5. Senat | REWIS RS 2020, 3486
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Nachzahlungszinsen, Erlass, Unbilligkeit, Irrtum, Ort der sonstigen Leistung
1. NV: Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat .
2. NV: Die Verzinsung ist nicht deshalb unbillig, weil sich aufgrund einer Umsatzsteuerfestsetzung beim Leistenden per Saldo ein Ausgleich mit den vom Leistungsempfänger abgezogenen Vorsteuerbeträgen ergibt .
3. NV: Der Sonderfall eines Zinserlasses wegen beiderseitigen Irrtums über den Steuerschuldner in Bauträgerfällen (BFH-Urteil vom 26.09.2019 - V R 13/18, BFHE 266, 16) ist nicht auf die vermeidbare Fehlbeurteilung des Orts einer sonstigen Leistung übertragbar .
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 22.06.2018 - 1 K 2493/16 U wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) oder wegen des Erfordernisses einer Entscheidung des [X.] ([X.]) begehrt, ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen.
1. Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob "Nachzahlungszinsen aus sachlichen Gründen gemäß § 163 [X.] abweichend festzusetzen bzw. gemäß § 227 [X.] zu erlassen [sind], wenn diese auf der Kürzung von [X.] von im Inland nicht steuerbaren Eingangsumsätzen einer [X.] beruhen, die ihrerseits die in der Rechnung offen ausgewiesene Umsatzsteuer seinerzeit vollständig an das Finanzamt [Beklagter und Beschwerdegegner --[X.]--] abgeführt hat", ist nicht klärungsbedürftig. Denn die aufgeworfene Rechtsfrage ist bereits durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt und die von der Klägerin angeführten neuen rechtlichen Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung der Rechtsfrage.
a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Festsetzung von Zinsen nach § 233a der Abgabenordnung ([X.]) grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der [X.] [X.] gehabt hat (Senatsurteile vom 26.09.2019 - V R 13/18, [X.]E 266, 16; vom 11.07.1996 - V R 18/95, [X.]E 180, 524, [X.] 1997, 259; vom 21.10.1999 - V R 94/98, [X.]/NV 2000, 610, und vom 16.08.2001 - V R 72/00, [X.]/NV 2002, 545). Der Senat hatte daher bereits mit Urteil vom 30.03.2006 - V R 60/04 ([X.]/NV 2006, 1434, Rz 19) in einem vergleichbaren Sachverhalt einen [X.] im Hinblick auf den Liquiditätsvorteil des dortigen Klägers abgelehnt. Diesem war mit seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung 12/1999 und später in seiner Umsatzsteuererklärung für 1999 ein Vorsteuerabzug gewährt worden, der ihm (objektiv) aufgrund der Nichtsteuerbarkeit des zugrunde liegenden Eingangsumsatzes (Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) nicht zustand.
Höchstrichterlich geklärt ist auch, dass die Verzinsung nicht deshalb unbillig ist, weil sich aufgrund einer Umsatzsteuerfestsetzung beim Leistenden per Saldo ein Ausgleich mit den vom Leistungsempfänger abgezogenen [X.] ergibt. Denn § 233a [X.] stellt nicht auf einen Vorteil des [X.], sondern des Steuerpflichtigen ab. Außerdem sind die Entstehungsvoraussetzungen für die Steuer des Leistenden und den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht deckungsgleich (Senatsurteile in [X.]E 266, 16, und vom 20.01.1997 - V R 28/95, [X.]E 183, 353, [X.] 1997, 716). Das Finanzgericht ([X.]) hat daher zu Recht berücksichtigt, dass der Leistende (hier: [X.]) seit der Rechnungsausstellung (Gutschrift) jedenfalls bis zur erfolgten Berichtigung der Gutschriften, wenn nicht bis zur erfolgten Rückzahlung der Vorsteuerbeträge ([X.]-Urteil vom 12.10.2016 - XI R 43/14, [X.]E 255, 474) die Umsatzsteuer schuldete, während die Klägerin die zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge zu keinem Zeitpunkt als Vorsteuern abziehen durfte.
b) Die von der Klägerin angeführten "neuen Aspekte" geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung der Rechtsfrage.
aa) Das Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] und [X.] vom 31.05.2018 - [X.]/16, [X.]/16 ([X.]:C:2018:372, [X.] --[X.]-- 2018, 588) ist für die Rechtsfrage nicht einschlägig, da es das Recht auf Vorsteuerabzug aus Anzahlungen betrifft. Dieses Recht darf dem potenziellen Erwerber der betreffenden Gegenstände nicht versagt werden, wenn diese Anzahlung geleistet und vereinnahmt wurde und zum Zeitpunkt dieser Leistung alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als dem Erwerber bekannt angesehen werden konnten und die Lieferung dieser Gegenstände daher sicher erschien (Leitsatz des [X.]-Urteils [X.] und [X.], [X.]:C:2018:372, [X.] 2018, 588). Soweit die Klägerin dem [X.]-Urteil [X.] und [X.] ([X.]:C:2018:372, [X.] 2018, 588) entnimmt, aufgrund des [X.]es müsse auf beide am Leistungsaustausch beteiligten Unternehmer und damit auf die steuerliche Gesamtauswirkung abgestellt werden, berücksichtigt sie nicht, dass Zinsen zur Umsatzsteuer keinen umsatzsteuerähnlichen Charakter i.S. des Art. 401 der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) haben und der [X.] daher auf diese keine Anwendung findet (Senatsurteil vom 28.11.2002 - V R 54/00, [X.]E 200, 38, [X.] 2003, 175, unter II.3. a.E.).
bb) Das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 28.10.2015 - 5 K 4098/11 U, [X.] ([X.]/Entscheidungsdienst 2017, 949) und die Folgeentscheidung des Senats vom 27.09.2018 - V R 32/16 ([X.]E 262, 492) betreffen den [X.] von Umsatzsteuern in einer besonderen Konstellation (Sale-and-Mietkauf-back-Geschäfte). Nach den Feststellungen des [X.] beruhten die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs und die Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis auf rechtlichen Fehlvorstellungen der beiden Vertragspartner zu Rechtsfragen, zu denen in den Streitjahren noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag. Darüber hinaus waren die Beteiligten bei der Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis von ihren zivilrechtlich getroffenen Vereinbarungen ausgegangen. Unter diesen besonderen Umständen und im Hinblick auf eine fehlende Gefährdung des Steueraufkommens gewährte der Senat ausnahmsweise einen [X.]. Nach seinen Ausführungen im Urteil in [X.]E 262, 492, Rz 15 zum Bestelleintritt ist ein Erlass hingegen ausgeschlossen, wenn es --wie im [X.] nicht um eine gegenseitige Erteilung von Rechnungen zwischen zwei Personen geht und der Steuerausweis in den Rechnungen auf einer ohne weiteres vermeidbaren Fehlbeurteilung beruht.
cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin ergeben sich Anhaltspunkte für eine Neubeurteilung des [X.]es bei Nachzahlungszinsen auch nicht aus dem Aufsatz von [X.] (Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht 2015, 243) zum [X.]-Urteil [X.] vom 17.07.2014 – [X.]/13, [X.]:[X.], [X.] 2014, 851). Das [X.]-Urteil betrifft die Frage des Abzugs von Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer und [X.] überträgt die Aussagen des [X.] zu dem --für Nachzahlungszinsen unerheblichen-- Grundsatz der Neutralität auf das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b UStG.
c) Schließlich ergeben sich auch aus dem im Laufe des Beschwerdeverfahrens ergangenen Senatsurteil in [X.]E 266, 16 für den Streitfall keine neuen Aspekte zum Erlass von Nachzahlungszinsen. Nach dem Leitsatz dieses Urteils sind Zinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Leistende und der Leistungsempfänger rechtsfehlerhaft davon ausgehen, dass der Leistende Steuerschuldner ist, obwohl der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 13b UStG), und wenn das [X.] die für die Leistung geschuldete Steuer vom vermeintlichen statt vom wirklichen Steuerschuldner vereinnahmt hatte, der Leistende seine Rechnungen mit Steuerausweis berichtigt und den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch an den Leistungsempfänger abtritt. Dieser Sonderfall eines Zinserlasses ist beschränkt auf Fälle des (entschuldbaren) Irrtums über den Steuerschuldner in [X.] und nicht auf die vermeidbare Fehlbeurteilung des Orts einer sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 2 UStG übertragbar. Diese Besonderheiten hat der Senat in Rz 20 des Urteils in [X.]E 266, 16 herausgestellt und mit dem Hinweis auf seinen Beschluss vom 21.05.2010 - V B 91/09 ([X.]/NV 2010, 1619) deutlich gemacht, dass eine zum Erlass führende Unbilligkeit nicht vorliegt, wenn der Unternehmer seine Ausgangsumsätze irrtümlich als steuerpflichtig angesehen hat und ihm deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen ist und die daraus resultierenden Nachzahlungszinsen deshalb nicht durch Guthabenzinsen ausgeglichen werden, weil die Berichtigung der Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG erst mit Berichtigung der Rechnung in einem späteren Veranlagungszeitraum erfolgt.
2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative [X.]O). Dieser Zulassungsgrund ist ein Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. [X.]-Beschluss vom 24.07.2017 - XI B 37/17, [X.]/NV 2017, 1635, Rz 16) und setzt daher ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus ([X.]-Beschluss vom 24.07.2017 - XI B 25/17, [X.]/NV 2017, 1591, Rz 25), an der es hier --wie unter 1. im Einzelnen ausgeführt-- fehlt.
3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O abgesehen.
4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.
Meta
11.05.2020
Beschluss
vorgehend FG Düsseldorf, 22. Juni 2018, Az: 1 K 2493/16 U, Urteil
§ 163 AO, § 227 AO, § 3a Abs 2 UStG 2005, § 13b UStG 2005, UStG VZ 2010, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012, UStG VZ 2013, § 233a AO, Art 401 EGRL 112/2006
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2020, Az. V B 76/18 (REWIS RS 2020, 3486)
Papierfundstellen: REWIS RS 2020, 3486
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Billigkeitserlass bei Rechtsirrtum über die Person des Steuerschuldners
V R 11/19 (V R 35/15), V R 11/19, V R 35/15 (Bundesfinanzhof)
(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 27.03.2019 V R 6/19 (V R 33/16) - Zum …
V R 6/19 (V R 33/16), V R 6/19, V R 33/16 (Bundesfinanzhof)
Zum Vorsteuerabzug aus Anzahlungen
Grenzen der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung
(Erlass von Zinsen wegen sachlicher Unbilligkeit; unerkannter Fall des § 13b UStG; unzutreffende, aber folgerichtige …
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