Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.09.2022, Az. VIII B 65/21

8. Senat | REWIS RS 2022, 5206

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Gegenstand

Fortgeltung einer Empfangsvollmacht nach Ausscheiden eines Gesellschafters


Leitsatz

NV: Es ist nicht klärungsbedürftig, sondern ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 183 Abs. 3 AO, dass im Fall einer nach § 183 Abs. 1 Satz 1 AO erteilten Empfangsvollmacht die Bekanntgabe von (geänderten) Gewinnfeststellungsbescheiden an den bestellten Bevollmächtigten nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters solange auch diesem gegenüber wirksam ist, bis der ausgeschiedene Gesellschafter oder der Empfangsbevollmächtigte die Empfangsvollmacht gegenüber dem Finanzamt widerruft.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 19.04.2021 - 8 K 386/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die Voraussetzungen des vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten [X.]ulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) sind nicht erfüllt.

3

1. Das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) wurde dem Kläger am 23.04.2021 zugestellt, sodass die Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 [X.]O mit Ablauf des 23.06.2021 ablief. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 22.06.2021 zwei Fragen aufwirft, denen er grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O beimisst, sind diese innerhalb der [X.] geltend gemacht worden. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 30.08.2021 zwei weitere Fragen von "allgemeine(r)" (wohl gemeint: grundsätzlicher) Bedeutung formuliert, ist dies nicht der Fall. Die im Schriftsatz vom 30.08.2021 aufgeworfenen Rechtsfragen sind danach nicht zu berücksichtigen. Im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde können nach Ablauf der Begründungsfrist keine weiteren [X.]ulassungsgründe nachgeschoben werden. Maßgeblich ist vielmehr --abgesehen von schlichten Erläuterungen bzw. die [X.] unberührt lassenden Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens-- der Inhalt der innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Beschwerdeschrift (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss des [X.] --BF[X.]-- vom 11.01.2016 - X B 153/14, [X.], 928, Rz 17). Die weiteren Fragen im Schriftsatz vom 30.08.2021 stellen sich nicht lediglich als eine Ergänzung der fristgerecht vorgebrachten Rechtsfragen, sondern als neues Vorbringen dar.

4

2. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

5

a) Die erste vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage lautet, ob die positive Kenntnis des [X.] vom Ausscheiden eines Gesellschafters eine möglicherweise bestehende Duldungsvollmacht beseitigt‚ die dadurch entstanden ist, dass in der Vergangenheit Feststellungsbescheide an einen Mitgesellschafter geschickt wurden. Diese Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, da sie nicht klärungsbedürftig ist.

6

An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das [X.] in seiner Entscheidung getan hat (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. [X.] vom 05.12.2016 - X B 91/16, [X.], 287, Rz 11; vom 25.08.2020 - VI B 1/20, [X.], 13, Rz 4; vom 07.12.2021 - XI B 11/21, [X.], 355, Rz 9).

7

Dies ist hier der Fall. Es ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 183 Abs. 3 der Abgabenordnung ([X.]) --und der Rechtsprechung des BF[X.]--, dass im Falle einer nach § 183 Abs. 1 Satz 1 [X.] erteilten [X.] --wie im [X.] die Bekanntgabe (geänderter) [X.] an den bestellten Bevollmächtigten auch nach Ausscheiden eines Gesellschafters (ungeachtet der Regelung in § 183 Abs. 2 [X.]) wirksam ist, solange der [X.] die [X.] --wie im [X.] gegenüber dem zuständigen Finanzamt nicht widerruft (vgl. z.B. BF[X.]-Urteile vom 28.03.2000 - VIII R 6/99, [X.], 1074, unter II.2.c; vom 07.02.1995 - IX R 3/93, [X.], 22, [X.] 1995, 357, unter 2.).

8

b) Ferner wirft der Kläger als weitere Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsfrage auf, ob in der Mitteilung des Ausscheidens aus einer Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt ein konkludenter Widerruf einer etwaigen Duldungsvollmacht zu sehen ist. Diese Frage ist --bei [X.]weifeln, ob es sich überhaupt um eine abstrakte und keine einzelfallbezogene Rechtsfrage handelt--, im Streitfall nicht entscheidungserheblich und danach in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie hat deshalb ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung.

9

aa) Das [X.] hat in der Vorentscheidung die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene und den Senat daher bindende Feststellung (§ 118 Abs. 2 [X.]O) getroffen, dass in der Feststellungserklärung für das Streitjahr 2008 die früheren Mitgesellschafter des [X.] und [X.] gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu Empfangsbevollmächtigten bestellt worden seien. [X.] und [X.] hätten mit Billigung des [X.] in einem Schreiben vom [X.] an das [X.] auch eine Änderung des Feststellungsbescheids zugunsten des [X.] beantragt. Nur ergänzend und mit dem ausdrücklichen [X.]usatz, dass es selbst nicht von [X.]weifeln an der Erteilung der [X.] gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausgehe, hat das [X.] angeführt, eine [X.] von [X.] und [X.] lasse sich nach den Umständen des Streitfalls "jedenfalls" auch auf eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht stützen.

bb) Das [X.] hat den Streitfall ferner dahin gewürdigt, dass der Kläger die erteilte [X.] nach seinem Ausscheiden bis zum Ergehen des Feststellungsbescheids für das Streitjahr vom 18.11.2014 nicht widerrufen habe. [X.]ierzu hat das [X.] im Tatbestand der Vorentscheidung den Vortrag des [X.] wiedergegeben, er habe dem zuständigen Betriebsprüfer für die Sozietät im Rahmen einer Außenprüfung die Beendigung seiner Gesellschafterstellung mitgeteilt und dies durch Verwendung seiner privaten E-Mail-Adresse bei Korrespondenz mit dem Betriebsprüfer und Mitteilung einer Anschrift in [X.] kenntlich gemacht. Das [X.] ist jedoch in den Gründen der Vorentscheidung zu dem Ergebnis gekommen, diese Umstände hätten im Außenverhältnis nicht so verstanden werden müssen, dass der Kläger an der seit mehreren Jahren bestehenden und praktizierten [X.] für [X.] und [X.] nicht mehr habe festhalten und diese widerrufen wollen.

cc) Die Würdigung des [X.], dass die Mitteilung des Ausscheidens des [X.] nicht als Widerruf der [X.] verstanden werden musste, ist möglich, nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Die vom Kläger aufgeworfene zweite Rechtsfrage ist auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten Sachverhalts in einem Revisionsverfahren danach nicht zu beantworten. Rechtsfragen, die sich nur stellen können, wenn von einem anderen als dem vom [X.] festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, sind im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (vgl. z.B. [X.] vom 09.03.2016 - X B 142/15, [X.], 1030, Rz 9; vom 09.10.2020 - VIII B 162/19, [X.], 289, Rz 16, m.w.N.).

3. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 65/21

20.09.2022

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 19. April 2021, Az: 8 K 386/20, Urteil

§ 122 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 183 Abs 1 AO, § 183 Abs 3 AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 124 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.09.2022, Az. VIII B 65/21 (REWIS RS 2022, 5206)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5206

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