Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 2 BvF 2/18

2. Senat | REWIS RS 2020, 3069

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Zwischenentscheidung im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle: Beitritt weiterer, nicht eigenständig antragsberechtigter Mitglieder des Deutschen Bundestags zu laufendem Normenkontrollverfahren unzulässig - kein unselbständiger "Anschluss" an eingeleitetes Normenkontrollverfahren ohne Zustimmung der Antragsteller


Tenor

Der Beitritt sowie der [X.] der Mitglieder des [X.] zu 1. bis 30. sind unzulässig.

Gründe

1

1. Mit Schriftsatz vom 27. September 2018 hat der Antragsteller des Verfahrens 2 [X.], der sich aus 216 Mitgliedern des [X.] zusammensetzt, die den Bundestagsfraktionen [X.]/[X.], [X.] oder [X.] ([X.]) angehören, beantragt, festzustellen, dass Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des [X.]engesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 ([X.]) mit Art. 21 GG unvereinbar und nichtig ist. Das Verfahren ist noch beim [X.] anhängig.

2

2. Die im Rubrum genannten 30 Mitglieder des [X.], die der Bundestagsfraktion der Alternative für [X.] ([X.]) angehören oder in der Vergangenheit angehörten, haben dem [X.] gegenüber in jeweils eigenen Schriftsätzen erklärt, dass sie diesem Normenkontrollantrag beiträten beziehungsweise sich ihm anschlössen, und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

3

a) Die Antragsschrift sei ihnen bekannt. Sie beabsichtigten nicht, einen eigenen Prozessvertreter zu benennen, eigene Anträge zu stellen sowie eigene Rechtsausführungen zu machen.

4

b) Der Beitritt weiterer [X.] zu einer Normenkontrollklage anderer [X.] hänge nicht von der Zustimmung des ursprünglichen Antragstellers ab. Dies folge bereits daraus, dass niemand anzugeben vermöge, wie die "Zustimmung des Antragstellers" erklärt werden solle.

5

Das Recht zur Einreichung von Normenkontrollanträgen stehe allen [X.] in gleicher Weise zu. Einschränkungen und Bedingungen der Wahrnehmung dieser Befugnis dürften nur dem geschriebenen Recht entnommen werden. Ein Kriterium der "Zustimmung des Antragstellers" finde im Grundgesetz und im [X.]sgesetz keine Stütze. Es sei zudem verfassungswidrig. Nach Art. 38 GG seien alle [X.] des [X.] gleich an Rechten. Es gebe keine Zugangshierarchien bei der Ausübung verfassungsmäßiger Mandatsrechte und kein Veto von [X.] gegen die Mandatsausübung anderer [X.]. Da das Recht, einen Normenkontrollantrag zu stellen oder sich einem bestehenden Antrag anzuschließen, von [X.] wegen jedem [X.] zustehe, seien die jeweiligen Unterzeichner ab Eingang ihrer Schriftsätze unmittelbar Antragsteller der Normenkontrollklage.

6

3. Zu den Schreiben der 30 Mitglieder des [X.] hat die Bevollmächtigte des Antragstellers unter dem 30. Januar 2019 und dem 27. März 2020 Stellung genommen und mitgeteilt, dass ein Beitritt von weiteren [X.] zum Verfahren der abstrakten Normenkontrolle das Einverständnis jedes einzelnen an der Antragstellung beteiligten Bundestagsabgeordneten voraussetzen würde. Ein solches Einverständnis liege nicht vor.

7

4. Hierauf haben die 30 Mitglieder des [X.] teilweise erwidert und eine Senatsentscheidung über die Wirksamkeit ihres Beitritts beziehungsweise [X.]es begehrt. Zudem haben sie zum Teil ergänzend darauf verwiesen, dass selbst im Zivilprozess der Beitritt nicht vom persönlichen Einverständnis des [X.] abhängig sei (§ 66 ZPO) und dies daher umso weniger in einem Prozess vor dem [X.] der Fall sein könne.

8

5. Mit Schreiben vom 27. Juli 2020 ist den 30 Mitgliedern des [X.] jeweils unter Hinweis darauf, dass beabsichtigt sei, eine Senatsentscheidung über ihre Erklärungen zu treffen, nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Hierauf haben die Mitglieder des [X.] teilweise ihr Vorbringen vertieft und ergänzend insbesondere wie folgt vorgetragen:

9

a) Die Auffassung, ein Beitritt zur abstrakten Normenkontrolle sei insgesamt unstatthaft oder nur mit Zustimmung statthaft, sei auf die Senatsentscheidung vom 18. Dezember 1984 ([X.] 68, 346 ff.) zurückzuführen. Dort sei aber als entscheidend angesehen worden, dass acht beitrittswillige Abgeordnete sich durch eigene Prozessbevollmächtigte hätten vertreten lassen wollen, woraus der Senat auf einen selbständigen, aber unzulässigen Normenkontrollantrag geschlossen habe. Zudem sei die damalige Erwägung des Senats, der durch eigene Bevollmächtigte erklärte Beitritt zu einem abstrakten Normenkontrollverfahren sei wegen der dann möglichen uneinheitlichen Verfolgung von Zielen und Interessen unzulässig, in der Sache verfehlt. Damit werde im Ergebnis ein [X.] eingeführt, nach dem ein Normenkontrollantrag immer nur von [X.] einer Fraktion ausgehen dürfe. Dies sei jedoch nicht der Fall. Sollte der Antragsteller den [X.] unter Berufung auf diese Entscheidung entgegenhalten wollen, sie könnten nicht beitreten, weil sie die allgemeine politische Homogenität der Antragstellergruppe untergrüben, wäre zu fragen, ob nicht auch wesentliche Unterschiede innerhalb dieser Gruppe bestünden. Würde dem entgegengehalten werden, es gehe nicht um die allgemeine politische Homogenität, sondern nur konkret um die Einhelligkeit bei der Ablehnung des angegriffenen Gesetzes, wäre darauf hinzuweisen, dass die [X.] vorbehaltlos Teil dieser Einhelligkeit seien.

b) Es sei nicht richtig, dass Abgeordnete als solche kein eigenes Antragsrecht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle hätten. Das Quorum aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] sei eine formell zu verstehende Sachentscheidungsvoraussetzung. Dass dem so sei, zeige schon die Parallele zum Verfahren aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, nach dem ein Viertel der [X.] des [X.] die Einsetzung eines [X.]es verlangen könne. Auch ein solcher Antrag würde durch heimliche Gespräche vorbereitet, zu denen Abgeordnete der [X.] vermutlich nicht hinzugezogen würden. Eine solche informell konstituierte Gruppe könne aber nicht beantragen, einen [X.] zu bilden, dem keine [X.] der [X.] angehörten. Auch habe sie keine Möglichkeit, zu verhindern, dass auch [X.]-Abgeordnete diesem Antrag zustimmten. Dann sei aber schon nicht begreiflich, warum es bei der Beteiligung an einer abstrakten Normenkontrolle ein Vetorecht geben sollte.

Der Beitritt (1.) zum und der [X.] (2.) an das Normenkontrollverfahren 2 [X.] durch die 30 Mitglieder des [X.] sind unzulässig.

1. Soweit die 30 Mitglieder des [X.] ihren Beitritt zum Normenkontrollverfahren 2 [X.] erklären, ist ihre Erklärung bereits auf eine unzulässige Rechtsfolge gerichtet. Für die Erlangung der mit einem Beitritt verbundenen Rechtsstellung eines selbständigen Verfahrensbeteiligten ist vorliegend kein Raum (vgl. [X.] 68, 346).

a) Ob einzelne Mitglieder des [X.] einem bereits gestellten abstrakten Normenkontrollantrag beitreten können, ist gesetzlich nicht geregelt. Im Unterschied dazu ist im [X.]sgesetz für eine Reihe anderer Verfahrensarten ein Verfahrensbeitritt ausdrücklich zugelassen. In Organ- und [X.] eröffnen die § 65 Abs. 1, § 69 [X.] nicht am Verfahren Beteiligten, die selbst antragsberechtigt sind, die Möglichkeit eines Beitritts. In Verfahren der konkreten Normenkontrolle, in Verfahren nach Art. 100 Abs. 2 GG und im [X.]beschwerdeverfahren können nach den § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 2, § 94 Abs. 5 Satz 1 [X.] bestimmte [X.]organe dem Verfahren beitreten. Dass eine entsprechende Regelung in §§ 76 ff. [X.] fehlt, spricht bereits für die Unzulässigkeit des Beitritts im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (vgl. [X.] 68, 346 <348>).

b) Eine analoge Anwendung der Regelungen in § 65 Abs. 1, § 69, § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 2, § 94 Abs. 5 Satz 1 [X.] kommt im Fall des Beitritts einzelner Bundestagsabgeordneter zu einem abstrakten Normenkontrollantrag nicht in Betracht. Dem steht entgegen, dass keine vergleichbaren Tatbestände vorliegen, da die § 65 Abs. 1, § 69, § 82 Abs. 2, § 83 Abs. 2, § 94 Abs. 5 Satz 1 [X.] nur selbst Antragsberechtigten und [X.]organen die Möglichkeit einräumen, dem Verfahren beizutreten. Beide Merkmale erfüllen die 30 beitrittswilligen Mitglieder des [X.] nicht. Insbesondere sind sie nicht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] eigenständig antragsberechtigt, da sie in der Summe nicht das Quorum eines Viertels der Mitglieder des [X.] erreichen.

Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] legen die Antragsberechtigung im abstrakten Normenkontrollverfahren abschließend fest. Danach steht das Instrument der abstrakten Normenkontrolle nicht jedem beliebigen Teil, sondern nur einem Viertel der Mitglieder des [X.] zur Verfügung. Einer Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten im Wege der Analogie sind Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] nicht zugänglich. Demgemäß ist für die Zulassung des Beitritts einzelner Bundestagsabgeordneter zu einem bereits eingeleiteten abstrakten Normenkontrollverfahren in Analogie zu den oben genannten Regelungen, die ein eigenes Antragsrecht voraussetzen und im Übrigen lediglich die Beitrittsbefugnis von [X.]organen betreffen, kein Raum (vgl. [X.] 68, 346 <349 f.>).

c) Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle ist allein die von subjektiven Rechten und Rechtsauffassungen unabhängige Frage, ob ein bestimmter Rechtssatz gültig oder ungültig ist. Bedeutung und Funktion des Antrags erschöpfen sich darin, den Anstoß zur gerichtlichen Kontrolle in einem objektiven Verfahren zu geben. Ist das Verfahren in Gang gesetzt, sind für den weiteren Verlauf Anträge und Anregungen der Antragsteller nicht mehr erforderlich (vgl. [X.] 68, 346 <349 ff.> m.w.N.). Deshalb bedarf es der Eröffnung der Möglichkeit des nachträglichen Verfahrensbeitritts für einzelne Mitglieder des [X.] nicht.

d) Soweit die beitrittswilligen Bundestagsabgeordneten sich demgegenüber auf das freie [X.]mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, verkennen sie, dass das Antragsrecht zur Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] zwar dem einzelnen [X.] als Ausfluss seines freien Mandats und seiner darin garantierten Mitwirkungsrechte gewährt wird, von diesem jedoch nur zur gesamten Hand als Teil eines Viertels der Mitglieder des [X.] wahrgenommen werden kann. Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, die Einleitung einer abstrakten Normenkontrolle (neben den weiteren in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] genannten Antragstellern) nur einer Gesamtheit von [X.], die ein bestimmtes Quorum (ein Viertel) erfüllen, zu ermöglichen.

2. Darüber hinaus kommt vorliegend auch ein unselbständiger [X.] der 30 Mitglieder des [X.] an das eingeleitete Normenkontrollverfahren nicht in Betracht.

a) Mit ihren Erklärungen begehren die 30 Mitglieder des [X.] - ungeachtet der Frage des Beitritts - ihre unselbständige Beteiligung an dem bereits gestellten Normenkontrollantrag. Insoweit haben sie erklärt, keine eigenen Anträge stellen, keine Rechtsausführungen machen sowie auf die Bestellung eigener Verfahrensbevollmächtigter verzichten zu wollen.

b) Es kann dahinstehen, ob ein gesetzlich ebenfalls nicht vorgesehener "[X.]" an ein von einem Viertel der Mitglieder des [X.] nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] initiiertes Normenkontrollverfahren prozessual überhaupt möglich ist (offengelassen in [X.] 68, 346 <347 f.>). Jedenfalls kommt er nicht ohne die Zustimmung der den bisherigen Antragsteller bildenden [X.] in Betracht (vgl. [X.]/[X.], [X.]prozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 696; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2015, § 76 Rn. 15; [X.], in: [X.]/Grünewald, BeckOK [X.], § 76 Rn. 9 ; [X.], in: [X.], [X.], 2018, § 76 Rn. 27). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

aa) (1) Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] weisen das Antragsrecht zur Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens nur dem dort ausdrücklich genannten Quorum zu (vgl. [X.] 68, 346 <349 f.>; 142, 25 <58 f. Rn. 92 f.>). Die jeweils am Antrag beteiligten [X.] wirken durch die gemeinsame Antragstellung als einheitlicher Antragsteller im Normenkontrollverfahren zusammen. Unzulässig wäre ein Antrag, der äußerlich als einheitlicher erschiene, wenn in Wirklichkeit mehrere eigenständige Verfahren von nicht antragsberechtigten, weil das gesetzliche Quorum nicht erfüllenden Mitgliedern des [X.] betrieben würden. Im Normenkontrollverfahren können die antragstellenden [X.] daher nur als Einheit auftreten und - im Verfahren - identische Ziele verfolgen. Sie können daher auch nur durch dieselben Bevollmächtigten vertreten werden (vgl. [X.] 68, 346 <350>; [X.], in: [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.], § 76 Rn. 11 ). Hieraus folgt allerdings - entgegen der Auffassung der hier den [X.] erklärenden Mitglieder des [X.] - kein [X.] dergestalt, dass die den Antragsteller bildenden Mitglieder des [X.] politisch die gleichen Interessen oder Ziele verfolgen oder gar [X.]elben Fraktion angehören müssen. Es ist lediglich erforderlich, dass sie innerhalb des Verfahrens einheitlich mit der gleichen Zielsetzung zusammenwirken. Davon abgesehen müssen sie weder eine Fraktionsgemeinschaft nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] oder Gruppe nach § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] bilden noch [X.]elben [X.] angehören (vgl. nur [X.] 151, 152 <161 f. Rn. 27>; [X.], in: [X.]/[X.], GG, Art. 93 Rn. 235 ; [X.], in: [X.]/[X.]/ [X.], [X.], 2015, § 76 Rn. 14; [X.], [X.], 3. Aufl. 2020, § 76 Rn. 15). Das Grundgesetz hat sich dafür entschieden, [X.], die bestimmte Quoren erfüllen, ohne Ansehung ihrer Zusammensetzung bestimmte Minderheitenrechte zur Verfügung zu stellen (vgl. [X.] 124, 78 <107>; 142, 25 <59 Rn. 93>).

(2) Die Notwendigkeit eines einheitlichen Auftritts hat aber zur Folge, dass der Antragsteller jedenfalls zustimmen muss, wenn sich ihm weitere Mitglieder des [X.] anschließen möchten (vgl. in diese Richtung [X.], in: [X.]/Grünewald, BeckOK [X.], § 76 Rn. 9 ). Mit dem nachträglichen [X.] weiterer [X.] würde sich der Antragsteller in seiner Zusammensetzung ändern. Dies ist jedenfalls nicht gegen den Willen derjenigen zulässig, die ursprünglich diese Einheit gebildet haben.

(3) Das Zustimmungserfordernis findet seine verfassungsrechtliche Begründung im freien Mandat des [X.] nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG. Dieses gewährleistet dem [X.], dass er eigenverantwortlich über die Wahrnehmung seines Mandats entscheiden kann (vgl. [X.] 118, 277 <325 f.>). Umfasst ist damit auch, dass er frei darüber entscheiden kann, ob und mit welchen weiteren [X.] er zusammenzuarbeiten bereit ist. Aufgrund der Freiheit seines Mandats darf ein Bundestagsabgeordneter nicht gezwungen werden, bei der Bildung des nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] erforderlichen [X.] mit [X.] gemeinschaftlich als Einheit aufzutreten, mit denen er nicht zusammenarbeiten möchte. Hat sich das erforderliche Viertel an [X.] zusammengefunden und einen Normenkontrollantrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] gestellt, schützt das freie Mandat den [X.] daher davor, nachträglich durch einen unselbständigen Verfahrensanschluss in eine Gemeinsamkeit mit weiteren [X.] gezwungen zu werden, mit denen er gemeinsame Aktivitäten ablehnt. Damit steht Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG einem unselbständigen Verfahrensanschluss weiterer [X.] ohne Zustimmung derjenigen entgegen, die einen Normenkontrollantrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] auf den Weg gebracht haben.

(4) Hiergegen spricht entgegen der Ansicht der anschlusswilligen Mitglieder des [X.] nicht, dass das vorgenannte Zustimmungserfordernis nicht ausdrücklich gesetzlich normiert ist. Dies findet seinen Grund vielmehr darin, dass der hier beantragte "[X.]" an ein abstraktes Normenkontrollverfahren insgesamt weder im Grundgesetz noch im [X.]sgesetz vorgesehen ist und daher auch dessen Modalitäten gesetzlich nicht ausgestaltet sind.

(5) Auch der Einwand, dass niemand anzugeben vermöge, wie die "Zustimmung des Antragstellers" erklärt werden solle, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es unmöglich wäre, eine dementsprechende Entscheidung herbeizuführen (vgl. [X.], in: [X.], [X.], 2018, § 76 Rn. 27).

(6) Dem steht auch der Verweis auf die Konstellation des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG nicht entgegen. Soweit die anschlusswilligen [X.] darauf hinweisen, dass es ihnen bei einem Antrag auf Einsetzung eines [X.]es durch (mindestens) ein Viertel der Mitglieder des [X.] nicht verwehrt werden könne, dem [X.] im [X.] zuzustimmen, verkennen sie, dass zwischen dem Antrag auf Einsetzung eines [X.]es und der Entscheidung über einen solchen Antrag wesentliche Unterschiede bestehen. Bei der Beschlussfassung über die Einsetzung eines [X.]es handelt es sich um eine Entscheidung des Plenums des [X.] (vgl. [X.] 143, 101 <127 Rn. 88 f.>; Brocker, in: [X.]/[X.], [X.], Art. 44 Rn. 29 ; [X.], in: [X.]./ [X.], [X.], 2015, § 1 Rn. 52), an der alle Mitglieder kraft ihres Rechts zur Teilhabe an parlamentarischen Entscheidungen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG mitwirken können (vgl. allgemein [X.] 130, 318 <342>; 137, 185 <242 Rn. 151>), ohne dadurch zu Antragstellern zu werden. Einer [X.] bedarf es aber an[X.] als für einen [X.] für die Einleitung eines abstrakten Normenkontrollverfahrens nicht. Der Hinweis auf die Möglichkeit, einem Antrag auf Einsetzung eines [X.]es im Plenum des [X.] zustimmen zu können, geht daher fehl. Dass es ein Recht einzelner [X.] auf Beteiligung am Antrag zur Einsetzung eines [X.]es gebe, wird von den anschlusswilligen [X.] hingegen nicht behauptet. Allein dies könnte aber als mögliche Parallele zu einem Recht einzelner [X.] zur Beteiligung an einem Normenkontrollverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 [X.] überhaupt in Betracht kommen.

(7) Schließlich ergibt sich entgegen den Ausführungen der anschlusswilligen Mitglieder des [X.] nichts anderes daraus, dass im Zivilprozess der Beitritt nicht vom persönlichen Einverständnis des [X.] abhängt (§ 66 ZPO). Die zivilrechtliche Konstellation ist mit der vorliegenden schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Nebenintervenient im Sinne des § 66 Abs. 1 ZPO nach § 67 ZPO nicht Teil einer Prozesspartei wird, sondern sich als Dritter an einem fremden Prozess beteiligt (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], ZPO, 17. Aufl. 2020, § 67 Rn. 2), während der hier begehrte unselbständige [X.] von Mitgliedern des [X.] an ein Verfahren anderer Mitglieder des [X.] dazu führen würde, dass die Erstgenannten selbst Teil des Antragstellers ohne eigenständige prozessuale Stellung werden würden (vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.]prozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 696).

bb) Nach diesen Maßgaben haben sich die 30 Mitglieder des [X.] dem Normenkontrollverfahren 2 [X.] hier nicht wirksam angeschlossen. Dem Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers ist nicht zu entnehmen, dass eine entsprechende Zustimmung erteilt worden wäre.

Meta

2 BvF 2/18

03.11.2020

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvF

nachgehend BVerfG, 24. Januar 2023, Az: 2 BvF 2/18, Urteil

Art 38 Abs 1 S 2 GG, Art 93 Abs 1 Nr 2 GG, §§ 76ff BVerfGG, § 65 Abs 1 BVerfGG, § 69 BVerfGG, § 76 Abs 1 BVerfGG, § 83 Abs 2 BVerfGG, § 94 Abs 5 S 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 03.11.2020, Az. 2 BvF 2/18 (REWIS RS 2020, 3069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3069

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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