Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2016, Az. XI ZR 9/15

11. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 3432

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Gegenstand

Inhaltskontrolle für Bankbedingungen: Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für geduldete Kontoüberziehungen


Leitsatz

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kreditinstituts, nach denen für geduldete Überziehungen eines Girokontos Kosten in Höhe von 6,90 € pro Rechnungsabschluss zum Ende eines Kalenderquartals anfallen, soweit die angefallenen Sollzinsen diese Kosten nicht übersteigen, und Sollzinsen in diesem Fall nicht erhoben werden, unterliegen nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und sind im Bankverkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 4. Dezember 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der D.                                , gehört zu den gemäß § 4 [X.] eingetragenen qualifizierten Einrichtungen. Die beklagte Bank verwendet gegenüber Privatkunden "Bedingungen für geduldete Überziehungen ..." (im Folgenden: Bedingungen), die u.a. folgende Klauseln enthalten:

"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50% p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe [X.] nicht übersteigen.

(...)

8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungsabschluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen.

(...)

10. Die jeweils aktuellen Kosten für geduldete Überziehungen kann der Kontoinhaber dem Rechnungsabschluss entnehmen, der - soweit nichts anderes vereinbart ist - jeweils zum Ende eines [X.] erteilt wird."

2

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung der Verwendung von Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen. Er fordert außerdem, dass die Beklagte es unterlässt, von Verbrauchern bei Inanspruchnahme einer geduldeten Kontoüberziehung einen pauschalierten Mindestbetrag von 6,90 € pro Quartal zu fordern. Schließlich begehrt er die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 214 € nebst Zinsen.

3

Der Kläger ist der Ansicht, dass Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliege und dieser nicht standhalte. Die Beklagte habe zudem durch Nr. 10 der Bedingungen die Gefahr geschaffen, dass sie unabhängig von der Verwendung der beanstandeten Klausel Kundenkonten mit dem Betrag von 6,90 € belaste.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.] ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 721 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Kläger könne gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] von der [X.] verlangen, dass sie die weitere Verwendung der Klausel unterlasse, weil diese der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 [X.] nicht standhalte.

8

Eine Inhaltskontrolle sei nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] ausgeschlossen, denn es handele sich bei der Klausel um eine kontrollfähige [X.]. Es könne dahinstehen, ob Konstellationen denkbar seien, in denen die [X.] für geduldete Überziehungen ein festes, [X.]es Entgelt verlangen könne. Jedenfalls in der Kombination eines laufzeitabhängigen Entgelts in Gestalt der unter Ziffer 5 der Bedingungen vorgesehenen [X.] und eines [X.]en Mindestentgelts gemäß Ziffer 8 der Bedingungen stelle die Bestimmung eine kontrollfähige [X.] dar.

9

Auf Grund dieser Kombination von [X.] in Höhe von 16,50% p.a. oder Kosten in Höhe von 6,90 € könnten diese Kosten, soweit sie an die Stelle der vereinbarten [X.] träten, zwar teilweise Entgeltcharakter haben. Die Bedingungen bezeichneten den Betrag von 6,90 € aber ausdrücklich als Kosten, während bei einem Gelddarlehen die im [X.] stehende Hauptleistungspflicht des Darlehensnehmers, neben der Rückzahlung der Darlehensvaluta, darin bestehe, den vertraglich vereinbarten Zins zu zahlen. Dass etwa in dem § 505 [X.] ausfüllenden Art. 247 § 17 EG[X.] und weiteren Vorschriften zum [X.]recht neben "Zinsen" auch von "Kosten" die Rede sei, lasse nicht den Schluss zu, dass bei Verbraucherdarlehen nicht nur der Zins die der Inhaltskontrolle entzogene [X.] sei. Ein Zins im Rechtssinne sei nur eine nach der Laufzeit des Darlehens bemessene Vergütung für die Möglichkeit zur Kapitalnutzung. Die anfallenden Kosten seien demgegenüber [X.] ausgestaltet.

Die [X.]e Ausgestaltung der Kosten verdeutliche, auch wenn diese nicht neben den [X.] erhoben würden, gerade bei geringfügigen Überziehungen, dass in diese nicht allein das Entgelt für das gewährte Darlehen eingepreist sei, sondern dass deren Höhe auch durch andere Faktoren geprägt sei. Einem von der [X.] geltend gemachten höheren Arbeitsaufwand werde bei geduldeten Überziehungen aber bereits durch die Vereinbarung eines höheren Zinssatzes Rechnung getragen. Es sei somit bei den Kosten ein zusätzlicher Aufwand eingestellt, den die [X.] für die Erfüllung eigener Pflichten und im eigenen Interesse erbringe. Damit könne die Klausel nicht insgesamt als eine der Inhaltskontrolle nicht unterworfene [X.] eingestuft werden.

Die Klausel halte einer Inhaltskontrolle nicht stand, weil die neben der Vereinbarung eines Sollzinssatzes vorgesehene Erhebung eines [X.]en Entgelts für die Gewährung eines [X.] mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei und die Kunden der [X.] entgegen den Geboten von [X.] und Glauben unangemessen benachteilige. Zum einen werde, soweit die unter Ziffer 5 der Bedingungen vereinbarten Zinsen unter einem Betrag von 6,90 € blieben, der Aufwand für Tätigkeiten des Verwenders auf den Kunden abgewälzt. Derartige Entgeltklauseln seien gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam. Zum anderen weiche es vom Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] ab, dass das Entgelt für die Gewährung der Kapitalnutzung [X.] ausgestaltet sei. Diese Abweichung indiziere bereits die unangemessene Benachteiligung. Gründe, welche die Klausel gleichwohl angemessen erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich, zumal die [X.]en Kosten gerade bei geringfügigen Überziehungen im Verhältnis zu diesen eine exorbitante Höhe erreichten.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe dem Kläger gemäß § 1 [X.] auch deshalb zu, weil die angegriffene Klausel gegen § 138 Abs. 1 [X.] verstoße.

Ferner könne der Kläger gemäß §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] verlangen, dass die [X.] es unterlasse, den Betrag von 6,90 € rein faktisch zu verlangen. Der Kläger wende sich mit diesem Antrag nicht gegen Ziffer 10 der Bedingungen, sondern gegen das tatsächliche Verhalten der [X.], auf der Grundlage dieser Klausel den unter Ziffer 8 der Bedingungen genannten Betrag Kundenkonten zu belasten, also gegen einen Realakt.

Zu den Verbraucherschutzvorschriften im Sinne des § 2 [X.] gehörten auch § 306a [X.] und, jedenfalls wenn das Kollektivinteresse von Verbrauchern berührt sei, § 138 [X.]. Ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a [X.] liege vor, wenn die [X.] Kontoinhabern aufgrund der Regelung in Ziffer 10 ihrer Bedingungen als "jeweils aktuelle Kosten für geduldete Überziehungen" einen Betrag von 6,90 € in Rechnung stelle. Damit sei eine Gestaltung gegeben, mit der die [X.] gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] verstoße, da die Erhebung einer Mindestgebühr für die Gewährung eines [X.] in Gestalt einer geduldeten Überziehung mit wesentlichen Gedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei. Zudem liege ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 [X.] vor, weil die [X.] für sich in Anspruch nehme, ein Mindestentgelt erheben zu dürfen, dessen Höhe außer Verhältnis zum Umfang gerade geringer Überziehungen stehe.

Die Wiederholungsgefahr sei für beide Unterlassungsansprüche zu vermuten, da die [X.] daran festhalte, dass die angegriffene Klausel wirksam und eine Handhabung gemäß Ziffer 10 der Bedingungen rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 214 € nebst Zinsen sei gemäß § 5 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

1. Der Kläger hat gegen die [X.] gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der angegriffenen oder einer inhaltsgleichen Klausel gegenüber Verbrauchern.

a) Bei der streitbefangenen Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.].

b) Die Bestimmung unter Ziffer 8 der Bedingungen unterliegt, auch soweit sie nur zu einem Teil Gegenstand des Unterlassungsbegehrens des Klägers ist, gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 [X.], weil es sich nicht um eine kontrollfreie [X.] handelt.

aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Keiner Inhaltskontrolle unterliegen demgegenüber Abreden über den unmittelbaren Gegenstand des Vertrages, also diejenigen Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Hauptleistung und das vom anderen Teil zu zahlende Entgelt festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen abweichend vom Gesetz oder der nach [X.] und Glauben geschuldeten Leistung einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind inhaltlich zu kontrollieren. Einer Inhaltskontrolle entzogen ist damit nur der enge Bereich der [X.], ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen [X.] ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. [X.]surteil vom 12. Juni 2001 - [X.], [X.], 74, 78; [X.], Urteile vom 12. März 2014 - [X.], [X.]Z 200, 293 Rn. 27 und vom 9. April 2014 - [X.], [X.]Z 200, 362 Rn. 43 f.).

Demgemäß unterliegen Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung regeln oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (sog. [X.]n), grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle, es sei denn, das Gesetz selbst enthält Vorgaben für die Preisgestaltung (vgl. [X.]surteil vom 17. Dezember 2013 - [X.], [X.]Z 199, 281 Rn. 12 mwN). [X.] sind hingegen sog. [X.]n, d.h. Klauseln, die sich nur mittelbar auf den Preis auswirken und an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung [X.] Gesetzesrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze oder aus der Natur des Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ableitbare Rechte treten können (vgl. [X.]surteile vom 30. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 254, 256 und vom 14. Oktober 1997 - [X.], [X.]Z 137, 27, 29), und Regelungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mit denen der Verwender allgemeine Betriebskosten oder Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (vgl. [X.]surteile vom 21. April 2009 - [X.], [X.]Z 180, 257 Rn. 16, vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.]Z 187, 360 Rn. 26, vom 13. November 2012 - [X.], [X.]Z 195, 298 Rn. 13, vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 24, vom 27. Januar 2015 - [X.], [X.], 519 Rn. 9 und vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 35 Rn. 16).

bb) Ob eine Klausel nach diesen Grundsätzen eine Preishaupt- oder eine [X.] enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln, die der [X.] selbst vornehmen kann (vgl. [X.]surteile vom 13. November 2012 - [X.], [X.]Z 195, 298 Rn. 15 und vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 26). Dabei ist ausgehend von den [X.] eines rechtlich nicht vorgebildeten [X.] nach dem objektiven Gehalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel zu fragen. Sie ist so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (vgl. [X.]surteile vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 35 Rn. 19 und vom 19. Januar 2016 - [X.], [X.], 457 Rn. 21, jeweils mwN). Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] zur Anwendung ([X.]surteile vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 1344 Rn. 34, vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 35 Rn. 19 und vom 19. Januar 2016 - [X.], [X.], 457 Rn. 21, jeweils mwN). Danach ist die scheinbar "kundenfeindlichste" Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste, da sie häufig erst die Inhaltskontrolle eröffnet bzw. zu einer unangemessenen Benachteiligung und damit der Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel führt ([X.]surteile vom 7. Dezember 2010 - [X.], [X.]Z 187, 360 Rn. 35, vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.], 1344 Rn. 34, vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 35 Rn. 19 und vom 19. Januar 2016 - [X.], [X.], 457 Rn. 21). Außer Betracht zu bleiben haben [X.], die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind ([X.]surteile vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 25, vom 27. Januar 2015 - [X.], [X.], 519 Rn. 12, vom 20. Oktober 2015 - [X.], [X.], 35 Rn. 19 und vom 19. Januar 2016 - [X.], [X.], 457 Rn. 21).

cc) Unter Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.] ist davon auszugehen, dass Ziffer 8 der Bedingungen nicht als kontrollfreie [X.] unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung der [X.] regelt, sondern als kontrollfähige [X.] ein verdecktes Bearbeitungsentgelt vorsieht. Die Auslegung der Klausel führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

(1) Die Klausel kann rechtlich vertretbar als [X.] angesehen werden.

Zur Begründung dieser Auslegung kann allerdings nicht angeführt werden, die Klausel habe das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung zum Gegenstand. Der [X.] hat zwar im Urteil vom 14. April 1992 im Rahmen der Inhaltskontrolle einer Klausel, welche eine Zinsregelung für geduldete Überziehungen zum Gegenstand hatte, ausgeführt, dass die geduldete Überziehung eine zusätzliche Leistung darstelle, auf die der Kunde auf Grund der vorher getroffenen Vereinbarung keinen Anspruch habe ([X.]surteil vom 14. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 126, 129). An der Einstufung als Zusatzleistung ist aber nach der neueren Gesetzessystematik (§ 505 [X.]) und unter Berücksichtigung der neueren [X.]srechtsprechung nicht festzuhalten. Denn durch die geduldete Überziehung wird konkludent ein [X.]vertrag abgeschlossen (§ 505 Abs. 2 und 4 [X.]). Der Abschluss eines Darlehensvertrages ist aber nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen keine Sonderleistung, sondern Grundlage für die Entstehung der vertraglichen Hauptleistungspflichten und löst als solcher überhaupt erst den vertraglichen Vergütungsanspruch aus ([X.]surteil vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 54 mwN).

Für die Qualifizierung der Klausel als [X.] spricht aber, dass nach dem [X.] der Ziffern 5 und 8 der Bedingungen der Pauschalbetrag von 6,90 € in den Fällen, in denen er erhoben wird, die einzige Gegenleistung für die Einräumung der Möglichkeit des Gebrauchs des auf [X.] überlassenen Kapitals ist.

(2) Hingegen wird die Annahme einer kontrollfähigen [X.], die ein verdecktes Bearbeitungsentgelt (vgl. zu dessen [X.]keit: [X.]surteil vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 24 ff.) vorsieht ([X.], [X.], 403), dadurch nahegelegt, dass der Pauschalbetrag, wie die Revision ausführt, gerade deshalb erhoben wird, weil die [X.] allein in diesen Fällen angesichts des [X.] nicht auskömmlich sind. Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtung deckt der Pauschalbetrag neben den Zinsen den Kostenaufwand ab, der der [X.] bei der Bearbeitung einer geduldeten Überziehung, etwa der Bonitätsprüfung des Kunden - wie die [X.] in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat -, im eigenen Interesse entsteht, und führt im Ergebnis zur Erhebung eines neben dem Sollzins stehenden [X.], das nicht als Preis der Hauptleistung der [X.], nämlich der Einräumung der Möglichkeit des Gebrauchs des auf [X.] überlassenen Kapital angesehen werden kann.

(3) Von dieser zuletzt genannten Auslegung der Klausel ist zugunsten der Kunden der [X.] auszugehen. Die Zweifel bei der Auslegung der Klausel gehen zulasten der [X.] als Verwenderin. Die Klausel ist damit kontrollfähig. Auf die Frage, inwieweit ein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben für die Preisgestaltung vorliegt, kommt es somit nicht an.

c) Der somit eröffneten Inhaltskontrolle hält die Klausel nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht und die Kunden der [X.] entgegen den Geboten von [X.] und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

aa) Die Abweichung vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung liegt darin, dass die angegriffene Klausel die Kunden der [X.] mit einem Aufwand für Tätigkeiten belastet, die sie in ihrem eigenen Interesse erbringt (vgl. hierzu [X.]surteile vom 21. April 2009 - [X.], [X.]Z 180, 257 Rn. 21 und vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 66).

bb) [X.] wird durch diese Abweichungen indiziert ([X.]surteile vom 18. Mai 1999 - [X.], [X.]Z 141, 380, 390, vom 21. April 2009 - [X.], [X.]Z 180, 257 Rn. 21, vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 69 und vom 19. Januar 2016 - [X.], [X.], 457 Rn. 30). Diese Vermutung ist zwar als widerlegt anzusehen, wenn die Klausel auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung den Kunden gleichwohl nicht unangemessen benachteiligt ([X.]surteile vom 14. Januar 2014 - [X.] 355/12, [X.]Z 199, 355 Rn. 45 und vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 69). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild sachlich gerechtfertigt und der gesetzliche Schutzzweck auf andere Weise sichergestellt ist ([X.]surteil vom 14. Januar 2014 - [X.] 255/12, [X.]Z 199, 355 Rn. 45 mwN). Derartige Umstände sind indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

(1) Im Gegenteil führt die angegriffene Klausel bei niedrigen Überziehungsbeträgen und kurzen Laufzeiten zu Lasten der Kunden dazu, dass der Darlehensnehmer ein Entgelt zu zahlen hat, welches bei einem nach dem gesetzlichen Leitbild ausgestalteten Darlehen, bei dem die Kosten der Bearbeitung in den laufzeitabhängigen Zins eingepreist sind, nur bei einem Zinssatz erzielt werden kann, dessen Vereinbarung den objektiven Tatbestand eines wucherähnlichen Geschäfts im Sinne des § 138 Abs. 1 [X.] erfüllt (vgl. [X.], [X.], 310, 314; [X.], [X.], 403, 406).

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] sind Darlehensverträge gemäß § 138 Abs. 1 [X.] sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Darlehensgeber die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass der Darlehensnehmer sich nur wegen seiner schwächeren Lage auf die bedrückenden Bedingungen einlässt (vgl. [X.], Urteile vom 12. März 1981 - [X.], [X.]Z 80, 153, 160 f. und vom 24. März 1988 - [X.], [X.]Z 104, 102, 104 ff.; [X.]/Armbrüster, 7. Aufl., § 138 Rn. 119 f.; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 138 Rn. 25). Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liegt vor, wenn der effektive [X.] den marktüblichen Effektivzins relativ um etwa 100% oder absolut um 12 Prozentpunkte überschreitet ([X.]surteile vom 13. März 1990 - [X.] 252/89, [X.]Z 110, 336, 340 und vom 29. November 2011 - [X.] 220/10, [X.], 30 Rn. 10 mwN; [X.]/Armbrüster, 7. Aufl., § 138 Rn. 119; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 138 Rn. 27).

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann ohne weiteres ausgegangen werden. Denn bei einer geduldeten Überziehung von beispielsweise 10 € für einen Tag und den hierfür in Rechnung gestellten Kosten von 6,90 € (Stand August 2012) wäre für die Gegenleistung ein Zinssatz von 25.185% p.a. zu vereinbaren. Der durchschnittliche effektive Zinssatz für revolvierende Kredite und [X.] an private Haushalte (MFI-Zinsstatistik, [X.] Banken [X.]/Neugeschäft/Revolvierende Kredite und [X.] an private Haushalte, siehe unter www.bundesbank.de), der zwar nicht allein [X.] zum Gegenstand hat, aber dennoch einen hinreichenden Anhaltspunkt über die Größenordnung des effektiven Marktzinses für [X.] liefert, betrug demgegenüber im August 2012 lediglich 10%.

Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass Kunden der [X.] an einer geduldeten Überziehung ein erhebliches Interesse haben können, etwa um Kosten von Rücklastschriften zu vermeiden (vgl. [X.], EWiR 2015, 203, 204). Dieser Umstand rechtfertigt es nicht, geduldete Überziehungen zu Bedingungen zu gewähren, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung kann entgegen der Ansicht der Revision auch nicht unter Verweis auf bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen verneint werden.

Soweit die Revision darauf gestützt wird, dass die Erhebung des [X.] von 6,90 € notwendig sei, weil anderenfalls geduldete Überziehungen nicht zu auskömmlichen Preisen erbracht und insbesondere die Refinanzierungskosten und der Bearbeitungsaufwand nicht gedeckt werden können, legt sie bereits nicht dar, wie hoch diese Kosten sind. Hierauf kommt es aber auch nicht an. Denn die Revision führt selbst aus, dass ohne die Erhebung des [X.] entweder ein komplexes Zinsmodell mit gestaffelten Zinssätzen eingeführt oder der Zinssatz für geduldete Überziehungen insgesamt erhöht werden müsste, mithin die Erhebung des [X.] von 6,90 € nicht zwingend erforderlich ist. Diese von der Revision aufgezeigten Maßnahmen stellen sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Zins das Entgelt für die Darlehensgewährung ist, lediglich als konsequente Umsetzung des gesetzlichen Leitbildes dar. Denn mit dem Zins sind auch die beim Darlehensgeber im Zusammenhang mit der Kapitalüberlassung entstehenden Kosten abzugelten ([X.]surteil vom 13. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 168 Rn. 46; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 488 Rn. 154), der dementsprechend kalkuliert und bis zur Grenze des § 138 [X.] frei bestimmt werden kann ([X.]surteil, aaO Rn. 86 mwN). Insoweit ist in der Rechtsprechung des [X.] auch anerkannt, dass für die Gewährung eines Überziehungskredits wegen des damit verbundenen höheren Aufwandes ein höherer Zinssatz verlangt werden kann ([X.]surteil vom 14. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 126, 130). Hinzu kommt, dass die [X.] nicht in Bezug auf jedes einzelne Geschäft zu kalkulieren ist, sondern gerade bei einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen, wie bei geduldeten Überziehungen typisch, ohne weiteres einer Mischkalkulation zugänglich ist.

Einer Umlegung der Kosten, die mit der Darlehensgewährung einhergehen, über den Zins steht, anders als die Revision meint, nicht entgegen, dass [X.] in der Regel nur kurze Laufzeiten haben und insbesondere die Bedingungen der [X.] unter Ziffer 3 vorsehen, dass eine geduldete Überziehung unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen zurückzuführen ist. Denn eine nur kurze Darlehenslaufzeit kann bei der Zinshöhe insbesondere im Rahmen einer Mischkalkulation Berücksichtigung finden.

(3) Unerheblich ist, ob es sich bei den Kosten in Höhe von 6,90 €, wie die Revision meint, nur um einen geringen Betrag handelt. Denn die vermeintlich geringe Höhe eines Entgelts ist nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich kein geeignetes Kriterium, um eine unangemessene Benachteiligung zu rechtfertigen (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 1956 - [X.], [X.]Z 22, 90, 98, vom 29. September 1960 - [X.], [X.]Z 33, 216, 219 und vom 12. Mai 1980 - [X.], [X.]Z 77, 126, 131; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 307 Rn. 18; [X.]/[X.], 7. Aufl., § 307 Rn. 43 f.).

d) Angesichts der Unwirksamkeit der angegriffenen Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedarf die Frage, ob die angegriffene Klausel gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] verstößt, keiner Entscheidung.

2. Der Kläger kann auch verlangen, dass die [X.] es unterlässt, von Verbrauchern bei Inanspruchnahme einer geduldeten Überziehung einen Betrag in Höhe von 6,90 € pro Quartal zu fordern.

a) Ein entsprechender Anspruch folgt aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 306a [X.].

Nach der Rechtsprechung des [X.] kann über § 1 [X.] die Unterlassung von tatsächlichen Verhaltensweisen begehrt werden, die einer unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur praktischen Wirksamkeit verhelfen und damit einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a [X.] darstellen (vgl. [X.]surteil vom 8. März 2005 - [X.] 154/04, [X.]Z 162, 294, 298 ff.). Nach den [X.] und von der Revision unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts stellt die [X.] ihren Kunden einen Betrag von 6,90 € "als jeweils aktuelle Kosten für geduldete Überziehungen" gemäß Ziffer 10 der Bedingungen in Rechnung. Diese Praxis missachtet die Unwirksamkeit der Klausel unter Ziffer 8 der Bedingungen und führt mit der rein tatsächlichen Erhebung dieses Betrages zu einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a [X.].

b) Ob daneben, wie das Berufungsgericht meint, ein Anspruch auch aus §§ 2, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 138 Abs. 1 [X.] folgt, bedarf keiner Entscheidung.

3. Den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten hat das Berufungsgericht gemäß § 5 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG rechtsfehlerfrei als begründet angesehen.

[X.]        

       

Joeres        

       

Matthias

       

Menges        

       

Dauber        

       

Meta

XI ZR 9/15

25.10.2016

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 4. Dezember 2014, Az: 1 U 170/13, Urteil

§ 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2016, Az. XI ZR 9/15 (REWIS RS 2016, 3432)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1018 WM 2017, 80 REWIS RS 2016, 3432

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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