Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.02.2015, Az. 3 C 8/14

3. Senat | REWIS RS 2015, 14863

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Gegenstand

Rückforderung einer Subvention bei Restschuldbefreiung


Leitsatz

Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG ist im Sinne von § 38 InsO bereits dann begründet und damit Insolvenzforderung, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Widerrufsgrund der Zweckverfehlung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG gegeben ist.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückforderung einer Subvention von der dem Kläger erteilten Restschuldbefreiung erfasst wird.

2

Der Beklagte gewährte dem Kläger mit Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998 eine Finanzierungshilfe aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" über - umgerechnet - 23 519,43 € zur Errichtung einer Betriebsstätte und zur Schaffung eines [X.]es, der für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Abschluss des [X.] nachzuweisen war. In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass die Bewilligung widerrufen werde und ausgezahlte Mittel zurückgefordert würden, wenn der [X.] nicht für mindestens den genannten Zeitraum vorhanden sei. Zur Verwirklichung des Vorhabens beschaffte sich der Kläger bis in [X.] 1998 hinein verschiedene Investitionsgüter (letzte Rechnung: 17. November 1998).

3

Im März, spätestens aber im Mai 2003 stellte der Kläger den Geschäftsbetrieb ein. Das [X.] eröffnete am 25. Februar 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers.

4

Mit Bescheid vom 19. August 2005 widerrief der Beklagte den Zuwendungsbescheid und forderte den Kläger zur Rückzahlung der ausgezahlten Mittel auf. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Kläger die Schaffung eines [X.]es nicht nachgewiesen habe und er daher davon ausgehen müsse, dass diese Fördervoraussetzung nicht erfüllt sei. Der Bescheid wurde am 31. Mai 2006 zugestellt, worauf der Kläger unter Verweis auf das Insolvenzverfahren Widerspruch erhob, der mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2006 zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde unter anderem aus, das Investitionsvorhaben sei am 17. November 1998 abgeschlossen worden. Der Kläger habe seine selbstständige Tätigkeit bereits im März 2003 und damit innerhalb des Überwachungszeitraums eingestellt, so dass die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt seien.

5

Das [X.] erteilte dem Kläger nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode mit Beschluss vom 30. März 2010 Restschuldbefreiung gemäß § 300 der [X.] ([X.]). Parallel dazu forderte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung zur Zahlung der Rückforderungssumme auf und leitete nachfolgend die Vollstreckung ein.

6

Der hierauf erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben und festgestellt, dass die Vollstreckung aus dem Rückforderungsbescheid unzulässig sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und dazu ausgeführt: Die Vollstreckung der mit Bescheid vom 19. August 2005 titulierten Forderung sei dem Beklagten dauerhaft verwehrt, denn sie werde von der Restschuldbefreiung erfasst. Der Beklagte sei Insolvenzgläubiger, weil die Rückforderung einen Vermögensanspruch betreffe, der bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet gewesen sei. Hierfür genüge, dass der Gläubiger eine gesicherte haftungsrechtliche Anwartschaft erlangt habe. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entstehe zwar erst mit Aufhebung des Zuwendungsbescheides, weil dieser Rechtsgrund des Behaltendürfens der Subvention sei. [X.] sei jedoch regelmäßig ausreichend, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des [X.] gegeben, das [X.] oder [X.] intendiert und damit die Rückforderung vorprogrammiert seien. Das sei hier der Fall, nachdem das Geschäft deutlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben worden sei. Umstände, die dazu hätten führen können, das intendierte Ermessen abweichend auszuüben, seien nicht ersichtlich. Auf die Aufhebung des [X.] sei nicht abzustellen. Anderenfalls stünde im Gutdünken der Behörde, das Insolvenzverfahren zu umgehen, obwohl der Gesetzgeber staatliche Privilegien habe weitgehend abschaffen wollen. Die [X.] überlagere insoweit die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens. Die Rückforderung sei auch nicht mit einer Vorausleistungsforderung nach § 133 Abs. 3 BauGB vergleichbar. Ohne Bedeutung sei, dass der Beklagte von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kenntnis gehabt und seine Forderung deshalb nicht angemeldet habe. Hierauf komme es nach den Bestimmungen der [X.] nicht an, was auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung könne jedermann von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangen und müsse mit einer Restschuldbefreiung rechnen. Das gelte für den Beklagten besonders, nachdem der Kläger auf die Aufforderung nicht reagiert habe, Verwendungsnachweise vorzulegen.

7

Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte geltend, Voraussetzung der Rückforderung der Finanzierungshilfe sei die Aufhebung des Zuwendungsbescheides. Vorher sei ein Rückforderungsanspruch auch insolvenzrechtlich nicht begründet. Wann eine öffentlich-rechtliche Forderung im Sinne von § 38 [X.] begründet sei, richte sich nach den Besonderheiten des Fachrechts. Von einem hinreichenden Schuldrechtsorganismus im Sinne einer gesicherten Anwartschaft könne hier erst gesprochen werden, wenn das [X.] ausgeübt worden sei. Das mögliche Vorliegen eines fiktiven [X.], von dessen Existenz die Behörde nicht wissen und zu dem sie folglich die erforderliche Ermessensentscheidung nicht treffen könne, genüge nicht. Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn die Ausübung des Ermessens intendiert sei. Beim Widerruf von [X.] sei ein Mindestmaß an Sachverhaltsaufklärung geboten, um überhaupt von einem Regelfall des intendierten Ermessens ausgehen zu können. Ein Rückforderungsanspruch sei deshalb frühestens begründet, wenn ein [X.] begründet sei. Das sei der Fall, wenn die Widerrufsvoraussetzungen gegeben seien, dies der Behörde bekannt sei und sie ihr Ermessen ausgeübt habe. Dabei dürfe die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht verkürzt werden. Ihm, dem Beklagten, sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten nicht nachgekommen sei. Gleiches gelte für den [X.] der [X.], weil zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Sachverhalt nicht aufgeklärt gewesen sei. Zudem stütze sich das Berufungsgericht fälschlicherweise auf den [X.] der [X.], denn diesen habe er gar nicht geltend gemacht. Vielmehr beruhe der [X.] darauf, dass der Kläger seine Mitteilungspflichten verletzt habe. Das Berufungsgericht tausche damit in unzulässiger Weise den [X.] aus und komme nur so zur Annahme intendierten Ermessens. Die Auslegung von § 38 [X.] durch das Berufungsgericht sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil anderenfalls die öffentliche Hand das Regime der [X.] umgehen könne. Sie führe vielmehr dazu, dass sich Zuwendungsempfänger berechtigten Rückforderungen entziehen könnten. Auch schneide sie der Behörde Handlungsspielräume ab, die der Verwirklichung der Förderzwecke dienten.

8

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Er verweist darauf, dass das Ermessen Rechtsfolge eines [X.] sei. Öffentlich-rechtliche Rückforderungen bezögen sich praktisch durchweg auf Leistungen, die auf [X.] beruhten. Die [X.] könne umgangen werden, folge man der Argumentation des Beklagten.

9

Der Vertreter des [X.] ist mit dem [X.], dass eine öffentlich-rechtliche Forderung, die auf der Rückforderung einer Subvention wegen [X.] beruht, insolvenzrechtlich bereits dann begründet sei, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rücknahme oder den Widerruf des Zuwendungsbescheides gegeben seien. Ausreichend sei, dass von der Forderung ihrem Rechtsgrunde nach so viele Merkmale verwirklicht seien, dass der Gläubiger eine gesicherte Anwartschaft habe, der Schuldner ihr Entstehen also nicht mehr einseitig verhindern könne. Das Berufungsgericht habe zutreffend darauf abgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rückabwicklung der Subvention vorgelegen hätten, es hingegen nicht erforderlich sei, dass das vorgesehene Ermessen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübt worden sei. Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens dürften nicht zur Disposition eines Gläubigers stehen. Nicht maßgeblich sei, ob der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt habe oder diese Tatsachen für ihn erkennbar gewesen seien. Spätestens mit der Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte der Beklagte prüfen müssen, ob der Tatbestand der [X.] erfüllt sei und eine Beteiligung am Verfahren in Betracht komme.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Vollstreckung des Rückforderungsanspruchs aus dem Bescheid vom 19. August 2005 steht die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung entgegen, da der Anspruch bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war und die Restschuldbefreiung damit auch gegenüber dem Beklagten wirkt.

Das Insolvenzverfahren nach der [X.] ([X.]) vom 5. Oktober 1994 ([X.], zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 31. August 2013, [X.] I S. 3533) dient der gemeinschaftlichen Befriedigung aller persönlichen Gläubiger des Insolvenzschuldners, die einen zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen ihn haben (Insolvenzgläubiger, § 1 Satz 1 und § 38 [X.]). Es erfasst neben privatrechtlichen Ansprüchen auch Steuerforderungen, öffentliche Abgaben und sonstige öffentlich-rechtliche Forderungen, wie sich etwa aus § 55 Abs. 4 und § 185 [X.] ableiten lässt und daraus folgt, dass der Gesetzgeber für diese Ansprüche jenseits der [X.] keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften getroffen hat (zur Gesamtvollstreckungsordnung: [X.], Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02 - [X.] 316 § 35 VwVfG Nr. 54 S. 3). Das führt unter anderem dazu, dass die Träger der öffentlichen Verwaltung ihre Insolvenzforderungen nur nach Maßgabe der [X.] geltend machen können (§ 87 [X.]); damit ist der Erlass eines Leistungsbescheids während des Insolvenzverfahrens grundsätzlich unzulässig ([X.], Urteil vom 12. Juni 2003 - 3 C 21.02 - [X.] 316 § 35 VwVfG Nr. 54 S. 3 m.w.N., Beschlüsse vom 27. Mai 1997 - 3 B 151.96 - [X.] 401.0 § 251 AO Nr. 1 und - 3 B 152.96 - [X.] 316 § 49 VwVfG Nr. 32; auch für die Aufhebung der Bewilligung einer Investitionszulage und Nichtigkeit annehmend: [X.], Urteile vom 16. April 2013 - [X.]/12 - [X.]E 241, 291 Rn. 17 ff., 21, vom 31. Januar 2012 - [X.]/11 - [X.]/NV 2012, 989 Rn. 8 und vom 24. August 2004 - [X.]/02 - [X.]E 207, 10 <15> m.w.N.). Das ist hier allerdings ohne Bedeutung, weil das Insolvenzverfahren - wie vom Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt - jedenfalls vor Zustellung des [X.] vom 19. August 2005 sowie Erlass des Widerspruchsbescheids aufgehoben worden war.

Die dem Kläger gemäß § 300 [X.] erteilte Restschuldbefreiung hat zur Folge, dass die Forderungen der Insolvenzgläubiger nicht mehr erzwingbar sind und sich in unvollkommene Verbindlichkeiten wandeln (§ 301 Abs. 3 [X.]). Entsprechend steht sie der Vollstreckung des Rückforderungsanspruchs aus dem Widerrufs- und Rückforderungsbescheid entgegen (§ 257 Abs. 1 AO i.V.m. § 5a [X.] und § 5 Abs. 1 VwVG). Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der erst mit dem Bescheid gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG entstandene und festgesetzte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch bereits zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 38 [X.] begründet war und der Beklagte damit Insolvenzgläubiger ist.

Der Begriff des "begründeten" Vermögensanspruchs dient dazu, die als Insolvenzforderungen vom Insolvenzverfahren erfassten Verbindlichkeiten gegenüber nicht berücksichtigungsfähigen Rechtspositionen, [X.] und insbesondere Masseverbindlichkeiten abzugrenzen. Die Restschuldbefreiung knüpft hieran an, denn sie wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger (§ 301 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Unter welchen Voraussetzungen ein Vermögensanspruch im Sinne von § 38 [X.] begründet ist, ist insolvenzrechtlich zu bestimmen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2005 - [X.]/04 - [X.]/NV 2006, 369 - juris Rn. 6 und [X.], Urteil vom 23. September 2004 - 7 C 22.03 - [X.]E 122, 75 <79>). Auf der Grundlage des einschlägigen öffentlichen Rechts ist nur zu beantworten, ob bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens diese Voraussetzungen erfüllt waren.

Begründet ist ein Anspruch nicht erst dann, wenn er bereits entstanden ist. Auch ein Anspruch, der noch nicht fällig (betagt) ist oder dessen Entstehung vom Eintritt einer zeitlichen Voraussetzung abhängen soll (befristeter Anspruch) und selbst ein Anspruch, der erst mit dem Eintritt einer Bedingung entsteht, ist gemäß §§ 41, 42, 191 [X.] bereits begründet. Allerdings soll es der Gemeinschuldner nicht in der Hand haben, die [X.] zu vermehren. Ein Anspruch, der vom Eintritt einer Bedingung abhängt, die allein im Willen des Gemeinschuldners steht, ist daher vor [X.] nicht begründet (§ 81 Abs. 1 Satz 1 [X.]; vgl. [X.], in: [X.], [X.], § 38 Rn. 88; [X.], in: ‌ HK-[X.], 5. Aufl. 2015, § 38 Rn. 33). Umgekehrt gilt, dass ein Anspruch nicht erst dann begründet ist, wenn ein für seine Entstehung notwendiges Gestaltungsrecht durch den Gläubiger ausgeübt wurde, etwa eine Kündigung ausgesprochen ist ([X.], Urteile vom 18. April 2002 - [X.]/01 - [X.]Z 150, 305 <312> und vom 6. November 1978 - [X.] - [X.]Z 72, 263 <266>; zur Insolvenzanfechtung vgl. [X.], Beschluss vom 1. April 2008 - [X.]/07 - ZIP 2008, 1780 Rn. 16 f.). [X.] bedingte Forderungen, die in diesem Sinne eine haftungsrechtliche Anwartschaft des Gläubigers begründen, sind als Insolvenzforderungen zu berücksichtigen (vgl. [X.], in: [X.], [X.], § 38 Rn. 87; [X.], in: [X.], [X.], 13. Aufl. 2010, § 38 Rn. 33). Allgemein gilt, dass ein Anspruch begründet ist, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt ist. Das Schuldverhältnis - der so genannte Schuldrechtsorganismus, der die Grundlagen des Anspruchs bildet - muss bestanden haben, auch wenn sich hieraus der Anspruch erst später ergibt ([X.], Beschluss vom 7. April 2005 - [X.] - Z[X.] 2005, 537 <538> m.w.N.; [X.], in: [X.], [X.], 13. Aufl. 2010, § 38 Rn. 26; Ehricke, in: MüKo[X.], 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 16; [X.], in: FK-[X.], 7. Aufl. 2013, § 38 Rn. 14; [X.], in: HK-[X.], 5. Aufl. 2015, § 38 Rn. 30). Mit anderen Worten muss der Rechtsgrund seiner Entstehung bereits gelegt sein ([X.], Urteil vom 11. November 1993 - [X.] - ZIP 1994, 1286 <1287> und Beschluss vom 1. April 2008 - [X.]/07 - ZIP 2008, 1780 Rn. 17).

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des § 49a VwVfG entsteht, wenn der Verwaltungsakt, der der Leistung zugrunde liegt, mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben worden und damit der Rechtsgrund der Leistung beseitigt ist (§ 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG; [X.], Beschluss vom 27. Mai 1997 - 3 B 152.96 - [X.] 316 § 49 VwVfG Nr. 32). Das geschah hier erst nach der Insolvenzeröffnung mit Zustellung des [X.] am 31. Mai 2006. Der Anspruch war bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht deshalb entstanden, weil der Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgte. Die Notwendigkeit, im Insolvenzverfahren die Insolvenzgläubiger bestimmen zu können, schließt es aus, die Rückwirkung des Widerrufs zu berücksichtigen. Ebenso wenig lässt sich die Annahme eines begründeten Anspruchs allein darauf stützen, dass der [X.] der [X.] zum Tatbestand und das Ermessen zur Rechtsfolge des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG gehört. Denn der Erstattungsanspruch gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG setzt den Widerruf und damit sowohl einen [X.] als auch die Ermessensausübung für seine Entstehung voraus.

Obwohl der Erstattungsanspruch somit seinerzeit noch nicht entstanden war, war er dennoch bereits im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, weil auf der Grundlage des mit dem Zuwendungsbescheid vom 27. Februar 1998 entstandenen Rechtsverhältnisses der [X.] der [X.] gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG mit der vorzeitigen Geschäftsaufgabe gegeben war und damit die den Erstattungsanspruch materiell begründenden Umstände eingetreten waren. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der [X.] der [X.] vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben war, nachdem die Zuwendung zu dem Zweck der Schaffung eines mindestens fünf Jahre währenden Dauerarbeitsplatzes bewilligt worden war, der Geschäftsbetrieb aber spätestens im Mai 2003 eingestellt und damit die notwendige Dauerhaftigkeit des geschaffenen Arbeitsplatzes nicht erreicht worden war. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

Die Regelung zum Widerruf eines Verwaltungsakts wegen [X.] gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG geht auf § 44a [X.] zurück und beruht auf der Aussage, dass die Rückforderung von Haushaltsmitteln in Fällen der [X.] möglich sein müsse ([X.]. 13/1534 S. 5). In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass wegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Zuwendungen, die ihren Zweck verfehlen, im Regelfall das Widerrufsermessen nur durch Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden kann (Urteil vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 - [X.]E 105, 55 <58>). Dem liegt zugrunde, dass der Erstattungsanspruch materiell von der [X.] getragen wird und keiner weiteren rechtfertigenden Umstände bedarf. Das auf dieser Grundlage auszuübende Ermessen ermöglicht es, im Einzelfall vom Widerruf und damit der Rückforderung abzusehen, und hat somit eine potentiell rechtsvernichtende Funktion. [X.] der rechtlichen Bindungen des Ermessens liegt es auch nicht mehr in der Hand des Gläubigers, den Widerruf zu verhindern. Es kommt daher nicht darauf an, dass das Ermessen ausgeübt wurde, um den Erstattungsanspruch im Sinne von § 38 [X.] zu begründen. Dementsprechend hängt die Begründung des Anspruchs auch nicht von einem wirksamen Widerrufsbescheid ab. Ob jenseits des vom Berufungsgericht herangezogenen [X.]s weitere Widerrufsgründe vorgelegen haben und inwieweit der Beklagte seinen Widerruf auf diese Gründe gestützt hat, ist danach nicht weiter erheblich.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist damit aber auch ohne Bedeutung, ob die Ermessensausübung im Einzelfall intendiert ist. Abgesehen von der Problematik des für eine hypothetische Überprüfung maßgeblichen [X.]punkts und Sachverhalts betrifft das intendierte Ermessen allein die Frage, welche Anforderungen an die Ermessensentscheidung zu stellen sind. Entscheidend ist jedoch, dass das Ermessen des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG lediglich ermöglicht, vom Widerruf abzusehen, der Widerruf jedoch seinen ihn tragenden Grund im tatbestandlichen Vorliegen des [X.]s der [X.] findet.

Dies unterscheidet den Widerruf eines Zuwendungsbescheides zugleich von Vorausleistungsansprüchen auf den Erschließungsbeitrag, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Dass die Voraussetzungen vorliegen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB dazu ermächtigen, Vorausleistungen zu verlangen, genügt nicht, um bereits ein konkretes Schuldverhältnis zwischen Gemeinde und potentiell [X.] zu begründen. Die vom Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Januar 2010 getroffene Aussage, dass eine Vorausleistungsforderung erst mit einem Vorausleistungsbescheid begründet worden dein dürfte ([X.] - NVwZ-RR 2010, 494), lässt sich daher - anders als teilweise angenommen (vgl. [X.], in[X.], [X.], 6. Aufl. 2014, § 38 Rn. 5; Ehricke, in: MüKo[X.], 3. Aufl. 2013, § 38 Rn. 17 a.E.) - nicht ohne Weiteres verallgemeinern und nicht auf den hier in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch übertragen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass es auf die Kenntnisse des Beklagten nicht ankommt.

Die Kenntnis des [X.]s ist nicht notwendig, damit ein Erstattungsanspruch im Sinne von § 38 [X.] begründet ist. Das folgt allerdings nicht schon aus der Reichweite der Restschuldbefreiung. Sie erfasst Forderungen zwar auch dann, wenn sie nicht angemeldet wurden (§ 301 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Das kann aber auch andere Ursachen als die fehlende Kenntnis von den Widerrufsvoraussetzungen haben. Darüber hinaus trifft es zu, dass der Erstattungsanspruch erst entsteht, wenn der Zuwendungsbescheid widerrufen ist, was die Kenntnis des [X.]s voraussetzt. Die verwaltungsverfahrensrechtliche Notwendigkeit des Widerrufs rechtfertigt es jedoch nicht, anders als für den entsprechenden zivilrechtlichen Kondiktionsanspruch der ungerechtfertigten Bereicherung wegen Nichterreichen des bezweckten Erfolgs, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erst mit der Kenntnis des [X.]s als begründet zu erachten und damit im Ergebnis zu privilegieren. Dafür bietet die [X.] keine Grundlage. Auch allgemein gilt, dass der anspruchsbegründende Sachverhalt vorliegen muss, Kenntnis hiervon aber nicht erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entscheidungsfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ohne Bedeutung, ganz abgesehen davon, dass im Insolvenzverfahren die speziellen Vorschriften der [X.] für die Geltendmachung von Insolvenzforderungen maßgeblich sind.

Damit kommt es auch für die Restschuldbefreiung, die mit Ausnahme der in § 302 [X.] genannten Verbindlichkeiten alle Insolvenzforderungen erfasst (§ 301 Abs. 1 Satz 1 [X.]), nicht auf die Kenntnis der eine Insolvenzforderung begründenden Umstände an. Ebenso wenig hängt die Wirkung der Restschuldbefreiung von der Kenntnis der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat und von dem Beklagten nicht weiter infrage gestellt wird. [X.] des Schutzes, den § 826 BGB in den Fällen gewährt, in denen der Insolvenzschuldner einen Anspruch eines Gläubigers bewusst zur Erreichung der Restschuldbefreiung verschweigt, hat der Gesetzgeber dem Interesse der Rechtssicherheit einer umfassenden Restschuldbefreiung Vorrang gegenüber Erwägungen der materiellen Gerechtigkeit gegeben ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2010 - [X.] - [X.], 271 Rn. 19 ff.). Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht, zumal der Beklagte eigenständig in der Lage gewesen wäre, nicht nur von der Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch vom Vorliegen des [X.]s Kenntnis zu erlangen.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger nach dem Zuwendungsbescheid und dessen allgemeinen Nebenbestimmungen verpflichtet war, einen Insolvenzantrag und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverzüglich mitzuteilen. Auch wenn sich aus einer Pflichtverletzung im Subventionsverhältnis ein Schadensersatzanspruch ergeben kann, wäre ein solcher Anspruch hier lediglich eine Insolvenzforderung, für die die Restschuldbefreiung gelten würde. Eine Ausnahme hiervon sieht die [X.] lediglich für Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vor (§ 302 Nr. 1 [X.]), die entsprechend angemeldet wurden (§ 174 Abs. 2 [X.]). Abgesehen davon, dass es hier nicht um die Befreiung von einem solchen Schadensersatzanspruch geht, kennt die [X.] als Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung zudem lediglich die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 [X.]). Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand des Beklagten, er habe im Rahmen des Insolvenzverfahrens keine Möglichkeit mehr, die Geltendmachung seines Erstattungsanspruchs förderpolitisch zu steuern. Er trifft bereits tatsächlich nicht zu, denn es bleibt in der Hand des Beklagten, die Forderung anzumelden und im weiteren Verfahren geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

3 C 8/14

26.02.2015

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 2. April 2014, Az: OVG 6 B 16.12, Urteil

§ 49a Abs 1 VwVfG, § 49 Abs 3 S 1 Nr 1 VwVfG, § 38 InsO, § 300 InsO, § 301 Abs 1 InsO, § 301 Abs 3 InsO, § 133 Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.02.2015, Az. 3 C 8/14 (REWIS RS 2015, 14863)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14863

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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