Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2008, Az. XII ZR 216/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 6125

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am: 16. Januar 2008 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 322 a) Die Rechtskraft einer in einem Vorprozess der Parteien ergangenen Ent-scheidung ist nicht nur bei Identität der Streitgegenstände in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten, sondern auch dann, wenn eine für den nachfolgenden Rechtsstreit (hier: Leistungsklage) entscheidungserhebli-che Vorfrage im Vorprozess (dort: Feststellungsklage) rechtskräftig entschie-den wurde. b) Auch ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage [X.] dahinstehen lässt, ist der uneingeschränkten materiellen [X.] fähig, wenn aus dessen Tenor und Entscheidungsgründen ersichtlich ist, dass das Gericht ungeachtet seiner Zweifel an der Zulässigkeit der Klage kein Prozessurteil erlassen, sondern eine Sachentscheidung getroffen hat. [X.], Urteil vom 16. Januar 2008 - [X.]/05 - [X.] - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2008 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden unter Zurückweisung der Rechtsmittel des [X.] das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 6. Dezember 2005 und das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 27. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden wurde. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger verlangt vom Beklagten aus gekündigten Mietverhältnissen als Ersatz seines [X.] für die Monate Oktober 1999 bis [X.] einen Betrag von 28.974,19 • zuzüglich 4.727,39 • Nebenkosten für die Monate Juni 1999 bis Dezember 2000, jeweils nebst Zinsen. 1 Die Parteien waren gemeinsam mit [X.] Gesellschafter einer Grundstücks-, Besitz- und Verwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese 2 - 3 - Gesellschaft schloss mit dem Beklagten drei jeweils bis Ende 2006 befristete Mietverträge zum Betrieb eines Fitnessstudios, nämlich am 1. April 1993 über das Kellergeschoss, die Räume im Erdgeschoss rechts sowie sieben Parkplät-ze im Objekt [X.]weg 4, am 29. April 1994 über das Obergeschoss dieses Ob-jekts und am 27. Dezember 1995 über sieben weitere Parkplätze auf dem Grundstück [X.] weg 2. Nachdem der Beklagte den Mietzins bis einschließlich Juli 1997 an den Kläger gezahlt hatte, stellte er seine Zahlungen ein. Daraufhin kündigte der Kläger die drei Mietverträge fristlos mit Schreiben vom 10. September 1997. Am 28. Februar 1999 räumte der Beklagte die Mietobjekte. 3 Der Kläger leitete das vorliegende Verfahren mit Mahnbescheid vom 18. Dezember 2003 über 8.369,58 • nebst Kosten und Zinsen ein. 4 Das [X.] gab der zuletzt auf 33.601,58 • erhöhten Klage in Höhe von 22.520,06 • nebst Zinsen statt. Dagegen legten beide Parteien Berufung ein. Das Berufungsgericht gab der Klage auf die Berufung des [X.] abän-dernd in Höhe von 27.147,45 • nebst Zinsen statt und wies die Berufungen der Parteien im übrigen zurück. Dagegen richten sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten sowie die [X.] des [X.], mit denen die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiterverfolgen. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: 6 Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Änderung der [X.] Entscheidungen und zur Abweisung der Klage insgesamt. Die An-schlussrevision des [X.] hat keinen Erfolg. 7 Auf den Streit der Parteien darüber, ob der Kläger auf Vermieterseite in die von der [X.] abgeschlossenen Mietverträge eingetreten ist, und ob die Vorinstanzen, die dies bejahen, durch Verwertung von den Parteien nicht eingeführter Erkenntnisse aus [X.] zwischen ihnen gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen haben, kommt es nicht an. Ebenso kann dahinstehen, ob die Schriftform dieser Verträge gewahrt ist und der Beklagte sich gegenüber der Klageforderung zu Recht auf Verjährung beru-fen hat. Dem sachlichen Erfolg der Klage steht nämlich die vor ihrer Erhebung (2004) eingetretene Rechtskraft eines zwischen den Parteien ergangenen Ur-teils vom 9. September 1998 (3 O 57/98 [X.]) entgegen. 8 1. Die Rechtskraft eines früheren Urteils über denselben Streitgegens-tand ist als negative Prozessvoraussetzung auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten ([X.] 53, 332, 334; [X.] Urteil vom 21. Dezember 1988 - [X.] - NJW 1989, 2133, 2134; [X.] ZPO 21. Aufl. § 322 Rdn. 221; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 322 Rdn. 67; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 322 Rdn. 13). Aber auch dann, wenn eine im Vorprozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfrage lediglich Vorfrage für die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsstreits ist, hat das Revisionsge-richt die Rechtskraft der früheren Entscheidung und die sich daraus ergebende Bindungswirkung von Amts wegen zu beachten (vgl. [X.], Urteile vom 24. Juni 1993 - [X.] - NJW 1993, 3204, 3205 und vom 6. Oktober 1989 - [X.] - 5 - 283/86 - [X.]R ZPO § 322 Abs. 1 Amtsprüfung 1 m.N.; [X.]/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 322 Rdn. 20; Hk-ZPO/[X.] 2. Aufl. § 322 Rdn. 16). 10 Deshalb ist es hier ohne Belang, dass sich die Parteien in den [X.] nicht auf die Rechtskraft dieses Urteils berufen hatten, sie den [X.] deshalb verborgen blieb und der Beklagte erstmals im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde die Beiziehung der Akten 3 O 57/98 [X.] be-antragt und auf die Rechtskraft dieses Urteils hingewiesen hat. In diesem [X.] (3 O 57/98 [X.]) hatte der Kläger erstinstanzlich aus allen drei vorgenannten Mietverträgen unter anderem Mietausfallentschädigung für die [X.] bis Ende Februar 1998 geltend gemacht und zusätzlich die Feststellung beantragt, "dass der Beklagte auch nach dem [X.] verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz aus entgangenen Mieteinnahmen zu leisten". Das [X.] hatte diese Klage mit Urteil vom 9. September 1998 [X.] abgewiesen. Seine hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger - nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist - in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 23. Dezember 1998 hinsichtlich des [X.] zurück. 11 Hierdurch ist die Abweisung des [X.] in Rechtskraft er-wachsen. 12 a) Dem steht nicht entgegen, dass das [X.] in diesem Vorpro-zess - rechtsfehlerhaft - in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, es könne dahinstehen, inwieweit der vom Kläger gestellte Feststellungsantrag zulässig sei. 13 Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung vorliegt, wenn ein Gericht eine Klage alternativ als 14 - 6 - unzulässig oder unbegründet abweist, ist in der Literatur umstritten. Nur wenn das Gericht die Zulässigkeit der Klage eindeutig verneint, besteht Einigkeit dar-über, dass weitere Ausführungen zur Begründetheit lediglich obiter dicta [X.] und nicht in Rechtskraft erwachsen. 15 Teilweise wird die Auffassung vertreten, ein klagabweisendes Urteil, das die Zulässigkeit der Klage zu Unrecht bewusst ungeprüft lasse, weil jedenfalls ihre Unbegründetheit ohne weiteres feststehe, erwachse nicht in Rechtskraft (vgl. [X.]/Vollkommer ZPO 26. Aufl. vor § 322 Rdn. 43). Nach überwiegend vertretener Auffassung erwächst jedoch auch eine klagabweisende Entscheidung, die die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich "of-fen" lässt, als Sachurteil in Rechtskraft (vgl. [X.]/[X.] aaO § 322 Rdn. 175; Musielak/Musielak ZPO 5. Aufl. § 322 Rdn. 46; Hk-ZPO/Saen-ger 2. Aufl. § 322 Rdn. 36). 16 Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Denn [X.] erwächst eine Sachabweisung auch dann in Rechtskraft, wenn das Gericht das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage übersehen oder die Zulässigkeit grob fehlerhaft bejaht hat. Darüber hinaus erwächst auch ein Urteil in Rechtskraft, das unter Verstoß gegen § 308 ZPO mehr als beantragt zuspricht; insoweit fehlt es aber nicht nur an der Zulässigkeit einer Klage, son-dern an einer Klageerhebung überhaupt. Demgegenüber erscheint eine Ent-scheidung, die zwar Zweifel an der Zulässigkeit anspricht, es aber verfahrens-widrig unterlässt, ihnen weiter nachzugehen, weniger fehlerhaft, so dass für den Senat kein Grund ersichtlich ist, ihr wegen eines minder schweren Fehlers die Rechtskraft abzusprechen. 17 Im vorliegenden Fall hat das [X.] im Vorprozess jedenfalls seine nicht näher bezeichneten Bedenken gegen die Zulässigkeit der [X.] - 7 - klage ersichtlich nicht zum Anlass einer Prozessabweisung genommen. [X.] hat es davon abgesehen, diesen Bedenken weiter nachzugehen, und sich nicht gehindert gesehen, sämtliche Klageanträge mit ausführlicher und einheitli-cher Begründung, nämlich wegen fehlender Sachbefugnis des [X.], in der Sache abzuweisen. Abgesehen davon vermag der Senat nicht zu erkennen, was der Zulässigkeit der Klage auf Feststellung einer fortdauernden Ersatz-pflicht für einen hinreichend genau bezeichneten und noch nicht endgültig zu beziffernden Kündigungsfolgeschaden hier hätte entgegenstehen können. b) Damit steht zwischen den Parteien rechtskräftig fest, dass das be-hauptete Rechtsverhältnis, nämlich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Kläger gegenüber auch für die [X.] nach dem 1. März 1998, nicht besteht (vgl. [X.]/[X.] aaO § 322 Rdn. 183). 19 Im Verhältnis eines vorausgegangenen Feststellungsurteils zu einer nachfolgenden Leistungsklage bedeutet dies, dass die Abweisung der auf Fest-stellung einer Forderung erhobenen Klage in der Sache insoweit Rechtskraft für eine später auf dieselbe Forderung gestützte Leistungsklage schafft, als das mit ihr erstrebte Prozessziel unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr aus demselben Lebenssachverhalt hergeleitet werden kann, der der Feststellungs-klage zugrunde gelegen hat ([X.], Urteil vom 14. Februar 2006 - [X.] - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 15 m.N.). 20 c) Dem sachlichen Erfolg der vorliegenden Klage hätte die rechtskräftige Abweisung der Feststellungsklage im Vorprozess daher nur dann nicht von vornherein entgegen gestanden, wenn der Kläger nunmehr geltend gemacht hätte, die ihm im Vorprozess abgesprochene Sachbefugnis zur Geltendma-chung der streitgegenständlichen Ansprüche im eigenen Namen inzwischen nachträglich, das heißt nach der letzten Tatsachenverhandlung im Vorprozess 21 - 8 - (18. August 1998), erworben zu haben, sei es durch Abtretung oder im Rahmen der Auseinandersetzung der [X.], von der der [X.] die Mietobjekte gemietet hatte (vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2006 - [X.] - NJW-RR 2006, 712, 714 Rz. 16 m.N.). Hierfür ist dem Vorbrin-gen des [X.] aber nichts zu entnehmen. 22 3. Dies macht die vorliegende Klage zwar nicht unzulässig. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] führt die materielle Rechtskraft eines Urteils in einem späteren Rechtsstreit nur dann zur Unzulässigkeit der neuen Klage und deshalb zur Prozessabweisung, wenn die Streitgegenstände beider Prozesse identisch sind oder im zweiten Prozess das kontradiktorische Gegenteil der im ersten Prozess ausgesprochenen Rechtsfolge begehrt wird. Das ist hier nicht der Fall. Da das Urteil im Vorprozess einen Feststellungsan-spruch betrifft, während hier ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, lie-gen unterschiedliche Streitgegenstände vor (vgl. [X.], Urteile vom 22. [X.] - VI ZR 341/87 - NJW 1989, 393 f. und vom 17. Februar 1983 - [X.]/81 - NJW 1983, 2032 f.). b) Die Klage ist aber unbegründet. Für den im vorliegenden Rechtsstreit vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch (Ersatz des durch die [X.] in der [X.] von Juni 1999 bis Dezember 2000 entstandenen [X.]) ist die im Vorprozess entschiedene Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen der streitigen Schadensersatzverpflich-tung des Beklagten dem Kläger gegenüber für die [X.] nach dem 1. März 1998 entscheidend. Steht - wie hier - infolge rechtskräftiger Abweisung der positiven Feststellungsklage fest, dass der Beklagte dem Kläger wegen der vorzeitigen Beendigung der drei Mietverträge für die [X.] nach dem 1. März 1998 nicht schadensersatzpflichtig ist, kann eine auf Ersatz eines solchen Schadens ge-richtete Leistungsklage keinen Erfolg haben, weil das nachentscheidende [X.] - 9 - richt an einer abweichenden Beurteilung der rechtskräftig entschiedenen (Vor-)Frage gehindert ist ([X.], Urteil vom 17. Februar 1983 - [X.]/81 - NJW 1983, 2032 f. m.w.N.). 24 Dies gilt hier auch, soweit der Kläger einen Betrag von 4.627,39 • als verbrauchsunabhängige Nebenkosten für die Monate Oktober 1999 bis [X.] verlangt. Denn hierbei handelt es sich nicht um die Nachzahlung vertraglich geschuldeter Nebenkosten für einen [X.]raum, in dem die [X.] noch bestanden, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend er-kannt hat, um verbrauchsunabhängige Nebenkosten aus der [X.] nach vorzeiti-ger Beendigung der Mietverhältnisse und damit ebenfalls um einen Kündi-gungsfolgeschaden, der in gleicher Weise wie der sonstige ab 1. März 1998 verlangte [X.] von der Rechtskraft der im Vorprozess ergange-nen Entscheidung erfasst wird. - 10 - 4. Da die Klage somit insgesamt unbegründet ist, kommt es auf die von der [X.] angenommene Verjährung des Anspruchs auf Mietaus-fall für 1999 nicht mehr an. 25 Hahne [X.] [X.] [X.] [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.04.2005 - 3 O 270/04 - [X.], Entscheidung vom 06.12.2005 - 9 U 53/05 -

Meta

XII ZR 216/05

16.01.2008

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2008, Az. XII ZR 216/05 (REWIS RS 2008, 6125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 6125

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