Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. II ZR 186/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5446

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR
186/13
Verkündet am:

20. Mai 2014

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2014 durch [X.] am [X.] Prof. Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterinnen [X.] und [X.] und die Richter
Dr. [X.] und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 24.
April 2013 teilweise [X.].
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 17. September 2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.767,39

t-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.
August 2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesell-.

[X.]

einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erwor-benen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der [X.] seit 1993 als Kommanditist be-teiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst [X.] und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige [X.]. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren [X.] in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen [X.] der [X.] in Anspruch.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in §
3 Nr.
7 folgen-de Regelung:

l-schaftern noch gegenüber [X.] irgendwelche Zahlungs-verpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschuss-verpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschuss-pflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber [X.] gemäß

Auf Seite
24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik

Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nach-schusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.
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Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeit-raum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Aus-

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der [X.] ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die [X.] in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der [X.] zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in [X.] von

e-hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs-
und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die [X.] ihre Kommandi-tisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die [X.] Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der [X.] in Höhe von 500.000

n-barungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2.
Juli 2010 bis 30.
August 2011.
Die auf Zahlung von 17.767,39

erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat weitgehend Erfolg.
[X.] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Zwar habe der Beklagte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 17.767,39

§
172 Abs. 4 HGB gewesen seien, da den Anlegern bereits 1993 planmäßig ein Verlust in Höhe von etwa 80 % der geleisteten Einlage zugewiesen worden sei. Der Klägerin habe gegen die [X.] eine fällige Zinsforderung in Höhe von ur-sprünglich 500.000

Kommanditisten noch in Höhe von 75.081,52

Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe aber die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaf-tern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten,
gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB [X.]. Der potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur [X.] bewegt werden sollen.
Der Beklagte könne die Klägerin ferner darauf verweisen, in erster Linie die [X.] in Anspruch zu nehmen. Kommanditisten hafteten für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus sogenannten Drittgeschäften mit Gesellschaftern lediglich subsidiär. Dass eine Inanspruchnahme der [X.] aussichtslos wäre, weil sie den von der Stundung ausgenommenen Zinsanteil nicht aufbringen könne, sei we-der dargetan noch sonst ersichtlich. Die mangelnde Zahlungsbereitschaft der [X.] rechtfertige im vorliegenden Fall keine andere Beurteilung, da die Klägerin einen dominierenden Einfluss auf die Geschäftsführung der [X.] habe.
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Schließlich verstoße eine Inanspruchnahme des Beklagten gegen §
242
BGB. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gegenüber ihren Mitgesellschaftern verbiete es jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls, dass die Klägerin ihre drohenden Verluste auf die Anleger abwälze. Die Klägerin schiebe bewusst die Insolvenz der [X.] durch die [X.] hinaus, lasse aber jeweils einen Teilbetrag der Zinsen fällig, um gegen die Mitkommanditisten vorgehen zu können. Käme es [X.] zu einem Insolvenzverfahren, müssten die Kommanditisten die Ausschüt-tungen zwar auch zurückzahlen, hätten aber nicht die mit der klageweise Gel-tendmachung verbundenen Nachteile. Zum anderen sei es aufgrund der wieder
erreichten Vollvermietung der Immobilie denkbar, dass eine Insolvenz auch oh-ne die Rückzahlungen vermieden werden könne.
I[X.] [X.] hält der revisionsrechtlichen Nach-prüfung im Wesentlichen nicht stand.
1. Der Anspruch der Klägerin aus §
171 Abs.
1, §
172 Abs.
4 HGB ist nicht durch die Regelung in §
3 Nr.
7 Satz
1 GV ausgeschlossen. Die [X.] ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die [X.] lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von §
161 Abs.
2, §
105 Abs.
3 HGB, §
707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mit-gesellschafter aus §
171 Abs. 1, §
172 Abs.
4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des §
305c Abs.
2 BGB bestehen würden (vgl. im Übrigen [X.], Urteil vom 8.
Oktober 2013 -
II ZR 310/12, [X.], 2305 Rn.
19 ff.).
2. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, zunächst die [X.] in Anspruch zu nehmen, bevor sie ihre Drittgläubigerforderung gegen die Kommanditisten gel-12
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tend macht. Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Dritt-gläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine gene-rell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesell-schaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der
Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. Zwar ist anzuerkennen, dass ein Gesellschafter, [X.]n möglich, nicht sein eige-nes Vermögen einsetzen soll, vielmehr [X.]en vor allem aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem Gesellschafter-Gläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Auf[X.]dungsersatzanspruch gegen die Gesell-schaft gemäß § 110 HGB, [X.]n er die [X.] begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen ([X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 110 Rn. 33; MünchKommHGB/K.
Schmidt, 3. Aufl., §
128 Rn.
35 mwN). Ist die [X.] in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst [X.]n sich der Gesellschafter-Gläubiger direkt an ihn [X.]det. Kann oder will die Gesellschaft ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der Gesellschafter auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften ([X.], Urteil vom 8. Oktober 2013 -
II ZR 310/12, [X.], 2305 Rn.
34).
3. Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt die Klägerin auch sonst nicht gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb gegenüber den Kommanditisten auf ihre Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirt-schaftliche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu [X.]. Sie sind im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach §
171 Abs.
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§
172 Abs.
4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auflegt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurück-fordern wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin anders zu behandeln wäre als andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, [X.] sie in Anspruch nimmt (vgl. im Übrigen [X.], Urteil vom 8. Oktober 2013 -
II ZR 310/12, [X.], 2305 Rn.
36 ff.).
II[X.] Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563
Abs.
3 ZPO).
1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in [X.] der ihm gewährten Ausschüttungen von 17.767,39

171 Abs.
1, §
172 Abs.
4 Satz
1 HGB zu, weil seine Einlage teilweise zurückbezahlt worden ist, so dass seine persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der [X.] in diesem Umfang wiederaufgelebt ist.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin ein fälliger Zins-anspruch gegen die [X.] zusteht, der den vom Beklagten geforderten Betrag übersteigt, der Anspruch noch nicht durch Zahlungen anderer in Anspruch ge-nommener Kommanditisten getilgt wurde und der Beklagte Ausschüttungen in Höhe der Klagesumme erhalten hat, durch die ihm die Einlage zurückbezahlt wurde. Der Einwand des Beklagten, die vom Berufungsgericht festgestellte fäl-lige Forderung der Klägerin in Höhe von 75.081,52

r-füllung erloschen, ist nicht substantiiert, da Zahlungen anderer Kommanditisten auf diese Forderung nur vermutet werden. Unabhängig davon unterliegt nach §
559 Abs. 1 Satz 1 ZPO lediglich dasjenige Vorbringen der Beurteilung des [X.], das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sit-zungsprotokoll ersichtlich ist. Die [X.] wird durch das Ende der Be-17
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rufungsverhandlung abgeschlossen.
Neue Tatsachen dürfen im [X.] grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Umstände, unter denen aus-nahmsweise Tatsachen, die sich während des Revisionsverfahrens ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, sind im Streitfall nicht gegeben (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 1998 -
IX ZR 272/96, [X.]Z 139, 214, 220
f.).
2. Verzugszinsen sind der Klägerin allerdings erst ab dem 1. August 2012 und nicht wie beantragt ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Klägerin hat ihren Anspruch gegen den Beklagten erstmals mit einem Schriftsatz, der am 31. Juli 2012 bei Gericht eingegangen ist, auf den Zinsanspruch in Höhe von 500.000

Juli 2010 bis 30.
August 2011 gestützt. Nachdem der bis dahin geltend gemachte Zinsanspruch gestundet worden war, ist der Beklagte erst mit Zugang dieses Schriftsatzes, der nach Angaben des [X.] ebenfalls am 31. Juli 2012 erfolgt ist, in Verzug geraten. Die Klägerin hat daher erst ab 1. August 2012 einen Anspruch auf Er-satz
des Verzögerungsschadens gemäß §
280 Abs.
1, Abs.
2, §§
286, 289 Satz
2 BGB. Gegen die Höhe des geltend gemachten Verzugsschadens hat der Beklagte keine Einwände erhoben.
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3. Eine Verurteilung Zug um Zug gegen Erteilung von Auskünften über die Mitgesellschafter, die von der Klägerin bereits erfolgreich auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch genommen wurden, wie sie der Beklagte in der Berufungsinstanz beantragt hatte, kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin über den aktuellen Stand
der Zahlungseingänge in der letzten mündlichen Verhandlung detailliert Auskunft gegeben hat und ein solcher [X.] deshalb bereits erfüllt wäre.
Strohn

[X.]

Reichart

[X.]

Born
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.09.2012 -
11 O 77/11 -

OLG Celle, Entscheidung vom 24.04.2013 -
9 [X.] -

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Meta

II ZR 186/13

20.05.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2014, Az. II ZR 186/13 (REWIS RS 2014, 5446)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5446

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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