Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. 3 StR 280/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2751

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 280/11
vom
29. September 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
besonders schweren Raubes
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu
3.
auf dessen Antrag -
am 29.
September 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und
4, §
206a Abs.
1, §
354 Abs.
1 [X.] einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5.
Mai 2011 mit den Feststellungen aufge-hoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen besonders schweren Raubes verurteilt worden ist (II.
1. der Urteilsgründe).

Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staats-kasse zur Last.
2.
Das angefochtene Urteil wird dahin geändert, dass der Ange-klagte wegen versuchten [X.] zu einer Geldstrafe von 120
Tagessätzen zu je 5
Euro verurteilt ist.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Insoweit hat der Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmit-tels zu tragen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren [X.] und versuchten [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtli-chen Teilerfolg.
1. Soweit das [X.] den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes verurteilt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfah-ren
entsprechend §
206a Abs.
1 [X.] einzustellen, da insofern kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorliegt und somit ein von Amts wegen zu [X.] Verfahrenshindernis besteht.
a) Das Formular des [X.] vom 15.
Februar 2011, mit dem
die den Tatvorwurf des (besonders) schweren Raubes betreffende Ankla-ge zur Hauptverhandlung zugelassen wurde, ist allein vom Vorsitzenden unter-schrieben. Es kann dahinstehen, ob es wegen der fehlenden Unterschriften der beiden Beisitzer bereits an einer notwendigen Förmlichkeit für einen wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt (so [X.], Urteil vom 1.
März 1977 -
1 StR 776/76; Beschluss vom 9.
Juni 1981 -
4 [X.], NStZ
1981, 448; [X.], Beschluss vom 28.
Mai 1991 -
1 Ss 43/91, NJW
1991, 2849, 2850; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
203 Rn.
8; [X.], 4.
Aufl., §
207 Rn.
18; offen gelassen von [X.], Urteil vom 15.
Dezember 1986 -
StbSt [R] 5/86, [X.]St
34, 248, 249) oder ob, wie die wohl herrschende Ansicht annimmt, eine fehlende oder nicht von allen mitwirkenden [X.]n vorgenommene Unter-zeichnung des [X.] jedenfalls dann an dessen Wirksamkeit nichts ändert, wenn anderweitig nachgewiesen ist, dass der Beschluss tatsäch-lich von allen hierzu berufenen [X.]n gefasst worden ist (s. etwa RG, Urteil 1
2
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4
-
vom 3.
Februar 1910 -
III
1038/09, RGSt
43, 217, 218; [X.], Beschlüsse vom 15.
Januar 1954 -
5 StR 703/53, NJW
1954, 360; vom 5.
Februar 1997 -
5 StR 249/96, NJW
1997, 1380, 1381; vom 8.
Juni 1999 -
1 [X.], NStZ-RR
2000, 34; [X.], [X.], 54.
Aufl., Vor §
33 Rn.
6; [X.], [X.], 6.
Aufl., §
207 Rn.
29); denn eine ordnungsgemäße Beschlussfassung vermag der Senat hier nach den konkreten Umständen nicht festzustellen.
Die eingeholten dienstlichen Äußerungen sind unergiebig. Die Beisitzer haben mitgeteilt, sich "an die Fassung des [X.] konkret nicht erinnern" zu können. Eine tatsächliche Beschlussfassung ergibt sich nicht daraus, dass sie -
wie sie ausführen -
über den Fall und die für eine Eröffnung ausreichende Beweislage gesprochen haben. Denn allein die Erörterung der Beweislage beinhaltet noch nicht die Willensäußerung, die Eröffnung zu be-schließen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 25.
Februar 1983 -
3 StR 512/82, StV
1983, 318). Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass die Beisitzer die Gespräche zeitlich nicht näher eingrenzen konnten und damit offen bleibt, ob die Gespräche überhaupt vor oder an dem Datum der vermeintlichen [X.] stattgefunden hatten.
Auch die vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung getroffene Feststel-lung, die Anklage sei mit Beschluss vom 15.
Februar 2011 in unveränderter Form zur Hauptverhandlung zugelassen worden, belegt eine ordnungsgemäße Beschlussfassung nicht. Im Hinblick auf den üblichen Geschäftsanfall und
-gang bei den [X.]en sowie die zwischen der etwaigen Beschlussfas-sung und der Hauptverhandlung liegende [X.] von nahezu drei Monaten ist nicht auszuschließen, dass der Vorsitzende die Feststellung nicht aufgrund [X.] eigenen konkreten Erinnerung an eine mündliche Beschlussfassung, son-dern aufgrund des in den Akten befindlichen und auf dem Aktendeckel ver-merkten Vordrucks traf.
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-
5
-
Weil bei vielen Gerichten der Eröffnungsbeschluss häufig im Umlaufver-fahren beschlossen wird, ist es schließlich nicht fernliegend, dass es sich bei dem lediglich vom Vorsitzenden unterschriebenen Formular bloß um einen noch nicht durch alle [X.] bestätigten Beschlussentwurf handelte (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 1954 -
5 StR 703/53, NJW
1954, 360, 361).
b) Die Unwirksamkeit des vermeintlichen Beschlusses vom 15.
Februar 2011 ist nicht durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt worden. Eine solche ist insbesondere nicht in dem von der gesamten Kammer unterschriebenen Beschluss vom 18. April 2011 zu sehen, mit dem sie die den versuchten Computerbetrug betreffende Anklage zur Hauptverhandlung [X.], beide Verfahren verbunden und die Gerichtsbesetzung in der [X.] bestimmt hat. Denn hieraus ergibt sich mangels entsprechender inhaltlicher Anknüpfungspunkte nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die zuständigen [X.] die Eröffnung des Hauptverfahrens in Bezug auf die erste Anklage tatsächlich beschlossen haben (s. [X.], Beschluss vom 11.
Januar 2011 -
3 [X.], NStZ-RR
2011, 150, 151; ähnlich auch [X.], Beschlüsse vom 30.
Mai 1988 -
1 [X.]; vom 9.
Januar 1987 -
3 [X.], NStZ
1987, 239; [X.], Beschluss vom 20.
September 2010 [X.] RVs 117/10, NStZ-RR
2011, 105; OLG
Köln, Beschluss vom 26.
September 2003 -
Ss 388/03 -
199, NStZ-RR
2004, 48, 49). Im Übrigen belegen auch die dienstlichen Äußerungen nicht, dass die Beisitzer im Rahmen der Verbindung eine Eröffnungsentscheidung über die erste Anklage treffen wollten. Vielmehr bestand für eine solche Entscheidung aus ihrer Sicht schon deshalb kein An-lass, weil sie davon ausgingen, dass auch der Vorwurf des besonders schwe-ren Raubes habe verhandelt werden sollen.
Eine Nachholung des [X.] in der Hauptverhandlung scheitert jedenfalls daran, dass die Kammer lediglich mit zwei Berufsrichtern 6
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-
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verhandelte, die Eröffnungsentscheidung aber durch die Kammer in ihrer Be-setzung außerhalb der Hauptverhandlung -
also mit drei Berufsrichtern ohne Schöffen -
zu treffen ist ([X.], Urteil vom 25.
Februar 2010 -
4 StR 596/09).
c) Das Fehlen eines [X.] stellt ein in der [X.] nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Raubtat auf Kosten der Staats-kasse (§
467 Abs.
1 [X.]) zur Folge hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11.
Januar 2011 -
3 [X.], NStZ-RR
2011, 150, 151; vom 9.
Januar 1987 -
3 [X.], NStZ
1987, 239; [X.], aaO §
207 Rn.
12; [X.], [X.], 26.
Aufl., §
207 Rn.
84).
2. Von der Aufhebung und Einstellung
ist die Verurteilung wegen ver-suchten [X.] nicht betroffen. Insoweit liegt der wirksame [X.] vom 18.
April 2011 vor. Die Nachprüfung des Urteils hat dies-bezüglich weder zum Schuld-
noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]). Der Schuldspruch und die Einzelstrafe waren daher insoweit aufrechtzuerhalten.
3. Die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens zieht nicht die Aufhebung des allein auf den Raubvorwurf gründenden Haftbefehls durch den Senat ge-mäß §
126 Abs.
3, §
120 Abs.
1 Satz
1, Satz
2 Var.
3 [X.] nach sich, weil die Verfahrenseinstellung ihrer sachlichen Bedeutung nach nur vorläufigen Charak-ter hat ([X.], Beschlüsse vom 5.
Mai 1999 -
3 [X.], NStZ
1999, 520, 521;
vom 29.
November 1994 -
4 [X.], [X.]R [X.] §
200 Abs.
1 Satz
1 Tat
13).
Da keine das gesamte Verfahren endgültig abschließende Entscheidung im Sinne des §
2 Abs.
1 [X.] vorliegt, bedarf es derzeit auch keiner Entschei-dung über eine etwaige Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnah-9
10
11
12
-
7
-
men (s. [X.], Beschluss vom 22.
Juni 1994 -
3 [X.], NJW
1994, 2966; [X.], Beschluss vom 3.
März 2006 -
3 Ws 61/06, NStZ-RR
2006, 159
f.; [X.], [X.], 4.
Aufl., §
2 Rn.
22; [X.], [X.], 7.
Aufl., §
2 Rn. 21; [X.], aaO §
8 [X.] Rn.
2).
Becker Pfister von Lienen

Schäfer Menges

Meta

3 StR 280/11

29.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. 3 StR 280/11 (REWIS RS 2011, 2751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 280/11

3 StR 484/10

4 StR 596/09

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