Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2017, Az. XII ZB 430/16

12. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 6009

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Gegenstand

Ärztliche Zwangsbehandlung im Rahmen einer strafrechtlichen einstweiligen Unterbringung in einen psychiatrischen Krankenhaus in Sachsen: Anforderungen an einen Überzeugungsversuch für eine Medikamenteneinnahme


Leitsatz

Zu den Anforderungen an einen Überzeugungsversuch vor der Durchführung einer Zwangsbehandlung im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO.

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 16. August 2016 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

1

Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung einer zwangsweisen Heilbehandlung.

2

Der Betroffene ist nach § 126 a StPO in einem psychiatrischen Krankenhaus einstweilig untergebracht. Mit Beschluss vom 13. Juli 2016 hat das Amtsgericht die Fortführung der zwangsweisen Behandlung des Betroffenen mit im [X.] im Einzelnen bezeichneten Medikamenten bis längstens zum 24. August 2016 sowie die zwangsweise Erhebung von [X.] (Blutabnahme, EKG) im Mindestabstand von vier Wochen genehmigt.

3

Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] die amtsgerichtliche Genehmigung der zwangsweisen Erhebung von [X.] aufgehoben. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betroffene die Feststellung, durch die Beschlüsse des Amts- und des [X.]s in seinen Rechten verletzt worden zu sein.

II.

4

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

5

1. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der - hier vorliegenden - Erledigung der [X.] aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - [X.] 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 7 mwN).

6

2. Die Entscheidungen von Amts- und [X.] haben den Betroffenen jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, die Ausführungen des [X.] zu einem den Anforderungen des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] genügenden Überzeugungsversuch seien unzureichend, greift nicht durch.

7

a) Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.], der im vorliegenden Fall der einstweiligen Unterbringung nach § 126 a StPO anwendbar ist (§ 38 Abs. 1 Satz 5 [X.]), setzt die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme voraus, dass der Patient über die Behandlung und ihre beabsichtigten Wirkungen sowie Nebenwirkungen in einer ihm möglichst verständlichen Weise umfassend aufgeklärt worden ist mit dem Ziel, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Die Aufklärung muss gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] von dem nach § 33 [X.] zuständigen Arzt vorgenommen werden, der die Entscheidung über die Behandlung trifft. Nach § 33 Satz 1 [X.] sind belastende Vollzugsmaßnahmen nur auf Anordnung der ärztlichen Leitung des Krankenhauses oder deren Vertreter zulässig. Diese Vorschriften regeln den von [X.] wegen erforderlichen Überzeugungsversuch (vgl. [X.], 767 Rn. 69 und vom 19. Juli 2017 - 2 BvR 2003/14 - juris Rn. 34 ff.).

8

b) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen ist diese Voraussetzung für eine Behandlung des Betroffenen gegen seinen Willen erfüllt.

9

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, auf die das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, wurde der Betroffene bereits im Juni 2016 umfassend über die Vor- und Nachteile der beabsichtigten Medikamenteneinnahme aufgeklärt. Aus den im Rahmen des erstinstanzlichen Anhörungstermins übergebenen Unterlagen zu den therapeutischen Verlaufsdaten hat das Amtsgericht entnommen, dass der Betroffene regelmäßig auf die Medikamenteneinnahme angesprochen wurde, aber ein eingehendes Gespräch hierzu ablehnte. Schließlich hat der stellvertretende Chefarzt der Unterbringungseinrichtung bei seiner Anhörung durch das Beschwerdegericht angegeben, dass während der [X.] des Betroffenen "andauernd" versucht worden sei, den Betroffenen von einer freiwilligen Medikamenteneinnahme zu überzeugen.

Damit sind die Anforderungen erfüllt, die § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.] als Voraussetzung für die gerichtliche Genehmigung einer ärztlichen Zwangsbehandlung aufstellt.

c) Die weitere Verfahrensrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG i.V.m. § 564 Satz 1 ZPO). Auch im Übrigen ist die vom [X.] eingehend begründete Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme rechtlich nicht zu beanstanden.

3. Da die Rechtsbeschwerde des Betroffenen keinen Erfolg hat, war sein Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren abzulehnen.

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose     

      

Günter     

      

Botur 

      

Guhling     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZB 430/16

30.08.2017

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Görlitz, 16. August 2016, Az: 5 T 260/16

§ 22 Abs 3 S 1 Nr 2 PsychKG SN, § 126a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.08.2017, Az. XII ZB 430/16 (REWIS RS 2017, 6009)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6009

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XII ZB 169/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 430/16

Zitiert

XII ZB 330/13

2 BvR 2003/14

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