Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. XI B 115/18

11. Senat | REWIS RS 2019, 158

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde; Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis


Leitsatz

NV: Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis werden nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine entsprechende Anwendung des § 233a AO kommt deshalb nicht in Betracht .

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 22.10.2018 - 6 K 664/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) betrieb im Besteuerungszeitraum 2012 (Streitjahr) im Bundesland [X.] eine Spielbank.

2

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) hatte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 12.08.2014 die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf ... € festgesetzt. Mit "geänderten Abrechnungen" vom 27.06.2016 buchte das [X.] auf die bereits getilgte Umsatzsteuerschuld einen Betrag von ... €, der dem auf den [X.] entfallenden Teil der Umsatzsteuer entspricht, aus dem Aufkommen der [X.] um und erstattete diesen Betrag.

3

Mit Schreiben vom 19.07.2016 beantragte die Klägerin die Festsetzung von Erstattungszinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung [X.]) in Höhe von ... €; diesen Antrag lehnte das [X.] mit Bescheid vom 13.09.2016 ab. Den Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 08.03.2017 als unbegründet zurück.

4

Das [X.] ([X.]) gab der Klage wegen Zinsen zur Umsatzsteuer 2012 mit Urteil vom 22.10.2018 - 6 K 664/17 statt.

5

Es entschied, es sei in entsprechender Anwendung von § 233a Abs. [X.] ein Anspruch der Klägerin auf Erstattungszinsen entstanden. Der Bundesgesetzgeber habe bei Einführung der Verzinsungsregelung in § 233a [X.] mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25.07.1988 (BStBl I 1988, 224) die erstmalig mit dem [X.] Spielbankgesetz vom 15.11.2007 ([X.] 2007, 753) angeordnete "Tilgung" einer Steuer aus dem Aufkommen einer anderen Steuer nicht gekannt. Diese planwidrige Regelungslücke sei zu schließen, indem die Tilgung der Umsatzsteuer aus dem Aufkommen der [X.] im Rahmen der Vollverzinsung nach § 233a [X.] anrechenbaren [X.] gleichgestellt werde.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des [X.] wegen Nichtzulassung der Revision. Es beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) sowie wegen materieller Rechtsfehler des [X.] zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II.

7

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O entsprechend dargelegt wurden, liegen solche nicht vor.

8

1. Das angefochtene [X.] ist revisibel, soweit das [X.] aus dem von ihm dem Bestande und dem Inhalt nach festgestellten irrevisiblen Landesrecht, dem [X.] Spielbankgesetz, Schlüsse auf die Anwendbarkeit von Vorschriften des Bundesrechts, der [X.], gezogen hat (vgl. allgemein Urteil des [X.] --[X.]-- vom 08.03.1995 - II R 10/93, [X.], 276, [X.] 1995, 432, unter II.3., Rz 19).

9

2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) zu.

a) Das [X.] sieht es als klärungsbedürftig an, ob "die Erstattung in einem geänderten Abrechnungsbescheid, der auf einer abweichenden Tilgung von [X.] auf die Umsatzsteuer bzw. auf einer abweichenden Anrechnung von Umsatzsteuer auf die [X.] beruht, zu einem Anspruch auf Festsetzung von Erstattungszinsen gemäß § 233a Abs. 5 i.V.m. Abs. 3, § 238, § 239 Abs. 2 [X.]" führt.

b) Diese Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Klärung; sie ist zu verneinen.

Der Wortlaut des § 233a [X.] sieht für einen --wie nach den Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) im Streitfall gegebenen-- Sachverhalt keine Verzinsung vor. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht, da sich der [X.] kein allgemeiner Grundsatz des Inhalts entnehmen lässt, dass Ansprüche des Steuerpflichtigen aus dem Steuerschuldverhältnis stets zu verzinsen seien; vielmehr werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. [X.]-Urteil vom 16.12.2009 - I R 48/09, [X.], 827, unter [X.], Rz 14). Soweit sich dabei Verzinsungslücken ergeben, ist dies de lege lata hinzunehmen (vgl. [X.] vom 18.09.2007 - I R 15/05, [X.], 1, [X.] 2008, 332, unter [X.], Rz 15).

3. Danach ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) zuzulassen. Denn hierbei handelt es sich um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung, weshalb dieselben Zulassungsgrundsätze gelten (vgl. z.B. [X.] vom 20.03.2018 - III B 135/17, [X.], 705, Rz 5; vom 30.01.2019 - II B 104/17, [X.], 401, Rz 4).

4. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O hat das [X.] nicht hinreichend dargetan.

Zur schlüssigen, den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Darlegung einer [X.] gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen (vgl. z.B. [X.] vom 08.08.2019 - X B 117/18, [X.], 1219, Rz 27, m.w.N.).

Dem wird das [X.] mit seinen Rechtsausführungen nicht gerecht.

5. Die Revision ist schließlich nicht ausnahmsweise aufgrund geltend gemachter materieller Fehler der Vorentscheidung zuzulassen.

a) Zwar kann gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O die Revision u.a. auch dann zuzulassen sein, wenn dem [X.] ein so schwerwiegender Rechtsfehler unterläuft, dass eine greifbar gesetzeswidrige oder willkürliche Entscheidung vorliegt, deren Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde und einer Korrektur durch das Revisionsgericht bedarf (vgl. z.B. [X.] vom 02.07.2019 - VIII B 99/18, [X.], 1348, Rz 6).

b) Die Annahme einer greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung muss aber auf ganz ungewöhnliche Fallgestaltungen beschränkt bleiben. So kann eine greifbare Gesetzeswidrigkeit bejaht werden, wenn eine Entscheidung jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt, auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte, oder wenn das [X.] eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat oder eine solche Vorschrift völlig unvertretbar ausgelegt hat. Nur in solchen Fällen beruht das angegriffene Urteil auf einem gravierenden, unerträglichen und außerdem offensichtlichen, d.h. ohne Weiteres erkennbaren Rechtsverstoß. Diese besonderen Umstände sind in der Beschwerdeschrift substantiiert darzulegen, insbesondere der schwerwiegende Fehler, seine Offensichtlichkeit sowie seine Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren. Unterhalb dieser Schwelle liegende --ggf. auch erhebliche-- Rechtsfehler reichen dagegen nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 16.08.2013 - III B 28/12, [X.], 1936, Rz 3; vom [X.], [X.], 1136, Rz 43; in [X.], 1348, Rz 7).

Die Voraussetzungen hierfür hat das [X.] allerdings nicht dargetan.

6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 115/18

19.12.2019

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 22. Oktober 2018, Az: 6 K 664/17, Urteil

§ 233a AO, § 115 Abs 2 FGO, § 118 Abs 1 FGO, SpielbkG HE 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. XI B 115/18 (REWIS RS 2019, 158)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 158

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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