung eines Zus[X.]hlages zusammen, so ist in den Fällen der Bu[X.]hstaben b), [X.]) und d) jeweils der höhere Zus[X.]hlag zu zahlen. Die Zus[X.]hläge für Überstunden und für Na[X.]htarbeit werden zusätzli[X.]h gezahlt.

        

(2)     

Für die Bere[X.]hnung der [X.]zus[X.]hläge na[X.]h den Bu[X.]hstaben b) bis e) des Absatzes 1 gilt:

                 

a)    

Samstagsarbeit ist die Arbeit zwis[X.]hen 13 Uhr und 20 Uhr an Samstagen.

                 

b)    

Sonntags- und Feiertagsarbeit ist die Arbeit von 0 Uhr bis 24 Uhr an Sonntagen und an gesetzli[X.]hen Feiertagen (§ 14 Abs. 2).

                 

[X.])    

Na[X.]htarbeit ist die Arbeit zwis[X.]hen 20 Uhr und 6 Uhr.“

7

Die Beklagte zahlte an den Kläger für die [X.]en des Abbaus von [X.] nur die Vergütung na[X.]h § 18 [X.], aber keine [X.]zus[X.]hläge na[X.]h § 20 [X.].

8

Der Kläger hat gemeint, die Beklagte s[X.]hulde [X.]zus[X.]hläge au[X.]h für [X.]en der Arbeitsbefreiung zum Abbau von Mehrarbeit. Die Ents[X.]heidung über die Freistellung treffe letztli[X.]h die Beklagte. Damit verzi[X.]hte sie glei[X.]hzeitig auf ein Angebot der Arbeitskraft und gerate in Annahmeverzug. Unerhebli[X.]h sei, ob der Arbeitgeber den [X.]ausglei[X.]h anordne oder einem Antrag des Arbeitnehmers entspre[X.]he. In beiden Fällen handle es si[X.]h um eine Ents[X.]heidung zur Freistellung, die zum Annahmeverzug führe. Ein Angebot der Arbeitsleistung dur[X.]h den Kläger sei entbehrli[X.]h. Sein Leistungswille sei na[X.]h wie vor vorhanden. Ohne die Freistellung hätte er s[X.]hi[X.]htplanmäßig gearbeitet. Wenn kein Annahmeverzug anzunehmen sei, gelte jedenfalls das Entgeltausfallprinzip. Der Tarifvertrag enthalte keine abwei[X.]henden Regelungen hierzu.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zus[X.]hläge iHv. 1.205,59 Euro brutto [X.] gesetzli[X.]her Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Ansi[X.]ht vertreten, die Voraussetzungen des Annahmeverzugs seien ni[X.]ht gegeben. Weder habe der Kläger seine Arbeitskraft angeboten, no[X.]h habe die Beklagte ein sol[X.]hes Angebot abgelehnt oder darauf verzi[X.]htet. Dem Kläger fehle s[X.]hon der erforderli[X.]he Leistungswille. Das Entgeltausfallprinzip finde keine Anwendung. Vielmehr sei die Beklagte zum Freizeitausglei[X.]h na[X.]h dem Tarifvertrag verpfli[X.]htet, wenn die tatbestandli[X.]hen Voraussetzungen erfüllt seien. Der Tarifvertrag beinhalte ein in si[X.]h ges[X.]hlossenes Regelungswerk. § 14 [X.] regle die Zus[X.]hläge ni[X.]ht. Die Zus[X.]hlagsregelung sei unmittelbar in § 20 [X.] enthalten. Dessen Voraussetzungen lägen ni[X.]ht vor. Die vom Kläger verlangten [X.]zus[X.]hläge seien nur für „geleistete“ Arbeit zu zahlen. Sonst würden Fehlanreize für Arbeitnehmer ges[X.]haffen, Mehrarbeit gezielt in den in § 20 [X.] genannten [X.]en abzubauen.

Das Arbeitsgeri[X.]ht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgeri[X.]ht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgeri[X.]ht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzli[X.]hen Ents[X.]heidung.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass ihm keine Ansprüche auf tarifliche [X.], Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge für [X.]en zustehen, in denen er wegen Abbaus von [X.] nicht gearbeitet hat.

1. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf § 611 Abs. 1 [X.] (seit 1. April 2017: § 611a Abs. 2 [X.]) iVm. den Grundsätzen des Annahmeverzugs nach §§ 615, 293 ff. [X.] stützen. Die Beklagte war mit der Annahme der Dienste des [X.] nicht in Verzug. Auf die Frage eines Leistungswillens des [X.] oder eines Angebots seiner Arbeitskraft kommt es nicht an. Weder bestand für ihn eine Pflicht zur Arbeitsleistung noch für die Beklagte eine Beschäftigungspflicht.

a) Nach § 615 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug gerät. Das setzt nach § 293 [X.] voraus, dass der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung nicht annimmt. Ist der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit, schuldet er dem Arbeitgeber keine Dienste. Er kann sie dem Arbeitgeber nicht anbieten; dem Arbeitgeber obliegt keine Mitwirkungshandlung iSv. § 296 [X.]. Er braucht dem Arbeitnehmer in dieser [X.] keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Für die Dauer des Urlaubs oder während einer anderen rechtswirksamen Freistellung von der Arbeit ist dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung iSv. § 297 [X.] vorübergehend rechtlich unmöglich. Der Arbeitgeber kann nicht in [X.] geraten ([X.] 23. Januar 2001 - 9 [X.] der Gründe mwN, [X.]E 97, 18; vgl. auch [X.] 17. Oktober 2012 - 10 [X.] - Rn. 34, [X.]E 143, 203; 19. März 2002 - 9 [X.] - zu II 2 a der Gründe).

b) Dem steht die vom [X.] zitierte Entscheidung des [X.] vom 23. Januar 2008 (- 5 [X.] - Rn. 13) jedenfalls für den Abbau von [X.] auf einem Arbeitszeitkonto nicht entgegen.

aa) Sie betrifft allein die Auslegung eines gerichtlichen Vergleichs hinsichtlich der Frage des Vergütungs- bzw. Entgeltfortzahlungsanspruchs nach Ablauf von mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit bei vereinbarter bezahlter Freistellung eines Arbeitnehmers bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist. Hier erfolgt die Freistellung zum Abbau von [X.] auf einem Arbeitszeitkonto auf Grundlage einer ([X.]n Regelung, die eine Arbeitspflicht für diese [X.]en von vornherein ausschließt.

bb) Bei einem Arbeitszeitkonto, bei dem Plus- und Minusstunden angesammelt werden können, steht als vertragsgemäße Arbeitszeit von Anfang an nur die Gesamtdauer bzw. - bei flexibler vertraglicher Arbeitszeitdauer - nur deren Mindestumfang fest; im Einzelnen muss die vertragsgemäße Arbeitszeit vom Arbeitgeber oder, je nach Vereinbarung, vom Arbeitnehmer festgelegt werden. Annahmeverzug kann deshalb nur eintreten, wenn bis zum Ende des [X.] oder des Arbeitsverhältnisses nicht die vereinbarte Gesamtdauer abgerufen wurde (vgl. [X.]/[X.] NZA 2015, 1169; [X.]/Preis 18. Aufl. § 615 [X.] Rn. 12). Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den Abbau von [X.] beantragt oder der Arbeitgeber ihn anordnet, solange der Arbeitgeber bis zum Ablauf eines etwaigen [X.] nicht zu wenig Arbeit zuweist. In beiden Fällen bestehen in dieser [X.] aufgrund einer ([X.]n Regelung keine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und keine Pflicht des Arbeitgebers, Arbeit zuzuweisen.

c) § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1 [X.] begründet zudem keinen Anspruch auf Beschäftigung zu bestimmten (zuschlagspflichtigen) [X.]en ([X.] 12. Dezember 2012 - 5 [X.] - Rn. 28).

d) Hier hat der Kläger nach § 14 Abs. 5 [X.] [X.]abbau verlangt und erhalten. Damit war er von seiner Arbeitspflicht befreit. Umgekehrt schuldete die Beklagte keine Zuweisung von Tätigkeit. Auch der Kläger macht nicht geltend, dass die Beklagte ihm bis zum Ablauf eines [X.] eine zu geringe Arbeitsmenge zugewiesen habe. Damit handelt es sich von vornherein nicht um einen Fall des Annahmeverzugs iSd. §§ 615, 293 ff. [X.], ohne dass es auf die Leistungsbereitschaft des [X.] und die von ihm initiierte Freistellung ankäme.

2. Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 611 Abs. 1 [X.] iVm. §§ 14, 20 [X.] stützen. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere weder aus den Regelungen zum Arbeitszeitkonto noch aus der tarifvertraglichen Zuschlagsregelung selbst.

a) Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 [X.] erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands (zB § 615 Satz 1 und Satz 3, § 616 Satz 1 [X.], § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EFZG, § 37 Abs. 2 BetrVG) nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss ([X.] 29. Juni 2016 - 5 [X.] - Rn. 17 mwN, [X.]E 155, 310). Ein nicht ausgeglichenes Arbeitszeitkonto weist bei einer verstetigten Arbeitsvergütung, je nach Stand, Vorleistungen der einen oder der anderen Seite aus ([X.] 15. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 38). Es gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit - in anderer Form - seinen Vergütungsanspruch aus ([X.] 18. März 2014 - 1 [X.] - Rn. 20 mwN, [X.]E 147, 313). Dabei können Arbeitsleistungen nach besonderen Regelungen höher (zB Mehrarbeit, Feiertagsarbeit) oder niedriger (zB Bereitschaftsdienst) bewertet werden, als es ihrem zeitlichen Einsatz entspricht ([X.] 19. März 2008 - 5 [X.] - Rn. 10). Die [X.]gutschrift auf einem Arbeitszeitkonto ist lediglich eine abstrakte Recheneinheit, die für sich gesehen keinen Aufschluss darüber gibt, wie sie erarbeitet wurde. Deshalb kommt es für den Abbau eines Arbeitszeitkontos nur noch auf die Höhe des [X.]guthabens in der maßgeblichen Recheneinheit an. Aufbau und Abbau eines Arbeitszeitkontos können jeweils eigenen Regeln folgen ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 15).

b) Nach § 14 Abs. 5 Unterabs. 3 [X.] erfolgt der Abbau von [X.] „nur in ganzen Tagen und im Zusammenhang mit anderen Freizeitblöcken“. Auch aus der Protokollnotiz zu § 10 Abs. 3 [X.] geht hervor, dass die Tarifvertragsparteien arbeitsfreie [X.] als „Freizeit“ bezeichnen. Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinn das Gegenteil von Arbeitszeit. Freizeitausgleich bedeutet, statt Arbeitszeit ableisten zu müssen bezahlte Freizeit zu erhalten ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - Rn. 17). Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit ([X.] 11. Februar 2009 - 5 [X.] - Rn. 13). Der Abbau eines Arbeitszeitkontos durch Freizeitausgleich vollzieht sich deshalb - soweit durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag nichts anderes geregelt ist - dergestalt, dass errechnet wird, wie viel „freier [X.]“ die auf dem Arbeitszeitkonto angesammelten Stunden entsprechen. Diese ist aufgrund der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeit zu ermitteln ([X.] 17. März 2010 - 5 [X.] - aaO).

c) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 [X.] gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, der auch in § 16 Abs. 1 Satz 3 [X.] anklingt. Verlangt der Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 [X.] Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet hat oder einer der Tatbestände erfüllt war, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt ([X.] 15. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 33; 18. April 2012 - 5 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 141, 144).

d) Der Kläger hat an den Tagen, für die er Zuschläge begehrt, nicht gearbeitet. Damit steht ihm zunächst kein Vergütungsanspruch aus § 611 Abs. 1 [X.] zu. Einen allgemeinen Entgeltfortzahlungsanspruch ohne gesetzliche oder ([X.] Regelung gibt es nicht. Wie bereits ausgeführt, liegt auch kein Fall des § 615 [X.] vor. Ein Vergütungsanspruch dem Grunde nach steht dem Kläger aber durch „Umbuchung“ seines Guthabens aus dem Arbeitszeitkonto zu. Dabei trifft § 14 [X.] keine eigenständige Regelung, in welcher Höhe der Vergütungsanspruch entsteht, so dass er den allgemeinen Vergütungsregelungen folgt.

e) Soweit der Kläger Ansprüche auf die tarifvertraglichen Zuschläge geltend macht, muss er die Voraussetzungen des § 20 [X.] erfüllen. Das ist nicht der Fall. Die Zuschläge werden nach § 20 Abs. 1 Buchst. b bis Buchst. e für geleistete [X.], Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt. Das trifft auf den Kläger nicht zu.

Er hat in den der Klage zugrunde liegenden [X.]räumen keine zuschlagspflichtige Arbeit geleistet. Allein der Umstand, dass er im Schichtplan ursprünglich für Arbeit zu zuschlagspflichtigen [X.]en eingeteilt war, hiervon aber zum Zweck des Abbaus von [X.] wieder befreit wurde, reicht nicht aus.

aa) Bereits der Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB [X.] 8. November 2017 - 10 [X.] - Rn. 16 mwN), spricht deutlich für ein solches Verständnis.

(1) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen ([X.] 8. November 2017 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN).

(2) Der Begriff „Arbeit leisten“ wird ebenso wie der Begriff „arbeiten“ ausschließlich für [X.] verwandt. Dies entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch. [X.]en, in denen der Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung befreit ist, fallen regelmäßig nicht hierunter ([X.] 14. Mai 2013 - 1 [X.] - Rn. 12; 27. August 2008 - 5 [X.] - Rn. 10; für den Fall einer besonderen tarifvertraglichen Regelung zur Fortzahlung der Vergütung bei Freistellung von der Arbeit vgl. [X.] 24. März 2010 - 10 [X.] - Rn. 22 f., [X.]E 134, 34). Die Regelung in § 14 Abs. 3 [X.], in der die Begriffe „tatsächliche Arbeitszeit“ und „Stundengutschrift“ ua. für [X.]en der Arbeitsbefreiung voneinander unterschieden werden, zeigt, dass die Tarifvertragsparteien nicht vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichen wollen.

bb) Systematik und Gesamtzusammenhang der Tarifnormen stützen dieses Ergebnis.

(1) Der [X.] enthält Regelungen für Fälle, in denen [X.]zuschläge nach § 20 [X.] gezahlt werden, obwohl tatsächlich keine Arbeit geleistet wird. Das betrifft die Arbeitsunfähigkeit (§ 23 Abs. 1 Satz 2 [X.]) und den Erholungsurlaub (§ 30 Abs. 7 Satz 2 [X.]). Dort wird eine Zahlung nach dem Durchschnitt der tatsächlichen Werte, die in den zwölf vorangegangenen Kalendermonaten abgerechnet wurden, angeordnet. § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] regelt ferner, dass [X.]zuschläge nach § 20 [X.] erst ab dem vierten Krankheitstag zu zahlen sind.

(2) Die Tarifvertragsparteien lösen sich für den Fall der [X.]zuschläge nach § 20 [X.] im Übrigen nicht von dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, wie schon die Regelung über „Arbeitsbefreiung aus besonderem Anlass“ in § 32 [X.] zeigt. Dort ist die Fortzahlung der Vergütung anlässlich der verschiedenen Freistellungsgründe ausdrücklich (nur) bezogen auf die Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] und damit nicht auf etwaige Zuschläge nach § 20 [X.]. Ferner ist die Zahlung der für den Erholungsurlaub in § 30 Abs. 7 Satz 2 [X.] geregelten [X.]zuschläge für den Zusatzurlaub nach § 31 [X.] ausgeschlossen. Bei [X.], die für je 100 Arbeitsstunden in der [X.] von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr erworben werden, wird das in § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich geregelt. Bei Zusatzurlaub für Wechselschichtdienst bezieht § 31 Abs. 2 [X.] den Fortzahlungsanspruch allein auf die Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.].

(3) Auch im Fall der Arbeitsbefreiung als [X.]ausgleich für Überstunden nach § 12 Abs. 5 Satz 1 [X.] sieht § 12 Abs. 5 Satz 3 [X.] nur die (zusätzliche) Zahlung der [X.]zuschläge für Überstunden nach § 20 Abs. 1 Buchst. a [X.] vor. Die Bestimmung erwähnt die anderen, hier interessierenden [X.]zuschläge nach § 20 Abs. 1 Buchst. b bis Buchst. e [X.] nicht.

(4) Das Gesamtgefüge zeigt, dass die Tarifvertragsparteien nur für bestimmte Fälle hinsichtlich der [X.]zuschläge nach § 20 [X.] von der Regel „Ohne Arbeit kein Lohn“ abgewichen sind und einen Anspruch auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung begründet haben. Für den Fall der Entgeltfortzahlung haben sie die Abweichungen von der Regel wieder mit Einschränkungen versehen. Der Tarifvertrag sieht für den Fall des Abbaus von [X.] nach § 14 Abs. 5 [X.] keine Zuschlagspflicht vor. Das passt in die Systematik des Tarifvertrags, der beispielsweise auch für [X.] nach § 31 [X.] keine [X.]zuschläge vorsieht.

cc) Sinn und Zweck der Regelung bestätigen diese Auslegung. [X.], Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge sollen besondere Erschwernisse ausgleichen, die durch ungünstige Arbeitszeiten entstehen (vgl. zu § 3 des Manteltarifvertrags für die [X.] - [X.] - [X.] Textilindustrie vom 29. Oktober 1970: [X.] 21. März 2018 - 10 [X.] - Rn. 36; vgl. zu § 8 Abs. 1 TVöD-K aF: [X.] 24. September 2008 - 6 [X.]/08 - Rn. 21). Das wäre nicht damit in Einklang zu bringen, dass - anders als in Fällen einer ausdrücklichen ([X.]n Regelung - zB Feiertagszuschläge zu leisten sind, obwohl tatsächlich keine Feiertagsarbeit angefallen ist.

3. Hinsichtlich der geltend gemachten Nachtarbeitszuschläge ist § 6 Abs. 5 [X.], der einen anderen Streitgegenstand bilden würde, nicht zu prüfen, weil sich der Kläger nicht darauf beruft. Angesichts der bestehenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelung bleibt ohnehin kein Anwendungsbereich für die Norm.

4. Einen Anspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG macht der Kläger nicht geltend. Das hat er im Revisionsverfahren ausdrücklich bestätigt.

Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Anspruchs unter dem Gesichtspunkt eines „[X.]s“ gleichwohl auf eine zu § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ergangene Entscheidung des [X.] stützt ([X.] 12. August 2009 - 7 [X.] - Rn. 13), kommt dem keine Bedeutung zu. Der Abbau von [X.] auf einem Arbeitszeitkonto nach tarifvertraglichen Regeln ist ein hinsichtlich der Voraussetzungen und Folgen anderer Vorgang als die Arbeitsbefreiung zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Dort ist das [X.], auf das sich der Kläger beruft, ausdrücklich gesetzlich angeordnet. Hier fehlt es dagegen an einer solchen Regelung.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gallner    

        

    Brune    

        

    Schlünder    

        

        

        

    A. Effenberger    

        

    Klein    

                 

Meta

10 AZR 496/17

19.09.2018

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Karlsruhe, 5. Oktober 2016, Az: 3 Ca 139/16, Urteil

§ 1 TVG, § 611 Abs 1 BGB, § 611a Abs 2 BGB, § 615 S 1 BGB, § 293 BGB, § 6 Abs 5 ArbZG, § 37 Abs 3 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.09.2018, Az. 10 AZR 496/17 (REWIS RS 2018, 3652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3652

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