Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2010, Az. GSSt 1/09

Großer Senat für Strafsachen | REWIS RS 2010, 7423

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Gegenstand

Absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren: Abwesenheit des während der Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen


Leitsatz

1. Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO .

2. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO .

Tenor

1. Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO.

2. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

Gründe

A.

1

Die Vorlage des 5. Strafsenats des [X.] an den [X.] betrifft die Frage, ob die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts bedeutet, die einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO begründet.

2

I. In einem beim 5. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das [X.] den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er erhebt neben der Sachrüge eine Verfahrensrüge, mit der er insbesondere seine fortdauernde Abwesenheit während der Verhandlung über die Entlassung der gemäß § 247 Satz 2 StPO in seiner Abwesenheit zeugenschaftlich vernommenen Nebenklägerin beanstandet.

3

Der 5. Strafsenat möchte diese Verfahrensrüge, auf die es nach seiner Auffassung für seine Entscheidung ankommt und die er für zulässig erhoben hält, als unbegründet verwerfen. Er rechnet in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung ([X.]R StPO § 247 Abwesenheit 1, 14, 15; § 338 Nr. 5 Angeklagter 23; [X.], 352) die Verhandlung über die Entlassung eines nach § 247 StPO in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen zu dessen Vernehmung und sieht demnach die Abwesenheit des Angeklagten in diesem Verfahrensabschnitt als von § 247 StPO gedeckt an, so dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht vorliege. Die Rechte des Angeklagten, in dessen Abwesenheit über die Entlassung verhandelt wird, sieht er durch einen relativen Revisionsgrund wegen Verletzung des Rechts auf effektive Ausübung seines Fragerechts hinreichend gesichert.

4

Dementsprechend zu entscheiden, sieht sich der 5. Strafsenat indes nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 2 GVG durchgeführten [X.] gehindert. Lediglich der 1. Strafsenat ist unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung der Auffassung des 5. Strafsenats beigetreten. Hingegen haben der 2., 3. und 4. Strafsenat an ihrer jeweiligen entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten. Daraufhin hat der 5. Strafsenat mit Beschluss vom 11. November 2009 – 5 [X.]/08 – (NJW 2010, 1012) dem [X.] gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Begründet die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO?

5

II. Der [X.] hält die Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO durch den 5. Strafsenat für vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt und tritt dessen Rechtsauffassung bei. Er hat beantragt zu beschließen:

Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet nicht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

B.

6

Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die [X.] auf die zulässige Vorlage gemäß § 132 Abs. 2 GVG wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

7

I. Die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der anschließenden Verhandlung über die Entlassung des Zeugen stellt eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts dar.

8

1. [X.] kommt im [X.] Strafprozess ein hoher Stellenwert zu. Seine Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung, namentlich während der Beweisaufnahme, ist nicht nur für die Wahrheitsfindung, sondern ebenso für den Angeklagten und seine Verteidigung von erheblicher Bedeutung ([X.]St 3, 187, 190; 26, 84, 90; [X.] in [X.] [2009] § 247 Rdn. 2; [X.] 2010, 50). [X.] soll dem Angeklagten vor allem die Möglichkeit allseitiger und uneingeschränkter Verteidigung sichern und sein rechtliches Gehör im wichtigsten Abschnitt des Verfahrens gewährleisten.

9

Deshalb bestimmt § 230 Abs. 1 StPO, dass gegen einen ausgebliebenen Angeklagten keine Hauptverhandlung stattfindet. Der Angeklagte hat nicht nur das Recht, sondern – wie sich aus § 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 StPO ergibt – auch die Pflicht zur Anwesenheit ([X.] NStZ 1991, 246; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 230 Rdn. 1; [X.], [X.] Aufl. § 230 Rdn. 3). Seine ununterbrochene Präsenz während der Hauptverhandlung wird wegen ihrer zentralen Bedeutung für das Verfahren rechtlich durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gesichert.

2. [X.] des Angeklagten kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen andere gewichtige Belange entgegenstehen und eine Einschränkung seiner grundsätzlich zu gewährleistenden Anwesenheit verlangen, durchbrochen werden.

a) Solche Ausnahmen enthält § 247 StPO. Diese Vorschrift gestattet in Satz 1 eine Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer während der Vernehmung eines Zeugen, wenn zu befürchten ist, der Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Gleiches gilt nach § 247 Satz 2 StPO im Interesse unmittelbaren [X.] bei gesundheitlicher Gefährdung durch Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten.

b) Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung [X.] § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine konkreten Hinweise zur Reichweite und Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO [X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 3 Abt. 1, 2. Aufl., [X.] f., 852 ff.; 1583 f.; [X.]. 7/649 S. 3; [X.]. 10/6124 S. 13 f.; [X.]. 16/12098 S. 40 f., zu § 247 Satz 3 StPO: [X.]. 1/3713 S. 52).

3. Die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen wird vom Begriff der Vernehmung [X.] § 247 Satz 1 und 2 StPO nicht erfasst.

a) Dieser Begriff ist im [X.] der §§ 247 und 248 StPO aufgrund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessene Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] garantiert wird, restriktiv auszulegen ([X.]St 15, 194, 195; 22, 18, 20; [X.] NJW 1957, 1161; 1976, 1108; so auch schon [X.], 30, 31; [X.] aaO § 247 Rdn. 6; [X.] in [X.] 6. Aufl. § 247 Rdn. 2; [X.] aaO § 247 Rdn. 3).

b) [X.] des Angeklagten ist mit den Interessen der Allgemeinheit an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts, die durch die möglicherweise nicht wahrheitsgemäße Aussage eines sich vor dem Angeklagten fürchtenden Zeugen gefährdet werden (§ 247 Satz 1 StPO), sowie mit dem Schutz der Zeugen selbst (§ 247 Satz 2 StPO) in einen angemessenen Ausgleich zu bringen ([X.]St 26, 218, 220; [X.] aaO § 247 Rdn. 1; [X.], [X.]. § 247 Rdn. 1). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist der mit einem Ausschluss zwangsläufig verbundene Eingriff in die Autonomie des Angeklagten [X.] 1986, 25, 28) auf solche Verfahrenshandlungen zu beschränken, bei denen der jeweilige Schutzzweck den Ausschluss unbedingt erfordert ([X.]St 3, 384, 386; [X.] aaO § 247 Rdn. 11; [X.] in [X.] § 247 Rdn. 2; [X.] in [X.] [1988], [X.], 319; [X.] in [X.] [1989], [X.], 457; [X.]/[X.] 2001, 341, 342; vgl. auch [X.] NJW 2003, 2893, 2894). Die Erstreckung des Ausschlusses auf die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen ist mit Rücksicht auf den Normzweck des § 247 Satz 1 und 2 StPO nicht geboten. Ein Ausschluss des Angeklagten von der Entlassungsverhandlung ist weder aus Gründen der Wahrheitserforschung (§ 247 Satz 1 StPO) erforderlich, noch zum Schutz des Zeugen (§ 247 Satz 2 StPO) stets unerlässlich.

c) Auch Gründe des [X.] gebieten keine Erstreckung des Vernehmungsbegriffs auf die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen.

aa) Zwar stünde ein solches weites Verständnis mit den Belangen des [X.] durchaus im Einklang. § 247 Satz 2 StPO dient aber nicht allein dem Schutz gefährdeter Zeugen, sondern eben auch dem Ausgleich zwischen den Interessen gefährdeter Zeugen und dem u. a. durch Art. 6 Abs. 3 lit. [X.] garantierten Verteidigungsrecht des Angeklagten. § 247 Satz 2 StPO sichert somit letztlich die Grundsätze eines fairen Verfahrens (vgl. [X.] NJW 2003, 2893, 2894).

bb) Den Belangen des [X.] kann auch in den Grenzen der bisherigen Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO hinreichend Rechnung getragen werden. Es ist nicht notwendig, den Angeklagten auch während der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen auszuschließen, um jede Begegnung zwischen Angeklagtem und Zeugen zu vermeiden. Stattdessen kann das Gericht dem Zeugen erlauben, sich aus dem Sitzungssaal zu entfernen, solange der Angeklagte über die Zeugenaussage unterrichtet und über die Entlassung des Zeugen verhandelt wird. Während der Mitteilung der Entlassungsverfügung an den wieder im Sitzungssaal anwesenden Zeugen bzw. während dessen weiterer Befragung kann der Angeklagte erneut aus dem Sitzungssaal fern gehalten werden ([X.]St 22, 2889, 296; [X.] Beschluss vom 15. Dezember 1999 – 1 [X.]; zur Vereidigung: [X.] NJW 2004, 1187 - in [X.]St 49, 25 insoweit nicht abgedruckt; einschränkend: NStZ 1986, 133 Nr. 21). Die mit einem Prozedieren in wechselseitiger Abwesenheit zwangsläufig verbundenen Umständlichkeiten sind vor dem Hintergrund der in Ausgleich zu bringenden Schutzgüter hinzunehmen ([X.] NStZ 2000, 440, 441; [X.] 1989, 255, 256; [X.] in [X.] [1988], [X.], 322; [X.] aaO § 247 Rdn. 77) und können zudem in den Fällen des § 247 Satz 2 StPO durch eine Verfahrensweise nach § 247a StPO begrenzt werden ([X.] aaO § 247 Rdn. 46).

II. [X.] ist grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (vgl. [X.]St 26, 84, 91; [X.] NJW 1986, 267). Die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder 2 StPO entfernten Angeklagten ist deshalb regelmäßig geeignet, den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zu begründen.

1. Hierfür spricht bereits § 248 Satz 2 StPO. Diese Vorschrift regelt ausdrücklich die Pflicht des Vorsitzenden, die Staatsanwaltschaft und den Angeklagten vor der Entlassung der vernommenen Sachverständigen und Zeugen zu hören. Schon diese Hervorhebung in einer eigenen Vorschrift belegt, dass das Gesetz der Verhandlung über die Entlassung und dem [X.] besondere Bedeutung – auch für das weitere Verfahren – beimisst.

2. Im Übrigen bestimmt sich die Frage, ob ein [X.] als wesentlich einzuordnen ist, nach dem Zweck der jeweils betroffenen Vorschriften sowie danach, in welchem Umfang ihre sachliche Bedeutung betroffen sein kann ([X.]St 15, 263, 264; [X.] aaO § 247 Rdn. 83; [X.] in [X.] [2005] § 338 Rdn. 104). Nach dem Zweck der betroffenen Vorschriften ist die Entlassungsverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten grundsätzlich als wesentlich einzuordnen. Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezwecken auch, dem Angeklagten eine allseitige und uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere durch Vornahme von Verfahrenshandlungen auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung ([X.], 40, 43; [X.]St 3, 187, 190; 15, 194, 195 und 263, 264; [X.], 352 f.; [X.] NJW 1979, 909). Das wird dem Angeklagten durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem [X.] an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen können.

3. Der Einwand, bei der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen handele es sich um einen Vorgang von eher organisatorischem bzw. rein formalem Charakter, der nicht unmittelbar der Urteilsfindung diene (so [X.]R StPO § 247 Abwesenheit 20), steht ihrer Einordnung als wesentlicher [X.] nicht entgegen. Die Zeugenentlassung hat nicht unerhebliche Auswirkungen für den Angeklagten und die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte in der Hauptverhandlung ([X.] aaO § 247 Rdn. 86; [X.] aaO § 247 Rdn. 1). Denn mit der Entlassung endet das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO ([X.] in [X.]. § 240 Rdn. 10; [X.], [X.] Aufl. § 240 Rdn. 8; [X.] aaO § 248 Rdn. 4). Als Konsequenz hieraus muss das Gericht einem Antrag des Angeklagten auf erneute bzw. ergänzende Vernehmung des Zeugen zum selben Beweisthema nur nach Maßgabe seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachkommen, ohne an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO gebunden zu sein ([X.]R StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32; [X.] in [X.]. § 244 Rdn. 7; jeweils m. w. N.).

4. Zwischen der Annahme eines absoluten Revisionsgrundes im Falle der verfahrenswidrigen Abwesenheit des Angeklagten während der Entlassungsverhandlung und der Einordnung eines Verstoßes gegen die Unterrichtungsvorschrift des § 247 Satz 4 StPO als (lediglich) relativen Revisionsgrund ([X.] NStZ 1995, 557; siehe auch [X.] – Kammer – NJW 2002, 814) besteht kein Wertungswiderspruch. Beim Verstoß gegen die (rechtzeitige) Unterrichtungspflicht des § 247 Abs. 4 StPO handelt es sich nicht um eine Verletzung der durch § 338 Nr. 5 StPO gesicherten Anwesenheitsrechte und -pflichten des Angeklagten, sondern um einen nur gelegentlich oder mittelbar als Folge des Ausschlusses unterlaufenen Verfahrensfehler. Dieser Fehler betrifft zwar ebenfalls das Informations- und Fragerecht des Angeklagten, nicht aber sein nach § 230 Abs. 1 StPO vorgeschriebenes und während der gesamten Hauptverhandlung geltendes Anwesenheitsrecht.

5. Der mit einem fortgesetzten Ausschluss des Angeklagten während der Entlassungsverhandlung regelmäßig verbundene Eingriff in seine Verteidigungsrechte kann entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats (vgl. dazu [X.]R StPO § 247 Abwesenheit 18, 20; [X.] in [X.] [1995], S. 203; einschränkend: [X.]R StPO § 247 Abwesenheit 19) nicht dadurch kompensiert werden, dass auf sein Verlangen der [X.] entlassene Zeuge erneut vorzuladen und eine Verweigerung der erneuten Vorladung über den relativen Revisionsgrund der Verletzung des Fragerechts zu rügen ist.

III. Es besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass ein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht des Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung mit der Folge, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO entfällt, geheilt werden kann. Eine Heilung liegt etwa bereits darin, dass der Angeklagte bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO mitteilt, keine Fragen mehr an den Zeugen stellen zu wollen ([X.]R StPO Abwesenheit 18, 19; [X.] NStZ 2000, 440; [X.], 240). Das Gleiche gilt, wenn er auf Befragen die entsprechende Erklärung abgibt, nachdem die zu frühe Entlassung des Zeugen bemerkt wurde. Wenn jedoch der Angeklagte in dieser Situation den Zeugen weiter zu befragen wünscht, so ist eine Heilung durch Ladung des Zeugen und ergänzende Befragung möglich (vgl. [X.]St 30, 74, 76; 48, 221, 231; [X.] aaO § 247 Rdn. 60). Bleibt der Fehler allerdings unbemerkt oder konnte der Zeuge nicht mehr herbeigeschafft werden, muss der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO bei entsprechender Verfahrensrüge durchgreifen.

[X.]                             [X.]

                     [X.]                [X.]                 Wahl

Athing                                        [X.]

                      Raum                                            [X.]

Meta

GSSt 1/09

21.04.2010

Bundesgerichtshof Großer Senat für Strafsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend LG Braunschweig, 15. April 2008, Az: 603 Js 56443/07 - 2 KLs 36/07, Urteil

§ 247 S 4 StPO, § 338 Nr 5 StPO, § 132 Abs 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.04.2010, Az. GSSt 1/09 (REWIS RS 2010, 7423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7423

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