Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.07.2020, Az. 1 AZR 590/18

1. Senat | REWIS RS 2020, 442

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialplan - mittelbare Benachteiligung wegen Behinderung


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 13. September 2018 - 6 [X.]/18 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zinsen auf den Betrag iHv. 60.281,01 Euro brutto seit dem 1. Juli 2017 zu zahlen sind.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die [X.]arteien streiten zuletzt noch über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

2

Der am 6. Juli 1957 geborene Kläger ist schwerbehinderter Mensch und war seit dem 25. Februar 1992 bei der [X.] in deren [X.]etrieb in [X.] beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Kündigung der [X.] am 30. Juni 2017.

3

Im Hinblick auf die Schließung des Standorts [X.] beschloss die Einigungsstelle am 16. September 2016 einen Sozialplan (S[X.]), dessen Abschnitt [X.] - unter § 2 ([X.]emessung der individuellen Sozialplanleistungen) auszugsweise lautet:

        

1.    

Abfindungen

                 

Abfindungen erhalten anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, die

                 

(1)     

aus dem Arbeitsverhältnis mit [X.] endgültig ausscheiden, weil …

        
                 

(2)     

Arbeitnehmer, die zum Stichtag 31.03.2017 das 59. Lebensjahr vollendet haben und aufgrund der Kündigung wegen der [X.]etriebsänderung aus dem Arbeitsverhältnis bei der [X.] ausscheiden, weil

        
                          

-       

sie kein Angebot gemäß … erhalten oder

        
                          

-       

ein solches Angebot erhalten, aber ablehnen.

        
                 

(3)     

Alle anderen Arbeitnehmer ...

        
        

…“    

                          

4

Die von Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1 (2) S[X.] erfassten anspruchsberechtigten Arbeitnehmer erhalten nach Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 S[X.] als Abfindung „eine Zahlung in Höhe eines fiktiven Differenzbetrages“. Zu diesem heißt es unter Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 S[X.]:

        

„Für jeden Arbeitnehmer werden die [X.]ezugsgrößen

        

(1)     

Datum des regulären Renteneintritts,

        

(2)     

Datum des frühestmöglichen Renteneintritts,

        

(3)     

85 % des [X.]ruttojahresgehalts ([X.]ruttomonatsgehalt x 12),

        

(4)     

fiktiver Arbeitslosengeldanspruch (ALG Monat x [X.]ezugsdauer, pauschal ermittelt),

        

(5)     

Anzahl Jahre zwischen rechtlicher [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und regulärem Renteneintritt (Volle Monate : 12 mit zwei Nachkommastellen),

        

(6)     

Anzahl Jahre zwischen dem frühestmöglichen Renteneintritt und dem regulären Renteneintritt (Volle Monate : 12 mit zwei Nachkommastellen),

        

(7)     

Anzahl Jahre zwischen rechtlicher [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und frühestmöglichem Renteneintritt (Volle Monate : 12 mit zwei Nachkommastellen),

        

[…]     

        
        

Die [X.]erechnungsformel des fiktiven Differenzbetrages lautet:

        

85 % des [X.]ruttojahresgehalts x Anzahl Jahre zwischen rechtlicher [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und frühestmöglichen Renteneintritts abzügl. fiktiver Arbeitslosengeldanspruch ((3) x (7) - (4))

        

[X.] 

        

Anzahl Jahre zwischen dem frühestmöglichen Renteneintritt und dem regulären Renteneintritt x 12 x 230 [X.] ((6) x 12 x 230 [X.])

        

[X.] 

        

eines pauschalen Abfindungsbetrags für anerkannte Schwerbehinderte (Gd[X.] mind. 50 %) und Gleichgestellte (Gd[X.] mind. 30 % und [X.]) in Höhe von 1.000,00 [X.] für jede im Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs festgestellte und der [X.] zu diesem Zeitpunkt nachgewiesene volle 10 % Gd[X.].

        

Die maßgeblichen [X.]erte und [X.]erechnungen für die einzelnen Arbeitnehmer ergeben sich aus der als ANLAGE 5 beigefügten Tabelle.

        

…“    

5

Die nach Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.6 S[X.] in der „Höchstsumme … pro Arbeitnehmer“ auf einen Maximalbetrag iHv. 100.000,00 Euro begrenzten Sozialplanleistungen sind nach Abschn. [X.] § 4 Abs. 1 Satz 1 S[X.] frühestens „zum Zeitpunkt der rechtlichen [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses … fällig“. Nach Abschn. [X.] § 7 Satz 1 S[X.] müssen „Ansprüche aus diesem Sozialplan … binnen einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich jeweils bei der anderen [X.] geltend gemacht werden“.

6

Die [X.]eklagte ermittelte für den unter Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1 (2) S[X.] fallenden Kläger unter [X.]erücksichtigung des pauschalen Abfindungsbetrags für anerkannte Schwerbehinderte iHv. 5.000,00 Euro iSv. Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 S[X.] und eines frühestmöglichen Renteneintritts nach § 236a Abs. 2 Satz 2 SG[X.] VI bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen eine Abfindung iHv. insgesamt [X.] Euro. [X.] der [X.]erechnung ein frühestmöglicher Rentenbeginn ohne Schwerbehinderung zugrunde, ergäbe sich für den Kläger unter [X.]erücksichtigung von Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.6 S[X.] eine Abfindung iHv. 100.000,00 Euro.

7

Der Kläger hat mit seiner der [X.] am 8. September 2017 zugestellten Klage die Zahlung des [X.] nebst Zinsen geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die Regelung in Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 S[X.] bewirke eine nicht gerechtfertigte [X.]enachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. [X.]ei der [X.]erechnung der Abfindung sei der [X.]ezugsgröße „frühestmöglicher Renteneintritt“ das frühestmögliche Renteneintrittsalter für nicht schwerbehinderte Menschen zugrunde zu legen.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von [X.]edeutung - beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an ihn 60.281,01 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf [X.]rozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit dem 1. April 2017 zu zahlen.

9

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Soweit für die Revision von [X.]edeutung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung des [X.] hat das [X.] ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die [X.]eklagte die [X.]iederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]eklagten ist - bis auf den titulierten Zinsanspruch - unbegründet. Das [X.] hat der Klage zu Recht stattgegeben. Es hat zutreffend angenommen, dass die in Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] geregelte Ausgestaltung der Sozialplanabfindung für schwerbehinderte Menschen wie den Kläger gegen § 75 Abs. 1 [X.]etrVG verstößt. Das führt dazu, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung in der geltend gemachten Höhe hat. Zinsen hierauf kann er allerdings erst ab dem 1. Juli 2017 beanspruchen.

I. Dem Kläger steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nach dem [X.] iVm. dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 [X.]etrVG zu.

1. Er unterfällt dem Geltungsbereich des [X.] und gehört zu den nach Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1 (2) [X.] anspruchsberechtigten Arbeitnehmern, deren Abfindung sich nach Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] berechnet. Darüber streiten die Parteien nicht.

2. Die in Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] niedergelegte [X.]erechnung der Sozialplanabfindung verstößt gegen § 75 Abs. 1 [X.]etrVG.

a) Sozialpläne unterliegen, wie andere [X.]etriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 [X.]etrVG, vereinbar sind. [X.]ei einer Entscheidung der Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans gilt kein anderer Prüfungsmaßstab. Die Einigungsstelle ist bei der Ermessensausübung nach § 76 Abs. 5 Satz 3 [X.]etrVG an die Grundsätze des § 75 Abs. 1 [X.]etrVG und im Fall der Aufstellung eines Sozialplans zudem an die Vorgaben des § 112 Abs. 5 [X.]etrVG gebunden ([X.]AG 6. Mai 2003 - 1 A[X.]R 11/02 - zu [X.] II 2 a der Gründe, [X.]AGE 106, 95).

b) Arbeitgeber und [X.]etriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 [X.]etrVG darüber zu wachen, dass jede [X.]enachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 [X.]etrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 [X.] geregelten [X.]enachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 [X.]etrVG übernommen. Die unterschiedliche [X.]ehandlung der [X.]etriebsangehörigen aus einem in § 1 [X.] genannten Grund ist daher nur unter den im [X.] normierten Voraussetzungen zulässig ([X.]AG 9. Dezember 2014 - 1 [X.] - Rn. 19, [X.]AGE 150, 136).

c) Hiervon ausgehend wird der Kläger durch die Regelungen zur Höhe der Abfindung in Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] entgegen den Vorgaben des § 75 Abs. 1 [X.]etrVG wegen seiner (Schwer-)[X.]ehinderung benachteiligt.

aa) Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.], wonach bei der [X.]erechnung des als Abfindung zu zahlenden fiktiven [X.] (in einem ersten Teil) auf den „frühestmöglichen Renteneintritt“ als eine die Höhe der Abfindung bestimmende [X.]ezugsgröße abgestellt wird, enthält eine mittelbar auf dem Kriterium der [X.]ehinderung beruhende Ungleichbehandlung.

(1) Der Senat hat bereits entschieden, dass eine in einem Sozialplan zur [X.]erechnung der Abfindung enthaltene [X.]estimmung, wonach die Abfindungshöhe für den Umfang der Absicherung auf den Zeitraum bis zum frühestmöglichen Wechsel der Arbeitnehmer in die gesetzliche Rente [X.]ezug nimmt, eine mittelbar auf dem Kriterium der [X.]ehinderung beruhende Ungleichbehandlung darstellt ([X.]AG 16. Juli 2019 - 1 [X.] 842/16 - Rn. 12; vgl. auch [X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 57 ff.). Denn schwerbehinderte Menschen können gemäß § 236a Abs. 1 Satz 2 SG[X.] VI zu einem früheren Zeitpunkt Altersrente vorzeitig in Anspruch nehmen als nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer. Auch die unter Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] niedergelegte Formel zur [X.]erechnung der Abfindung legt (in ihrem ersten Teil) einen Faktor zugrunde, dessen Höhe sich nach dem [X.] zwischen der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und dem „frühestmöglichen Renteneintritt“ bestimmt.

(2) Ob mit der Regelung andere Arbeitnehmer - wie vor dem 1. Januar 1952 geborene Frauen (vgl. § 237a Abs. 1 SG[X.] VI) oder besonders langjährig Versicherte (§ 38 SG[X.] VI) - ebenso benachteiligt sind, ist für die Frage der [X.]enachteiligung des Klägers ohne [X.]edeutung. Die (mittelbare) [X.]enachteiligung weiterer [X.]eschäftigtengruppen lässt die mittelbare [X.]enachteiligung einer bestimmten [X.]eschäftigtengruppe - hier: schwerbehinderter Arbeitnehmer - nicht entfallen. Die Ungleichbehandlung folgt aus dem gesetzlich unterschiedlich geregelten Lebensalter des frühestmöglichen Renteneintritts im Sinn einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente. Sie ist damit normativ vorgegeben. Auf die Annahme des [X.]s, es sei mangels hinreichenden [X.]estreitens davon auszugehen, die [X.]estimmung des Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] treffe im [X.]etrieb der [X.]eklagten nur Schwerbehinderte (und nicht auch andere Arbeitnehmer), kommt es damit ebenso wenig an wie auf die dagegen erhobenen Verfahrensrügen der [X.]eklagten.

(3) Der Senat hat weiter im [X.] an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 61 f.) bereits entschieden, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer und nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer in [X.]ezug auf die durch die [X.]etriebsschließung verursachten wirtschaftlichen Nachteile in einer vergleichbaren Situation sind. Ihr Arbeitsverhältnis mit ihrem Arbeitgeber endet aus demselben Grund und unter denselben Voraussetzungen ([X.]AG 16. Juli 2019 - 1 [X.] 842/16 - Rn. 13; krit. [X.]. [X.] [X.]etrVG 1972 § 112 Nr. 232).

[X.]) Die durch Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] bedingte [X.]enachteiligung schwerbehinderter Menschen ist nicht gerechtfertigt.

(1) Zwar ist eine [X.]erechnung der Abfindungshöhe wie hier im Sozialplan vorgesehen grundsätzlich von einem legitimen Ziel getragen. Denn damit soll entsprechend dem zukunftsgerichteten Entschädigungscharakter von Abfindungen den von der [X.]etriebsschließung betroffenen Arbeitnehmern ein pauschalierter Ausgleich für das bis zum frühestmöglichen Renteneintritt entfallende Arbeitsentgelt bei gleichzeitiger [X.]erücksichtigung der begrenzten [X.] gewährt werden. Damit dient die Regelung einem legitimen Ziel, ohne dass dieses im Sozialplan ausdrücklich benannt werden muss ([X.]AG 16. Juli 2019 - 1 [X.] 842/16 - Rn. 16 f.). Auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] stellt die Gewährung eines Ausgleichs für die Zukunft entsprechend den [X.]edürfnissen der betroffenen Arbeitnehmer, die der Notwendigkeit der für einen Sozialplan nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel Rechnung trägt, ein rechtmäßiges Ziel dar (vgl. [X.] 19. September 2018 - [X.]/17 - [[X.]edi] Rn. 61; 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 40 ff., 68).

(2) Die Regelung geht jedoch über das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche hinaus.

(a) Durch das undifferenzierte Abstellen auf den „frühestmöglichen“ Wechsel in die gesetzliche Rente wird die durch dieses neutrale Kriterium bewirkte Ungleichbehandlung zum einen nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt, die nichts mit der [X.]ehinderung zu tun haben (vgl. [X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 67). Zum anderen führt dieses Tatbestandsmerkmal zu einer übermäßigen [X.]eeinträchtigung der legitimen Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer, da die [X.]etriebsparteien damit zur [X.]egrenzung der Höhe der diesen Arbeitnehmern zu zahlenden Abfindung an einen sozialversicherungsrechtlichen Vorteil anknüpfen, dessen Daseinsberechtigung gerade den Schwierigkeiten und den besonderen Risiken Rechnung tragen soll, mit denen schwerbehinderte Arbeitnehmer konfrontiert sind (vgl. [X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] aaO).

(b) Dem Risiko schwerbehinderter Menschen ist nicht deshalb - zur Wahrung der Erforderlichkeit - Rechnung getragen, weil nach der [X.]erechnungsformel des Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] in die Ermittlung des als Abfindung zu zahlenden fiktiven [X.] noch zwei weitere - jeweils mit „[X.]“ ausgedrückte - Teilbeträge (ein sog. [X.] sowie ein Pauschbetrag für Schwerbehinderte) einfließen.

(aa) Schwerbehinderte Personen haben spezifische [X.]edürfnisse im Zusammenhang sowohl mit dem Schutz, den ihr Zustand erfordert, als auch mit der Notwendigkeit, dessen mögliche Verschlechterung zu berücksichtigen. Daher ist dem Risiko Rechnung zu tragen, dass Schwerbehinderte unabweisbaren finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer [X.]ehinderung ausgesetzt sind und/oder dass sich ihre finanziellen Aufwendungen mit zunehmendem Alter erhöhen ([X.] 19. September 2018 - [X.]/17 - [[X.]edi] Rn. 75; vgl. auch [X.] 6. Dezember 2012 - [X.]/11 - [[X.]] Rn. 69).

([X.]) Insoweit sind die zwei Teilbeträge nicht geeignet, den Nachteil beim Abstellen auf den „frühestmöglichen Renteneintritt“ auszugleichen. Es kann daher dahinstehen, ob die Verfahrensrüge der [X.]eklagten, das [X.] habe in diesem Zusammenhang ihren Sachvortrag übergangen und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, zulässig und begründet wäre.

([X.]) Das gilt für den sog. [X.] - berechnet nach der Formel „Anzahl Jahre zwischen dem frühestmöglichen Renteneintritt und dem regulären Renteneintritt x 12 x 230 [X.]“ - bereits deshalb, weil auf ihn nicht nur schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch haben. Eine mit ihm bewirkte Kompensation etwaiger Nachteile der Schwerbehinderten gegenüber nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern scheidet aus.

([X.]b) Auch der pauschale Schwerbehindertenzuschlag ist zum Ausgleich der mit dem Rechenansatz „frühestmöglicher Renteneintritt“ für schwerbehinderte Arbeitnehmer bewirkten [X.]enachteiligung ungeeignet. Abgesehen davon, dass bei seiner [X.]erücksichtigung eine ggf. aus anderen Gründen geregelte unmittelbare [X.]evorzugung Schwerbehinderter zur Rechtfertigung deren mittelbarer [X.]enachteiligung herangezogen würde, erweist er sich bereits der Höhe nach als zur Kompensation untauglich. Die vorgesehene pauschale Erhöhung des [X.] iHv. 1.000,00 [X.] für je 10 Gd[X.] - mithin maximal 10.000,00 [X.] (für den Kläger iHv. 5.000,00 [X.]) - vermag die Nachteile der Anknüpfung an den frühestmöglichen Renteneintritt nicht ansatzweise zu kompensieren. Einem maximalen Zuschlag von 10.000,00 [X.] steht ein mindestens zwei Jahre eher liegender frühestmöglicher Renteneintritt - mithin ein [X.]etrag iHv. 1,7 (= 2 x 0,85) [X.]ruttojahresgehältern - gegenüber.

d) Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] verstößt damit gegen § 75 Abs. 1 [X.]etrVG, weil die Regelung eine [X.]enachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer bewirkt. Der Einwand der Revision, die Argumentation des Senats in seiner Entscheidung vom 16. Juli 2019 (- 1 [X.] 537/17 -) zu einer mittelbaren [X.]enachteiligung schwerbehinderter Arbeitnehmer, wenn eine kollektivrechtlich begründete Abfindung in der Höhe maßgebend vom „frühestmöglichen Renteneintritt“ beeinflusst werde, betreffe (allein) einen [X.], verfängt nicht. Er vernachlässigt bereits, dass der Senat in einer weiteren Entscheidung vom selben Tag für einen (den [X.] in [X.]ezug nehmenden) Sozialplan nichts anderes angenommen hat ([X.]AG 16. Juli 2019 - 1 [X.] 842/16 -). Im Übrigen sind - wie bereits ausgeführt - die [X.]etriebsparteien gemäß § 75 Abs. 1 [X.]etrVG an die Grundsätze von Recht und [X.]illigkeit sowie an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Das gilt ebenso für die Einigungsstelle. Insofern ist auch nicht zwischen Sozialplänen aufgrund freiwilliger Einigung und solchen, die auf Spruch der Einigungsstelle beruhen, zu differenzieren. Die Revision verkennt, dass mit den Vorgaben von § 112 Abs. 5 [X.]etrVG zusätzliche - die allgemeine Abwägungsklausel des § 76 Abs. 5 Satz 3 [X.]etrVG konkretisierende - und keine die rechtlichen Maßstäbe des § 75 Abs. 1 [X.]etrVG relativierenden Grundsätze aufgestellt sind.

3. Der Verstoß der Sozialplanbestimmung gegen § 75 Abs. 1 [X.]etrVG bewirkt, dass dem benachteiligten Arbeitnehmer für die Vergangenheit ein Anspruch auf die vorenthaltene Leistung zuzuerkennen ist (sog. „Anpassung nach oben“). Den Angehörigen der mittelbar benachteiligten Gruppe sind dieselben Vorteile zu gewähren wie den nicht benachteiligten Arbeitnehmern. Kann der Arbeitgeber - wie vorliegend - den [X.]egünstigten für die Vergangenheit die gewährten Leistungen nicht mehr entziehen, ist eine solche zur [X.]eseitigung der Diskriminierung erforderliche „Anpassung nach oben“ selbst dann gerechtfertigt, wenn sie zu erheblichen finanziellen [X.]elastungen des Arbeitgebers führt (vgl. [X.]AG 18. Februar 2016 - 6 [X.] 700/14 - Rn. 32, [X.]AGE 154, 118). Die Regelungen des Abschn. [X.] § 2 Ziff. 1.2.1 [X.] sind daher so anzuwenden, wie sie für vergleichbare nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer gegolten hätten (vgl. [X.]AG 16. Juli 2019 - 1 [X.] 842/16 - Rn. 21). Das begründet die Zahlung einer Abfindung, bei deren [X.]erechnung der frühestmögliche Renteneintritt zugrunde zu legen ist, der für den Kläger gölte, wenn er nicht schwerbehindert wäre. Im Hinblick auf die im [X.] begrenzte Höchstsumme der Abfindung wären das - insoweit besteht kein Streit der Parteien - 100.000,00 [X.] brutto, so dass unter [X.]erücksichtigung der gewährten Abfindung die Klageforderung besteht.

4. Der Anspruch ist nicht verfallen; der Kläger hat die Ausschlussfrist nach Abschn. [X.] § 7 [X.] mit der der [X.]eklagten am 8. September 2017 zugestellten Klageschrift gewahrt.

II. Zinsen kann der Kläger im Hinblick auf die Fälligkeitsbestimmung von Abschn. [X.] § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 iVm. Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 [X.]G[X.] erst ab dem 1. Juli 2017 verlangen.

        

    Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    H. Schwitzer    

        

    Rose    

                 

Meta

1 AZR 590/18

28.07.2020

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 17. Januar 2018, Az: 9 Ca 5075/17, Urteil

§ 75 Abs 1 BetrVG, § 1 AGG, § 236a Abs 1 S 2 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.07.2020, Az. 1 AZR 590/18 (REWIS RS 2020, 442)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 442


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 Sa 150/18

Landesarbeitsgericht Köln, 6 Sa 150/18, 13.09.2018.


Az. 1 AZR 590/18

Bundesarbeitsgericht, 1 AZR 590/18, 28.07.2020.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 AZR 842/16 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplanabfindung - Benachteiligung wegen des Alters - mittelbare Benachteiligung wegen Behinderung - Verzicht


1 AZR 129/21 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplan - Zusatzbetrag für schwerbehinderte Arbeitnehmer


1 AZR 938/13 (Bundesarbeitsgericht)

Sozialplanabfindung - Benachteiligung wegen Behinderung


1 AZR 787/16 (Bundesarbeitsgericht)

Streitgegenstand - Abfindungsanspruch


1 AZR 537/17 (Bundesarbeitsgericht)

Unzulässiges Teilurteil - Abfindungsanspruch - mittelbare Benachteiligung wegen Behinderung


Referenzen
Wird zitiert von

3 Sa 393/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.