Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17

6. Senat | REWIS RS 2019, 8332

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Gegenstand

Erste Tätigkeitsstätte bei einem befristeten Beschäftigungsverhältnis


Leitsatz

1. Bei einem befristeten Beschäftigungsverhältnis kommt eine unbefristete Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht in Betracht .

2. War der Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3  2. Alternative EStG für die Dauer des Dienstverhältnisses .

3. Wird ein befristetes Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts bei ansonsten unverändertem Vertragsinhalt verlängert, liegt ein einheitliches befristetes Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt, ist daher auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis und nicht lediglich auf den Zeitraum der Verlängerung abzustellen .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30.11.2016 - 9 K 130/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit dem 2. Mai 2012 bei der [[X.].] in [X.] als Helfer beschäftigt. Die GmbH verfügt über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

2

Unter § 3 des Arbeitsvertrags wurde der Kläger darauf hingewiesen, er könne an verschiedenen Orten bundesweit eingesetzt werden. Er musste arbeitsvertraglich sein Einverständnis erklären, anderen Firmen zur Arbeitsleistung überlassen zu werden. Der Kläger wurde zudem darauf hingewiesen, dass der Verleiher sich vorbehalte, aus betrieblichen Gründen Umsetzungen und Versetzungen vorzunehmen.

3

Das Leiharbeitsverhältnis war zunächst bis zum 30. November 2012 befristet. Jeweils mit Ablauf der Befristung erfolgte eine Verlängerung des [X.] (bis 31. Juli 2013 gemäß Vertragsänderung vom 2. November 2012; bis 31. Juli 2014 gemäß Vertragsänderung vom 26. Juni 2013; bis 1. Mai 2015 gemäß Vertragsänderung vom 19. Juni 2014).

4

Bis zum 30. Oktober 2012 war der Kläger bei der [X.] in [X.] eingesetzt. Auf schriftliche Weisung des [X.] war er anschließend für die [X.] [X.] --und dort in verschiedenen Arbeitsbereichen zum Abbau von [X.] tätig. Im Mai 2015 mündete das Zeitarbeitsverhältnis schließlich in eine Festanstellung bei der AG.

5

Mit Schreiben vom 27. September 2013 unterrichtete die GmbH den Kläger darüber, dass die AG und die GmbH den Geschäftsbereich Zeitarbeit auf das neu gegründete Unternehmen [[X.].] & Co. OHG übertragen würden und damit auch das Beschäftigungsverhältnis des [X.] --unter Fortgeltung der bislang geltenden vertraglichen [X.] zum 1. Januar 2014 auf die neue Gesellschaft übergehe.

6

Im Streitjahr (2014) wurde der Kläger ausschließlich als Helfer bei der [X.] [X.] eingesetzt.

7

Mit der Einkommensteuererklärung 2014 beantragte der Kläger die Berücksichtigung der Fahrtkosten zur AG als Reisekosten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit mit 0,30 € je gefahrenen Kilometer.

8

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die Fahrtkosten lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale. Er ging davon aus, dass keine Auswärtstätigkeit vorliege, weil der Kläger dem Entleihbetrieb dauerhaft zugeordnet gewesen sei.

9

Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) gab der im [X.] erhobenen Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 202 veröffentlichten Gründen statt.

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das [X.] ([X.]) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[[[X.].].].]O--). Das [[[[X.].].].] hat das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte des [[[[X.].].].] im Ergebnis zu Recht verneint. Es hat deshalb zu Recht die Aufwendungen des [[[[X.].].].] für die Fahrten von seiner Wohnung zu dem Werk der [[[X.].].] [[[X.].].] nach Reisekostengrundsätzen zum Werbungskostenabzug zugelassen.

1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ([[[X.].].]), ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 [[[X.].].]).

2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 [[[X.].].] die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 ([[[X.].].], 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 [[[X.].].] definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte".

a) Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden. Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. [[[X.].].], Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht (s. hierzu auch Senatsurteile vom 11. April 2019 - VI R 40/16 und VI R 12/17, jeweils zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

b) Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 [[[X.].].] durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt.

aa) Nach der gesetzlichen Konzeption --und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden [[[X.].].] wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits([[[X.].].] oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (BTDrucks 17/10774, S. 15; ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 - IV C 5 S 2353/14/10002, [[[X.].].], 1412, Rz 2; [[[X.].].], [[[X.].].], 1015; [[[X.].].], [[[X.].].] 2014, 1316; [[[[X.].].].], [[[X.].].], 497; [[[X.].].]/ [[[X.].].], § 9 [[[X.].].] Rz 559; [[[[X.].].].]/[[[[X.].].].], [[[X.].].], 38. Aufl., § 9 Rz 303; [[[X.].].] in [[[X.].].], [[[X.].].], 18. Aufl., § 9 Rz 52; [[[[X.].].].] in [[[X.].].]/[[[[X.].].].], § 9 [[[X.].].] Rz 1402; kritisch [[[X.].].], [[[X.].].] --[[[X.].].]-- 2013, 1017; [[[X.].].]. in [[[[X.].].].]/[[[X.].].]/ [[[X.].].] --[[[X.].].]--, § 9 [[[X.].].] Rz 546).

bb) Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn (im weiteren Verlauf: Arbeitgeber) vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BTDrucks 17/10774, S. 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.

cc) Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 [[[X.].].] nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der [[[[X.].].].]O zugelassenen Beweismittel möglich und durch das [[[[X.].].].] im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.

dd) Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an (BTDrucks 17/10774, S. 15; BMF-Schreiben in [[[X.].].], 1412, Rz 8; [[[X.].].], [[[X.].].] 2013, 1015; [[[X.].].], [[[X.].].] 2013, 1017; [[[X.].].]/ [[[X.].].], § 9 [[[X.].].] Rz 551, 554 und 559; [[[[X.].].].]/[[[[X.].].].], a.a.[[[X.].].], § 9 Rz 303; [[[X.].].] in [[[X.].].], a.a.[[[X.].].], § 9 Rz 52; [[[[X.].].].] in [[[X.].].]/[[[[X.].].].], § 9 [[[X.].].] Rz 1402; [[[X.].].] in [[[X.].].]/[[[[X.].].].], [[[X.].].], [[[X.].].] 2018, § 9 Rz 122b und 252a; [[[X.].].] in [[[X.].].], [[[X.].].], § 9 [[[X.].].] [[[X.].].]; [[[X.].].]/Harder-Buschner, [[[X.].].], 26, 33; kritisch [[[X.].].]/[[[X.].].], § 9 [[[X.].].] Rz 546).

Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die "erste Tätigkeitsstätte" als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von [[[X.].].] nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als [[[X.].].] gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des erkennenden Senats insbesondere aus § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].], der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an diesem Ort auch tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertrag- oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "erste Tätigkeitsstätte" geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich zwingt auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen. Denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht --gleichheitsrechtlich geboten-- nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben seines Arbeitgebers.

c) Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].] aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 [[[X.].].] die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft
1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

aa) Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3  1. Alternative [[[X.].].], wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.

Ist das Arbeitsverhältnis seinerseits befristet, kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Denn es ist in einem solchen Fall ausgeschlossen, dass "der Arbeitnehmer unbefristet ...  an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll", wie es § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].] nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut voraussetzt.

bb) Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3  2. Alternative [[[X.].].] für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll.

War der Arbeitnehmer im Rahmen eines befristeten Arbeits- oder Dienstverhältnisses bereits einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet und wird er im weiteren Verlauf einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet, erfolgt diese zweite Zuordnung nicht mehr für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses. Denn in Bezug auf die zweite Zuordnung steht (aus der auch insoweit maßgeblichen Sicht ex ante) fest, dass sie nicht gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3  2. Alternative [[[X.].].] für die (gesamte) Dauer des Dienstverhältnisses gilt, sondern lediglich für die Dauer des verbleibenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses.

3. Nach diesen Maßstäben ist das [[[[X.].].].] im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitfall nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügte.

a) Die Beteiligten gehen zunächst zu Recht übereinstimmend davon aus, dass es sich bei dem Werk der [[[X.].].] [[[X.].].] um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 1 [[[X.].].] jedenfalls eines vom Arbeitgeber des [[[[X.].].].] bestimmten Dritten handelte. Denn nach den vorstehenden Ausführungen kann insbesondere auch ein größeres, räumlich abgrenzbares Gebiet --wie eine große [[[X.].].]-- eine ortsfeste betriebliche Einrichtung bilden. Der Senat sieht deshalb von weiteren Ausführungen ab.

b) Dieser ortsfesten betrieblichen Einrichtung war der Kläger im Streitfall zwar auch zugeordnet. Die Zuordnung war aber nicht dauerhaft. Entgegen der Ansicht des [[[[X.].].].] schließt dabei das Vorliegen eines befristeten Leiharbeitsverhältnisses die Annahme einer dauerhaften Zuordnung jedoch nicht aus. Insbesondere steht der dem Direktionsrecht des Arbeitgebers geschuldete allgemeine Vorbehalt der jederzeitigen Umsetzung oder Versetzung im Arbeitsvertrag einer dauerhaften Zuordnung an sich nicht entgegen.

aa) Da der Kläger lediglich befristet beschäftigt war, kommt nach den Ausführungen unter [[X.].] die Annahme der 1. Alternative des § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].] von vornherein nicht in Betracht.

bb) Der Kläger war dem Werk in [[[X.].].] infolge seiner ursprünglich erfolgten Zuordnung zu dem Werk in [X.] auch nicht für die Dauer seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses (§ 9 Abs. 4 Satz 3  2. Alternative [[[X.].].]) zugeordnet. Er wurde vielmehr während seines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses nacheinander zwei verschiedenen Tätigkeitsstätten zugeordnet. Damit war es aus der Sicht ex ante ausgeschlossen, dass er der zweiten Tätigkeitsstätte "für die Dauer des Dienstverhältnisses" zugeordnet werden konnte, wie es das zweite Regelbeispiel in § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].] erfordert.

An[[[X.].].] wäre dies nur, wenn jede Verlängerung der Befristung zugleich ein neues Beschäftigungsverhältnis darstellen würde. Bei einer bloßen Verlängerung wird das bisherige befristete Arbeitsverhältnis nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) jedoch lediglich über den zunächst vereinbarten Endtermin bis zu dem neu vereinbarten Endtermin fortgesetzt. Dies ist der Fall, wenn die Vereinbarung über das Hinausschieben des [X.] zum einen noch vor Abschluss der Laufzeit des bisherigen Vertrags in schriftlicher Form vereinbart wird und der Vertragsinhalt zum anderen ansonsten unverändert bleibt; andernfalls handelt es sich um den [X.] ohne weiteres zulässigen-- Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags (s. z.B. [X.]-Urteile vom 16. Januar 2008 - 7 [X.] 603/06, [X.]E 125, 248, und vom 26. Oktober 2016 - 7 [X.] 535/14, Rz 18 und 24).

Da nach den bindenden Feststellungen des [[[[X.].].].] (§ 118 Abs. 2 [[[[X.].].].]O) die Verlängerungen jeweils schriftlich vor Ablauf der Befristung erfolgten und der übrige Vertragsinhalt in diesem Zusammenhang ansonsten nicht geändert wurde, lag im Streitfall danach nur ein einziges, wiederholt verlängertes Beschäftigungsverhältnis vor.

cc) Zwar handelt es sich bei § 9 Abs. 4 Satz 3 [[[X.].].] lediglich um Regelbeispiele für eine dauerhafte Zuordnung. Eine dauerhafte Zuordnung kann daher grundsätzlich auch unter anderen Voraussetzungen gegeben sein. Dies erfordert jedoch, dass diese anderen Voraussetzungen den im Gesetz genannten Regelbeispielen zumindest vergleichbar sein müssen.

Im Streitfall liegen indes keine Umstände vor, die den Schluss auf eine mit den gesetzlichen Regelbeispielen vergleichbare dauerhafte Zuordnung des [[[[X.].].].] zu dem Werk in [[[X.].].] zulassen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [[[[X.].].].]O.

Meta

VI R 6/17

10.04.2019

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 30. November 2016, Az: 9 K 130/16, Urteil

§ 9 Abs 1 S 3 Nr 4 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 2 EStG 2009, § 9 Abs 4 S 3 EStG 2009, § 1 Abs 1 AÜG, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17 (REWIS RS 2019, 8332)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8332

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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