Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2004, Az. X ZR 60/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3132

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 18. Mai 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 18. Mai 2004 durch [X.] Melullis, [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.]

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 1. April 2003 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der beklagten [X.] für die Folgekosten eines Motorschadens, der durch einen von der [X.] nicht beseitigten Herstellungsfehler verursacht wurde. - 3 -
Im April 2000 schickte die ...-AG an ihre Vertragshändler, darunter die Beklagte, das folgende Rundschreiben:
"... Datum: April 2000

Thema: ... Verschraubung [X.]

... /Coupe )
[X.] und Herren,

an o.g. Fahrzeugen können aufgrund von ungünstigem Setzverhal-ten der Verschraubung des [X.] (Magnetventile Aus- laßseite) vereinzelte [X.] an den Schrauben ent-stehen. Infolge Druckbelastung durch die Magnetventile hebt der [X.] ab. Folge: Schlagartiger, starker Motorölaustritt.
Bitte veranlassen Sie, daß an den betroffenen Fahrzeugen gemäß [X.] beim nächsten Werkstattaufenthalt die Schrauben am [X.] ersetzt werden.

Die Vorgehensweise entnehmen Sie bitte der Anlage.

Vielen Dank für Ihre Unterstützung."
- 4 - Die Klägerin war Halterin eines betroffenen Fahrzeugs ... Coupé. Sie hatte den Leasingvertrag eines [X.] übernommen, an den ein anderer Ver-tragshändler das erstmals am 26. Januar 1999 zugelassene Fahrzeug ausge-liefert hatte. Die Klägerin ließ den Wagen ab November 2000 regelmäßig bei der [X.] warten und reparieren, zuletzt im März/April 2001. Die Beklagte hätte durch Eingabe der Fahrzeugdaten in den [X.] feststellen können, ob am Fahrzeug der Klägerin die Deckelverschrau-bung schon ersetzt worden war oder nicht. Sie unterließ dies aber und wech-selte die Schrauben nicht aus. Am 16. Juli 2001 erlitt das Fahrzeug [X.] einen auf starkem Ölverlust beruhenden Motorschaden, mit dem der [X.] der Klägerin auf der [X.] liegenblieb. Die von der nächst-gelegenen ...-Werkstatt durchgeführte Fahrzeugreparatur wurde der Kläge- rin nicht berechnet. Diese macht jedoch Abschlepp-, Fahrt- und Übernach-tungskosten sowie Nutzungsausfall in Höhe von insgesamt 1.748,-- DM gel-tend. Diesen [X.] verlangt sie von der [X.] ersetzt.
Die Klage ist vom erstinstanzlichen Gericht und vom Berufungsgericht abgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt die Klägerin ihre Schadensersatzforderung weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. - 5 - [X.] Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Klägerin habe keinen Schadensersatzanspruch wegen positiver [X.], weil die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, im Rahmen der Wartungsarbeiten die Verschraubung des [X.] zu überprüfen. Die Herstellerfirma habe nach Ausführung des vom Gericht bestellten TÜV-Sachverständigen mit ihrem Schreiben von April 2000 bezweckt, daß sich die-jenigen Vertragshändler, die betroffene Fahrzeuge ausgeliefert hatten, an die Fahrzeughalter wenden sollten, damit diese beim nächsten Werkstattbesuch die Deckelverschraubung überprüfen ließen. Eine Verpflichtung sämtlicher Ver-tragshändler, bei jedem Auto, für das sie einen Reparatur- oder Wartungsauf-trag erhielten, im [X.] die Fahrzeugdaten zu überprüfen und [X.] die [X.] zu erneuern, gehe zu weit.
I[X.] Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um eine positive Vertragsverletzung der [X.] auszuschließen.
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es im Grundsatz möglich, daß auch ein Vertragshändler, der das mit einem Herstellungsfehler behaftete Fahrzeug nicht ausgeliefert hat, aufgrund eines Wartungs- oder [X.] mit dem Halter verpflichtet ist, von sich aus zu überprüfen, ob die Fehlerbeseitigung schon erfolgt ist oder noch nicht. Der Werkvertrag mit dem Fahrzeughalter kann für den Händler - in seiner Eigenschaft als Inhaber einer Vertragswerkstatt - durchaus die Vertragspflicht erzeugen, entweder von - 6 - der ihm offenstehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, mittels Eingabe der Fahrzeugdaten in den [X.] des Herstellers zu ermitteln, ob der Konstruktionsfehler schon durch eine andere Werkstatt, zum Beispiel die des [X.], behoben worden ist, oder aber, was ihm noch weniger Mühe macht, den Halter einfach danach zu fragen. Die Überprüfung der Fehlerbesei-tigung belastet den Händler nicht mit handwerklichem Arbeitsaufwand.
Die - an den [X.] oder an den Kunden gerichtete - Frage nach der Fehlerbeseitigung setzt zwar beim Vertragshändler das Wissen [X.], daß das ihm zur Inspektion oder Reparatur anvertraute Fahrzeug nach Typ und Serie jedenfalls ursprünglich den betreffenden Produktfehler [X.] hat. Diese Kenntnis muß indessen bei einem Vertragshändler, der, wie hier die Beklagte, vom Hersteller über den Fehler informiert worden ist, in der Regel vorausgesetzt werden. Der Händler muß seine Vertragswerkstatt so or-ganisieren, daß [X.] des Herstellers nicht in Vergessenheit gera-ten. Etwas anderes mag ausnahmsweise in besonderen Fällen gelten, wo etwa die Information schon so lange zurückliegt, daß nicht mehr mit noch nicht be-seitigten Fehlern zu rechnen ist. Zu solchen besonderen Umständen hat die Beklagte aber nichts vorgetragen. Der Zeitablauf von sieben Monaten zwi-schen dem Rundschreiben des Herstellers und dem ersten Wartungs- oder Reparaturauftrag der Klägerin reicht dafür nicht aus.
b) Stellt es somit, anders als das Berufungsgericht meint, nicht immer eine unzumutbare Überspannung der vertraglich geschuldeten Sorgfalt des [X.] dar, daß er auch bei nicht von ihm selbst ausgelieferten Fahrzeugen die Fehlerbeseitigung überprüft, so hängt es im konkreten Fall - 7 - vom Inhalt des jeweiligen Wartungs- oder [X.] ab, ob der Händ-ler zur Überprüfung verpflichtet war. Der Vertragsinhalt ist durch Auslegung nach [X.] und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Der Auslegung vorangehen muß indessen die Feststellung des Erklärungstatbestandes, d.h. die Ermittlung der für die Auslegung relevan-ten Tatsachen. Das sind zum Beispiel der Wortlaut schriftlicher Verträge und die Begleitumstände des Vertragsschlusses, wie Äußerungen der Parteien, die von den Parteien in ihrer Geschäftsverbindung herausgebildeten Usancen und die bestehende beiderseitige Interessenlage. Hinsichtlich dieses [X.] läßt das Berufungsurteil die notwendigen Feststellungen vermis-sen. Da das Berufungsgericht insbesondere die Vertragstexte nicht mitgeteilt hat, ist unklar, welcher Art die Reparaturen waren und ob die in Auftrag gege-benen Wartungsarbeiten sich auf Kleinigkeiten, wie zum Beispiel einen Öl-wechsel, beschränkten oder ob es sich um eine größere Inspektion handelte, die möglicherweise aus der berechtigten Sicht des Fahrzeughalters, auf deren Einbeziehung in den [X.] sich nach [X.] und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte einlassen mußte, einer umfassen-den Prüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs dienen sollte und bei der er von dem Vertragshändler die Berücksichtigung von [X.] erwarten durfte. Auch zu etwaigen Äußerungen der Parteien bei Vertragsschluß und zu den herrschenden Usancen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Auf der Grundlage der bisherigen unzureichenden [X.] ist die revisionsrechtliche Überprüfung der vom Berufungsgericht ge-fundenen Vertragsauslegung nicht möglich. - 8 -
2. Der erkennende Senat kann auch nicht etwa eine eigene [X.] dahin treffen, daß die Klage aus dem - vom Berufungsgericht nicht geprüften - Gesichtspunkt eines Vertrages mit [X.] zugunsten Dritter begründet ist. Bei diesem steht der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zu, ist jedoch der Dritte in der Weise in den Vertrag einbezogen, daß er bei der Verletzung vertraglicher Sorgfalts- oder auch Hauptleistungspflichten eigene vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Hier scheidet ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aber aus, weil das Berufungsgericht eine Weisung des Herstellers an die Vertragshändler zur Fehlerbeseitigung auch an Fahrzeugen, die sie nicht selbst ausgeliefert hatten, verneint und im Gegenteil festgestellt hat, daß der Hersteller nur die Auslieferer anwies, an den von ihnen selbst ausgelieferten Fahrzeugen den Konstruktionsmangel zu beheben. Zu einer anderen rechtli-chen Beurteilung sieht der erkennende Senat keinen Anlaß. Die Frage, ob der Hersteller überhaupt die Rechtsmacht hatte, seine Vertragshändler zur Fehler-beseitigung bei jedem mehr oder weniger zufällig in ihrer Werkstatt erschei-nenden Fahrzeug zu verpflichten, die ohne Kenntnis der Händlerverträge nicht zu beantworten ist, kann daher offenbleiben. - 9 - 3. Da die Entscheidung somit von der Auslegung der Reparatur- und Werkverträge abhängt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es den Erklärungstatbe-stand aufklären kann.

Melullis [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

X ZR 60/03

18.05.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2004, Az. X ZR 60/03 (REWIS RS 2004, 3132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3132

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