Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.03.2018, Az. 1 BvR 2926/14

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2018, 12898

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Zur Kostenbeteiligung schwerbehinderter Empfänger von Grundleistungen gem § 3 AsylbLG an Wertmarken für unentgeltliche Beförderung im ÖPNV (§ 145 Abs 1 SGB IX aF ; § 228 SGB IX nF ) - keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 93a Abs 2 Buchst a BVerfGG bei Rüge einer Verletzung von Art 3 Abs 1, Abs 3 GG sowie aufgrund einer maßgeblichen Veränderung der Rechtslage - Gründe für Durchsetzungsannahme (§ 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG) nicht hinreichend dargelegt


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die [X.]beschwerde betrifft den Anspruch einer schwerbehinderten und in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigten Empfängerin von Grundleistungen zum Lebensunterhalt nach § 3 [X.] ([X.]) auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr ohne die bis 31. Dezember 2017 in § 145 Abs. 1 Satz 3 [X.] ([X.]), ab 1. Januar 2018 in § 228 Abs. 2 [X.] vorgesehene Kostenbeteiligung.

2

1. a) Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (sogenanntes Merkzeichen "G"), hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, im Nahverkehr unentgeltlich befördert, wenn ihr Schwerbehindertenausweis die entsprechende Berechtigung ausweist (bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.], ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]). Voraussetzung ist, dass der Schwerbehindertenausweis mit einer entsprechenden Wertmarke versehen ist (bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 1 Satz 2 [X.], ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Im streitigen [X.]raum fielen dafür Kosten von 60 Euro für ein Jahr beziehungsweise 30 Euro für ein halbes Jahr an (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 3 [X.] in der im Streitzeitraum 2011/2012 geltenden alten Fassung ).

3

Allerdings erhalten verschiedene Personengruppen die Wertmarke kostenlos (vgl. § 145 Abs. 1 Satz 5 [X.] a.F., zwischenzeitlich: § 145 Abs. 1 Satz 10 [X.], ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 4 [X.], bei Einführung der Regelung im Jahr 1984: § 57 Abs. 1 Satz 4 des [X.], Beruf und Gesellschaft - Schwerbehindertengesetz -). Zu diesen Gruppen gehören die Empfänger der in der Vorschrift aufgezählten bedürftigkeitsabhängigen laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt, insbesondere von [X.], Sozialgeld oder Sozialhilfe (vgl. jeweils Nr. 2 der Vorschrift). Die Leistungen nach dem [X.] sind in der Vorschrift dagegen nicht genannt.

4

b) Mit dem [X.] wurde im Jahr 1993 für die von ihm erfassten Personengruppen ein eigenständiges System existenzsichernder Leistungen mit regelmäßig abgesenktem Leistungsniveau geschaffen (vgl. dazu ausführlich [X.] 132, 134 <137 ff. Rn. 2 ff.>). Dabei sieht das [X.] zwei "Leistungsstufen" vor, zum einen die sogenannten [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.], deren Bezug einen längeren Aufenthalt im Inland voraussetzt und die im Wesentlichen durch einen Verweis auf die Vorschriften über die Sozialhilfe im [X.] ([X.]) geregelt sind, und zum anderen die im Verhältnis dazu deutlich niedrigeren Grundleistungen nach § 3 [X.].

5

Das [X.] hat die Regelungen über die Grundleistungen im Jahre 2012 in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt und zu ihrer Höhe eine auf den 1. Januar 2011 zurückwirkende Übergangsregelung erlassen ([X.] 132, 134 <135 f.>). Im [X.] daran wurden durch das Gesetz zur Änderung des [X.]es und des [X.]gesetzes vom 10. Dezember 2014 ([X.]) mit Wirkung zum 1. März 2015 (vgl. Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes) zum einen die Grundleistungen erhöht (vgl. § 3 [X.]). Zum anderen wurde der Wechsel in den Bezug von [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] deutlich erleichtert und für die Inhaber von Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs. 5 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im [X.] - [X.] ([X.]) - die Zuordnung zum Leistungssystem des [X.]es auf 18 Monate nach der ersten Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung beschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe c [X.]).

6

c) Die Regelung über die unentgeltliche Ausgabe der Wertmarke ist weder anlässlich der Einführung des [X.]es noch bei nachfolgenden Gesetzesänderungen auf die dort geregelten Leistungen erstreckt worden. Allerdings hat das [X.] (Urteil vom 6. Oktober 2011 - [X.] SB 7/10 R -, [X.], 154) den Empfängern von [X.] einen entsprechenden Anspruch zugebilligt, da die ihnen nach § 2 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit §§ 27 ff. [X.] gewährten Leistungen laufende Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem [X.] und [X.] Zwölftes Buch im Sinne von § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] darstellten ([X.], 154 <161 Rn. 34>). Eine Ausdehnung auf Bezieher anderer Leistungen zur Existenzsicherung, hinsichtlich derer ein entsprechender Verweis in das [X.] nicht angeordnet ist, hat es dagegen nicht für möglich erachtet (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - [X.] SB 6/10 R -, [X.] 4-3250 § 145 Nr. 3, für Personen, die im Maßregelvollzug wegen ihrer Bedürftigkeit ein Taschengeld erhalten; vgl. außerdem BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - [X.] SB 7/10 R -, [X.], 154 <161 f. Rn. 36 und 167 Rn. 57>).

7

Die sonstigen Leistungen des [X.] hinsichtlich der Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr sind dagegen Beziehern von Grundleistungen nach § 3 [X.] genauso zugänglich wie anderen schwerbehinderten Menschen mit entsprechenden gesundheitlichen Voraussetzungen. Das gilt zum einen hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeit der bezogen auf die einzelnen Fahrten entgeltfreien Beförderung im Nahverkehr - nur eben ohne die Möglichkeit, die dafür notwendige Wertmarke kostenfrei zu erhalten - und zum anderen für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson oder spezifischen Gepäcks (vgl. bis 31. Dezember 2017: § 145 Abs. 2 [X.], ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 6 [X.]).

8

2. Die Beschwerdeführerin ist [X.] Staatsangehörige. Sie ist 2004 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in das [X.] eingereist und war im streitigen [X.]raum Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 [X.]. Seit dem Frühjahr 2011 bezog sie Grundleistungen nach § 3 [X.], wobei sie nach der Entscheidung des [X.]s vom 18. Juli 2012 ([X.] 132, 134) rückwirkend eine Nachzahlung auf Grund der dort vorgesehenen Übergangsregelung in Höhe von 1.725,45 Euro für die [X.] von April 2011 bis Juni 2012 erhielt. Bei ihr waren im streitigen [X.]raum ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 vom Hundert sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen unter anderem für das Merkzeichen "G" festgestellt.

9

Ihren im August 2011 gestellten Antrag auf Ausstellung einer kostenfreien Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr lehnten die zuständigen Versorgungsbehörden ab. Ihre in erster Instanz erfolgreiche Klage auf Erstattung der inzwischen für eine ab November 2011 gültige Wertmarke gezahlten 60 Euro wies das [X.] im Berufungsverfahren unter Aufhebung der Entscheidung des [X.] ab. Die unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke sei nicht in Betracht gekommen, da die der Beschwerdeführerin gewährten Leistungen nicht zu den in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. genannten gehörten. Auch eine entsprechende Anwendung sei anders als in den Fällen der [X.] nach § 2 [X.] nicht geboten (Hinweis auf die Urteile des [X.]s vom 6. Oktober 2011 - [X.] SB 6/10 R -, [X.] 4-3250 § 145 Nr. 3 und - [X.] SB 7/10 R -, [X.], 154). [X.] verfassungsrechtliche Bedenken oder ein Verstoß gegen das [X.] über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechts-konvention - [X.]) bestünden nicht.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde verwarf das [X.] als unzulässig, ebenso eine anschließend erhobene Gegenvorstellung und Anhörungsrüge.

3. Bereits während des laufenden Anhörungsrügeverfahrens hat die Beschwerdeführerin [X.]beschwerde erhoben. Neben auf das Verfahren bezogenen [X.] macht sie insbesondere eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 GG und den [X.] aus Art. 5 und Art. 20 Buchstabe a [X.] geltend.

In diesem Rahmen führt sie im Wesentlichen aus, ihrer Auffassung nach sei § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. dahingehend auslegungsfähig, dass auch Berechtigte nach § 3 [X.] von ihm erfasst würden. Auch und gerade bei ihnen handele es sich um Personen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhaltes Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhielten. Das bei dieser Personengruppe vom Gesetzgeber zu Unrecht unterstellte Fehlen eines entsprechenden [X.] Integrationsbedarfs könne daran nichts ändern, nachdem das [X.] zutreffend den Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum als unverfügbares und von migrationspolitischen Erwägungen unabhängiges Menschenrecht erkannt habe. Vor diesem Hintergrund sei der Umstand, dass Leistungsberechtigte nach § 3 [X.] in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. nicht genannt seien, als Regelungslücke anzusehen, die durch eine analoge verfassungskonforme Anwendung der Vorschrift - wie zuvor auf die Leistungsberechtigten nach § 2 Abs. 1 [X.] - geschlossen werden könne. Vor diesem Hintergrund verletzten die angegriffenen Entscheidungen sie in ihren Grundrechten, weil sie - anders als Ausländer mit unmittelbarem Zugang zu einem der in § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. genannten [X.], aber auch anders als die Bezieher von [X.] nach § 2 Abs. 1 [X.] - von der dort vorgesehenen Privilegierung ausgeschlossen worden sei. Im Übrigen habe sich ihre Bleiberechtsprognose schon im streitigen [X.]raum nicht von der von Personen, die schon nach der früheren Fassung des § 2 Abs. 1 [X.] [X.] und damit eine kostenfreie Wertmarke erhielten, unterschieden; auch habe von einem nur kurzen vorübergehenden Aufenthalt und einem entsprechend geringeren Bedarf bei ihr nicht ausgegangen werden können, so dass eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der streitigen Privilegierung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Halte man § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. dagegen nicht für auslegungsfähig, dränge sich die Frage nach seiner [X.]mäßigkeit und seiner Vereinbarkeit mit der UN-Behindertenrechtskonvention auf.

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. [X.] im Sinne von § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor.

1. Die Voraussetzungen einer Grundsatzannahme (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]) sind nicht gegeben.

a) Eine [X.]beschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s (vgl. grundlegend [X.] 90, 22 <24 f.>) wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung anzunehmen, wenn sie eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. An ihrer Klärung muss zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Streitigkeiten bedeutsam ist oder ein Problem von einigem Gewicht betrifft, das in künftigen Fällen erneut Bedeutung erlangen kann. Im Regelfall besteht daher kein über den Einzelfall hinausreichendes, die Annahme rechtfertigendes Interesse, wenn nur die [X.]mäßigkeit von nicht mehr geltendem Recht zu klären ist (vgl. [X.] 91, 186 <200>).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich eine grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden [X.]beschwerde nicht bejahen.

Als Frage von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung kommt dabei von vorneherein nur die nach der Möglichkeit und Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Regelung aus § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. (ab 1. Januar 2018: § 228 Abs. 4 Nr. 2 [X.]) beziehungsweise nach deren [X.]widrigkeit in Betracht, soweit die Vorschrift dazu führt, dass die Bezieher von Grundleistungen nach § 3 [X.] vom unentgeltlichen Erwerb einer Wertmarke für die kostenfreie Benutzung des Personennahverkehrs ausgeschlossen sind. Hinsichtlich der Revisionszulassung im Ausgangsverfahren, des Justizgewährleistungsanspruchs und der behaupteten Gehörsverletzung sind dagegen keine Gesichtspunkte erkennbar, die auch nur zu einer Ausformulierung oder Präzisierung der diesbezüglichen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung Anlass geben könnten; insoweit handelt es sich vielmehr ersichtlich um auf das konkrete fachgerichtliche Verfahren bezogene Fragen des Einzelfalls.

Auch mit Blick auf die mittelbar angegriffene Vorschrift aus § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. ist eine grundsätzliche Bedeutung des [X.] nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin ihr diesbezügliches Vorbringen zentral auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Verbots der Diskriminierung schwerbehinderter Menschen gestützt, eine unmittelbare Verletzung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 dagegen nicht substantiiert gerügt hat.

Insofern ist in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt, dass andere Grundrechte als das auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, wie zum Beispiel Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 6 Abs. 1 GG, für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermögen; entscheidend ist von [X.] wegen allein, dass für jede individuelle hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ausreichend erfasst wird ([X.] 125, 175 <227>). Insoweit führen die Darlegungen der Beschwerdeführerin zu einer auf die Sicherung des Existenzminimums bezogenen gleichheitswidrigen Schlechterstellung im Verhältnis zu Personengruppen, die Leistungen aus einem anderen Existenzsicherungssystem beziehen, von vornherein nicht zu Fragen grundsätzlicher Bedeutung.

Zudem bezieht sich die [X.]beschwerde auf eine zwischenzeitlich maßgeblich veränderte Rechtslage: Zwar ist die Vorschrift über die (fehlende) Möglichkeit des kostenfreien Erhalts einer Wertmarke beim Bezug bestimmter existenzsichernder Sozialleistungen als solche zwischenzeitlich in der Sache nicht geändert worden; auch die mit dem [X.] vom 23. Dezember 2016 ([X.] 3234) einhergehende Umgestaltung des [X.] zum 1. Januar 2018 bleibt insoweit inhaltlich ohne Folgen; der bloße Umstand, dass sich die Regelung nunmehr an einem anderen Ort wiederfindet, würde der Problematik nichts von ihrer grundsätzlichen Bedeutung nehmen. Sowohl die angegriffenen Entscheidungen als auch die Argumentation der Beschwerdeführerin beziehen sich jedoch auf eine Ausgestaltung des Asylbewerberleistungsrechts, die inzwischen überholt ist, die aber auf Grund der differenzierten Anknüpfung von § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. - und ebenso von § 228 Abs. 4 Nr. 2 [X.] in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung - an die verschiedenen Existenzsicherungssysteme auch die verfassungsrechtliche Bewertung der streitigen Regelung im Schwerbehindertenrecht unmittelbar und entscheidend beeinflusst: Auf diese Weise hat sich nämlich der Kreis derer, die von dem mit der Vorschrift verbundenen Vorteil ausgeschlossen sind, substantiell verkleinert, was für die Frage, ob dieser Ausschluss - wie von der Beschwerdeführerin gerügt - verfassungswidrig sein kann, von Bedeutung ist.

So begründet die Beschwerdeführerin die [X.]widrigkeit der angegriffenen Entscheidungen beziehungsweise der diesen zugrunde liegenden Vorschriften damit, dass § 3 [X.] auch Personen wie sie erfasse, obwohl ihre Bleibeperspektive sich von der vieler Berechtigter nach § 2 [X.] nicht unterscheide und sie daher - wie diese - auf die mit der vollständig unentgeltlichen Nutzung des Personennahverkehrs verbundenen Möglichkeiten der Teilhabe am kulturellen und [X.] Leben angewiesen sei. Mit ähnlichen Gründen kritisiert sie ihre Schlechterstellung gegenüber Beziehern von Leistungen aus anderen Systemen der Existenzsicherung wie der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfe als verfassungswidrig. Damit greift sie zentral Gesichtspunkte auf, die für das [X.] in der Entscheidung vom 18. Juli 2012 der Grund waren, § 3 [X.] in wesentlichen Teilen für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären und den Gesetzgeber zu verpflichten, unverzüglich für den Anwendungsbereich des [X.]es eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen, sowie eine Übergangsregelung anzuordnen (vgl. [X.] 132, 134 <135 f.>). Das hat den Gesetzgeber zwischenzeitlich zu einer entsprechenden Änderung des Asylbewerberleistungsrechts veranlasst; dabei hat er namentlich den Kreis der auf Leistungen nach § 3 [X.] verwiesenen Personen substantiell verkleinert, so dass sich die daran anknüpfenden, auf § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] a.F. bezogenen Fragen in einem wesentlich geänderten rechtlichen Kontext stellen; die Annahme einer [X.]widrigkeit der hier mittelbar angegriffenen Vorschrift im damals maßgeblichen rechtlichen Rahmen ließe daher keineswegs zwingend Rückschlüsse auf die heutige Rechtslage zu.

Das lässt sich nicht zuletzt daran verdeutlichen, dass eine Person in der Lage, in der sich die Beschwerdeführerin im streitigen [X.]raum befand, nach heutigem Recht unproblematisch eine kostenfreie Wertmarke erhalten könnte: Auf Grund der geänderten Fassung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe c [X.] gehörte sie nach der heutigen Rechtslage als Inhaberin eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 [X.] bei einer sieben Jahre zurückliegenden Einreise ganz regelmäßig nicht mehr zum Kreis der Leistungsberechtigten nach dem [X.], sondern erhielte Leistungen nach dem [X.] oder dem [X.] und hätte dadurch Zugang zu einer kostenfreien Wertmarke; jedenfalls aber führte die geänderte Regelung zu den Vorbezugszeiten in § 2 Abs. 1 [X.] dazu, dass sie wegen des zu diesem [X.]punkt langjährigen Aufenthalts im Inland bereits bei der ersten Inanspruchnahme von Leistungen nach dem [X.] [X.] und damit nach der Rechtsprechung des [X.]s eine kostenfreie Wertmarke erhalten könnte.

Dass trotz dieser zwischenzeitlichen Änderung der rechtlichen Lage und der Aussagen des [X.]s zu den Ansprüchen aus § 3 [X.] eine Annahme ihrer auf die frühere Rechtslage bezogenen [X.]beschwerde zu Fragen führen könnte, hinsichtlich derer sich eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung bejahen ließe und zu der eine ausreichend substantiierte Begründung vorläge, ist nicht ersichtlich und von der Beschwerdeführerin nicht dargetan. Das käme allenfalls in Frage, wenn sie hinreichend substantiiert ausgeführt hätte, dass der fehlende Zugang der Bezieher von Grundleistungen nach § 3 [X.] zu einer kostenfreien Wertmarke ganz unabhängig von dessen Ausgestaltung als verfassungswidrig angesehen werden müsste. Das hätte eine ins Einzelne gehende Auseinandersetzung mit der Frage erfordert, ob dies auch bei einer hinreichend engen Umschreibung des Anwendungsbereichs von § 3 [X.] auf Personen mit einer tatsächlich nur kurzfristigen Bleibeperspektive in [X.] zu gelten hätte oder ob in diesem Falle nicht möglicherweise doch unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse und damit eine ausreichende Rechtfertigung für Differenzierungen beim (gänzlich) kostenfreien Zugang zum öffentlichen Nahverkehr und den damit verbundenen Mobilitätsmöglichkeiten vorhanden sein könnten (vgl. zu entsprechenden Überlegungen sogar unmittelbar im Kontext der Regelungen des [X.]es und des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums [X.] 132, 134 <164 f.>). In diesem Zusammenhang hätte sich die Beschwerdeführerin auch näher damit auseinandersetzen müssen, ob die vollständig kostenfreie Beförderungsmöglichkeit in der weiten Ausgestaltung, die der Begriff des Schienenverkehrs in § 147 Abs. 1 [X.] a.F. (ab 1. Januar 2018: § 230 Abs. 1 [X.]) gefunden hat, nicht jedenfalls partiell über den Ausgleich eines behinderungsbedingten Nachteils hinausgeht (vgl. in diesem Sinne BTDrucks 10/3138, S. 35 für die Beförderung im Nahverkehr der [X.]) und dass nach der durchaus plausiblen ständigen Rechtsprechung des [X.]s die [X.] schwerbehinderter Menschen grundsätzlich bereits durch die grundsätzlich kostenlose Nutzung des Nahverkehrs erreicht und durch die regelhaft vorgesehene Pflicht zu einem vergleichsweise geringen Kostenbeitrag nur moderat relativiert werde (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - [X.]/9a [X.] -, [X.] 4-3250 § 145 Nr. 1 ; BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - [X.] SB 7/10 R -, [X.], 154 <162 Rn. 36>; BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - [X.] SB 1/12 R -, [X.] 4-3250 § 145 Nr. 4 ). Nachdem die Beschwerdeführerin überdies eine Verletzung des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG (dazu [X.] 125, 175 <222 ff.>) jedenfalls nicht hinreichend substantiiert gerügt hat, hätte es für die danach allein in Betracht zu ziehende Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG - auch unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention - der Darlegung bedurft, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des streitigen Vorteils nicht der bei Sozialleistungen übliche weite Gestaltungsspielraum zustand (vgl. für viele [X.] 20, 9 <20> m.w.N.) oder er diesen überschritten haben könnte. Das hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend getan.

Soweit ihre Argumentation dadurch geprägt ist, dass sie ganz grundsätzlich die Schlechterstellung von [X.] nach § 3 [X.] gegenüber Beziehern von [X.] nach § 2 [X.], aber auch im Verhältnis zu Leistungsempfängern nach dem [X.] oder nach dem [X.] rügt, hätte sie eingehend darlegen müssen, dass diesbezüglich nach der Entscheidung des [X.]s vom 18. Juli 2012 ([X.] 132, 134) und vor dem Hintergrund der bereits zitierten Rechtsprechung des [X.]s ([X.] 125, 175 <227>), wonach andere Grundrechte als das auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für dessen Bemessung keine weiteren Maßstäbe zu setzen vermögen, noch Klärungsbedarf besteht.

2. Alternativ ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] eine [X.]beschwerde zur Entscheidung anzunehmen, wenn dies zur Durchsetzung eines der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte, also eines Grund- oder grundrechtsgleichen Rechts, angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht.

a) Eine solche Fallgestaltung liegt vor, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt. Eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung oder seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. [X.] 90, 22 <25>).

b) Die Beschwerdeführerin macht insoweit nur geltend, sie sei durch das klagabweisende Urteil des [X.] und die Nichtzulassung der Revision in ihren Grundrechten verletzt, wobei "die Zurückweisung einer Privilegierung nach § 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 [X.] (a.F.) auf eine generelle Vernachlässigung des Grundrechts auf Gleichbehandlung und eines Verstoßes gegen die [X.]" hindeute und in ihrer Wirkung geeignet sei, sie und andere hiervon Betroffene von der Ausübung ihrer Grundrechte abzuhalten.

Ihre Ausführungen gehen damit über die Wiedergabe der vom [X.] entwickelten Maßstäbe und die Behauptung, die entsprechenden Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, nicht wesentlich hinaus. Tatsächlich ist dagegen nicht ersichtlich, dass den Versorgungsbehörden, dem [X.] oder dem [X.] eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten vorgeworfen werden könnte, sie also die Grundrechte nicht nur im konkreten Fall und mit Blick auf die inzwischen überholte Rechtslage nicht hinreichend beachtet haben könnten. Auf die fehlende Maßstäblichkeit anderer Grundrechte als des Rechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums bei dessen Bemessung ([X.] 125, 175 <227>) sei ergänzend nochmals hingewiesen.

Umso weniger ist ein leichtfertiger Umgang mit Grundrechten ersichtlich und wird als solcher von der Beschwerdeführerin auch gar nicht geltend gemacht. Die Fachgerichte haben sich vielmehr ausführlich mit der ([X.] Lage auseinandergesetzt; dass sie danach zu der Auffassung gelangt sind, der Beschwerdeführerin stehe die streitige Privilegierung nicht zu und dies sei im Ergebnis auch nicht verfassungswidrig, lässt einen leichtfertigen Umgang mit Grundrechten nicht erkennen.

c) Die Beschwerdeführerin macht überdies ihre existentielle Betroffenheit und damit einen besonders schweren Nachteil geltend, weil sie die Kosten für die Wertmarke selbst habe aufbringen müssen und der Grundrechtsverstoß insoweit schwer wiege. Auch insoweit gehen jedoch ihre Darlegungen über die Wiederholung der zu diesem Annahmegrund entwickelten Maßstäbe und die Behauptung, diese seien hier erfüllt, nicht wesentlich hinaus. Damit ist - obwohl bei Menschen, die auf die Grundleistungen nach § 3 [X.] angewiesen ist, zweifellos schon geringe finanzielle Belastungen von erheblichem Gewicht sein können - ein existentieller Nachteil angesichts des Umstandes, dass im Ausgangsverfahren um Kosten von 60 Euro für ein Jahr gestritten wurde, nicht ausreichend dargelegt. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin für den streitigen [X.]raum auf Grund der Entscheidung des [X.]s vom 18. Juli 2012 ([X.] 132, 134) eine Nachzahlung erhalten hat. Dabei sind in die Höhe der Leistungen, die auf Grund der vom [X.] erlassenen Übergangsregelung zu erbringen waren, auch die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für die Abteilung 7 (Verkehr) nach §§ 5 f. des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 [X.] - Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz ([X.]) - in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung eingegangen (vgl. Ziffer 3 Buchstabe b des Urteils vom 18. Juli 2012, [X.] 132, 134 <135 f.>). Diese betrugen für Einpersonenhaushalte monatlich 22,78 Euro (vgl. § 5 Abs. 1 [X.] 2011). Der Jahresbetrag ging also über die für den Erwerb einer Wertmarke notwendigen Aufwendungen deutlich hinaus. Die Beschwerdeführerin hätte daher zumindest aufzeigen müssen, welche weiteren Mobilitätsbedarfe ihr entstanden sind, aber nicht gedeckt werden konnten, um eine existentielle Betroffenheit erkennbar werden zu lassen.

Jedenfalls das auf das konkrete Verfahren bezogene und das auch für die heutige rechtliche Lage relevante Vorbringen ist im Übrigen nicht hinreichend substantiiert, so dass eine sogenannte Durchsetzungsannahme auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2926/14

05.03.2018

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BSG, 12. Mai 2014, Az: B 9 SB 81/13 B, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93a Abs 2 Buchst a BVerfGG, § 93a Abs 2 Buchst b BVerfGG, § 1 Abs 1 Nr 3 Buchst c AsylbLG vom 10.11.2014, § 3 AsylbLG, § 25 Abs 5 AufenthG 2004, § 145 Abs 1 S 3 SGB 9 vom 22.12.2008, § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB 9 vom 22.12.2008, § 228 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB 9 2018 vom 23.12.2016, § 228 Abs 4 SGB 9 2018 vom 23.12.2016

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.03.2018, Az. 1 BvR 2926/14 (REWIS RS 2018, 12898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12898

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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