Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2021, Az. 29 W (pat) 539/19

29. Senat | REWIS RS 2021, 9289

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Wir wirken.“ – Unterscheidungskraft- kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 010 420.3

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2020 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Richterinnen [X.] und Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des [X.] vom 18. März 2019 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

Wir wirken.

3

ist am 23. April 2018 unter der Nummer 30 2018 010 420.3 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] Patent und Markenamt ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 16:  Papier und Pappe [Karton]; [X.]; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Zeichenartikel; Künstlerbedarf; Lehr- und Unterrichtsmaterial; Folien und Beutel aus Kunststoff für Einpack- und Verpackungszwecke; [X.]; Druckstöcke;

5

Klasse 35:  Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;

6

Klasse 41:  Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten;

7

Klasse 42:  wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen sowie Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen;

8

Klasse 44:  medizinische und veterinärmedizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; land-, garten- und forstwirtschaftliche Dienstleistungen.

9

Mit Beschluss vom 18. März 2019 hat die Markenstelle für Klasse 16 des [X.] die Anmeldung gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 [X.] unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 15. August 2018 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei eine sprachüblich gebildete [X.], die keinen über eine allgemeine ([X.] hinausgehenden Aussagegehalt habe. Der angesprochene Verkehr verstehe das angemeldete Zeichen „Wir wirken.“ mühelos als Werbespruch, da derartige [X.]en zur sloganartigen anpreisenden Bewerbung von Waren und Dienstleistungen im Alltag üblich und bekannt seien. Die Bezeichnung „Wir wirken.“ diene lediglich als Kaufanreiz und solle die Aufmerksamkeit des Publikums wecken. Alle hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten eine wie auch immer geartete Wirkung entfalten, angefangen von Arzneimitteln über Werbeartikel verschiedenster Art, Informationsbroschüren, Druckerzeugnisse, Unterrichtsmaterialien, Werbedienstleistungen, Erziehungsdienstleistungen, Ausbildungsdienstleistungen, Unterhaltungsveranstaltungen, Spiel, Sport und Kultur, Forschung und Design, medizinische Dienstleistungen, Gesundheits- und Schönheitspflege, landwirtschaftliche, garten- und forstwirtschaftliche Dienstleistungen etc. Die Bezeichnung „Wir wirken.“ werde daher vom Verkehr nicht als besonders ungewöhnlich wahrgenommen. Daran ändere auch der Punkt nichts, der als Satzzeichen an das Ende eines zwar kurzen, aber üblichen Aussagesatzes gehöre und nicht auffällig sei. Ein Teil des Publikums verstehe den Punkt möglicherweise sogar als Verstärkung der ([X.] im Sinne „Wir wirken – Punkt“, also „punktum“, „klar“, „ohne Frage“. In Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen wirke die [X.] somit lediglich als schlagwortartige und den Kunden ansprechende (Werbe-) Aussage, die anpreisend darauf abziele, eine positive Stimmungslage und eine entsprechende Erwartungshaltung des Verbrauchers hervorzurufen, ohne dass zugleich der Gedanke damit verbunden sei, mit der fraglichen Bezeichnung solle die Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen gekennzeichnet werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des [X.] Patent- und Markenamtes vom 18. März 2019 aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, das [X.] habe den Beschluss nicht ausreichend begründet, da nicht zwischen den einzelnen Waren und Dienstleistungen differenziert worden sei. Die Wortfolge stelle einen in sich geschlossenen, grammatikalisch korrekt gebildeten Satz dar, der als Werbeslogan untypisch und als reiner Werbespruch ungeeignet sei, weil er nicht genügend auffallend bzw. werbeprägend sei. Um einen typischen Slogan handele es sich auch deshalb nicht, weil Werbebotschaften oder Zeitungsüberschriften nahezu nie einen „Punkt“ als Satzschlusszeichen enthielten. Es sei nicht verständlich, worin die Werbeaussage des angemeldeten Zeichens für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen liege. „Wir wirken.“ sei in Bezug auf diese Waren und Dienstleistungen gerade keine sprachüblich gebildete [X.], sondern eine kreative Wortschöpfung, bei der aus Sicht des Betrachters nicht die Werbefunktion, sondern die Funktion als betrieblicher Herkunftshinweis im Vordergrund stehe. Neben dem Endverbraucher werde insbesondere die Belegschaft der Anmelderin angesprochen, um diese über die neuen Entwicklungen im Unternehmen und in dessen Umfeld zu informieren. Die Kennzeichnung der Waren und Dienstleistungen mit dem prägnanten und im Gedächtnis bleibenden Satz „Wir wirken.“ befähige den angesprochenen Verkehr zur Abgrenzung der Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Anbieter. Bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen handele es sich um solche, denen von Haus aus keine „Wirkung“ zukommen könne. Der Slogan „Wir wirken.“ weise eine gewisse Originalität und Prägnanz auf, rufe bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess hervor und lasse der Interpretation Spielraum, da unklar sei, warum Waren und Dienstleistungen, denen keine Wirkung zugeordnet werden könne, „wirken“ sollten. Somit fehle es an einem eindeutigen Aussagegehalt und an einem unmittelbaren Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Der Fall sei vergleichbar u. a. mit „Radio von hier. Radio wie wir“ ([X.], 321), „[X.]“ ([X.], 323) oder „Wir machen morgen möglich“ (30 W (pat) 501/11).

Mit der Terminsladung vom 4. September 2020 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von [X.] ([X.]. 29 bis 61 d. A.) darauf hingewiesen worden, dass die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die (ursprünglich) beanspruchten Dienstleistungen nicht für schutzfähig erachtet werde. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat dazu weitere Rechercheunterlagen übergeben ([X.]. 83 bis 99 d. A.).

Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2020 hat die Beschwerdeführerin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingeschränkt, indem sie auf alle Dienstleistungen verzichtet hat und nur noch folgende Waren beansprucht werden:

Klasse 16:  Papier und Pappe [Karton]; [X.]; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Zeichenartikel; Künstlerbedarf; Lehr- und Unterrichtsmaterial; Folien und Beutel aus Kunststoff für Einpack- und Verpackungszwecke; [X.]; Druckstöcke.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2020 und auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.].

Die zulässige Beschwerde ist nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses durch die Anmelderin und Beschwerdeführerin begründet. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens stehen in Bezug auf die nunmehr noch beschwerdegegenständlichen Waren keine [X.] gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entgegen.

1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht ([X.], 411 Rn. 8 - #darferdas? [X.]). Die [X.] der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des [X.] aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.] 2008/95/[X.] ([X.]) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und [X.] ([X.]) 2015/2436 ([X.]) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.].

2. Das angemeldete Zeichen entbehrt nicht jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; GRUR 2010, 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]ROHYPO; [X.] GRUR 2018, 932 Rn. 7 - #darferdas?, [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2008, 608 Rn. [X.]/[X.] [[X.]ROHYPO]; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]/[X.] [BioID]; [X.] [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2014, 565 Rn. 12 – smartbook).

Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] [X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 934 Rn. 10 – [X.]; GRUR 2014, 872 Rn. 13 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.],1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2019, 1194 Rn. 20 – AS/[X.] [#darferdas?]; [X.], 608 Rn. 67 – [X.]/[X.] [[X.]ROHYPO]; [X.], 411 Rn. 24 – [X.]/[X.] [[X.]]; [X.] GRUR 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen ([X.] GRUR Int. 2012, 914 Rn. 25 – Smart/[X.] [[X.] DAS [X.]]; a. a. [X.] Rn. 36 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2004, 1027, Rn. 33 und 34 - [X.] [Das Prinzip der Bequemlichkeit]; [X.] a. a. [X.] Rn. 17 – for you). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer kürzeren Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen ([X.] a. a. [X.] Rn. 14 – [X.]).

Die Tatsache allein, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, genügt jedoch nicht zur Verneinung der für die Schutzfähigkeit erforderlichen Unterscheidungskraft (vgl. [X.] GRUR 2010, 228 Rn. 44 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]). Denn der anpreisende Sinn einer Bezeichnung schließt deren Eignung, als Herkunftshinweis zu wirken, nicht von vorneherein aus. Entscheidend ist, ob der Verkehr die Bezeichnung ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht, oder ob die Marke zugleich auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen wahrgenommen wird (vgl. [X.] GRUR 2010, 228 Rn. 45 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] GRUR 2014, 872 Rn. 23 – [X.]). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen ([X.] a. a. [X.] Rn. 57 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] Rn. 17 – for you; [X.], 552 Rn. 9 – [X.] schönste Seiten; a. a. [X.] – My World). Der anpreisende Sinn einer angemeldeten Wortfolge schließt allerdings deren Eignung als Herkunftshinweis dann aus, wenn der Verkehr sie ausschließlich als werbliche Anpreisung versteht ([X.] a. a. [X.] Rn. 23 – [X.]).

b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt die Wortfolge „Wir wirken.“ für die noch beanspruchten Waren der Klasse 16. Sie beinhaltet weder eine konkrete Sachangabe, noch kann festgestellt werden, dass das Zeichen stets nur als Werbeaussage ohne Unterscheidungskraft aufgefasst wird.

aa) Bei der Beurteilung des Verständnisses des angemeldeten Zeichens ist hinsichtlich der beanspruchten Waren auf breite Verkehrskreise, nämlich sowohl auf den Durchschnittsverbraucher als auch auf gewerbliche Kunden sowie den Fachhandel, abzustellen.

bb) Das Anmeldezeichen besteht aus den Wörtern „Wir“ und „wirken“, die mit einem Punkt als abschließendem Satzzeichen zu einem kurzen Aussagesatz verbunden sind.

„Wir“ ist das Personalpronomen der 1. Person Plural und bezeichnet allgemein eine Gruppe von Personen unter Einschluss des Sprechers; es wird in der Werbesprache regelmäßig auch von Unternehmen und Einrichtungen verwendet, wenn sie von sich sprechen (vgl. [X.] 1, [X.]. 29 bis 34 d. A.; [X.], Beschluss vom 08.11.2018, 30 W (pat) 55/17 – Wir geben den Ton an; Beschluss vom 16.01.2018, 29 W (pat) 532/16 – Wir; Beschluss vom 02.01.2017, 30 W (pat) 517/15 – Wir sind Spitzenmedizin; Beschluss vom 19.04.2012, 30 W (pat) 550/10 – Wir sind Public Viewing; Beschluss vom [X.], 28 W (pat) 522/10 – Wir sind Innovation!; Beschluss vom 27.10.2010, 28 W (pat) 127/09 – [X.]). Als anpreisende Formulierung sind mit „wir“ eingeleitete Sätze in der Werbesprache üblich (vgl. [X.] 1, [X.]. 29 bis 34 d. A. sowie www.slogans.de, Anlage 2, [X.]. 35, 36 d. A.).

„Wirken“ bedeutet:

- mit gewisser Einflussnahme tätig sein (an einem Ort oder in einem Bereich)

- durch geistige Tätigkeit etwas vollbringen, zustande bringen

- eine bestimmte Wirkung haben ([X.] aufgrund einer Beschaffenheit)

- einen bestimmten Eindruck machen, beeindrucken

- (Textilien) herstellen durch verschlingen von Fäden

(vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/wirken).

Die grammatikalisch korrekt gebildete Wortfolge „Wir wirken.“ wird von den angesprochenen Verkehrskreisen allgemein im Sinne von „wir sind tätig“, „wir bringen etwas zustande/vollbringen etwas“, „wir haben eine bestimmte Wirkung“ verstanden. Der Punkt am Ende der Wortfolge schließt, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, eine mögliche Werbebotschaft nicht aus. Während die Aussage „Wir wirken.“ in Bezug auf die mit der Anmeldung ursprünglich beanspruchten Dienstleistungen zur Beschreibung der Tätigkeit des Dienstleisters oder der Eigenschaften der Dienstleistungen (dahingehend, dass diese eine Wirkung erzielen) geeignet ist, lässt die Wortfolge im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 16 „Papier und Pappe [Karton]; [X.]; Buchbinderartikel; Fotografien; Schreibwaren und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Zeichenartikel; Künstlerbedarf; Lehr- und Unterrichtsmaterial; Folien und Beutel aus Kunststoff für Einpack- und Verpackungszwecke; [X.]; Druckstöcke“ keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt erkennen. Zum einen ist unklar, welche unmittelbare Wirkung den beschwerdegegenständlichen Waren zugeschrieben werden soll. Zum anderen weist die Aussage „Wir sind tätig“ auf die Personen hin, die tätig sind, also [X.] auf die Erbringer von Dienstleistungen. Bei Waren stellt sich dem Verbraucher dagegen die Frage, wer mit „Wir“ gemeint ist, ob sich das Pronomen auf die Waren selbst, auf den Hersteller oder den Anbieter der Waren bezieht. Bezöge sich „wir wirken“ auf die Waren selbst, stellte sich die Frage, wie, in welcher Weise oder worauf sie eine Wirkung haben könnten. Anders als dies z. B bei Arzneimitteln der Fall ist, denen unmittelbar eine gewisse Wirkung zugeschrieben wird, vermittelt das Zeichen in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren weder eine klare Sachaussage noch zeigt es eine bestimmte Beschaffenheit der Waren auf, vielmehr bleibt offen, welches diese „Wirkung“ sein könnte.

Im Gegensatz zu der Aussage „Wir geben den Ton an“ ([X.], Beschluss vom 08.11.2018, 30 W (pat) 55/17), die als Redewendung bekannt ist und auf eine Gruppe von Personen/Unternehmen, die auf einem bestimmten Gebiet eine führende Stellung innehaben, hinweist, ist ein derartig beschreibender Bezug bei der Wortfolge „Wir wirken“ nicht erkennbar. Selbst wenn auf die Wirkung von Waren angespielt werden soll, konnte nicht festgestellt werden, dass die Verwendung der [X.] dergestalt, dass [X.] die Waren „Papier und Pappe“; „[X.]“ oder „Zeichenartikel“ sich selbst anpreisen, [X.] ist.  Insofern bleibt der Sinngehalt vage und interpretationsbedürftig und erschließt sich dem Verkehr, wenn überhaupt, nur nach mehreren Gedankenschritten. Solche suggestiven Andeutungen nehmen einer Marke grundsätzlich nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (vgl. [X.], 332, 333f [[X.] und 29f] - [X.]; [X.], Beschluss vom 19.05.2011, 30 W (pat) 501/11 – Wir machen morgen möglich; Beschluss vom [X.], 24 W (pat) 32/02 – [X.] Dein schönstes Lächeln).

Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die angemeldete Wortfolge im Verkehr stets nur als Werbeaussage und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Ein entsprechendes Verkehrsverständnis lässt sich – jedenfalls in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Waren – nicht feststellen. Selbst wenn ein gewisser anpreisender Charakter nicht von der Hand zu weisen ist, schließt dies die Eignung der Wortfolge, als Herkunftshinweis zu wirken, nicht von vorneherein aus (vgl. [X.] GRUR 2010, 228 Rn. 44 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] GRUR 2014, 872 Rn. 23 – [X.]). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass der Verkehr die Wortfolge ausschließlich als werbende Anpreisung versteht ([X.] [X.], 934 Rn. 23 – [X.]; [X.], 173 Rn. 28 – for you). Die Rechercheergebnisse des Senats zur werblichen Verwendung der Aussage „Wir wirken“ bzw. zu Werbeaussagen, die „wir wirken“ beinhalten, bezogen sich jedoch, wie oben dargelegt, auf Dienstleistungen, während in Bezug auf die beanspruchten Waren weder [X.] ermittelt werden konnten noch andere Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verkehrsverständnis bestehen.

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem im beschwerdegegenständlichen Umfang das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

3. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede Waren unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Meta

29 W (pat) 539/19

22.01.2021

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 22.01.2021, Az. 29 W (pat) 539/19 (REWIS RS 2021, 9289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9289

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