Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 212/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2498

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Gegenstand

Einschleusen von Ausländern: Grundsatzes der limitierten Akzessorietät; Vorsatzerfordernisse bei den Geschleusten; Anforderungen an die Beweiswürdigung bei geschleusten Kindern und Jugendlichen


Leitsatz

Zur Schleusung von Kindern und Jugendlichen.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2017, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; die Feststellungen haben mit Ausnahme der zur subjektiven Tatseite der minderjährigen geschleusten Personen getroffenen Feststellungen Bestand.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „[X.]“ in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Wegen weiterer Anklagevorwürfe, wonach er auch an gleichgelagerten Taten des Mitangeklagten beteiligt gewesen sein soll, hat es ihn freigesprochen. Die Auslieferungshaft in [X.] hat es im Verhältnis 1:1 auf die Strafe angerechnet. Mit seiner Revision macht der Angeklagte ein Verfahrenshindernis geltend und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

[X.]

2

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Zu einem nicht näher feststellbaren [X.]punkt vor dem 18. Juli 2015 fasste der [X.] Angeklagte den Entschluss, sich eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen, indem er wiederholt sichtvermerkspflichtigen Drittausländern gegen ein Entgelt dazu verhalf, von [X.] über [X.] unerlaubt in das [X.] einzureisen. Die Drittausländer syrischer und [X.] Herkunft zahlten für ihren Transport in Fahrzeugen zwischen 400 Euro und 600 Euro pro Person, für Kinder in Einzelfällen die Hälfte. Teilweise hatten die Drittausländer bereits in ihren Herkunftsländern eine Gesamtzahlung für die Schleusung nach [X.] an arabischstämmige Personen erbracht, die den Angeklagten für den Transport der Flüchtlinge von [X.] bis in die [X.] vergüteten. Den Fahrern der Transportfahrzeuge versprach der Angeklagte seinerseits zwischen 250 Euro und 1.200 Euro pro Fahrt.

4

Den beförderten Drittausländern - wobei das [X.] Kinder unter sieben Jahren als nicht handlungsfähig angesehen hat - war bewusst, dass sie nicht über die für eine Einreise und einen Aufenthalt in der [X.] erforderlichen Dokumente verfügten. Dies wusste auch der Angeklagte, dem darüber hinaus die Transportbedingungen bekannt waren. Bei fünf Fahrten wurden die Drittausländer ungesichert auf den Ladeflächen eines Lastkraftwagens und von Kleintransportern befördert. Dass es daher schon bei einfachen Gefahrbremsungen zu schweren Verletzungen und auch zum Tod zumindest einzelner der ungesichert beförderten Personen hätte kommen können, war dem Angeklagten bewusst und gleichgültig. Die Anzahl der jeweils beförderten Personen nahm er zumindest billigend in Kauf.

5

In der [X.] zwischen dem 18. Juli 2015 und dem 25. August 2015 leistete der Angeklagte in sechs Fällen [X.] und [X.] Staatsangehörigen Hilfe bei ihrer unerlaubten Einreise in die [X.], indem er Fahrer für den Transport anwarb und diesen die dafür vorgesehenen Fahrzeuge in [X.] zur Verfügung stellte. Im Fall 1 der Urteilsgründe transportierte der Fahrer insgesamt dreizehn syrische Staatsangehörige - darunter vier Kinder im Alter von unter sieben Jahren - in einem Personenkraftwagen [X.]. Das Fahrzeug verfügte in drei Sitzreihen über insgesamt sechs Sitzplätze mit Rückhaltesystemen. In vier weiteren Fällen wurden zwischen 20 und 28 syrische und [X.] Drittausländer - neben noch nicht sieben Jahre alten Kindern gleicher Staatsangehörigkeiten - in Kleintransportern auf deren Ladeflächen mit einer Größe von etwa sechs Quadratmetern transportiert. Trotz der erheblichen Fahrtdauer machte der Fahrer nur im Fall 3 eine zehnminütige Pause, ohne dass allerdings die geschleusten Personen hierbei den Laderaum verlassen durften. Zuletzt beförderte ein Fahrer mit einem Lastkraftwagen neben sechs [X.] Kindern im Alter von unter sieben Jahren weitere 33 [X.] Staatsangehörige in einem fensterlosen Aufbau, der an den Seitenwänden nur mit einer blauen Plane ausgeschlagen war. Die Fahrzeuge wurden jeweils grenznah auf dem Staatsgebiet der [X.] [X.] polizeilich kontrolliert.

6

2. Das [X.] hat das Vorgehen des Angeklagten als gewerbsmäßiges und die [X.] einer das Leben gefährdenden Behandlung aussetzendes Einschleusen von Ausländern in sechs Fällen gewertet (§ 96 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 5 [X.]). In fünf Fällen hat sie der Angeklagte nach Ansicht des [X.]s zugleich einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt.

I[X.]

7

Ein Verfahrenshindernis liegt entgegen den Ausführungen der Revision nicht vor. Die Anklage wahrt die ihr zukommende Umgrenzungsfunktion. Die prozessualen Taten im Sinne von § 264 StPO, auf die sich der Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft erstreckt, sind eindeutig zu identifizieren. Der konkrete Anklagesatz nennt die [X.], die geschleusten Personen (soweit bekannt), die Namen der Fahrer und die Tatfahrzeuge mitsamt amtlichen Kennzeichen.

II[X.]

8

1. Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung auf die Sachrüge des Angeklagten stand. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe zwei und im Übrigen jeweils drei Qualifikationstatbestände (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 29. November 2011 - 3 [X.], [X.], 124; [X.] [X.]/Hohoff, [X.]., § 96 [X.] Rn. 15; [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 [X.] Rn. 14; [X.] in [X.], Ausländerrecht, 2. Aufl., § 96 [X.] Rn. 55) des § 96 Abs. 2 [X.] verwirklicht hat. Als [X.] liegen unerlaubte Einreisen nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vor, zu denen der Angeklagte unter Verwirklichung der Schleusermerkmale des § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) [X.] Hilfe geleistet hat.

9

a) Das [X.] hat sich seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung gebildet, bei der es das - nicht der Justiz anzulastende - fehlende Konfrontationsrecht der Verteidigung gegenüber Belastungszeugen ausreichend bedacht und die Beweise „besonders sorgfältig“ gewürdigt hat (vgl. zu den Anforderungen etwa [X.], Urteil vom 4. Mai 2017 - 3 [X.], [X.], 51, 52 ff. [X.] auch zur Rechtsprechung des [X.]). Wesentliche Bedeutung durfte es dabei der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten zur Übergabe von zwei [X.] beimessen. Nicht zu beanstanden ist auch die näher begründete Schlussfolgerung des [X.]s, dass der Angeklagte bereits bei der ersten „Schleusung“ gewerbsmäßig handelte (§ 96 Abs. 2 Nr. 1 [X.]; mit Wirkung vom 1. August 2018: § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]).

b) Den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist des Weiteren zu entnehmen, dass die geschleusten Personen einer das Leben gefährdenden Behandlung ausgesetzt wurden (§ 96 Abs. 2 Nr. 5 [X.]). Der [X.] setzt ebenso wenig wie § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB voraus, dass eine konkrete Lebensgefahr eingetreten ist (vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 36; [X.] [X.]/Hohoff, [X.]., § 96 [X.] Rn. 20; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 96 [X.] Rn. 59). Er ist nicht nur in den „Ladeflächenfällen“, sondern auch im Fall 1 der Urteilsgründe erfüllt, in dem die geschleusten Personen in einem Personenkraftwagen transportiert wurden. Dieses Fahrzeug verfügte nicht über eine ausreichende Anzahl an Sitzen und Rückhaltevorrichtungen für die geschleusten Personen. Allerdings genügt das bloße Fehlen von Rückhaltesystemen nicht stets, um bereits eine Lebensgefahr durch die Schleusung zu begründen. Hier rechtfertigt aber die Gesamtheit der im Fall 1 festgestellten Umstände diese Annahme. So war das Fahrzeug mit einer Vielzahl von Personen, die sich in sehr beengten Verhältnissen aufhielten, überbesetzt und zudem überladen. Die vom [X.] festgestellte Fahrtzeit von etwa vier Stunden für die Strecke von [X.] nach [X.] belegt hohe Geschwindigkeiten des Fahrzeugs, so dass bei einer Gefahrbremsung, einem Ausweichmanöver und erst recht bei einer Kollision lebensgefährliche Verletzungen drohten. Dies gilt nicht nur für die ungesicherten Personen, sondern aufgrund des drohenden Zusammenpralls mit diesen oder mit Gegenständen auch für die angeschnallten [X.].

Eine Einwilligung der geschleusten Personen konnte - sollte der [X.] nicht ohnehin (auch) Gemeininteressen schützen (vgl. BT-Drucks. 15/420, [X.]; [X.], [X.] 2001, 171, 175) - selbst ohne konkrete Todesgefahr nach den festgestellten, die Sittenwidrigkeit der Taten begründenden Gesamtumständen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 20. Februar 2013 - 1 StR 585/12, [X.]St 58, 140, 144 ff. Rn. 10 ff.) keine rechtfertigende Wirkung entfalten. Dafür spricht auch die Gesetzessystematik. Denn bei der ebenso in § 96 Abs. 2 Nr. 5 [X.] geregelten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung vermag die Einwilligung der [X.] angesichts der geschützten Menschenwürde ein tatbestandsmäßiges Handeln des Schleusers nicht zu rechtfertigen (vgl. zutreffend [X.], Ausländerrecht [Stand: August 2012], § 96 [X.] Rn. 34).

c) Auch die Qualifikation einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach § 96 Abs. 2 Nr. 5 [X.] hat das [X.] rechtsfehlerfrei bejaht. Insbesondere hat es ausreichende Feststellungen getroffen, die eine erniedrigende Behandlung belegen. Eine solche liegt vor, wenn sie beim [X.] Gefühle der Angst, Ohnmacht und Minderwertigkeit erzeugt und er so herabgewürdigt und gedemütigt wird (vgl. [X.] in [X.], Ausländerrecht, 2. Aufl., § 96 [X.] Rn. 71; [X.], Ausländerrecht [Stand: August 2012], § 96 [X.] Rn. 34). Seine Wertung, dass die [X.] demgemäß in den Fällen 2 bis 6 der Urteilsgründe „wie Vieh oder Stückgut“ ([X.]) transportiert wurden, hat das [X.] ohne Rechtsfehler mit den Fahrtzeiten zwischen etwa vier und acht Stunden ohne die Möglichkeit zum Toilettengang und unter äußerst beengten räumlichen Verhältnissen begründet (vgl. auch MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 37).

2. Hingegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben. Denn das [X.] hat der Strafzumessung einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt. Es hat straferschwerend jeweils auf die Anzahl der geschleusten Personen abgestellt (vgl. [X.]), die es nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat. Die Urteilsgründe belegen insbesondere nicht, dass die vom [X.] zu den Haupttätern gezählten minderjährigen Personen ab einem Alter von sieben Jahren vorsätzlich handelten. Aufgrund der weiteren [X.] von [X.], die der Angeklagte in sechs Fällen gefördert hat (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 27 Rn. 31 [X.]), bleibt der Schuldspruch hiervon unberührt. Über diesen ist wegen des eigenständigen Charakters einer jeden Haupttat keine nochmalige tatrichterliche Entscheidung erforderlich (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 4 StR 455/11, juris Rn. 7).

a) Durch die Strafvorschrift des § 96 Abs. 1 [X.] werden nach den allgemeinen Regeln (§§ 26, 27 StGB) strafbare Teilnahmehandlungen an den in § 96 Abs. 1 [X.] in Bezug genommenen Taten nach § 95 [X.] zu selbständigen, in Täterschaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft, wenn der Teilnehmer zugleich eines der in § 96 Abs. 1 [X.] geregelten Schleusermerkmale erfüllt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2012 - 4 StR 144/12, [X.], 483 und vom 30. Mai 2013 - 5 StR 130/13, [X.]St 58, 262, 265 f. Rn. 9; Urteil vom 11. Juli 2003 - 2 StR 31/03, [X.], 45; vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 2). Trotz dieser tatbestandlichen Verselbständigung zur Täterschaft gelten für die Tathandlungen des § 96 Abs. 1 [X.] die allgemeinen Regeln der Teilnahme einschließlich des Grundsatzes der limitierten Akzessorietät (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2017 - 5 [X.], [X.]St 62, 85, 89 f. Rn. 18; Beschluss vom 13. Januar 2015 - 4 [X.], [X.], 399, 400; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze [Stand: Juli 2014], § 96 [X.] Rn. 3; Schott, Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., [X.]). Die Strafbarkeit wegen vollendeten [X.] setzt daher das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat des [X.] voraus.

b) Das jugendliche - und erst recht ein geringeres - Alter und die Unreife des [X.] können gegen eine Vorsatztat sprechen (vgl. [X.], Urteile vom 13. Januar 2005 - 4 [X.] Rn. 22 und vom 3. Februar 2005 - 4 [X.], [X.] 2005, 205; [X.]/Dölling, [X.], 13. Aufl., § 3 Rn. 19; [X.], [X.], 20. Aufl., § 3 Rn. 31). Auch die Wertungen von § 3 [X.], § 19 StGB sprechen dafür, den [X.] von [X.] und erst recht von Kindern kritisch zu prüfen. Die pauschale Beweiswürdigung des [X.]s, die allein auf der Kenntnis erwachsener Zeugen von fehlenden Pässen und Genehmigungen für die Einreise nach [X.] und auf den inakzeptablen Transportbedingungen gründet, genügt daher für die minderjährigen [X.] den rechtlichen Anforderungen nicht. Bei [X.] (§ 1 Abs. 2 [X.]) liegt es zwar keineswegs fern, dass der subjektive Tatbestand der unerlaubten Einreise zu bejahen ist (vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 31. März 2003 - 4 [X.] 18/2003, [X.], 275, 276). Der Tatrichter muss aber zumindest - was hier nicht geschehen ist - begründen, weshalb auch das jugendliche Alter der ihm obliegenden Überzeugungsbildung nicht entgegensteht.

Weitergehende Anforderungen an die Beweiswürdigung sind bei den geschleusten Kindern zu stellen. Dass etwa sieben- oder achtjährige syrische und [X.] Kinder, wie sie sich nach den Feststellungen des [X.]s in den Fällen 1, 2 und 4 bis 6 der Urteilsgründe in den Transportfahrzeugen befanden, den Tatbestand der unerlaubten Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.] vorsätzlich verwirklichen, bedarf näherer und individueller Begründung. Denn aufgrund ihres divergierenden Entwicklungsstands ist zweifelhaft, ob den Kindern schon das Passieren der Staatsgrenze der [X.] [X.], jedenfalls aber der Umstand einer Schleusung bewusst war. Die vom [X.] gezogenen Schlussfolgerungen gehen daher für den subjektiven Tatbestand der von ihm als Haupttäter angesehenen Kinder nicht über eine reine Vermutung hinaus.

Im Fall 3 der Urteilsgründe hat das [X.] zwar festgestellt, dass - über fünf noch nicht siebenjährige Kinder hinaus - nur vorsätzlich handelnde erwachsene Personen unerlaubt eingereist seien ([X.]). Hierbei kann es aber ebenfalls nicht verbleiben, denn in seiner Beweiswürdigung stellt das [X.] auf die „über 7-jährigen Beteiligten“ ab ([X.]). Zumal eine gesicherte Altersfeststellung nicht vorlag ([X.]), bleibt mithin unklar, ob sich neben den erwachsenen Zeugen A.    und [X.]    unter den als Haupttätern eingeordneten 28 Personen - wie in den anderen Fällen - Minderjährige befanden. Daher ist aus den genannten Gründen eine neue Prüfung des Alters und insbesondere des [X.]es der nicht namentlich genannten 26 Drittausländer veranlasst. Ob die weitere Annahme des [X.]s rechtsfehlerfrei ist, dass Kinder unter sieben Jahren schon deshalb als Haupttäter ausscheiden, weil sie „nicht handlungsfähig seien“ (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. März 2003 - 4 [X.] 18/2003, [X.], 275, 276; [X.]/[X.], NJW 1999, 2137, 2143; kritisch [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., [X.]. zu §§ 96 f. Rn. 11), braucht der [X.] nicht zu entscheiden. Denn hierdurch ist der Angeklagte nicht beschwert.

c) Das Problem der schwer zu belegenden Vorsatzerfordernisse bei den [X.] (insbesondere minderjährigen Personen) ist Folge des gesetzgeberischen Konzepts der sog. limitierten Akzessorität, auch im Rahmen von § 96 Abs. 2 Satz 2 nF [X.] (vgl. dazu BT-Drucks. 19/2438, [X.]). Es ließe sich durch die Schaffung eines eigenständigen Tatbestands sachgerecht vermeiden. Denn der Schuldumfang des [X.] wird maßgeblich von der geförderten Zahl der [X.] mitbestimmt. Soweit - wie hier bei den mindestens siebenjährigen Kindern - eine (zurücktretende) Versuchsstrafbarkeit des Angeklagten nach § 96 Abs. 3 [X.] in Betracht kommt, ist eine solche von gemindertem [X.]. Dasselbe würde gelten, sollte - was der Gesetzessystematik allerdings fremd wäre - die Hilfe „zugunsten mehrerer Ausländer“ nur einen Haupttäter erfordern und zugleich auch andere Personen erfassen (vgl. dazu MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 19; [X.] in [X.]/Hund/Maaßen, [X.], 2. Aufl., § 10 Rn. 37; Aurnhammer, Spezielles Ausländerstrafrecht, S. 158 f.). Das [X.] hat demgemäß zutreffend in erster Linie straferschwerend auf die große Anzahl der vom Angeklagten unterstützten Haupttäter abgestellt. Diese hat es jedoch - wie aufgezeigt - nicht ohne Rechtsfehler bestimmt.

d) Hierauf beruht das Urteil (§ 337 StPO). Das Ausmaß der tatbestandsmäßigen [X.] ist ein zentraler Punkt der Strafzumessung [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 588). Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] mildere Einzelstrafen und eine mildere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn es nur eine geringere Anzahl betroffener Personen hätte berücksichtigen können.

Der neue Tatrichter wird in den Fällen 1, 2 und 4 bis 6 der Urteilsgründe bei den minderjährigen [X.] über den subjektiven Tatbestand der unerlaubten Einreise zu entscheiden haben, soweit nicht Beschränkungen nach § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO erfolgen. Im Fall 3 der Urteilsgründe ist ebenfalls über den [X.] der (neben den erwachsenen Zeugen und den noch nicht siebenjährigen Kindern) eingereisten Personen neu zu befinden. Hierbei ist umso größere Sorgfalt aufzuwenden, je jünger diese Personen nach den ergänzenden Feststellungen des neuen Tatrichters sind.

Raum     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Bär     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 212/18

24.10.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Passau, 17. Oktober 2017, Az: 1 KLs 15 Js 19940/15

§ 95 Abs 1 Nr 3 AufenthG, § 96 Abs 1 AufenthG, § 25 StGB, § 26 StGB, § 27 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO, § 1 Abs 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 212/18 (REWIS RS 2018, 2498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2498

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