Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2018, Az. B 12 KR 22/16 R

12. Senat | REWIS RS 2018, 15459

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder - Beitragspflicht von Aufgabegewinnen im Sinne des Einkommensteuerrechts - Zuordnung


Leitsatz

Aufgabegewinne im Sinne des Einkommensteuerrechts zählen zum beitragspflichtigen Arbeitseinkommen freiwillig Krankenversicherter.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 18. Oktober 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung einkommensteuerlicher Aufgabegewinne bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- ([X.]) und [X.] Pflegeversicherung ([X.]).

2

Der Kläger ist bei der [X.] zu 1. freiwillig kranken- und bei der [X.] zu 2. pflegeversichert. Er betrieb eine Gaststätte, die er im [X.] aufgab. Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das [X.] (Einkommensteuerbescheid vom [X.]) berücksichtigte das Finanzamt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer (in Höhe von 25 392 [X.]) sowie aus Veräußerungsgewinnen (in Höhe von 99 649 [X.] abzgl eines Freibetrages in Höhe von 45 000 [X.]). Weiter bezog der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen sowie Renten. Die [X.] setzten ausgehend hiervon die Beiträge des [X.] zur [X.] und [X.] für die [X.] ab März 2013 auf 603,45 [X.] bzw 83,03 [X.] fest (Bescheid vom 25.3.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2015).

3

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des [X.] vom [X.] und des [X.] vom 18.10.2016). Das [X.] hat ausgeführt, der steuerliche Veräußerungsgewinn sei eine Einnahme iS des § 240 Abs 1 SGB V iVm § 3 Abs 1 S 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz), die für den Lebensunterhalt verbraucht werde oder verbraucht werden könne, und daher beitragspflichtig. Insbesondere handle es sich nicht um eine Vermögensumschichtung. Durch die Aufdeckung stiller Reserven komme es zu einem Vermögenszuwachs im Privatvermögen des [X.]. Dass das Grundstück stets den gleichen Wert gehabt habe, sei unerheblich. Entscheidend seien die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe während der aktiven [X.] des Betriebs und bei Betriebsaufgabe. Aus der im Gesetz angelegten Parallelität von sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Einkommensermittlung folge, dass die Feststellungen des Einkommensteuerbescheides maßgeblich seien.

4

Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, das [X.] differenziere nicht hinreichend zwischen den wirtschaftlichen Folgen von Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe; letztere ziehe gerade keine Einnahmen nach sich. Ein steuerlicher Aufgabegewinn führe nicht zu einer Vermögensmehrung, da das Wirtschaftsgut - vorliegend ein Gebäude - vor und nach der Betriebsaufgabe denselben Wert gehabt habe. Es entspreche nicht den Vorgaben des § 240 Abs 1 S 2 SGB V, durch die Verbeitragung eines Aufgabegewinns bis dahin nicht realisierte stille Reserven erfassen zu wollen.

5

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des [X.] vom 18. Oktober 2016 und des [X.] vom 26. Januar 2016 sowie den Bescheid der [X.] vom 25. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2015 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von mehr als 315,28 [X.] und zur [X.] Pflegeversicherung von mehr als 43,38 [X.] festgesetzt worden sind.

6

Die [X.] beantragen,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

7

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 [X.] SGG). Der [X.] kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht entscheiden, in welcher Höhe der [X.]läger Beiträge zur [X.] und [X.] zu tragen hat.

9

Rechtsgrundlage der Beitragsbemessung sind die vom [X.]-Spitzenverband auf Grundlage des § 240 Abs 1 [X.] [X.] erlassenen [X.] (vom 27.10.2008, [X.] 4.11.2008; hier idF der Fünften Änderung vom 23.11.2013, [X.] 2.12.2013), denn es ist nicht ersichtlich, dass sich der Versichertenstatus des [X.] als freiwilliges Mitglied der zu 1. beklagten [X.]rankenkasse nach Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2012 geändert hat. Nach § 3 Abs 1 [X.] sind der Beitragsbemessung das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Die daneben bestehenden Spezialregelungen über die Beitragsbemessung bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen (§ 7 Abs 3 bis 7 [X.]) finden keine Anwendung, weil der [X.]läger im Streitjahr 2014 nicht mehr hauptberuflich selbstständig erwerbstätig war (zur Definition vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]R 21/08 R - [X.], 153 = [X.]-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 14 mwN).

Die im Einkommensteuerbescheid für 2012 festgestellten Einkünfte aus "Veräußerungsgewinnen" sind beitragspflichtiges Arbeitseinkommen iS des § 3 Abs 1 [X.] [X.] (dazu 1). [X.] Recht steht einer Beitragspflicht nicht entgegen (dazu 2). Insbesondere ist im Grundsatz auch unerheblich, dass der [X.]läger seine selbstständige Tätigkeit im Streitzeitraum bereits aufgegeben hatte (dazu 3).

1. Der im Einkommensteuerbescheid für 2012 festgestellte [X.] zählt als Arbeitseinkommen zu den beitragspflichtigen Einnahmen des [X.].

Zwar erwähnt der Einkommensteuerbescheid ausdrücklich bloß Einkünfte "aus Veräußerungsgewinnen". Der [X.]läger hat aber - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht tatsächlich einen [X.] iS des § 16 Abs 3 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt. Derartige [X.]e sind nach dem maßgeblichen untergesetzlichen Sozialversicherungsrecht beitragspflichtig (zu Veräußerungsgewinnen nach § 17 EStG vgl BSG Urteil vom [X.] [X.]R 8/05 R - [X.]-2500 § 240 [X.] Rd[X.] 18: Beitragspflicht jedenfalls als Einnahme oder Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann).

a) Arbeitseinkommen ist gemäß § 15 Abs 1 [X.] der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit ([X.]); Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist ([X.]). § 15 [X.] erfasst damit schon nach Wortlaut und Systematik Gewinneinkünfte iS von § 2 Abs 1 [X.] [X.] 1 bis 3 EStG und damit auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb ([X.]). Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb iS des § 2 Abs 1 [X.] EStG zählen gemäß § 16 Abs 1 [X.] [X.] 1 EStG auch Gewinne aus der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs gilt nach § 16 Abs 3 [X.] EStG wiederum als Veräußerung in diesem Sinne (für eine Einordnung von Veräußerungs- und [X.]en als Einkünfte aus Gewerbebetrieb iS des § 2 Abs 1 [X.] [X.] EStG [X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2016, § 15 Rd[X.] 36). Eine Einordnung als Arbeitseinkommen scheidet auch nicht etwa deshalb aus, weil es sich bei dem [X.] um nachträgliche Einkünfte aus einem steuerrechtlich aufgegebenen Gewerbebetrieb handelte (vgl dazu aber [X.] vom [X.] - B 13 RJ 43/03 R - [X.], 174 = [X.]-2600 § 96a [X.], Rd[X.] 17 f). Ein solcher Fall liegt nicht vor, weil es vorliegend um einen an die Aufgabe als solche anknüpfenden Gewinn geht, nicht um sonstigen, aus Zeiten vor Aufgabe mit dem Unternehmen erwirtschafteten Gewinn.

b) Eine gesetzeshistorische Auslegung sowie Sinn und Zweck des jetzigen § 15 [X.] stützen dieses Ergebnis. Ursprünglich sah § 15 [X.] [X.] (idF vom [X.], [X.] 3878) ausdrücklich vor, dass bei der Ermittlung des Gewinns [X.] Veräußerungsgewinne - und als solche gelten nach § 16 Abs 3 [X.] EStG auch [X.]e, wie sie vorliegend im Streit stehen - abzuziehen waren. Diese Regelung wurde (mit dem [X.] 1995 vom [X.], [X.] 1890) durch den heutigen § 15 Abs 1 [X.] [X.] ersetzt, der einen Abzug von Veräußerungsgewinnen nicht mehr vorsieht (so auch [X.] in [X.], Soz[X.]V, § 15 [X.] Rd[X.] 14, Stand März 2011; vgl auch [X.]/[X.], [X.], 193, 201 f). Ziel dieser Neuregelung war ausdrücklich, eine volle Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens zu erreichen (BT-Drucks 12/5700, [X.], dort zu Art 3 [X.]; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 15 Rd[X.] 8, Stand: Juni 2013).

2. [X.] Recht steht einer Zuordnung des [X.]s zu den beitragspflichtigen Einnahmen des [X.] nicht entgegen.

a) Die Bestimmung des § 3 Abs 1 [X.] [X.], wonach bei freiwillig Versicherten [X.] das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen ist, ist von der Regelungsermächtigung des § 240 Abs 1 [X.] [X.] gedeckt. § 240 Abs 1 [X.] [X.] (idF des [X.]-WSG vom [X.], [X.] 378 ; heute § 240 Abs 1 [X.] Halbs 1 [X.] idF des [X.]-FQWG vom 21.7.2014, [X.] 1133) sieht ausdrücklich vor, dass bei Erlass der Regelung nach § 240 Abs 1 [X.] [X.] sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. § 240 Abs 2 [X.] [X.] konkretisiert diesen Regelungsauftrag dahingehend, dass bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Nach § 226 Abs 1 [X.] [X.] 4 [X.] wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten auch das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung zugrunde gelegt. Zwar sieht § 226 Abs 1 [X.] [X.] 4 [X.] insofern eine Einschränkung vor, als das Arbeitseinkommen der Beitragsbemessung nur zugrunde gelegt wird, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird. Im Hinblick darauf, dass § 240 Abs 2 [X.] [X.] aber nur eine Untergrenze festlegt, ist Arbeitseinkommen freiwilliger Mitglieder iS des § 15 Abs 1 [X.] ohne diese Einschränkung heranzuziehen ([X.] in jurisP[X.]-[X.], 3. Aufl 2016, § 240 Rd[X.] 16). Das Arbeitseinkommen ohne Einschränkung zu den beitragspflichtigen Einnahmen zu rechnen, ist überdies aus Gründen der Gleichbehandlung mit versicherungspflichtig Beschäftigten geboten; das Arbeitseinkommen Selbstständiger entspricht dem Arbeitsentgelt Beschäftigter ([X.] in [X.]asseler [X.]omm, § 240 [X.] Rd[X.] 38, Stand März 2016; [X.], NZ[X.]016, 449, 450).

b) Entgegen der Ansicht des [X.] betrifft die Verbeitragung des [X.]s nicht die Substanz des diesem zugrundeliegenden, vormals betrieblich genutzten Gebäudes. Der Einwand des [X.], das Gebäude habe vor und nach der Betriebsaufgabe denselben Wert gehabt und ein steuerlicher [X.] führe nicht zu einer Vermögensmehrung, greift nicht durch. Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, erfasst die Versteuerung und damit auch die Verbeitragung des [X.]s lediglich die erst bei Betriebsaufgabe aufgedeckten stillen Reserven (vgl dazu [X.], in [X.], Steuerrecht, 22. Aufl 2015, § 9 Rd[X.] 406, 464; [X.] in [X.], EStG, § 16 Rd[X.] 4 mwN, Stand August 2017). Sinn und Zweck des § 16 Abs 3 EStG ist es, die Versteuerung solcher stiller Reserven sicherzustellen ([X.] vom [X.]/06 - [X.]/NV 2009, 1411 mwN; vgl auch [X.] vom 7.10.1974 - Gr[X.]/73 - [X.]E 114, 189: Betriebsaufgabe als "Totalentnahme"). [X.] bezeichnen dabei die Differenz zwischen dem Buchwert eines Wirtschaftsguts, mit dem dieses bilanziert wird, und - im Fall von [X.]en (§ 16 Abs 3 [X.] EStG) - dessen gemeinem Wert (vgl [X.] in [X.], Steuerrecht, 22. Aufl 2015, § 9 Rd[X.] 409). Gemäß der Legaldefinition des § 16 Abs 3 [X.] iVm Abs 2 [X.] EStG ist der [X.] im Fall der Überführung der Wirtschaftsgüter aus dem Betriebs- in das Privatvermögen namentlich der Betrag, um den deren gemeiner Wert den nach §§ 4 Abs 1 oder 5 EStG zu ermittelnden (§ 4 Abs 2 [X.] EStG; dazu [X.], EStG, 35. Aufl 2016, § 4 Rd[X.] 310 ff) Wert des Betriebsvermögens übersteigt.

c) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor. Der [X.]läger macht hierzu geltend, bei einem freiwillig Versicherten, der in die private [X.]rankenversicherung wechsle, würden die in seinem Unternehmen befindlichen stillen Reserven nicht bei der Bemessung des letzten Beitrags zur freiwilligen [X.]rankenversicherung herangezogen. Es ist bereits zweifelhaft, ob angesichts der Systemverschiedenheit auch bei der Beitrags- bzw Prämienbemessung insoweit überhaupt eine Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 GG vorliegt. Jedenfalls wäre eine solche gerechtfertigt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem vorliegend zu beurteilenden und dem vom [X.]läger skizzierten Fall liegt darin, dass die stillen Reserven im einen Fall bereits aufgedeckt wurden, im anderen aber (noch) nicht.

3. Der [X.] ist den einzelnen Monaten des [X.] mit monatlich einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden [X.] zuzuordnen (dazu a). Dass der [X.]läger seinen Gewerbebetrieb im Streitzeitraum bereits aufgegeben hatte, ist im Grundsatz unschädlich (dazu b). Das [X.] hat aber aufzuklären, ob und inwieweit vorliegend wegen eines Härtefalls anderes zu gelten hat (dazu c).

a) Gemäß § 5 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.] ist das Arbeitseinkommen dem jeweiligen Beitragsmonat mit einem Zwölftel des dem vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden [X.] zuzuordnen. Das war im Streitzeitraum der Steuerbescheid für 2012 vom [X.], der [X.] Einkünfte aus "Veräußerungsgewinnen" in Höhe von 99 649 Euro auswies. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte insoweit den Freibetrag nach § 16 Abs 4 EStG in Höhe von 45 000 Euro zu Recht berücksichtigt hat (krit dazu [X.], NZ[X.]016, 449, 451). Auch nach Abzug desselben übersteigt allein der [X.] die Beitragsbemessungsgrenze (§ 3 Abs 2 [X.]) von 4050 Euro im Jahr 2014 und 4125 [X.] (§ 4 Abs 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2014 bzw 2015). Ein Zwölftel allein des um den steuerlichen Freibetrag bereinigten [X.]s betrug demgegenüber 4554,08 Euro.

b) Die Anwendung der Zuordnungsregel des § 5 Abs 2 [X.] [X.] setzt nicht voraus, dass der freiwillig Versicherte im jeweiligen Beitragszeitraum tatsächlich noch Arbeitseinkommen erzielt (aA [X.], NZ[X.]016, 449, 455). Zwar verwendet die Vorschrift einen bestimmten Artikel ("das Arbeitseinkommen"), der sich aber ohne Weiteres auch auf das beitragspflichtige Arbeitseinkommen beziehen kann. Sowohl der Wortlaut der Norm wie auch deren Überschrift ("Zuordnung der beitragspflichtigen Einnahmen") führen jedoch zu der Auslegung, dass es sich bei § 5 Abs 2 [X.] [X.] um eine Zuordnungsregelung handelt, die nicht nur bestimmt, mit welchem Betrag ein im Beitragsmonat tatsächlich erzieltes Arbeitseinkommen bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen ist, sondern auch, wann ein Arbeitseinkommen zu berücksichtigen ist. Eine systematische Auslegung stützt dieses Ergebnis. Denn § 5 Abs 2 [X.] [X.] regelt die Zuordnung von Arbeitseinkommen abweichend von der Zuordnung anderer laufender beitragspflichtiger Einnahmen; letztere sind nach der Grundregel des § 5 Abs 2 [X.] [X.] grundsätzlich dem Beitragsmonat zuzuordnen, in dem der Anspruch auf sie entsteht oder sie zufließen. [X.]äme es auch für die beitragsmäßige Berücksichtigung von Arbeitseinkommen darauf an, dass der freiwillig Versicherte solches im Beitragsmonat noch erzielt, bedürfte es der Sonderregel des § 5 Abs 2 [X.] [X.] nicht.

Der [X.] hat eine solche Zuordnungsregelung in [X.]enntnis der Brüche zwischen Steuer- und Beitragserhebung treffen wollen. Die nachlaufende Zuordnung von Arbeitseinkommen beruht nicht etwa auf unterschiedlichen inhaltlichen Wertungen des Steuer- und Beitragsrechts. Sowohl das Beitrags- (§ 240 Abs 1 [X.] [X.] aF) wie auch das Steuerrecht knüpfen an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen an; die Steuerbarkeit von Veräußerungs- und [X.]en ist Ausprägung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (so Trossen in [X.]irchhof/Söhn/[X.], EStG, § 16 Rd[X.] [X.], Stand November 2017). Die nachlaufende Zuordnung von Arbeitseinkommen beruht darauf, dass § 5 Abs 2 [X.] [X.] wegen des Arbeitseinkommens auf den jeweils vorliegenden aktuellen Einkommensteuerbescheid abstellt, dieser aber regelmäßig erst nach Abschluss des steuerlichen Veranlagungszeitraums ergeht. Dieses Vorgehen dient der Verwaltungsvereinfachung. Da ein anderweitig geregeltes System der Einkommensermittlung aus der selbstständigen Tätigkeit, das für die [X.]rankenkassen verwaltungsmäßig ohne größeren Aufwand durchführbar wäre, nicht zur Verfügung steht, liegt es aus Gründen der [X.] nahe, für die Feststellung des Arbeitseinkommens den Einkommensteuerbescheid heranzuziehen (vgl Begründung zu den [X.], [X.] zum Rundschreiben R[X.]008/131 des [X.]-Spitzenverbandes vom 27.10.2008, dort [X.]9 f; zum Nachweis niedrigerer Einnahmen nach § 240 Abs 4 [X.] [X.] vgl [X.] vom [X.] - [X.] [X.]R 21/08 R - [X.], 153 = [X.]-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 19; zum Nachweis von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung [X.] vom 30.10.2013 - [X.] [X.]R 21/11 R - [X.]-2500 § 240 [X.] 19 Rd[X.]1 ff; sowie aus [X.]apitalvermögen [X.] vom 28.5.2015 - [X.] [X.]R 12/13 R - [X.]-2500 § 240 [X.]6 Rd[X.]0 ff). Die mit der Anknüpfung an den aktuellen Einkommensteuerbescheid einhergehende zeitlich verzögerte Wiedergabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten hat der [X.] zur Vermeidung zahlreicher Unzuträglichkeiten akzeptiert (so ausdrücklich die Begründung zu den [X.], aaO, [X.]0).

Eine Auslegung, nach der [X.]e regelmäßig allein deshalb nicht [X.] blieben, weil der maßgebliche Einkommensteuerbescheid erst nach Betriebsaufgabe und damit zu einer Zeit ergangen ist, zu der der [X.]läger keine selbstständige Tätigkeit mehr ausübte und damit kein Arbeitseinkommen mehr erzielte, widerspräche höherrangigem Recht. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Vorgabe des § 240 Abs 1 [X.] [X.] aF; diese soll sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung freiwilliger Mitglieder deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt. [X.]e erhöhen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwillig Versicherten (dazu schon oben unter 2c) und sollen daher grundsätzlich mit Beiträgen belastet werden. Nichts anderes gilt in Bezug auf die in § 15 Abs 1 [X.] vorgesehene Parallelität zwischen Steuer- und Beitragsrecht. Diese Vorgabe liefe leer, wenn [X.]e zwar dem Arbeitseinkommen zugeordnet würden, sie aber bei der Beitragserhebung unberücksichtigt blieben, weil man diese über § 5 Abs 2 [X.] [X.] nur solchen Beitragsmonaten zuordnen könnte, in denen der Leistungsberechtigte tatsächlich noch selbstständig tätig ist.

c) Der [X.] kann dennoch nicht abschließend entscheiden. Soweit ein Härtefall vorliegt, ist eine Beitragserhebung auf [X.]e entsprechend des aktuellen Einkommensteuerbescheides ausnahmsweise ausgeschlossen (dazu aa); hierzu fehlen Feststellungen (dazu [X.]). Die Härteklausel des § 6 Abs 3a [X.] greift dagegen nicht (dazu bb).

aa) Eine untergesetzliche Regelung, die eine nachlaufende Verbeitragung von [X.]en ausnahmslos erlaubte, wäre mit höherrangigem Recht unvereinbar. Dies gilt namentlich für § 240 Abs 1 [X.] [X.] aF und die darin vorgeschriebene Anknüpfung an die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds. Danach soll der freiwillig Versicherte gemessen an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weder über- noch unterfordert werden ([X.], aaO, § 240 [X.] Rd[X.] 11 mwN, Stand März 2012). Eine solche Überforderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann in [X.]ehnung an den Rechtsgedanken des § 51 Abs 2 SGB I nur angenommen werden, soweit der freiwillig Versicherte durch Beitragserhebung auf den sich aus dem aktuellen Einkommensteuerbescheid ergebenden [X.] auch unter Berücksichtigung seiner übrigen Einnahmen (vgl § 3 Abs 1 [X.] [X.]: Arbeitsentgelt, Zahlbetrag der Rente der [X.] und der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können) hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des [X.] oder [X.] würde. Nur ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass sich die mit der nachlaufenden Zuordnung von Arbeitseinkommen einhergehenden Unstimmigkeiten mit dem Inkrafttreten des neuen § 240 Abs 4a [X.] (idF des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes - [X.] - vom 4.4.2017, [X.] 778) erledigt haben dürften. Dieser erlaubt es nunmehr, die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides ([X.] Halbs 1) bzw bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit auf der Grundlage der nachgewiesenen voraussichtlichen Einnahmen ([X.]) zunächst vorläufig und sodann nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festzusetzen ([X.]). Im Streitzeitraum bestand diese Möglichkeit aber nur für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige, die eine selbstständige Tätigkeit neu aufnehmen (§ 7 Abs 7 S 5 [X.], dazu [X.] vom [X.] [X.]R 14/05 R - [X.], 119 ff = [X.]-2500 § 240 [X.], Rd[X.] 14 ff).

bb) Die bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen in § 6 Abs 3a iVm § 7 Abs 7a [X.] vorgesehene Härteklausel greift vorliegend weder unmittelbar noch analog ein. Danach ist das Arbeitseinkommen auf Antrag über einen Vorauszahlungsbescheid (ggf ergänzt durch die diesem zugrundeliegenden Unterlagen) nachzuweisen, wenn die Beitragsbemessung auf Grundlage des aktuellen Einkommensteuerbescheides eine unverhältnismäßige Belastung darstellt ([X.]); eine unverhältnismäßige Belastung liegt dabei vor, wenn das angenommene Arbeitseinkommen um mehr als ein Viertel des über den Einkommensteuerbescheid zuletzt festgestellten Arbeitseinkommens reduziert ist ([X.]). Unmittelbar ist diese Vorschrift schon deshalb nicht einschlägig, weil der [X.]läger nach Aufgabe seiner Gaststätte keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit mehr hatte. Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet in Fällen einer vollständigen Betriebsaufgabe mangels einer vergleichbaren Interessenlage aus (vgl aber [X.], NZ[X.]017, 449, 455), weil sie ausnahmslos zur Folge hätte, dass eine Berücksichtigung von [X.]en im Ergebnis ausscheidet.

[X.]) Ob im Fall des [X.] Hilfebedürftigkeit droht, kann der [X.] auf Grundlage der bisherigen Feststellungen (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Das [X.] hat zwar festgestellt, dass der [X.]läger zusätzlich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und aus [X.]apitalerträgen sowie - so wörtlich - "Renten" bezogen habe, nicht aber, in welcher Höhe.

Das [X.] wird auch über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 12 KR 22/16 R

18.01.2018

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Heilbronn, 26. Januar 2015, Az: S 10 KR 1602/15, Urteil

§ 15 Abs 1 SGB 4, § 240 Abs 1 S 2 SGB 5, § 16 Abs 3 S 1 EStG, § 5 Abs 2 S 2 SzBeitrVfGrs, § 3 Abs 1 S 1 SzBeitrVfGrs, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.01.2018, Az. B 12 KR 22/16 R (REWIS RS 2018, 15459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15459

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