Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 07.12.2018, Az. 2 BvR 2425/18

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2018, 708

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ZWANGSVOLLSTRECKUNG ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) SUIZID

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Gegenstand

Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Aussetzung der Zwangsvollstreckung - Gesundheits- bzw Lebensgefahr infolge drohender Suizidhandlung bei Zwangsräumung


Tenor

1. Die Vollziehung des [X.] vom 12. März 2018 - 9 K 68/15 - wird einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens auf die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.

Gründe

1

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

2

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dabei haben die Gründe, welche der Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen [X.] anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des [X.] muss das [X.] die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. [X.] 76, 253 <255>; [X.] 99, 57 <66>; stRspr).

3

2. Die Verfassungsbeschwerde erscheint nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand jedenfalls weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Über den Antrag auf einstweilige Anordnung ist deshalb nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zugunsten der Beschwerdeführerin aus.

4

Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte der [X.] vollzogen werden. Dadurch könnten nicht rückgängig zu machende schwerwiegende Folgen für Gesundheit und Leben der Beschwerdeführerin eintreten. Das von dem [X.] eingeholte psychiatrische Gutachten stellt fest, dass der mit der Vollziehung des [X.]es drohende Fortgang des Zwangsvollstreckungsverfahren bis hin zum endgültigen Verlust des Wohnhauses, ohne dass zuvor eine die Beschwerdeführerin stabilisierende psychiatrische Behandlung durchgeführt worden wäre, eine lebensbeendende Suizidhandlung sehr wahrscheinlich macht. Eine die Beschwerdeführerin stabilisierende Behandlung über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten hält das Gutachten bei entsprechendem Bemühen der Beschwerdeführerin auch für erfolgversprechend.

5

Erginge demgegenüber die einstweilige Anordnung, bleibt die Verfassungsbeschwerde später aber ohne Erfolg, können die [X.] und der Ersteher die Zwangsvollstreckung vorläufig nicht weiter betreiben. Auch dieser Nachteil hat Gewicht. Im Rahmen der nach § 32 Abs. 1 [X.] vorzunehmenden Folgenabwägung muss das Interesse der [X.] und des [X.] an einer sofortigen weiteren Vollziehung des [X.]es aber angesichts der überwiegenden, auf Seiten der Beschwerdeführerin drohenden irreparablen Nachteile für Gesundheit und Leben zurücktreten.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 2425/18

07.12.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Dessau-Roßlau, 27. September 2018, Az: 1 T 83/18, Beschluss

Art 2 Abs 2 S 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 765a Abs 1 S 1 ZPO, § 765a Abs 3 ZPO, § 885 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Einstweilige Anordnung vom 07.12.2018, Az. 2 BvR 2425/18 (REWIS RS 2018, 708)

Papier­fundstellen: WM2019,1172 NJW 2019, 2012 REWIS RS 2018, 708


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 2425/18

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2425/18, 15.05.2019.

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 2425/18, 07.12.2018.


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