Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2006, Az. 3 StR 216/06

3. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2689

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[X.] vom 11. Juli 2006 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja ________________ StPO §§ 247, 338 Nr. 5 Entscheidet der Vorsitzende, dass ein Zeuge entsprechend dem Regelfall des § 59 StPO in der Fassung des [X.] nicht vereidigt werden soll, und wird diese Frage weder kontrovers erörtert noch zum Gegens-tand einer gerichtlichen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO gemacht, so ist, wenn der für die Vernehmung nach § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernte Angeklagte dabei nicht anwesend ist, dieser Verfahrensvorgang kein wesentli-cher Teil der Hauptverhandlung und der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht gegeben. [X.], [X.]. vom 11. Juli 2006 - 3 [X.]/06 - [X.] in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u. a. - 2 - - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Juli 2006 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2006 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuch-ten Totschlags in Tateinheit mit zwei tateinheitlich zusammentref-fenden Fällen der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen Gründe: Die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hat aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 20. Juni 2006 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 1 I. Der Erörterung bedarf lediglich die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO. Mit ihr wird geltend gemacht, der Angeklagte sei während der Ent-scheidung des Vorsitzenden, die Zeugin [X.]unvereidigt zu lassen, nicht anwesend gewesen. Dem war vorausgegangen, dass das Gericht während der Vernehmung der Zeugin die Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal gemäß § 247 Satz 2 StPO angeordnet hatte. Nach Abschluss der Vernehmung entschied der Vorsitzende, dass die Zeugin unvereidigt bleibt. Diese verließ den Sitzungssaal. Der Angeklagte wurde hereingerufen und über den wesentlichen 2 - 4 - Inhalt der Vernehmung unterrichtet. Sodann wurde die Zeugin im allseitigen Einverständnis entlassen. Die Rüge ist nicht begründet. 3 1. Der Revision ist allerdings einzuräumen, dass nach der unter der [X.] des alten Vereidigungsrechts entwickelten Rechtsprechung die Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO nur für die Vernehmung eines Zeugen selbst zulässig war, nicht jedoch für die Verhandlung und Entscheidung über dessen Vereidigung (st. Rspr.; [X.]St 22, 289, 297; 26, 218, 220). Nach § 59 StPO in der bis zum Inkrafttreten des [X.] ([X.] ff.) geltenden Fassung war die Vereidigung eines Zeugen der gesetzliche Regelfall. Von ihr konnte, sofern kein Vereidigungsverbot nach § 60 StPO aF bestand, nur ausnahmsweise gemäß §§ 61, 62 [X.] abgesehen werden. Dazu war den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Im Hinblick darauf hat die bisherige Rechtsprechung das Vorliegen des absoluten Revisionsgrun-des nach § 338 Nr. 5 StPO angenommen, wenn der Angeklagte bei diesem Verhandlungsabschnitt abwesend war, und die Verhandlung über die Vereidi-gung ebenso wie die Vereidigung selbst regelmäßig als wesentlichen Teil der Hauptverhandlung angesehen (vgl. [X.] NStZ 1999, 522 [X.]; krit. dazu [X.] in [X.] für [X.] ff.). 4 2. Der Senat hatte bereits mit [X.]uss vom 23. September 2004 ([X.]R StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 25) die Frage aufgeworfen, ob an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die grundlegende Änderung des Vereidigungs-rechts durch das [X.] festgehalten werden könne. 5 - 5 - Das ist - wie eine erneute Überprüfung ergibt - nicht der Fall: Durch die Änderung des § 59 StPO ist die Regelvereidigung durch den Grundsatz ersetzt worden, dass Zeugen nur noch vereidigt werden, wenn es das Gericht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Damit ist das Re-gel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt worden. [X.] es der Vorsitzende nach der Vernehmung eines Zeugen in Anwendung des § 59 StPO beim gesetzlichen Regelfall der Nichtvereidigung, bedarf diese Entscheidung nach der ausdrückli-chen gesetzlichen Regelung in § 59 StPO keiner Begründung. Angesichts der geänderten Rechtslage kann dieser Verfahrensvorgang zumindest dann nicht mehr als wesentlicher Teil der Hauptverhandlung angesehen werden, wenn diese Frage weder kontrovers erörtert, noch zum Gegenstand einer gerichtli-chen Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO gemacht wird (aA, allerdings ohne Begründung: [X.]/[X.] NStZ 2005, 186, 188; [X.] 2005, 628, 631). Diese Bewertung ist nahezu zwingend, wenn man mit dem 2. Strafsenat die Auffassung vertritt, in einem solchen Fall habe weder der Vorsitzende eine [X.] Entscheidung, dass der Zeuge unvereidigt bleibe, zu treffen, noch sei eine solche Entscheidung gegebenenfalls in das Protokoll der [X.] aufzunehmen ([X.]St 50, 282 ff.). Nichts anderes gilt aber, wenn man mit dem 1. und 3. Strafsenat unter Hinweis auf die Begründung des [X.] (BTDrucks. 15/1508 S. 23) auch im Regelfalle der Nichtvereidi-gung eine ausdrückliche Entscheidung des Vorsitzenden und ihre Protokollie-rung für notwendig hält (nicht tragend: [X.] NStZ 2005, 340; StraFo 2005, 244). Denn nach den gesetzlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 2 StPO kann die Entscheidung des Vorsitzenden, den Zeugen nicht zu vereidigen, [X.] Auswirkung auf den Urteilsspruch erlangen und mangels Begründung gibt sie dem Angeklagten auch keinen Aufschluss über die Einzelheiten der [X.], die den Vorsitzenden zu seiner Entscheidung veranlasst haben, so 6 - 6 - dass der Angeklagte hieraus keine Folgerungen für sein weiteres Prozessver-halten ziehen kann. Er erleidet daher durch seine Abwesenheit keinen Nachteil in seiner Verfahrensstellung. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil er im Rahmen der Unterrichtung nach § 247 Abs. 4 StPO über die Nichtvereidigung zu informieren ist und dadurch die Möglichkeit erhält, entweder durch Gegen-vorstellung eine neue Entscheidung des Vorsitzenden oder durch einen Antrag nach § 238 Abs. 2 StPO einen [X.]uss des Gerichts herbeizuführen und so auf die Vereidigung des Zeugen hinzuwirken (so schon zur früheren Rechtslage [X.]St 22, 289, 297; [X.] aaO). Ob die neue Rechtslage auch Auswirkungen für den Fall hat, dass der Vorsitzende an sich die Vereidigung für geboten erachtet, hiervon jedoch ab-sieht, weil er eines der [X.] nach § 60 StPO für gegeben hält, bedarf hier keiner Entscheidung. 7 - 7 - [X.] Der Senat hat den Schuldspruch geändert, um klarzustellen, dass sich die gleichartige Idealkonkurrenz lediglich auf das gegenüber zwei Personen begangene Delikt der gefährlichen Körperverletzung und nicht auf den nur ge-gen ein Opfer gerichteten versuchten Totschlag bezieht. 8 [X.] [X.] [X.]von [X.]

Meta

3 StR 216/06

11.07.2006

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2006, Az. 3 StR 216/06 (REWIS RS 2006, 2689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2689

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