Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2016, Az. 5 StR 390/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2783

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:081116B5STR390.16.0

Nachschlagewerk: ja

[X.]St : ja

Veröffentlichung : ja

StGB § 211 Abs. 2
JGG § 105 Abs. 3 Satz 2

1.
Zum Mordmerkmal der Grausamkeit bei Verbrennen des Opfers.

2.
Bei Annahme besonders schwerer Schuld im Sinne des §
105 Abs. 3 Satz 2 JGG genügt deren Feststellung in den Urteilsgründen.

[X.], Beschluss vom 8. November 2016

5 StR 390/16

LG [X.]

[X.]:[X.]:[X.]:2016:081116B5STR390.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 390/16

vom
8. November 2016
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
Mordes u.a.

-
3
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 8. November 2016
beschlos-sen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen
das Urteil des Landge-richts [X.] vom 19. Februar 2016 werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass die Feststellung besonderer Schwere der Schuld im [X.] jeweils entfällt.
Es wird davon abgesehen, den Angeklagten durch ihre [X.] entstandene Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Sie ha-ben jedoch die hierdurch dem Nebenkläger entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit
mit Schwangerschaftsabbruch jeweils zu einer Jugendstrafe von 14 Jahren verur-teilt und die besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG festgestellt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen der Ange-klagten. Der Angeklagte [X.]

macht eine Verletzung sachlichen Rechts ins-besondere hinsichtlich der Annahme des [X.] der Grausamkeit gel-tend und beanstandet das Verfahren. Der Angeklagte M.

erhebt die [X.]. Die Revisionen führen lediglich zu der aus der [X.] ersichtlichen Korrektur des [X.]s. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1
-
4
-
Der Erörterung bedarf ergänzend zu den Ausführungen in den [X.] vom 10. Oktober 2016 nur Folgendes:
1. Die Annahme des [X.] der Grausamkeit hat die Jugend-kammer rechtsfehlerfrei begründet.
a) Nach den Feststellungen lockten die Angeklagten die vom Angeklag-ten [X.]

im achten Monat schwangere 19-jährige

P.

nachts in ei-nem einsamen Waldstück in einen Hinterhalt, um sie zu töten. Motiv des Ange-klagten [X.]

war es dabei, sich seinen Verpflichtungen als Vater nach der Geburt des Kindes zu entziehen. Der Angeklagte M.

wirkte an der Tat mit, weil er wissen wollte, wie es sei, einen Menschen zu töten. Er versetzte der wehrlosen Frau drei bis vier Messerstiche in den Oberkörper. Danach hielt er sie fest, während der Angeklagte [X.]

aus einem Benzinkanister etwa einen Liter Benzin über ihren Kopf und Oberkörper schüttete. Der Angeklagte T

. entzündete das Benzin, worauf die junge Frau sofort in [X.] geriet. Trotz überaus heftiger Schmerzen konnte sie noch einige Meter laufen und versuchte vergeblich, die brennende Jacke auszuziehen. Sie verstarb frühestens eine Minute nach [X.]beginn.
b) Die [X.] hat sich auf der Grundlage des Gutachtens einer rechtsmedizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass eine

womög-lich

nun einti-genen Schutzmechanismus

dem ausgeschütteten Adrenalin

nicht mehr i-gen Verfahren gewonnene eigene Sachkunde herangezogen, nach der gemäß der Auffassung aller ihr bekannter Rechtsmediziner bei Bewusstsein gebliebe-2
3
4
5
-
5
-

sachlich-rechtliche Beanstandung des Angeklagten [X.]

, die [X.] habe eine völlige Schmerzlosigkeit aufgrund eines vom Tatopfer erlittenen bloße Vermutung gestützt.
c) Wie lange der Zeitraum schwerster Qualen ab dem Entzünden des Benzins exakt gedauert hat, ist hier ohne Belang. Selbst wenn man

was nach den Feststellungen überaus fernliegt

von der kürzestmöglichen [X.], oder gar etwas weniger), wäre an der Erfüllung des [X.] der Grausamkeit nicht zu zweifeln. Der [X.] vertritt die Auffassung, dass bei der regelmäßig mit der Auslösung von uch MüKo-StGB/[X.], 2. Aufl., § 211 Rn. 131 mwN) ein Zeitraum von wenigen Sekunden genügen kann. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die junge Frau durch die vorangegangenen Messerstiche sowie das Festhalten während des Überschüttens mit Benzin in höchste Todesangst versetzt wurde und zu-gleich die Gewissheit hatte, dass auch das bereits lebensfähige ungeborene Kind versterben würde (zur Erheblichkeit seelischer Qualen LK-StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 211 Rn. 54 mwN).
d) Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge ([X.] Hinzuziehung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigen durch die [X.]) versagt aus den durch den [X.] ange-führten vielfältigen Gründen.
2. Die Bemessung der unter Anwendung des § 105 Abs.
3 Satz 2 JGG verhängten Jugendstrafen begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Jugend-kammer hat alle relevanten Strafzumessungstatsachen gesehen und in nicht zu 6
7
8
-
6
-
beanstandender Weise gewichtet (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 22. Juni 2016

5 StR 524/15, NJW 2016, 2674 Rn. 11 ff.; zum Abdruck in [X.]St bestimmt). Unter anderem hat sie berücksichtigt, dass die Angeklagten neben den Mord-merkmalen der Grausamkeit und der Heimtücke jeweils ein weiteres Mord-merkmal verwirklicht haben (Angeklagter [X.]

: niedriger Beweggrund; An-geklagter M.

: Mordlust). Dabei hat das [X.] auch den das Jugend-strafrecht beherrschenden Erziehungsgedanken nicht außer [X.] gelassen. Die insoweit erhobenen [X.] der Revision des Angeklagten [X.]

verkennen, dass der Gesetzgeber für extrem gelagerte Ausnahmefälle wie den [X.] durch Schaffung des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG dem Gebot gerechten Schuldausgleichs den Vorrang gegenüber dem Erziehungsgedanken einge-räumt hat (vgl. [X.], aaO Rn. 11).
3. Allerdings hatte die
Feststellung besonderer [X.] im Ur-teilstenor zu entfallen.
a) Das [X.] hat sich insoweit ersichtlich an der ständigen Recht-sprechung des [X.] zu derselben Problematik im Rahmen der §§ 57a, 57b StGB orientiert. Der [X.] hat hierfür namentlich an-geführt, dass der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte erwachsene Ange-klagte einen Anspruch darauf habe, bereits durch den Urteilsspruch zu erfah-ren, ob er bei günstiger Prognose mit seiner bedingten Entlassung aus
der Strafhaft nach 15 Jahren rechnen könne oder ob wegen der besonderen Schwere der Schuld eine längere Haftdauer zu erwarten sei; ferner würde der [X.] andernfalls entwertet und seien Aussagen in den Urteilsgründen nach allgemeinen Regeln nicht revisibel (im Einzelnen [X.], Urteil vom 21. [X.] 1993

4 StR 560/92, [X.]St 39, 121, 124).

9
10
-
7
-
b) Diese Gesichtspunkte sind auf die Entscheidung nach § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG nicht übertragbar. Der zu Jugendstrafe von über zehn Jahren ver-urteilte Heranwachsende kann auch ohne ausdrückliche Feststellung der be-sonderen [X.] in der Urteilsformel anhand der verhängten Strafe sowohl deren Länge als auch den Umstand ermessen, dass das Jugendgericht die besondere Schwere der Schuld angenommen hat. Den so
gefundenen Strafausspruch kann er mit der Revision angreifen, aufgrund derer auch die Anwendung des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG überprüft wird. Demgemäß besteht kein Bedürfnis, die Annahme der besonderen [X.] nach § 105 Abs.
3 Satz 2 JGG auch im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen.

Sander Dölp König

Bellay Feilcke

11

Meta

5 StR 390/16

08.11.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2016, Az. 5 StR 390/16 (REWIS RS 2016, 2783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2783

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 390/16 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung von Jugendlichen und Heranwachsenden wegen Mordes: Mordmerkmal der Grausamkeit bei Verbrennen des Tatopfers; Annahme …


71 KLs 1107 Js 1116/17 (LG Bamberg)

Verurteilung wegen Raubmordes nach Jugendstrafrecht


5 StR 524/15 (Bundesgerichtshof)

Mord: Maßstab für das Merkmal der besonderes Schwere der Schuld bei einem Heranwachsenden


1 StR 159/05 (Bundesgerichtshof)


5 StR 524/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 390/16

5 StR 524/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.