Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2011, Az. I ZB 75/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3968

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Gegenstand

Markenlöschungsverfahren: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; bösgläubige Markenanmeldung und Urheberrechtsverletzung


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers wird der Beschluss des 27. Senats ([X.]) des [X.] vom 1. Februar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Für den Markeninhaber ist seit dem 25. April 2007 die am 29. Dezember 2006 angemeldete Wort-/Bildmarke Nr. 306 79 701

Abbildung

für die Dienstleistungen "Werbung; Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten; Styling (industrielles Design)" eingetragen.

2

Die Antragstellerin hat beim [X.] die Löschung der Marke beantragt, weil der Markeninhaber bei der Anmeldung [X.] gewesen sei.

3

Die Markenabteilung des [X.]s hat die Löschung der Marke angeordnet.

4

Die Beschwerde des Markeninhabers hat das [X.] zurückgewiesen ([X.], [X.] 2010, 652).

5

Hiergegen wendet sich der Markeninhaber mit seiner nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

6

II. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die Marke sei im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] [X.] angemeldet worden. Zur Begründung hat es ausgeführt:

7

Der Betreiber des [X.] habe das in Rede stehende Zeichen zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke im Dezember 2006 bereits seit Jahren als Unternehmenskennzeichen im Geschäftsverkehr verwendet. Die Antragstellerin habe dadurch einen schutzwürdigen Besitzstand an dem Zeichen erlangt. Der Markeninhaber habe durch die Anmeldung der Marke in diesen Besitzstand eingegriffen. Die Anmeldung habe allein bezweckt, finanzielle Forderungen gegen die Antragstellerin geltend zu machen.

8

Der Markeninhaber könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragstellerin das Zeichen unberechtigt nutze. Dabei komme es nicht auf die von den Parteien wiederholt erörterten [X.] an. Den [X.] vom 16. Juni 1997 und vom 30. Juli 1997, der Rechnung vom 17. November 1997 und Ziffer 6 der [X.] (im Weiteren: [X.]) lasse sich entnehmen, dass die frühere Betreiberin des Varietés, die [X.], die Nutzungsrechte an dem Logo von der [X.] erworben habe. Aus dem [X.] vom 19. Dezember 1999 ergebe sich, dass die Antragstellerin die Nutzungsrechte von der [X.] erlangt habe. Die Bezeichnung der Antragstellerin in dem Vertrag mit dem Zusatz "Neue" sei unschädlich; ausweislich der vorgelegten Handelsregisterauszüge handele es sich um dieselbe Gesellschaft.

9

III. [X.] hat Erfolg.

1. Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. [X.] beruft sich auf eine Versagung rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Für die [X.] kommt es nicht darauf an, ob die Rüge durchgreift (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 9. September 2010 - [X.], [X.], 654 Rn. 9 = [X.], 753 - Yoghurt-Gums).

2. [X.] ist begründet. Das Verfahren vor dem [X.] verletzt den Markeninhaber in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]).

a) Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712; [X.], [X.], 654 Rn. 11 - Yoghurt-Gums).

b) [X.] rügt mit Erfolg, das [X.] habe den Anspruch des Markeninhabers auf rechtliches Gehör verletzt, indem es sein Vorbringen zum Urheberrecht am Logo nicht berücksichtigt habe.

aa) Der Markeninhaber hat vorgetragen, die [X.] habe der früheren Betreiberin des Varietés und diese sodann der Antragstellerin keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem als Marke eingetragenen Zeichen übertragen können, weil die [X.] nicht Inhabe-rin urheberrechtlicher Nutzungsrechte an diesem Zeichen gewesen sei. Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte sei er selbst gewesen. Die frühere Betreiberin des Varietés habe ihn persönlich mit der Gestaltung des Logos beauftragt. Das [X.] hat sich mit diesem unter Beweis gestellten Vorbringen des Markeninhabers nicht auseinandergesetzt.

bb) Das vom [X.] unberücksichtigt gelassene Vorbringen des Markeninhabers ist entscheidungserheblich. Falls die [X.] nicht Inhaberin urheberrechtlicher Nutzungsrechte am Logo war, konnte sie solche Nutzungsrechte nicht auf die frühere Betreiberin des Varietés übertragen und diese derartige Nutzungsrechte nicht auf die Antragstellerin weiterübertragen. Sollte die Antragstellerin durch die Nutzung des Logos ein daran bestehendes Urheberrecht des Markeninhabers verletzt haben, könnte sie sich - jedenfalls gegenüber dem Markeninhaber - nicht auf einen schutzwürdigen Besitzstand berufen. In diesem Fall wäre die Markenanmeldung nicht als [X.] anzusehen (vgl. zu den Voraussetzungen einer [X.]en Markenanmeldung [X.], Beschluss vom 24. Juni 2010 - [X.], [X.], 1034 Rn. 13 = [X.], 1399 - [X.], mwN).

cc) [X.]erwiderung wendet ohne Erfolg ein, die Rechtsbeschwerde äußere sich nicht dazu, dass der Markeninhaber im Schreiben seines Unternehmens "T.        " vom 20. November 2000 selbst davon ausgegangen sei, dass die Rechte am Logo bei der [X.] gelegen hätten. Diese habe die Rechte daher - vertreten durch den Markeninhaber und somit mit seiner Zustimmung - auf die vormalige Betreiberin des Varietés übertragen können. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung schließt dies die Entscheidungserheblichkeit des [X.] nicht aus. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.], wenn es das von ihm bislang nicht gewürdigte Vorbringen des Markeninhabers in Erwägung zieht, auch unter Berücksichtigung seines Schreibens vom 20. November 2000 nicht festzustellen vermag, dass die [X.] zum Zeitpunkt der Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungs-rechte auf die frühere Betreiberin des Varietés Inhaberin dieser Nutzungsrechte war und der Markeninhaber als Urheber einer Weiterübertragung dieser Rechte zugestimmt hat (§ 34 Abs. 1 UrhG).

3. Soweit die Rechtsbeschwerde weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, sind diese [X.] allerdings unbegründet.

a) [X.] macht ohne Erfolg geltend, das [X.] habe den Einwand des Markeninhabers übergangen, die Antragstellerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass das in Rede stehende Zeichen Verkehrsgeltung erlangt habe. Das [X.] hat seine Annahme, die Antragstellerin habe einen schutzwürdigen Besitzstand an dem Zeichen erlangt, mit der Erwägung begründet, der Betreiber des [X.] habe das in Rede stehende Zeichen zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke im Dezember 2006 bereits seit Jahren im Geschäftsverkehr als Unternehmenskennzeichen (§ 5 Abs. 2 [X.]) verwendet. Vom Standpunkt des [X.]s kam es daher nicht darauf an, ob das Zeichen durch die Benutzung im geschäftlichen Verkehr als Marke Verkehrsgeltung erworben hat (§ 4 Nr. 2 [X.]). Das [X.] hat demnach insoweit kein von seinem Standpunkt aus entscheidungserhebliches Vorbringen des Markeninhabers übergangen.

b) [X.] rügt ferner vergeblich, das [X.] habe den Vortrag des Markeninhabers nicht berücksichtigt, die [X.] habe der früheren Betreiberin des Varietés nicht die Nutzungsrechte am Logo, sondern nur das Nutzungsrecht an der Gestaltung der  teilweise mit dem Logo versehenen - Werbematerialien übertragen. Das [X.] hat dieses Vorbringen des Markeninhabers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Es hat allerdings angenommen, den [X.] vom 16. Juni 1997 und vom 30. Juli 1997, der Rechnung vom 17. November 1997 und Ziffer 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.] lasse sich entnehmen, dass die [X.] als frühere Betreiberin des Varietés die Nutzungsrechte an dem Logo von der [X.] erworben habe. Soweit die Rechts-beschwerde dem entgegenhält, dies lasse sich den [X.] und der Rechnung nicht entnehmen, wendet sie sich lediglich gegen die Beurteilung des [X.]s, ohne dabei eine Verletzung des Anspruchs des Markeninhabers auf rechtliches Gehör aufzuzeigen.

c) [X.] rügt des weiteren ohne Erfolg, die Annahme des [X.]s, aus dem [X.] vom 15. Dezember 1999 ergebe sich, dass die Antragstellerin die Nutzungsrechte von der [X.] erworben habe, beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs des Markeninhabers auf rechtliches Gehör. Das [X.] hat den Einwand des Markeninhabers berücksichtigt, in dem [X.] sei als Erwerber nicht die Antragstellerin, also die [X.] & Co. KG, sondern eine andere Gesellschaft, nämlich die Neue [X.] & Co. KG, aufgeführt. Das [X.] hat diesen Einwand allerdings als unbeachtlich angesehen. Es hat angenommen, die Bezeichnung der Antragstellerin in dem [X.] mit dem Zusatz "Neue" sei unschädlich, weil sich aus den vorgelegten [X.] ergebe, dass es sich um dieselbe Gesellschaft handele.

[X.] macht ohne Erfolg geltend, das [X.] habe damit das Vorbringen des Markeninhabers übergangen, aus den [X.] ergebe sich nicht die Identität der Gesellschaften, weil im Handelsregister ausweislich der Auszüge keine Neue [X.] & Co. KG, sondern allein die [X.] & Co. KG eingetragen sei. Das [X.] hat auch diesen Einwand des Markeninhabers berücksichtigt. Es hat sich zur Begründung seiner Entscheidung in zulässiger Weise den Ausführungen der Markenabteilung angeschlossen. Diese hatte ihre Auffassung, aus den [X.] ergebe sich die Identität der Gesellschaften, damit begründet, dass die [X.] & Co. KG (ausweislich der Handelsregisterauszüge) und die Neue [X.] & Co. KG (ausweislich des [X.]s) von derselben persönlich haftenden Gesellschafterin, der Neue [X.] Verwaltungs GmbH, vertreten werde. Die Antragstellerin habe in dem [X.] nur deshalb als "Neue" [X.] & Co. KG firmiert, weil das Recht zur Firmenfortführung erst mit dem [X.] übertragen worden sei. Nach seinem Abschluss sei die Antragstellerin ohne den Zusatz "Neue" im Handelsregister eingetragen worden.

d) [X.] macht ebenfalls ohne Erfolg geltend, das [X.] habe sich nicht mit dem Vortrag des Markeninhabers auseinandergesetzt, die vermeintlichen Nutzungsrechte seien durch den [X.] nicht auf die Antragstellerin übergegangen, weil die Antragstellerin nach diesem Vertrag nur in die darin aufgeführten Verträge der früheren Betreiberin des Varietés eingetreten sei und die Nutzungsrechte dort nicht erwähnt seien. Das [X.] hat angenommen, aus dem [X.] ergebe sich, dass die Antragstellerin die Nutzungsrechte von der [X.] erlangt habe. Nach § 2 des [X.]es wird das gesamte Aktivvermögen der früheren Betreiberin des Varietés veräußert. Dazu gehören auch die Nutzungsrechte.

e) [X.] rügt schließlich ohne Erfolg, das [X.] habe nicht geprüft, ob der Markeninhaber das Nutzungsrecht wirksam zurückgerufen habe, weil ihm eine unentgeltliche Übertragung des Nutzungsrechts auf die Antragstellerin nicht zumutbar gewesen sei. Das [X.] ist von einer entgeltlichen Übertragung des Nutzungsrechts an dem Logo ausgegangen. Von seinem Standpunkt aus war das von der Rechtsbeschwerde als übergangen gerügte Vorbringen des Markeninhabers daher nicht entscheidungserheblich. Es stellt deshalb keine Verletzung des Anspruchs des Markeninhabers auf rechtliches Gehör dar, dass sich das [X.] mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat.

IV. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

Bornkamm                                      Büscher                                  Schaffert

                              Koch                                       [X.]

Meta

I ZB 75/10

17.08.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 1. Februar 2010, Az: 27 W (pat) 87/09, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.08.2011, Az. I ZB 75/10 (REWIS RS 2011, 3968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3968


Verfahrensgang

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Az. I ZB 75/10

Bundesgerichtshof, I ZB 75/10, 17.08.2011.


Az. 27 W (pat) 87/09

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 87/09, 23.10.2012.

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 87/09, 01.02.2010.


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