Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2015, Az. StB 8/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 6789

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 8/15

vom
12. August 2015
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer

terroristischen Vereinigung

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers am 12. August
2015
gemäß § 304 Abs. 5 StPO
beschlossen:

Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 30. April 2015 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.

Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und weite-re Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung namens "[X.]". Auf seinen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluss vom 30. April 2015 (3 [X.]) die Durchsuchung der Person und Wohnung des Beschwerdeführers sowie des
von ihm genutzten [X.] nach näher umschriebenen Beweismitteln angeordnet. Die Durchsu-chung ist am 6. Mai 2015 vollzogen worden; die Durchsicht aufgefundener [X.] dauert noch an. Am 2. Juni 2015, eingegangen beim [X.] am 6. Juni 2015, hat der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Durch-suchungsanordnung eingelegt. Er beanstandet im Wesentlichen, dass der an-1
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gefochtene Beschluss ausschließlich auf "Angaben vom [X.]" beruhe, die aus unzulässiger Quelle von geringer Glaubwürdigkeit, nämlich dem [X.], stammten; Beweisergebnisse würden zudem nicht [X.] konkret mitgeteilt. Der Ermittlungsrichter des [X.] hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Juni 2015 nicht abgeholfen und die Sache am selben [X.] zur Entscheidung übersandt.

II.

Das Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) waren gegeben. Hierzu gilt:

a) Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte ge-stützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der [X.] als Täter oder
Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines [X.] oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es -
unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit -
nicht (st. Rspr.; vgl. [X.] Beschluss vom 7.
September 2006 -
2 BvR 1219/05, [X.], 1443; [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2008 -
StB 26/08, [X.], 142, 143). Auch Behörden-zeugnisse der [X.]ämter des Bundes und der Länder können dazu beitragen, einen konkreten Verdacht in diesem Sinne zu begründen. Zwar handelt es sich hierbei regelmäßig nur um sekundäre Beweismittel, welche die unmittelbaren Quellen der dort wiedergegebenen Erkenntnisse nicht oder nur unvollständig offen legen und daher einer vorsichtigen Würdigung und der Her-2
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anziehung weiterer zur Verfügung stehender Erkenntnismöglichkeiten bedürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. März 2009 -
StB 20/08, [X.]St 53, 238, 247 zu einem hinreichenden Tatverdacht im Sinne des § 203 StPO). Dies nimmt [X.] jedoch nicht von vornherein jeglichen Beweiswert. Der [X.] ihrer Beweiskraft bedarf vielmehr einer Prüfung im Einzelfall. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob sie lediglich zum Beleg eines Anfangsverdachts (§
160 Abs. 1 StPO) oder zur Begründung einer höheren Verdachtsstufe her-angezogen werden. Soweit in den [X.] der Inhalt primärer Beweismittel wiedergegeben wird, beurteilt sich die Zuverlässigkeit dieser
An-gaben nach allgemeinen Grundsätzen. Insoweit kann etwa die Konkretheit der Ausführungen ebenso von Bedeutung sein wie deren Umfang oder [X.] anhand weiterer, unmittelbar vorliegender Beweismittel.

b) Gemessen an diesen Maßstäben lagen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sachlich zureichende Gründe für die Anord-nung der Durchsuchung vor. Hinsichtlich der nach § 129a StGB erforderlichen Organisationsstruktur des [X.] ergibt sich der [X.] daraus, dass die Gruppe unter dem Namen "[X.]" ein [X.]-Profil unterhielt (etwa [X.] des [X.] vom 10. Februar 2015, im Schreiben des [X.] vom 26. Februar 2015 enthaltener Screenshot), auf dem Beiträge veröffentlicht wurden, die einen auf Dauer angelegten und organisier-ten [X.] beschreiben; so etwa der Beitrag vom 15. September aktiv für unser Vaterland, für die Ehre unserer Ahnen und die Zukunft unserer veröffentlichte Beitrag vom 24. September 2014, in dem die "Ideen und Lösun-gen" der Gruppe vorgestellt wurden (beide Beiträge auszugsweise zitiert im 5
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[X.] des [X.] vom 10. Februar 2015). Dass ein höherer Organisationsgrad bestand
und die Mitglieder bereit waren, sich dem Gruppenwillen unterzuordnen, legt die -
auf dem [X.] veröffentlichte ([X.] des [X.] vom 10. Februar 2015) -
Satzung nahe, aus der sich unter anderem eine Führungsebene ("President", "[X.]") und die Aufgabenverteilung auf verschiedene Funktionsträger ergibt, so etwa auf den "Press chief", den "[X.]" und den "[X.]", der Strafen zur Wahrung der [X.] umsetzt (hierzu [X.] des [X.] vom 20. März 2015 mit auszugsweise wörtlicher Wiedergabe der "OSS-
werden diese Erkenntnisse durch den [X.] der Gruppe zum "1.
Treffen in B.

(L.

)" nebst der namentlichen Benennung der [X.] (Schreiben des [X.] vom 26. Februar 2015 mit dort enthaltenen Screenshots des [X.]s).

Konkrete Anhaltspunkte, dass die Ziele der Organisation darauf gerichtet waren, terroristische Taten im Sinne von §
129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB zu begehen, ergaben sich aus Folgendem:

Innerhalb der Gruppe wurde konkret über die Begehung entsprechender Straftaten, insbesondere von Brandanschlägen diskutiert; dies belegen [X.] der OSS-Mitglieder R.

und O.

man könnte ja in [X.] paar Häuser wo Ausländer drin wohnen ne Brand oder Farbe Bombe rein werfen" [Fehler wie im Original], Schreiben des [X.] für [X.] vom 8. April 2015). Auch aus dem im Behörden-zeugnis des [X.] vom 10. Februar 2015 aus-6
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zugsweise wörtlich wiedergegebenen Telefonat zwischen den Mitbeschuldigten K.

L.

und D.

G.

vom 25. Dezember 2014 ergibt sich, dass werden Pläne geschmiedet, wir machen dies und machen das, wir zünden [X.] an und am Ende verläuft das Gespräch wieder im Nichts und p-pen hat, muss ja
nicht überall sein, nur da wo ein paar Leut´ wohnen und dann werden halt gezielt Objekte raus gepickt und heißt so jetzt, des und des Wo-chenende geht es los und dann wird es einfach gemacht. Und wer dann nichts

wird gestützt durch die vom Bundesamt für [X.] mit Schreiben vom 8. April 2015 mitgeteilten Äußerungen des Mitbeschuldigten O.

vom 9. März 2015, wonach die Gruppe nicht legale Ziele verfolgte ("Wir wollen über Tehmen reden, die man nicht im [X.] oder am Handy bespricht. [X.] haben wir vor ein bis zwei drei
...
Aktionen zu starten" [Fehler wie im Origi-nal]). Diesen Erklärungen entspricht, dass die Gruppenmitglieder H.

und O.

in einem Telefonat vom 8. Januar 2015 über die Beschaffung von Schusswaffen diskutierten ([X.] des [X.] vom 10. Februar 2015). Auch das aggressive Auftreten der Orga-nisation, wie es etwa in der auf [X.] am 15. Oktober 2014 eingestellten und im Durchsuchungsbeschluss inhaltlich näher dargestellten
Grafik ("Schwarz ist die Nacht, in der [X.]. Weiß sind die Männer, die für kommt, deutet auf eine Gewaltbereitschaft der Gruppe hin.

Soweit in den jeweiligen Behördenschreiben und -zeugnissen die oben aufgeführten Beweismittel, insbesondere Beiträge in [X.]chats, auf [X.] und Telefongespräche, nur -
auszugsweise -
wiedergegeben 8
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werden, bestehen keine Anhaltspunkte, dass die in den Schreiben enthaltene, überwiegend wörtliche Wiedergabe -
die auch Fehler im Original übernommen hatte -
unzutreffend sein könnte.

Vor diesem Hintergrund wird der konkrete Verdacht, dass die Beschul-digten Ziele im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB verfolgt ha-ben, ergänzend dadurch gestützt, dass bei dem Gruppentreffen vom 15. No-vember 2014 über den "bewaffneten Kampf gegen Salafisten" gesprochen worden sein soll ([X.] des [X.] vom 10. Februar 2015). Die vom Bundesamt für [X.] mitgeteilten Erkenntnisse sind insoweit zwar oberflächlich gehalten, insbesondere bleibt unklar, aus welcher Quelle -
ebenso wie auch die Erkenntnisse zu den im Schreiben des [X.] wörtlich wiedergegebenen Äußerungen vom 4. Februar und vom 9. März 2015 -
sie stammen. Angesichts der vorstehend dargestellten weiteren objektivierten Verdachtsmomente sind sie aber gleichwohl geeignet, den Anfangsverdacht weiter zu verstärken.

Der Beschwerdeführer ist auch verdächtig, Mitglied der "[X.]" gewesen zu sein. Hinsichtlich der Verdachtsmomente wird auf die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Ausführungen verwiesen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach dem [X.] der Vereinigung ein "M.

" als anwesende Person genannt wird und auf dem dort eingestellten Gruppenfoto eine Person zu sehen ist, die starke Ähnlichkeit mit dem Beschul-digten aufweist (vgl. Schreiben des [X.] vom 26. Februar 2014, dort enthaltener Screenshot des [X.]s, sowie Vermerk des [X.] vom 17. März 2015, dort abgebildetes Lichtbild des Beschwerdeführers).

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2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die [X.] war geeignet, zur Klärung
des Tatverdachts beizutragen. Gegenüber der Durchsuchung stand auch kein gleich wirksames milderes Mittel
zur Verfügung. Schließlich stand die Anordnung der Durchsuchung in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.

3. Ob eine erhebliche Überschreitung der Vorlagefrist des § 306 Abs. 2 StPO im Einzelfall einer Beschwerde (mit) zum Erfolg verhelfen kann (vgl. KG, Beschluss vom 27. Oktober 2014 -
2 Ws 360/14, [X.], 18 mwN), [X.] vorliegend keiner Entscheidung. Zwar wurde die Beschwerde nicht gemäß § 306 Abs. 2 StPO innerhalb von drei Tagen nach deren Eingang am 6. Juni 2015, sondern erst mit der Abhilfeentscheidung vom 23. Juni 2015 dem Senat vorgelegt. Indes war diese Verzögerung schon nicht erheblich im Sinne der vorstehenden Rechtsprechung.

4. [X.] beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Becker Schäfer Spaniol

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Meta

StB 8/15

12.08.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2015, Az. StB 8/15 (REWIS RS 2015, 6789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6789

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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