Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. XI B 33/20

11. Senat | REWIS RS 2020, 3698

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Gegenstand

(Rückzahlung der gezahlten Umsatzsteuer als Voraussetzung für eine Berichtigung des Steuerbetrags nach den § 14c Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14c Abs. 2 Satz 3 ff. UStG; Zulässigkeit einer Feststellungsklage in Fällen des § 14c UStG)


Leitsatz

1. NV: Eine nicht gezahlte Umsatzsteuer muss für eine Berichtigung des Steuerbetrags nicht zurückgezahlt werden. Daher liegt eine sog. Überraschungsentscheidung vor, wenn das FG eine Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Steuerbetrags mit der Begründung in vollem Umfang abweist, dass die Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt worden sei, obwohl die Umsatzsteuer nur teilweise gezahlt worden war.

2. NV: Eine Feststellungsklage des leistenden Unternehmers, der eine Rechnung mit offenem Steuerausweis erteilt hat, ist unzulässig, wenn die begehrte Klärung der Streitfrage, ob eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vorliegt, auch mit der Verpflichtungsklage gegen das FA auf Zustimmung zur Berichtigung des Steuerbetrags geklärt werden kann.

3. NV: Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dem FG auch dann die Entscheidung über die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens zu übertragen, wenn die Vorentscheidung nur teilweise aufgehoben und der Rechtsstreit nur teilweise an das FG zurückverwiesen wird.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 11.06.2020 - 11 K 88/18 wegen Zustimmung zur Berichtigung der Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] sowie im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Sache wird insoweit an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 11.06.2020 - 11 K 88/18 als unbegründet zurückgewiesen.

3. Dem [X.] wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist [X.]rganträgerin der ... GmbH (G-GmbH).

2

Die G-GmbH übersandte der [X.] ... ([X.] S), die sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin zuvor seit 19.. mit Wasser versorgt hatte, am 12.05.2003 ein Schreiben über die Lieferung von Wasserversorgungsanlagen und wies in dem Schreiben Umsatzsteuer in Höhe von 1.656.466,62 € aus. Hintergrund des Schreibens war, dass die [X.] S den Versorgungsvertrag mit der G-GmbH zum 31.03.2003 gekündigt hatte und seit dem 01.04.2003 vom ... ([X.]) mit Wasser versorgt wurde. Nach einem Rechtsstreit zwischen der G-GmbH und der [X.] S zahlte [X.] aufgrund eines Vergleichs der G-GmbH u.a. Umsatzsteuer in Höhe von 1.275.094,20 €. Im Rahmen des Vergleichs wurde u.a. vereinbart, dass die G-GmbH diesen Betrag [X.] erstattet, wenn die Übertragung der Wasserversorgungsanlagen im Rahmen einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) erfolgt sein sollte.

3

Nach einer Außenprüfung (ebenfalls im Jahr 2007) vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) im Umsatzsteuerbescheid für das [X.] vom 05.06.2007 die Auffassung, dass die Lieferung der Wasserversorgungsanlagen an die [X.] S steuerpflichtig und das Schreiben vom 12.05.2003 eine Rechnung i.S. des § 14 UStG sei. Es erhöhte die der Klägerin zuzurechnenden Umsätze zum Regelsteuersatz des Jahres 2003 und reduzierte die Umsätze des Jahres 2005 entsprechend.

4

Im Rahmen des [X.] beantragte die Klägerin am 29.11.2007 u.a., dass das [X.] der "Aufhebung" der Rechnung vom 12.05.2003 und der Neuerteilung einer Rechnung über eine Geschäftsveräußerung an [X.] ohne Steuerausweis zustimmen möge. Eine direkte Umsetzung dieser Absicht erfolgte indes nicht. Das [X.] wies den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2003 mit Einspruchsentscheidung vom 18.12.2007 als unbegründet zurück. Im anschließenden Klageverfahren wegen Umsatzsteuer 2003 (16 K 10/08) wies das [X.] ([X.]) das [X.] darauf hin, dass über den Antrag der Klägerin noch nicht entschieden sei. Die Klage wegen Umsatzsteuer 2003 wurde zurückgenommen.

5

Das [X.] lehnte anschließend den Antrag auf Zustimmung ab; die Klägerin legte Einspruch ein.

6

Im Laufe des [X.] erteilte die G-GmbH mit Schreiben vom [X.] der [X.] S eine neue Rechnung, in der sie u.a. die ausgewiesene Umsatzsteuer auf den von [X.] gezahlten Betrag (1.275.094,20 €) reduzierte. Im Schreiben enthalten ist u.a. der Hinweis auf das Schreiben vom 12.05.2003 sowie die widerstreitenden Auffassungen der G-GmbH, des [X.] und der [X.] S dazu, ob bereits eine ordnungsgemäße Rechnung für den Sachverhalt erteilt worden sei. Am 25.10.2010 beantragte die Klägerin beim [X.], einer Berichtigung der Rechnung vom [X.] und einer Erteilung einer Rechnung an [X.] ohne Steuerausweis ebenfalls zuzustimmen. Diesen Antrag lehnte das [X.] mit Bescheid vom 18.02.2013 ebenfalls ab. Auch dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.

7

Im Laufe der beiden Einspruchsverfahren legte die Klägerin sodann eine Rechnung der G-GmbH an [X.] vom 14.09.2017 vor, die als Berichtigung der Rechnung vom [X.] bezeichnet ist. Darin wies die G-GmbH keine Umsatzsteuer mehr offen aus.

8

Das [X.] wies beide Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 19.02.2018 als unbegründet zurück. Das [X.] nahm an, es handele sich bei den Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] nicht um Rechnungen i.S. des § 14c Abs. 2 UStG, weil der Steuerbetrag nicht nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet werde, so dass eine Berichtigung nach § 14c Abs. 2 Satz 3 ff. UStG nicht möglich sei. Die Lieferung der Wasserversorgungsanlagen durch die Klägerin an die [X.] S sei steuerbar und steuerpflichtig. Eine Geschäftsveräußerung liege nicht vor.

9

Im Laufe des sich dem anschließenden Klageverfahrens beantragte die Klägerin u.a. sinngemäß, das [X.] zur Zustimmung zur Berichtigung der Rechnungen vom 12.05.2003 sowie vom [X.] zu verpflichten sowie festzustellen, dass die G-GmbH einen Wasserversorgungsbetrieb (Wasserversorgungsnetz mit Kundenstamm und Kundendaten) an [X.] geliefert habe.

Mit [X.] vom 24.02.2020 fragte das [X.] bei der Klägerin an, ob es zutreffend sei, dass der Betrag von 1.275.094,20 € nicht an die [X.] S oder an [X.] zurückgezahlt worden sei. Dies bejahte die Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2020.

Das [X.] wies die Klage mit seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 11.06.2020 - 11 K 88/18 ab. Die Verpflichtungsklage sei zwar zulässig, aber das [X.] zur begehrten Zustimmung nicht verpflichtet. Bei den Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] handele es sich zwar um Rechnungen i.S. des § 14c UStG. Ziel des Antrags sei sowohl der Austausch des Leistungsempfängers ([X.] statt [X.] S) als auch des Steuerbetrags. Dieser falle, soweit es um den Steuerbetrag gehe, an sich nicht unter § 14c Abs. 2 UStG, da die Klägerin von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung ausgehe. Allerdings verweise § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG dazu auf § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG. Beim Austausch des Leistungsempfängers handele es sich dagegen ggf. um einen Fall des § 14c Abs. 2 UStG. Die Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung 2003 stehe nicht entgegen, weil eventuelle Rechnungsberichtigungen keine Rückwirkung hätten. Allerdings scheitere die beantragte Verpflichtung des [X.] zur Zustimmung bezüglich der Rechnung vom [X.] daran, dass [X.] die Umsatzsteuer bezahlt und die Klägerin die Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt habe. Dies gelte wegen des Verweises auf § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG. Außerdem ging das [X.] davon aus, es sei unerheblich, dass keine Gefährdung des Steueraufkommens zu befürchten sei.

Den daneben erhobenen Feststellungsantrag sah das [X.] als unzulässig an, da die Klägerin ihre Rechte durch die Verpflichtungsklage verfolgen könne.

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt die Klägerin die Abweisung der Feststellungsklage als unzulässig sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs als Verfahrensfehler.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Zwar hat das [X.] die Feststellungsklage zu Recht als unzulässig abgewiesen (dazu 1.); insoweit ist die Beschwerde unbegründet. Das [X.] hat aber das rechtliche Gehör der Klägerin dadurch verletzt, dass es die Verpflichtungsklage insgesamt mit der Begründung als unbegründet abgewiesen hat, dass die Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt worden sei, ohne zu beachten, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 1.656.466,62 € nur in Höhe von 1.275.094,20 € bezahlt worden ist (dazu 2.); dies führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) rügt, dass das [X.] über ihre Feststellungsklage zu Unrecht durch Prozessurteil statt durch [X.] entschieden habe, liegt dieser Verfahrensfehler nicht vor. Das [X.] hat die Klage auf Grundlage der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu Recht als unzulässig abgewiesen (s. allgemein [X.]-Urteil vom 13.12.2018 - V R 4/18, [X.]E 263, 535, Rz 26 ff.). Zulässig ist insoweit die --von der Klägerin auch vorrangig erhobene-- Verpflichtungsklage (vgl. allgemein [X.]-Urteil vom 26.06.2019 - XI R 5/18, [X.]E 266, 67, Rz 20). Ein Ausnahmefall, in dem eine Feststellungsklage gegen das Finanzamt des Geschäftspartners, der eine Rechnung mit oder ohne Steuerausweis erteilen muss, zulässig sein könnte (vgl. [X.]-Urteile vom 10.07.1997 - V R 94/96, [X.]E 183, 288, [X.] 1997, 707; vom 30.03.2011 - XI R 12/08, [X.]E 233, 304, [X.] 2011, 819), liegt nicht vor. Eine Feststellungsklage könnten allenfalls die [X.] oder O erheben.

2. Allerdings hat das [X.] den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in Bezug auf die Verpflichtungsklage [X.] dadurch verletzt, dass es die Klageabweisung in vollem Umfang auf den bisher mit den Beteiligten nicht erörterten Umstand gestützt hat, dass die Umsatzsteuer nicht an die [X.] oder an O zurückgezahlt worden sei.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O) umfasst vor allem das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, sowie in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten (vgl. u.a. [X.]-Beschlüsse vom 19.11.2013 - XI B 9/13, [X.]/NV 2014, 373, Rz 11; vom 19.03.2014 - XI B 144/13, [X.]/NV 2014, 1064, Rz 24). Darüber hinaus gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, für die Prozessbeteiligten überraschende Entscheidungen zu unterlassen (vgl. [X.]-Beschluss vom 04.03.2020 - XI B 30/19, [X.]/NV 2020, 611, Rz 7). Eine gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßende Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das [X.] seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 02.04.2014 - XI B 2/14, [X.]/NV 2014, 1049, Rz 12; vom 09.04.2014 - XI B 6/14, [X.]/NV 2014, 1230, Rz 12; vom 03.02.2016 - XI B 53/15, [X.]/NV 2016, 954, Rz 23). Eine Überraschungsentscheidung kann deshalb z.B. vorliegen, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom [X.] erst mit dem Endurteil in das Verfahren eingebracht wird (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2020, 611, Rz 7; vom 08.04.2020 - IX B 88/19, [X.]/NV 2020, 897, Rz 10).

Das Gericht ist jedoch nach dieser Maßgabe grundsätzlich weder zu einem [X.] noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet; der fachkundig vertretene Beteiligte hat vielmehr von sich aus alle vertretbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte in Erwägung zu ziehen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 31.01.2014 - X B 52/13, [X.]/NV 2014, 860, Rz 72; vom 12.06.2014 - XI B 133/13, [X.]/NV 2014, 1560, Rz 19). Auf rechtliche Umstände, die ein Beteiligter selbst hätte erkennen können und müssen, muss er nicht hingewiesen werden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 10.03.2016 - X B 198/15, [X.]/NV 2016, 1042, Rz 13; vom 13.05.2020 - VIII B 117/19, [X.]/NV 2020, 1262, Rz 4). Auch liegt keine sog. Überraschungsentscheidung vor, soweit das [X.] das angefochtene Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt hat, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 22.07.2014 - XI B 103/13, [X.]/NV 2014, 1761, Rz 15; vom 26.04.2018 - XI B 117/17, [X.]/NV 2018, 953, Rz 16).

b) Da im Streitfall das [X.] mit Schreiben vom 24.02.2020 bei der Klägerin angefragt hat, ob es zutreffend davon ausgehe, dass Umsatzsteuer in Höhe von 1.275.094,20 € weder an die [X.] noch an O "erstattet" worden sei, hätte die Klägerin von sich aus damit rechnen müssen, dass --soweit die Anfrage reicht-- dieser Umstand aus Sicht des [X.] entscheidungserheblich sein könnte. Er war damit gegenüber der Klägerin angesprochen, so dass insoweit eine "Überraschungsentscheidung" nicht vorliegt.

c) Allerdings liegt eine "Überraschungsentscheidung" insoweit vor, als das [X.] angenommen hat, dass dieser Umstand einer Verpflichtung des [X.], einer Berichtigung der Rechnung vom 12.05.2003 zuzustimmen, vollständig entgegen stehen könnte. Diese Rechnung enthält, wie das [X.] auf S. 4 des Urteils festgestellt hat, einen Steuerausweis in Höhe von 1.656.466,62 €. Gleichzeitig hat das [X.] ebenfalls auf S. 4 des Urteils festgestellt, dass (nur) Umsatzsteuer in Höhe von 1.275.094,20 € bezahlt worden ist. Es verbleibt danach ein nicht gezahlter Differenzbetrag, für den die Klägerin nicht zur Rückzahlung verpflichtet sein kann, weil sie ihn nicht erhalten hat. Damit, dass das [X.] die Klage auf Zustimmung in Höhe auch dieses Differenzbetrags mit der Begründung abweisen könnte, die Klägerin habe die Umsatzsteuer nicht an die angeblich unzutreffende Leistungsempfängerin zurückgezahlt (Urteil S. 10 ff., unter 2.e), musste die Klägerin auch aufgrund des Hinweises vom 24.02.2020 nicht rechnen.

d) Der --auch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu beachtende (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11.02.2020 - XI B 69/19, XI B 70/19, [X.]/NV 2020, 891, Rz 23; vom 18.05.2020 - XI B 105/19, [X.]/NV 2020, 1097, Rz 2)-- § 126 Abs. 4 [X.]O führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung; denn die Vorentscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

aa) Zwar sprechen die Ausführungen des [X.] auf S. 13 des Urteils unter 5. dafür, dass das [X.] davon ausgegangen sein könnte, dass die Rechnung vom [X.] (Nr. 90015717) von der Klägerin nicht "im Laufe des [X.]" (gemeint wohl: durch die Rechnung vom 14.09.2017) storniert worden sein könnte. Dass die Rechnung vom 12.05.2003 nicht durch die Rechnung vom [X.] berichtigt worden sein könnte, ergibt sich aus diesen Ausführungen indes nicht.

bb) Gleiches gilt für die Aussage des [X.] auf S. 14 des Urteils, dass ohne "Stornierung der ursprünglichen Rechnung" einer zweifachen Abrechnung desselben Veräußerungsvorgangs zugestimmt würde. Auch daraus ergibt sich nicht, dass das [X.] davon ausgegangen wäre, dass die Rechnung vom 12.05.2003 nicht durch die Rechnung vom [X.] berichtigt worden wäre. Im Gegenteil lägen dann drei Rechnungen über denselben Vorgang vor. Davon ist das [X.] indes nicht ausgegangen.

cc) Die Frage, ob eine Geschäftsveräußerung vorliegt, kann auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] auch nicht beurteilt werden (s. dazu unten unter [X.]), so dass der Senat auch nicht entscheiden kann, ob es sich dabei überhaupt um Rechnungen i.S. des § 14c UStG handelt. Auf den Umstand, dass das [X.] bisher noch nicht begründet hat, warum es auf S. 9 seines Urteils die Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] als Rechnungen i.S. des § 14c UStG (und nicht als solche i.S. des § 14 UStG) bezeichnet hat, kommt es danach nicht mehr an.

3. Aufgrund des Verfahrensfehlers hält es der Senat für sachgerecht, das angefochtene Urteil gemäß § 116 Abs. 6 [X.]O aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, da beim derzeitigen Verfahrensstand von einer Revisionsentscheidung keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist (vgl. dazu z.B. allgemein [X.]-Beschlüsse vom 25.07.2017 - XI B 29/17, [X.]/NV 2017, 1715, Rz 26; vom 08.05.2018 - XI B 5/18, [X.]/NV 2018, 958, Rz 23).

4. Der Senat weist für den zweiten Rechtsgang --ohne Bindungswirkung-- auf folgende Erwägungen hin:

a) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass für den Fall, dass es sich bei den Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] um Rechnungen i.S. des § 14c UStG handeln sollte, deren Berichtigung keine Rückwirkung hat (vgl. allgemein [X.]-Urteile vom 16.09.2015 - XI R 47/13, [X.]/NV 2016, 428, Rz 47; vom 12.10.2016 - XI R 43/14, [X.]E 255, 474; in [X.]E 263, 535, Rz 15; Schreiben des [X.] vom 18.09.2020, [X.], 976, [X.]. 31). Soweit es sich um Rechnungen i.S. des § 14 UStG handeln sollte, könnte einer Berichtigung im Hinblick auf ein ggf. bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug Rückwirkung zukommen (vgl. [X.]-Urteile vom 20.10.2016 - V R 26/15, [X.]E 255, 348, [X.] 2020, 593; vom 22.01.2020 - XI R 10/17, [X.] 2020, 601).

b) Soweit das [X.] im zweiten Rechtsgang ggf. entscheiden muss, ob die Rechnung vom [X.] als Berichtigung der Rechnung vom 12.05.2003 anzusehen ist, mussten im [X.] für eine Berichtigung der Rechnung aus dem [X.] nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, übermittelt werden (§ 31 Abs. 5 Satz 2 der [X.] i.d.[X.]). Insbesondere muss keine zivilrechtlich richtige Rechnung erteilt, sondern nur der Steuerbetrag berichtigt worden sein (vgl. [X.]-Urteile vom 25.02.1993 - V R 112/91, [X.]E 171, 373, [X.] 1993, 643, unter II.2.c, Rz 23; in [X.]E 255, 474, Rz 26). Aus der Rechnung vom [X.] muss --notfalls durch [X.] hervorgehen, dass der leistende Unternehmer über seine Leistung nicht mehr, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags abrechnen wollte (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 255, 474, Rz 27). Dies könnte im Streitfall aufgrund der in der Rechnung vom [X.] enthaltenen Bezugnahmen auf das Schreiben vom 12.05.2003 und den Hinweis auf den zwischen der G-GmbH, der [X.] und dem O bestehenden Streit, ob dieses Schreiben eine ordnungsgemäße Rechnung ist, der Fall sein. Allerdings obliegt die abschließende Würdigung dem [X.].

c) Die gleichen Erwägungen sind bei der Frage anzustellen, ob die Rechnung vom 14.09.2017 entweder (bei dieser Sichtweise) die Rechnung vom 12.05.2003 in Gestalt der Änderungsrechnung vom [X.] oder (bei anderer Sichtweise) die beiden getrennten Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] in doppelter Weise berichtigt hat (durch Austausch des Leistungsempfängers unter gleichzeitiger Stornierung des Steuerausweises).

d) Die jedenfalls in Fällen des § 14c Abs. 1 UStG erforderliche Rückzahlung der Umsatzsteuer (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 16.05.2018 - XI R 28/16, [X.]E 261, 451; zu Fällen des § 14c Abs. 2 UStG s. [X.]-Urteil in [X.]E 266, 67, Rz 46) kann ggf. auch durch Abtretung von Ansprüchen gegen das [X.] erfolgen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 255, 474, Rz 40). Soweit die Klägerin in den Rechnungen vom 12.05.2003 und vom [X.] davon ausgegangen sein sollte, dass Zahlungen des O an die Klägerin Entgelt von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG a.F.) für eine Leistung an die [X.] gewesen sei, wäre diese Rückzahlung jedenfalls dann auch an den [X.] möglich, wenn darüber Einigkeit besteht oder im zweiten Rechtsgang noch hergestellt wird.

e) Zu der materiell zwischen den Beteiligten vorrangig streitigen Frage, ob im [X.] eine Teil-Geschäftsveräußerung an die [X.] oder O stattgefunden hat, ergeht ein Hinweis auf das [X.]-Urteil vom 25.11.2015 - V R 66/14 ([X.]E 251, 526, [X.] 2020, 793, Rz 29), den [X.]-Beschluss vom 15.04.2016 - XI B 109/15 ([X.]/NV 2016, 1306, Rz 21) sowie das [X.]-Urteil vom 26.06.2019 - XI R 3/17 ([X.]E 265, 549, Rz 78). Ein sog. Durchgangserwerb einer Person, die die unternehmerische Tätigkeit nicht selbst fortführt, steht unter den dort genannten Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nicht entgegen.

5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz  2 Halbsatz 2 [X.]O).

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O. Das [X.] hat mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch in den Fällen des § 116 Abs. 6 [X.]O über die Kosten des durch diesen Beschluss rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu entscheiden (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 11.12.2013 - XI B 33/13, [X.]/NV 2014, 714, Rz 22; vom 19.09.2017 - IV B 85/16, [X.]/NV 2018, 51, Rz 20; vom [X.] - III B 149/18, [X.]/NV 2020, 90, Rz 17).

Meta

XI B 33/20

27.10.2020

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. Juni 2020, Az: 11 K 88/18, Urteil

§ 41 Abs 1 FGO, § 41 Abs 2 S 1 FGO, § 96 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 126 Abs 4 FGO, § 143 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 1 Abs 1a UStG 1999, § 14 Abs 4 S 1 Nr 8 UStG 1999, § 14c Abs 1 S 3 UStG 1999, § 14c Abs 2 S 3 UStG 1999, § 14c Abs 2 S 4 UStG 1999, § 14c Abs 2 S 5 UStG 1999, § 1 Abs 1a UStG 2005, § 14 Abs 4 S 1 Nr 8 UStG 2005, § 14c Abs 1 S 3 UStG 2005, § 14c Abs 2 S 3 UStG 2005, § 14c Abs 2 S 4 UStG 2005, § 14c Abs 2 S 5 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2020, Az. XI B 33/20 (REWIS RS 2020, 3698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3698

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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14 K 2411/21

14 K 2328/20

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