Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2002, Az. 3 StR 122/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2002, 2038

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[X.]/02vom1. August 2002in der [X.] zu 1.: schwerer räuberischer Erpressung zu 2.: Beihilfe zur schweren räuberischen [X.] des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 1. August 2002 gemäß § 349 Abs. 4StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2001 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammerdes [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen schwerer räuberi-scher Erpressung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früherenVerurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und den [X.]wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu [X.] Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die [X.] mit der Verfahrensrüge Erfolg. Mit Recht beanstanden die Angeklagten,daß das [X.] Erkenntnisse aus der Überwachung ihrer [X.] verwertet hat, ohne hinreichend geprüft zu haben, ob zum Zeitpunktder Anordnung die Voraussetzungen einer Telefonüberwachung (§ 100 aStPO) erfüllt [X.] 3 -1. [X.] liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:In den von der Staatsanwaltschaft [X.] unter den [X.] und 57 [X.] gegen die Angeklagten wegen Verdachts [X.] gegen das [X.] ([X.]) geführten Ermitt-lungsverfahren hatte der Ermittlungsrichter des Amtsgerichts [X.] mitgleichlautenden Beschlüssen vom 13. Januar 1999 die Überwachung und Auf-zeichnung des Fernmeldeverkehrs bezüglich je eines ([X.] der Angeklagten angeordnet. Die Begründung der [X.] sich zu der bestehenden Verdachtslage jeweils in dem Satz: "[X.] ist verdächtig, mit Waffen u. a. Maschinenpistolen der [X.] und [X.], welche unter die Bestimmungen des Kriegswaf-fenkontrollgesetzes fallen, Handel zu [X.] Grundlage dieser Beschlüsse wurden die Telefonanschlüsse vom18. Januar bis 26. Februar 1999 (Angeklagter [X.] ) bzw. vom 18. Januarbis 1. März 1999 (Angeklagter W. ) überwacht und die geführten [X.].Zu vorliegendem Strafverfahren gegen die Angeklagten hat das [X.] die Akten der genannten beiden Ermittlungsverfahren nicht beigezogen. [X.] Hauptverhandlung sind lediglich die beiden Beschlüsse vom 13. [X.] verlesen und Abschriften den Verteidigerinnen der Angeklagten ausge-händigt worden. Auf die Ankündigung, die Bänder mit den aufgezeichnetenTelefonaten durch Abspielen in Augenschein zu nehmen, haben die Ange-klagten der Verwertung der Ergebnisse der Telefonüberwachungen widerspro-chen, weil gegen sie bei Erlaß der Beschlüsse vom 13. Januar 1999 kein aufbestimmte Tatsachen gründender Tatverdacht bestanden habe, der die [X.] 4 -nung der Telefonüberwachung nach § 100 a Satz 1 Nr. 3, § 100 b StPO hätterechtfertigen können. Die Beschlüsse seien daher rechtswidrig gewesen.Diese Widersprüche hat das [X.] durch Beschluß zurückgewie-sen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß bezüglich beider Angeklagter [X.] richterliche Anordnung nach §§ 100 a, 100 b StPO ergangen sei. DieBegründung der Beschlüsse vom 13. Januar 1999 enthielten eine entspre-chend dem damaligen Stand der Ermittlungen hinreichende Bezeichnung dertatsächlichen Grundlagen eines Anfangsverdachts auf eine Katalogtat nach§ 100 a StPO. Dies sei für eine Verwertung der Telefonüberwachung in vorlie-gendem Verfahren, das ebenfalls eine Katalogtat im Sinne des § 100 a StPObetreffe, ausreichend. Auf die Frage, ob überhaupt ein Tatverdacht bestandenhabe, komme es in diesem Zusammenhang nicht an, zumal dieser sich [X.] hinsichtlich des Angeklagten [X.] auch bestätigt habe.Im folgenden sind die [X.] mehrerer der über-wachten Telefonate in der Hauptverhandlung abgespielt [X.] Die von beiden Angeklagten gegen diese Vorgehensweise des Land-gerichts erhobene Verfahrensrüge ist jeweils zulässig. Die für die revisions-rechtliche Bewertung der Rüge erforderlichen Verfahrenstatsachen sind - unterBerücksichtigung der hier vorliegenden Besonderheiten - in [X.] dargestellt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Beschlüsse vom13. Januar 1999 nebst Begründung werden vollständig mitgeteilt (vgl. [X.] § 344 Abs. 2 Satz 2 Telefonüberwachung 1), ebenso die von den Ange-klagten gegen die Verwertung der aufgezeichneten Telefonate erhobenen [X.] sowie der diese Widersprüche zurückweisende Beschluß derStrafkammer. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwaltes waren die- 5 -Ergebnisse der Telefonüberwachung schon deswegen nicht im einzelnen vor-zutragen, weil sich diese - soweit relevant - aus den Urteilsgründen ergeben.3. Die [X.] sind auch begründet.a) In einem rechtstaatlichen Strafverfahren dürfen Erkenntnisse aus [X.] rechtswidrig angeordneten Telefonüberwachung nicht als Beweismittelverwertet werden. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen es an einer [X.] sachlichen Voraussetzung für die Maßnahme nach § 100 a [X.]. So hat es die Unverwertbarkeit zur Folge, wenn der Verdacht einer Kata-logtat des § 100 a Satz 1 StPO von vornherein nicht bestand (vgl. [X.]St 31,304, 308 f.; 32, 68, 70; 41, 30, 31). Bei der Prüfung eines hinreichenden, aufbestimmte Tatsachen gestützten Tatverdachts und des Fehlens oder der Er-schwernis anderer Ermittlungsmöglichkeiten räumt das Gesetz dem zur Ent-scheidung berufenen Ermittlungsrichter oder Staatsanwalt (§ 100 b Abs. 1StPO) jedoch einen Beurteilungsspielraum ein. Als rechtsstaatswidrig - mit [X.] eines Verwertungsverbots - stellt sich die Anordnung der Überwa-chungsmaßnahme nur dann dar, wenn die Entscheidung diesen Spielraumüberschreitet und daher nicht mehr vertretbar ist. Allein unter diesem Blickwin-kel hat im weiteren Verfahren sowohl das erkennende wie das Rechtsmittelge-richt die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu beurteilen ([X.]St 41, 30, 33 f.).Hieran ist trotz teilweise kritischer Stimmen im Schrifttum festzuhalten (s. etwaBernsmann NStZ 1995, 512; [X.] StV 1995, 653).Die Einhaltung der dargestellten Maßstäbe muß verfahrensrechtlichüberprüfbar sein. Sie ist daher aktenmäßig zu dokumentieren. Aus diesemGrunde hält es der Senat für erforderlich, daß der - gemäß § 34 StPO zu be-gründende - ermittlungsrichterliche Beschluß, der die Überwachung der [X.] 6 -kommunikation anordnet (§ 100 b Abs. 1 Satz 1 StPO) oder bestätigt (§ 100 bAbs. 1 Satz 3 StPO), zumindest eine knappe Darlegung der den Tatverdachtbegründenden Tatsachen und der Beweislage enthält, um die Überprüfung [X.] der Maßnahme zu ermöglichen (Schäfer in [X.]. § 100b Rdn. 5; vgl. [X.]St 42, 103, 104 f. = NStZ 1997, 249 zu §§ 110 a, 110 bStPO; [X.] NJW 2001, 1121, 1124 zu § 105 Abs. 1 StPO). Dabei kann ingeeigneten Fällen auch eine konkrete Bezugnahme auf [X.] genügen.Die schriftliche Fixierung der Eingriffsvoraussetzungen gewährleistet zunächstdem Ermittlungsrichter eine bessere Eigenkontrolle; außerdem erleichtert sieauch den weiteren Verfahrensbeteiligten und in späteren [X.] die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme und damitder Verwertbarkeit der durch sie gewonnenen Beweise.Für den erkennenden [X.] gilt: Er hat die Verwertbarkeit von [X.] aus der Überwachung von Telekommunikation nach obigen Maß-stäben stets von Amts wegen zu prüfen, d. h. insbesondere auch zu untersu-chen, ob die dem Ermittlungsrichter unterbreitete Verdachts- und Beweislagedie Anordnung der Maßnahme vertretbar erscheinen ließ ([X.]St 41, 30, 34).Hat der Ermittlungsrichter den Anordnungs- oder Bestätigungsbeschluß mitGründen versehen und werden von keinem Verfahrensbeteiligten Einwändeerhoben, kann der erkennende [X.] die Prüfung darauf beschränken, ob dieermittlungsrichterliche Entscheidung eine die Maßnahme nach § 100 a [X.] Verdachts- und Beweislage plausibel darlegt. Fehlt eine derartigeBegründung, führt dies für sich nicht zur Unverwertbarkeit der aus der Überwa-chungsmaßnahme gewonnenen Beweise (vgl. [X.]St 33, 217, 223). In diesemFalle, aber auch wenn konkrete Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Maß-nahme vorgebracht werden, hat der Tatrichter vielmehr den Ermittlungsstand- 7 -zum Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Entscheidung eigenständig zu re-konstruieren und auf dieser Grundlage die Vertretbarkeit der Anordnung zuuntersuchen. Dies erfordert eine Sichtung des Aktenbestandes, wie er sichdem Ermittlungsrichter bei dessen Entscheidung bot. Wurde die Maßnahme ineinem anderen Verfahren angeordnet, sind daher die einschlägigen Akten so-weit erforderlich beizuziehen und - zur Gewährung rechtlichen Gehörs - [X.] zur Kenntnis zu bringen. Sieht der Tatrichter hiervon ab, liegthierin ein eigenständiger Rechtsfehler, der im Einzelfall zur Aufhebung destatrichterlichen Urteils in der Revision führen kann.b) So liegt es hier.Zwar können die Angeklagten nicht mit Erfolg geltend machen, die [X.] der gegen sie durchgeführten Telefonüberwachungsmaßnahmen [X.] unverwertbar gewesen, da mangels hinreichender Verdachtslage die [X.] vom 13. Januar 1999 nicht hätten erlassen werden dürfen. Denn einderartiger Rechtsfehler ist nicht erwiesen. Allein die mangelhafte Begründungder Beschlüsse führt nicht zur Unverwertbarkeit der [X.].Der Ermittlungsstand, auf dessen Grundlage der Ermittlungsrichter des Amts-gerichts [X.] entschieden hat, ist auch nicht bekannt, da es das [X.] unterlassen hat, die Ermittlungsakten 57 AR 5 und 6/99 der Staatsanwalt-schaft [X.] zum Verfahren beizuziehen. Damit fehlt die tatsächlicheGrundlage für eine revisionsrechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Über-wachungsbeschlüsse.Jedoch dringen die [X.] der Angeklagten durch, soweit sie [X.], das [X.] habe bei der Prüfung, ob die Aufzeichnungen der abge-hörten Telefonate verwertbar seien, einen verkürzten und rechtlich unzutref-- 8 -fenden Maßstab angelegt. Die Ansicht des [X.], die Beschlüsse vom13. Januar 1999 enthielten eine "entsprechend dem damaligen Stand der Er-mittlung ausreichende Bezeichnung der tatsächlichen Grundlagen eines [X.] auf eine Katalogtat", trifft nicht zu. Vielmehr ist den Beschlüs-sen kein Anhaltspunkt zu entnehmen, woraus der Ermittlungsrichter den nach§ 100 a Satz 1 StPO erforderlichen Verdacht hergeleitet hat. Das [X.]hätte daher die Akten 57 AR 5 und 6/99 der Staatsanwaltschaft [X.] da-hingehend auswerten müssen, ob nach dem Ermittlungsstand zum 13. [X.] die Annahme des Ermittlungsrichters vertretbar war, gegen die Ange-klagten bestehe der von § 100 a Satz 1 Nr. 3 StPO geforderte Verdacht einesVerstoßes gegen das [X.]. Dies hat das [X.] unterlassen. Seine Be-gründung, hierauf komme es nicht an, weil sich der Verdacht jedenfalls gegenden Angeklagten [X.] bestätigt habe, verkennt, daß allein die Verdachtslagezum Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Beschlüsse für die Beurteilung [X.] der Anordnungen maßgeblich ist.Auf diesem Rechtsfehler beruht die angefochtene Entscheidung. Das[X.] hat aufgrund seines fehlerhaften Prüfungsansatzes die [X.], die für die Beurteilung der Verwertbarkeit der [X.] maßgebend sind, nicht aufgeklärt und zum Gegenstand des Verfah-rens gemacht. Dies kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden, sodaß auch die Revisionsbegründung hierzu nichts vorzutragen hatte (§ 344Abs. 2 Satz 2 StPO). Daher kann auch die Beruhensprüfung hier nicht an [X.] anknüpfen, ob die [X.] tatsächlich verwertbar [X.]. Vielmehr ist allein maßgeblich, daß wegen der unzulänglichen Prüfung des[X.] die Unverwertbarkeit nicht ausgeschlossen ist. Sie ist daher bei- 9 -der Prüfung des Beruhens zu unterstellen. Da das [X.] seine Überzeu-gung von der Täterschaft der Angeklagten auch auf die Erkenntnisse aus [X.] stützt, kann das angefochtene Urteil somit keinen Bestandhaben.[X.] [X.]von [X.][X.]:ja[X.]St:[X.]: jaStPO §§ 34, 100 a, 100 b1. In der Begründung des ermittlungsrichterlichen Beschlusses, durch den [X.] angeordnet oder bestätigt wird, istdie Verdachts- und Beweislage, die die Maßnahme rechtfertigt, darzustel-len. Dabei kann im Einzelfall eine konkrete Bezugnahme auf [X.] ge-nügen.2. Ist die Darstellung der Verdachts- und Beweislage im ermittlungsrichterli-chen Beschluß plausibel, kann sich der erkennende [X.], der die [X.] der [X.] zu beurteilen hat, in der Regelhierauf verlassen. Fehlt es jedoch an einer ausreichenden Begründungoder wird die Rechtmäßigkeit der Maßnahme konkret in Zweifel gezogen,- 10 -hat der erkennende [X.] die Verdachts- und Beweislage, die im Zeit-punkt der Anordnung gegeben war, anhand der Akten zu [X.] auf dieser Grundlage die Verwertbarkeit zu untersuchen (im [X.] [X.]St 41, 30). War die Überwachung der Telekommunikation in einemanderen Verfahren angeordnet worden, hat er hierzu die Akten dieses [X.] beizuziehen.3. Unterläßt der erkennende [X.] eine erforderliche Beiziehung von [X.] verhindert er dadurch die gebotene Prüfung der Rechtmäßigkeit [X.], liegt hierin ein eigenständiger Rechtsfehler, derim Einzelfall zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils in der Revision [X.] kann.[X.], Beschluß vom 1. August 2002 - 3 [X.] - LG [X.]

Meta

3 StR 122/02

01.08.2002

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2002, Az. 3 StR 122/02 (REWIS RS 2002, 2038)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2038

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