Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 02.06.2021, Az. 9 U 248/20

9. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 5314

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Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 03.11.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 10 O 114/20 - nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Ansicht, dass die zulässige Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

Das angefochtene Urteil hält der berufungsgerichtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung; das Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat die Klage ohne Rechtsfehler als unzulässig angesehen, weil es bereits an einem feststellungsfähigen gegenwärtigen Rechtsverhältnis der Parteien fehlt, da die Klägerin ohne Differenzierung zwischen Zeit- und Neuwertentschädigung sinngemäß die Feststellung verlangt, dass die Beklagte verpflichtet sei, die "Kosten" für die Sanierung der an ihrem Haus eingetretenen Risse zu decken. Hierbei hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Antrag der Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz eines möglichen Neuwertanteils in der Zukunft mit einschließe, also auch den Fall, in welchem die Sanierungskosten den Zeitwert der beschädigten Bauteile übersteigen.

Streitgegenstand einer Feststellungsklage kann nur der Streit über ein Rechtsverhältnis oder die Tatfrage der Echtheit einer Urkunde sein, § 256 Abs.1 ZPO. Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein (mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares) subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können. Das Rechtsverhältnis muss grundsätzlich ein gegenwärtiges sein (BGHZ 37, 137 144). Unzulässig ist dagegen eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem erst künftig (möglicherweise) entstehenden Rechtsverhältnis (BGH NJW 1993, 925 928; BGH NJW-RR 2001, 957).

Die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten zur Sanierung der Risseschäden an ihrem Haus zu erstatten, stellt, da sie auch den Neuwertanteil mit umfasst, kein gegenwärtiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO dar. Nach der zwischen den Parteien vereinbarten Klausel in § 26 Ziff.9 S.1 der VGB 2002 erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur, „soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen“. Es handelt sich somit um eine strenge Wiederherstellungsklausel, nach der die Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Ersatz des Schadens ist, der über den Zeitwertschaden hinausgeht (vgl. Senatsbeschluss vom 12.03.2018 - 9 W 7/18 - BeckRS 2018, 24999; Senatsurteil vom 21.10.2008 - 9 U 55/08 -, r + s 2009, 157 157 f.). Die strenge Wiederherstellungsklausel dient der Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungsnehmer – wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen. Diese Gefahr besteht nicht mehr, wenn der Versicherungsnehmer die zerstörte Sache wiederherstellt und damit den Sachwert erhalten hat, der ihm durch die Neuwertentschädigung vergütet werden soll (BGH NJW-RR 1990, 920 920 f.; BGH r + s 2011, 433 434 Rdnr.16). Um die Durchbrechung des versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbots zu rechtfertigen und präventiv Missbrauch auszuschließen, kann die Neuwertspitze daher nur verlangt werden, wenn und soweit der Versicherungsnehmer mehr verbaut hat als den Wert des Hauses zum Zeitpunkt des Schadenereignisses, den Zeitwert. Soweit der Versicherungsnehmer lediglich versichert, er werde das Gebäude wiederherstellen, ändert dies an der Unzulässigkeit des Antrags nichts. Die bloße Absicht, die Sache wiederherstellen zu wollen, und die Zusicherung dieser Absicht gegenüber dem Versicherer genügt grundsätzlich nicht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12.03.2018 - 9 W 7/18 - BeckRS 2018, 24999 m.w.N.; OLG Köln r + s 1992, 366 367; OLG Köln r + s 1990, 44 45; Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 31. Aufl. 2021, § 93, Rdnr. 31 a). Vorliegend fehlt es bereits an jeglichem Tatsachenvortrag, aus dem sich konkrete Wiederherstellungspläne der Klägerin ergeben könnten.

Obwohl denkbar ist, dass die Kosten der Sanierung des klägerischen Hauses den Zeitwert übersteigen könnten, hat die Klägerin auch auf den Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020 zu den diesbezüglichen Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ihren Klageantrag nicht auf den Zeitwertschaden beschränkt, vielmehr erklärt, bereits aus dem Umfang der Risse ergebe sich, dass die Klage begründet sein könne, dies betreffe auch den Spitzenwert bei der Neuwertfestsetzung. Angesichts dieser Erklärung hat das Landgericht auch nicht, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung vorträgt, den Klageantrag überinterpretiert. Eine Beschränkung auf den Zeitwert ergibt sich ebenfalls nicht aus der Einschränkung im Klageantrag: "soweit diese (die zur Sanierung der Risseschäden aufzuwendenden Kosten) durch die bestehende Gebäudeversicherung Nr.xxxxxx gedeckt sind". Denn unter der Voraussetzung der Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung auf die Wiederherstellung ist der Neuwertanteil durchaus durch die zwischen den Parteien bestehende Gebäudeversicherung gedeckt. Der Anspruch ist aber noch nicht entstanden, damit ein zukünftiger und die auf seine Feststellung gerichtete Feststellungsklage weiterhin unzulässig.

2. Das Landgericht hat auch zutreffend erkannt, dass die Klage unbegründet ist, da die Klägerin das Vorliegen eines Versicherungsfalls – hier des nach dem klägerischen Vortrag allein in Betracht kommenden Erdfalls – nicht schlüssig dargelegt hat.

Die Klägerin hat, wie das Landgericht zutreffend ausführt, nicht dargelegt, dass es zu einem Erdfall im Sinne von § 6 BEW (01/08), d. h. einem naturbedingten Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen gekommen ist. Der Begriff des Erdfalls ist enger als der der Erdsenkung und suggeriert nach dem allgemeinen Wortverständnis gegenüber der "Erd(ab)senkung" ein rascher erfolgendes Ereignis. (Langheid/Wandt-Günther, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017, Rn.65). Der Begriff "Erdfall" war aufgrund der Erfahrungen der ehemaligen baden-württembergischen Monopol-Elementarversicherung übernommen worden, um klarzustellen, dass Schäden infolge Austrocknung des Bodens durch Absenken des Grundwassers in heißen Sommern nicht umfasst sei sollten; solche Austrocknungsschäden sind aber schon jetzt nach allgemeiner Ansicht auch im Rahmen der Versicherungsfalls "Erdsenkung" nicht vom Versicherungsschutz erfasst (Langheid/Wandt-Günther a.a.O, Rn. 66). Daher ist keine Erdsenkung und erst recht kein Erdfall anzunehmen, wenn der Boden sukzessive porös  geworden ist mit der Folge, dass kleine Risse und Spalten entstanden sind (OLG Nürnberg, r+s 2007,329); auch die Senkung des Bodens infolge Austrocknung fällt mangels Hohlraums nicht unter den Begriff der Erdsenkung, denn Poren im lockeren Erdreich sind auch aus der Sicht der Laien keine Hohlräume, über welchen im Rahmen eines Austrocknungs- und Schrumpfungsprozesses das Erdreich einstürzt (OLG Koblenz VersR 2012, 59, 60).

Die Klägerin hat kein rasch erfolgtes Ereignis dargelegt, aufgrund dessen die an ihrem Haus aufgetretenen Risse entstanden sein sollen. Vielmehr hat sie eine im Verlauf des Jahres 2018 eingetretene Schadenentwicklung vorgetragen und diese auf die in den letzten Sommerjahren zu beobachtende extreme Hitze zurückgeführt. Dazu, dass ein natürlicher Hohlraum vorgelegen habe, der naturbedingt eingestürzt sei, hat sie nichts vorgetragen. Insoweit geht die mit der Berufungsbegründung erhobenen Rüge der Klägerin fehl, das Landgericht habe ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt, da es unzutreffend angenommen habe, die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass ein natürlicher Hohlraum vorgelegen habe, über dem der Erdboden eingestürzt sei. Denn wie die Klägerin in der Berufungsbegründung selbst zitiert, hat sie erstinstanzlich lediglich vorgetragen, es sei nicht erkennbar, warum sich nach der gegebenen Sachlage kein Hohlraum gebildet haben solle, das Gegenteil sei wahrscheinlicher. Die Klägerin hat nicht einmal in der Berufungsbegründung behauptet, ein solcher relevanter Hohlraum sei unter ihrem Haus vorhanden gewesen. Hierfür ist die Klägerin aber darlegungspflichtig, wenn sie Feststellung ihres Anspruchs auf Versicherungsleistung aufgrund des Eintritts eines Versicherungsfalls begehrt. Insoweit reicht es gerade nicht aus, zur Schadenursache lediglich Vermutungen anzustellen und Behauptungen über Wahrscheinlichkeiten aufzustellen. Bloße Vermutungen anstelle von Tatsachenbehauptungen geben keinen Anlass, den Sachverhalt erst durch eine Beweisaufnahme zu ermitteln. Dies würde auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen. Gegebenenfalls wäre es jedenfalls in Berufung (BGH VersR 2008, 1265 Rn. 27; VersR 2006, 242) Sache der Klägerin gewesen, den Sachverhalt durch Beiziehung eines privaten Sachverständigen weiter aufzuklären, um sodann konkreten Sachvortrag zur Schadenursache in den Prozess einführen zu können.

Soweit die Klägerin wie auch der von ihr beauftragte Privatgutachter A die Risse auf Setzungen des Bodens, die möglicherweise von extremer Hitze herrühren können, zurückführen, sind diese Schadenursachen von dem Begriff des Erdfalls, wie schon ausgeführt, nicht umfasst. Zudem verweist das klägerseits eingeholte Gutachten darauf, dass die Ursache im Baugrund zu suchen ist.

Ohne Erfolg rügt die Klägerin auch, das Landgericht habe die Substantiierungslast der klagenden Partei überfordert, in dem es einen konkreten Beleg verlangt habe, welche Risse im einzelnen erst nach Versicherungsbeginn entstanden seien. Da die Beklagte als Gebäudeversicherung nur Versicherungsleistungen für während der Versicherungszeit aufgetretene Schäden erbringen muss, umfasst die Darlegungspflicht der Klägerin auch eine Differenzierung zwischen versicherten und nicht versicherten Schäden und damit eine genaue Darlegung, welche der geltend gemachten Risse während der Versicherungszeit entstanden sind, in Abgrenzung von schon vor Versicherungsbeginn vorhandenen Rissen. Anderenfalls ist eine Feststellung, in welchem Umfang eine Leistungspflicht der Beklagten besteht, nicht möglich.

Die Klägerin hat Gelegenheit zur Stellungnahme – auch zur Frage der Durchführung des Berufungsverfahrens – innerhalb der ihr gesetzten Frist. Der Senat weist auf die kostenrechtliche Privilegierung der Berufungsrücknahme hin. Statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG).

Meta

9 U 248/20

02.06.2021

Oberlandesgericht Köln 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: U

Vorgehend: Landgericht Bonn, 10 O 114/20

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 02.06.2021, Az. 9 U 248/20 (REWIS RS 2021, 5314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5314

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