Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.07.2013, Az. 6 B 3/13

6. Senat | REWIS RS 2013, 3935

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Gegenstand

Anforderungen der Grundsatzrüge; Protestaktion; Schwangerschaft; Mangel der Vorentscheidung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Grundsatz- (1.) und die Verfahrensrüge (2.) gestützte [X.]eschwerde des [X.] bleibt ohne Erfolg.

2

1. Seine Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt der Kläger auf zwei Vorbringen, die beide unbegründet sind a) und b).

3

a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig in einem Revisionsverfahren hält der Kläger die Frage, ob die Auffassung des [X.]hofs zutreffe, dass schon das Ansprechen von Personen auf eine mögliche Schwangerschaft oder [X.]situation im Nahbereich einer anerkannten Konfliktberatungsstelle eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der angesprochenen Person(en) und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstelle.

4

Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts [X.]er Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die [X.]ezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer [X.] bislang nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann ([X.]eschluss vom 17. August 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] - juris Rn. 2). Zielt die [X.] des [X.]eschwerdeführers - wie hier - auf die Nichtbeachtung von [X.]undesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht, vermag dies die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann zu begründen, wenn die Auslegung einer - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft. Die bezeichneten bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Normen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der [X.]eschwerdebegründung anzugeben. Es muss hierbei dargelegt werden, dass und inwiefern die jeweils angeführten bundesrechtlichen Maßgaben Rechtsfragen aufwerfen, die sich nicht auf Grund der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lassen ([X.]eschluss vom 17. August 2009 a.a.[X.] Rn. 7).

5

Diesen Maßgaben wird die [X.]eschwerdebegründung nicht gerecht. Sie begnügt sich, neben allgemeiner, im Stile einer [X.]erufungsbegründung vorgetragener Kritik an der vorinstanzlichen Entscheidung zur [X.]egründung der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im [X.] mit der Aussage, es gehe "um die Abgrenzung und Abwägung der Sphären des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu anderen Grundrechten (...), nämlich den Rechten auf Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und allgemeine Handlungsfreiheit und das vom Kläger geschützte Lebensrecht des Kindes, das sich selbst nicht artikulieren kann" (S. 5 [X.]eschwerdebegründung). Mit diesen Ausführungen unterschreitet die [X.]eschwerde die durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gestellten Anforderungen, weil sie lediglich den allgemeinen rechtlichen Rahmen beschreiben, innerhalb dessen das durch die Streitsache aufgeworfene Rechtsproblem anzusiedeln ist, nicht aber konkret verdeutlichen, welche seiner Aspekte Fragen hervorrufen, die auf [X.]asis der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung - hier insbesondere zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zum Grundrecht auf Meinungsfreiheit - nicht zu beantworten sind. Auch der Hinweis des [X.]eschwerdeführers, die vom [X.]hof entschiedene Fallkonstellation sei bisher nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen, genügt nicht den Maßgaben, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO mit den Worten stellt, in der [X.]egründung müsse "die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache dargelegt" werden (vgl. [X.], 13. Aufl. 2010, § 133 Rn. 26); andernfalls müsste jeder denkbaren Fallkonstellation, die bislang nicht unmittelbar Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist, rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugesprochen werden.

6

Für den Senat ist der Sache nach auch nicht erkennbar, dass die vorliegende Rechtsprechung - insbesondere des [X.] - zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und zur Reichweite der Meinungsfreiheit lückenhaft in dem Sinne wäre, dass von ihr ausgehend eine Lösung des vorliegenden Falls nicht möglich wäre, ohne hiermit zugleich einen abstrakten Rechtssatz auf [X.] zu bilden, dessen [X.]ildung bzw. Überprüfung im Interesse der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung einer [X.]en Klärung zugeführt werden sollte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das [X.] im Hinblick auf eine in den Grundzügen vergleichbare Konstellation in seinem [X.]eschluss vom 8. Juni 2010 - 1 [X.]vR 1745/06 - ausgeführt hat, vor dem Hintergrund, dass Art. 5 Abs. 1 GG nicht Tätigkeiten schütze, mit denen anderen eine Meinung aufgedrängt werden solle, erscheine es nicht ausgeschlossen, auf den Gesichtspunkt, dass Patientinnen sich auf dem Weg in eine Arztpraxis durch Protestaktionen gleichsam einem Spießroutenlauf ausgesetzt sehen könnten, ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen zu stützen (juris Rn. 23). Hiermit ist aufgezeigt, dass die grundrechtliche [X.]eurteilung von Konfliktfällen der vorliegenden Art im Wesentlichen davon abhängt, inwieweit auf der einen Seite eine dem Schutz ungeborenen Lebens verpflichtete Gehsteigaktion über eine bloße Meinungskundgabe hinausgeht und letztlich darauf zielt, Adressaten eine Meinung aufzudrängen, und inwiefern auf der anderen Seite die Adressaten eine solche Aktion als einen persönlichen Übergriff verstehen dürfen, der das Aufsuchen einer Arztpraxis oder - wie hier - einer [X.]eratungsstelle einem Spießroutenlauf gleichen lässt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist tatrichterlich anhand der jeweils maßgeblichen - von Fall zu Fall unterschiedlichen - Einzelumstände zu klären und entzieht sich weiter generalisierender Festlegungen auf [X.]. Sollte der [X.]hof in der Anwendung der vorgenannten Maßgaben zu einer rechtlich falschen Würdigung gelangt sein, würde dies der Sache noch keine rechtsgrundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO verleihen.

7

b) Der Kläger hält außerdem die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Öffentlichkeit durch Ansprechen auf einen [X.] ein polizeiliches Eingreifen auch ohne einen dahin geäußerten Wunsch dieser Person(en) rechtfertige.

8

Die Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, denn sie ist nur anhand einer Auslegung des Polizeirechts des [X.] zu beantworten, das nicht Gegenstand eines solchen Verfahrens sein könnte (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der [X.]hof hat den vom Kläger gerügten Rechtsstandpunkt entscheidungstragend auch auf die Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. [X.] gestützt. Auf die Frage, ob die zusätzlich herangezogene Erwägung des [X.]hofs, das öffentliche Interesse an einem polizeilichen Einschreiten sei auch im Lichte grundrechtlicher Schutzpflichten des Staats zu bejahen, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufwirft, kommt es demnach nicht an.

9

2. Seine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stützt der Kläger auf vier Vorbringen a) bis d), die sämtlich unbegründet sind.

a) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) und seines rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 GG) in dem [X.]erufungsurteil sieht der Kläger darin, dass die von ihm benannten Zeuginnen und Zeugen durch den [X.]hof nicht vernommen worden seien. Das Gericht hätte durch die Vernehmung dieser Personen erfahren, dass der Kläger die Gehsteigberaterinnen für ihre Tätigkeit schule und sie unter anderem darin unterweise, in welcher Weise sie den Kontakt mit Personen, die möglicherweise ein [X.] beschäftige, aufnehmen könnten. Das Gericht hätte dadurch erfahren können, dass die Mitglieder des [X.] angewiesen seien, ihre Tätigkeit unauffällig auszuüben und insbesondere höflich und freundlich den von ihnen angesprochenen Personen gegenüberzutreten.

Die [X.] ist unbegründet. Sie benennt die Vernehmung von Zeuginnen und Zeugen für einen hypothetischen Sachverhalt, der nicht streitgegenständlich ist. Das [X.]erufungsgericht hat den Sachverhalt zu Grunde gelegt und darüber auch [X.]eweis erhoben, auf dem die Verbotsverfügung beruht. Darin wird von einer bestimmten Vorgehensweise von Mitarbeiterinnen des [X.] ausgegangen, und dieses hat die Gefahrenabwehr der [X.]eklagten ausgelöst. Daneben ist es unerheblich, ob der Kläger auch in der Lage wäre, stattdessen ein Konzept anzuwenden, mit dem er nicht gegen die öffentliche Sicherheit i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoßen würde. Nur dafür jedoch sind von ihm die Zeuginnen und Zeugen benannt worden. Ihre unterbliebene Vernehmung verletzt weder die Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) noch den klägerischen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 GG).

b) Der Kläger sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 GG) außerdem dadurch verletzt, dass die [X.]eratung des Urteils durch das [X.]erufungsgericht trotz einer vorangegangenen umfangreichen [X.]eweisaufnahme nur wenige Minuten gedauert haben könne. Hätte es sich dafür mehr [X.] gelassen, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass es die in der Verhandlung vom Kläger verlangte Gegenüberstellung von Zeugen hätte nachholen müssen.

Die [X.] ist unbegründet, weil sie einen unzutreffenden Sachverhalt bei der Urteilsfindung unterstellt. Sie geht davon aus, die mündliche Verhandlung des [X.]erufungsgerichts am 11. Oktober 2012 habe ausweislich des Terminsprotokolls bis 19.30 Uhr gedauert. [X.] nach [X.]eendigung des Termins habe der Prozessbevollmächtigte des [X.] beobachtet, wie [X.] das Gerichtsgebäude in Richtung [X.] verlassen hätten. Der Vorsitzende des erkennenden Senats habe zuvor erklärt "hier" zu bleiben, was eine anschließende gemeinsame [X.]eratung des Gremiums ausgeschlossen habe. Hinzu komme, dass das 23 Seiten umfassende Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2012 erst am 15. Oktober 2012 geschrieben worden sei und somit nicht am 11. Oktober 2012 für eine Senatsberatung zur Verfügung gestanden haben könne.

Die geschilderten Umstände begründen nicht die Unterstellung, dass die Urteilsberatung nur kurze [X.] gedauert haben könne. Das Urteil ist nämlich nicht am 11. Oktober 2012 verkündet, sondern ausweislich der Akten den [X.]eteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 22. Oktober 2012 zugestellt worden. Ausweislich der [X.] haben die [X.]eteiligten es jeweils am 26. Oktober 2012 erhalten. Dieser zeitliche Ablauf widerlegt den notwendigen Ausgangspunkt der [X.], dass dem Gericht nur sehr kurze [X.] für seine Urteilsberatung zur Verfügung gestanden habe. Für die [X.]ehauptung des [X.], das Urteil sei bereits am 11. Oktober 2012 abschließend beraten worden, ergibt sich in der Gerichtsakte kein [X.]eleg. Dass auf dem Vorblatt mit Leitsatz ([X.] 337) das Urteil auf den letzten Tag der mündlichen Verhandlung datiert ist, entspricht üblicher Praxis, besagt aber noch nichts über den Abschluss der [X.]eratung.

c) Der Kläger rügt weiter einen Verstoß gegen § 65 VwGO durch die [X.]eiladung des pro familia, Ortsverband [X.] und eine damit verbundene Verletzung des klägerischen Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 GG). Das erstinstanzliche Gericht habe die [X.]eiladung mit [X.]eschluss vom 6. Juli 2011 unternommen. Voraussetzung für die [X.]eiladung sei aber, dass die rechtlichen Interessen des anderen durch die Entscheidung berührt würden. Das habe das Verwaltungsgericht nicht einmal festgestellt, sondern nur erklärt, die Interessen des [X.]eigeladenen könnten berührt werden, also nicht festgestellt, dass die Interessen des [X.]eigeladenen tatsächlich berührt würden. Gegen die unanfechtbare Entscheidung des [X.] habe der Kläger mit Schriftsatz vom 30. November 2011 remonstriert und beantragt, die [X.]eiladung wieder aufzuheben. In der [X.]erufungsinstanz habe er erneut beantragt, die [X.]eiladung aufzuheben. Der [X.]hof habe dies mit begründetem [X.]eschluss vom 8. August 2012 ebenfalls ausdrücklich abgelehnt.

Die [X.] ist unbegründet. Die erfolgte [X.]eiladung ist unanfechtbar (§ 65 Abs. 4 Satz 2 VwGO) und daher grundsätzlich der [X.]eurteilung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO). Eine Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung erhoben wird, ist deshalb nur dann zulässig, wenn sie sich nicht unmittelbar gegen die [X.] nicht nachprüfbare Vorentscheidung als solche wendet, sondern einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet; andernfalls würde der gesetzlich angeordnete [X.] umgangen und damit die aus prozessökonomischen Gründen vorgesehene [X.]indungswirkung des § 557 Abs. 2 ZPO missachtet werden können ([X.]eschluss vom 22. Dezember 1997 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 16 S. 12). Einen weiterwirkenden Mangel des angefochtenen Urteils in diesem Sinne zeigt der Kläger in seiner [X.]eschwerdebegründung nicht auf. Er moniert mit dem Umstand, der [X.]eigeladene habe Zeugen befragen können, eine typische prozessuale [X.]egleiterscheinung der [X.]eiladung und wendet sich hiermit lediglich gegen eine ihr unmittelbar anhaftende Konsequenz, deren [X.] ihm nach der Wertung des Gesetzgebers durch den Ausschluss der Anfechtbarkeit der [X.]eiladungsentscheidung aber versagt sein soll. Unabhängig davon kann der Vortrag des [X.], ohne die prozessualen [X.]eiträge des [X.]eigeladenen wäre der [X.]eklagte nicht in der Lage gewesen, Tatsachen beizubringen, die seine Verfügung stützen, auch deshalb nicht auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen, weil er den Wertungen des verwaltungsprozessualen Amtsermittlungsprinzips (§ 86 Abs. 1 VwGO) und der darin verbundenen Absage an den zivilprozessualen [X.]eibringungsgrundsatz zuwiderläuft. Ist die gerichtliche Sachverhaltsermittlung nicht von der Tatsachenbeibringung der Prozessbeteiligten abhängig (§ 86 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und auf eine umfassende Erforschung des Streitstoffs von Amts wegen gerichtet, kann die Möglichkeit, dass die Sachverhaltsermittlung einen geringeren Umfang angenommen hätte, wenn ein [X.]eteiligter nicht am Verfahren beteiligt worden wäre, prinzipiell keinen Anlass für rechtliche [X.]eanstandungen bilden. Einen Anspruch [X.]eteiligter auf ein teilweises Unterbleiben der Sachverhaltsermittlung im Prozess vermittelt das Gesetz in keinem Fall.

d) Der Kläger rügt außerdem, er habe mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2012 den Antrag gestellt, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Als [X.]egründung habe er angegeben, dass im Termin vom 11. Oktober 2012 mit wenigen Unterbrechungen von jeweils wenigen Minuten eine mehr als neunstündige [X.]eweisaufnahme durchgeführt und zehn Zeugen ausführlich vernommen worden seien. Es sei ein umfangreiches Protokoll diktiert worden, in das die Zeugenaussagen im Wortlaut aufgenommen worden seien. Dem Kläger müsse Gelegenheit gegeben werden, die [X.]eweisaufnahme anhand des Protokolls auszuwerten, zu würdigen und hierzu Stellung zu nehmen. Dies gelte insbesondere bezüglich neu erörterter angeblicher Vorgänge, die vom [X.]eklagten nicht vorgetragen worden seien. Der Kläger sei bisher nur auf die handschriftlichen Notizen seines Prozessbevollmächtigten angewiesen gewesen. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör nicht gewahrt worden (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 GG). Diese [X.] ist unbegründet, und zwar hinsichtlich des ausdrücklich geltend gemachten Gehörsverstoßes aa), als auch hinsichtlich der unterbliebenen Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bb).

aa) Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eteiligten entsprechend § 108 Abs. 2 VwGO Gelegenheit gegeben, zum Ergebnis der [X.]eweisaufnahme Stellung zu nehmen. Dies ergibt sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2012. Weder dem Protokoll noch dem [X.]eschwerdevorbringen ist zu entnehmen, inwiefern von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht wurde. Das Gericht ist in einem solchen Fall nicht verpflichtet, von sich aus eine Erörterung des [X.]eweisergebnisses zu beginnen. Eine solche Erörterung wäre nur erforderlich gewesen, wenn dies zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung angezeigt gewesen wäre. Ohne einen solchen Anlass ist das Gericht nicht verpflichtet, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs seine Einschätzung des [X.]eweisergebnisses den [X.]eteiligten vorab mitzuteilen. In der Regel bleiben die [X.]eweiswürdigung, das daraus folgende [X.]eweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der [X.] vorbehalten und entziehen sich deshalb einer vorherigen Erörterung mit den [X.]eteiligten ([X.]eschluss vom 5. Februar 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4). Auch § 279 Abs. 3 ZPO verlangt nur eine Erörterung des [X.]eweisergebnisses, soweit dies bereits möglich ist. Ein anderes Vorgehen war hier nicht geboten. Der [X.]hof hätte die [X.]eteiligten allenfalls darauf hinweisen können, dass es wesentlich auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen ankommt. Das musste sich den [X.]eteiligten aber auch ohne einen ausdrücklichen Hinweis aufdrängen ([X.]eschluss vom 16. Juni 2003 - [X.]VerwG 7 [X.] 106.02 - [X.] 303 § 279 ZPO Nr. 1 Rn. 27 ff.).

bb) Das [X.]erufungsgericht war nicht verpflichtet, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs die mündliche Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO wiederzueröffnen. Ob es die mündliche Verhandlung wiedereröffnen will, steht grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts. Eine Pflicht zur Wiedereröffnung besteht ausnahmsweise dann, wenn nur auf diese Weise das erforderliche rechtliche Gehör gewahrt werden kann. Es kann offen bleiben, ob zur weiteren Konkretisierung des Ermessens auf § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zurückzugreifen ist. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anzuordnen, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler, insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt. Der [X.]eschwerdebegründung lässt sich keiner dieser Gründe für eine Pflicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entnehmen. Der [X.]hof hat seine Hinweispflichten nach Abschluss der [X.]eweisaufnahme nicht verletzt. Seine [X.]eweiswürdigung konnte die [X.]eteiligten nicht überraschen. Der Kläger hatte auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Gerichts Anlass, zum Ergebnis der [X.]eweisaufnahme Stellung zu nehmen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht dafür da, den [X.]eteiligten Gelegenheit zu geben, in der mündlichen Verhandlung Versäumtes nachzuholen ([X.]eschluss vom 16. Juni 2003 - [X.]VerwG 7 [X.] 106.02 - [X.] 303 § 279 ZPO Nr. 1 Rn. 29 ff.). Der Umstand, dass die [X.]eweisaufnahme am 11. Oktober 2012 über neun Stunden gedauert hat, führte nicht dazu, dass sich bei der Entscheidung des Gerichts über den Wiedereröffnungsantrag sein Ermessen auf Null reduziert hätte. Dass es dem Kläger nicht hinreichend möglich gewesen sein sollte, bereits am 11. Oktober 2012 zum Ergebnis der [X.]eweisaufnahme Stellung zu nehmen, ist nicht ersichtlich.

cc) Auch das am Ende der [X.]eschwerdebegründung angefügte Vorbringen, das Urteil sei widersprüchlich, führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Aus der Länge der gerichtlichen [X.]eweisaufnahme darf nicht auf eine Unzulänglichkeit der behördlichen Sachverhaltsermittlung geschlossen werden. Unterlässt ein Gericht einen solchen Schluss, verstößt es deshalb nicht gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO.

3. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 3/13

22.07.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 11. Oktober 2012, Az: 1 S 36.12, Urteil

§ 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 577 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.07.2013, Az. 6 B 3/13 (REWIS RS 2013, 3935)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3935

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Referenzen
Wird zitiert von

15 ZB 13.2384

Zitiert

1 BvR 1745/06

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