Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 4 BN 24/22

4. Senat | REWIS RS 2022, 8637

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Fehlende Antragsbefugnis für einen Normenkontrollantrag (Nachbargemeinde, Inhaberin einer Baugenehmigung)


Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2022 ergangenen Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragstellerin, eine [X.] Ortsgemeinde, ist Bauherrin und Eigentümerin einer touristisch genutzten Hängeseilbrücke, deren südlicher Brückenkopf sich auf dem Gebiet der Antragsgegnerin befindet. Der angegriffene Bebauungsplan schafft im bisher unbebauten Umfeld des Brückenkopfes u. a. die planungsrechtlichen Grundlagen für einen Kiosk, eine Terrasse und eine Toilettenanlage. Die Vorinstanz hat den Normenkontrollantrag abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei ([X.], Urteil vom 7. März 2022 - 1 [X.] 11462/20.OVG - UPR 2022, 266), und die Revision nicht zugelassen.

II

2

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2019 - 4 [X.] - [X.] 406.11 § 34 BauGB Nr. 225 Rn. 4 und vom 12. Mai 2020 - 4 [X.] 3.20 - juris Rn. 3).

4

Die Beschwerde möchte [X.] klären lassen,

ob es für die Antragsbefugnis in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan ausreicht, dass der Antragsteller durch einen schuldrechtlichen Gestattungsvertrag und durch eine Baugenehmigung in Bezug auf ein von dem Bebauungsplan erfasstes Grundstück berechtigt und verpflichtet wird, wenn der Bebauungsplan einen Eingriff in Natur und Landschaft abschließend regelt, womit er gegen eine Bedingung der bestandskräftigen Baugenehmigung verstößt.

5

1. Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Nach Auffassung der Beschwerde verstößt der Bebauungsplan gegen die Nebenbestimmung Nr. 10 der Baugenehmigung der [X.] vom 9. März 2015. Der Bescheid genehmigt den Bau der Brücke auf einem - jedenfalls in Teilen - im Plangebiet gelegenen Grundstück. Nach der Nebenbestimmung sind zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau der Brücke nicht vorgesehen und auch nicht zulässig.

6

Die Grundsatzfrage würde sich bei wörtlichem Verständnis schon deswegen nicht stellen, weil die Nebenbestimmung Nr. 10 keine Bedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG [X.] m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist, sondern - allenfalls - eine Auflage im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG [X.] m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (vgl. [X.] f.). An diese Auslegung des Bescheides ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Dezember 2014 - 4 [X.] 35.13 - [X.] 442.42 § 27a [X.] Nr. 8 Rn. 74 und vom 3. August 2016 - 4 [X.] 3.15 - BVerwGE 155, 390 Rn. 21). Selbst ein Verstoß gegen die Nebenbestimmung führte daher nicht zum Wegfall der Baugenehmigung, sondern gäbe allenfalls der zuständigen Behörde das Recht, die Auflage gegenüber der Antragstellerin durchzusetzen und die Baugenehmigung gegebenenfalls nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 LVwVfG [X.] m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwVfG zu widerrufen.

7

Die Frage ist aber auch nicht entscheidungserheblich, wenn sie im Hinblick auf eine Auflage zu einer Baugenehmigung formuliert wäre. Denn der Bebauungsplan steht zu dieser Auflage nicht im Widerspruch. Eine Auflage nach § 1 Abs. 1 LVwVfG [X.] m. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten des Hauptverwaltungsakts [X.], Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Sie begründet nur für die Antragstellerin als Begünstigte eine Pflicht, nicht aber für Dritte, etwa die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist indes nach Erlass des Bebauungsplans weiterhin in der Lage, die Auflage zu erfüllen und die Errichtung zusätzlicher Infrastrukturanlagen zu unterlassen. Die weiter geschilderten Befürchtungen, Subventionen würden zurückgefordert, lassen keinen Bezug zur aufgeworfenen Grundsatzfrage erkennen. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass damit kein städtebaulicher Belang bezeichnet ist (UA S. 18).

8

2. Hiervon unabhängig zeigt die Beschwerde keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

9

Hinsichtlich des schuldrechtlichen Gestattungsvertrags ist geklärt, dass auch Personen, denen - etwa als Mieter oder Pächter - Nutzungsrechte übertragen worden sind, als Folge nachteiliger bauplanerischer Festsetzungen Rechtsbeeinträchtigungen erleiden und deshalb im Normenkontrollverfahren - selbstständig und unabhängig vom Eigentümer - überprüfen lassen können, ob die ihre Nutzung beeinträchtigenden Festsetzungen unter beachtlichen Rechtsfehlern leiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2015 - 4 [X.]N 5.14 - [X.] 310 § 47 VwGO Nr. 200 Rn. 11; vgl. auch [X.]). Mit Blick auf das Baugenehmigungsverfahren ist geklärt, dass ein Antragsteller geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein, wenn er auf der Grundlage von Vereinbarungen mit Grundeigentümern bereits [X.] gestellt hat (zur Veränderungssperre BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2012 - 4 [X.] 37.11 - [X.] Rn. 3; vgl. auch [X.], in: [X.]/Reidt/[X.], Bauplanungsrecht, 9. Aufl. 2022, Rn. 15.3). Es liegt auf der Hand, dass ebenso der Inhaber einer Baugenehmigung in eigenen abwägungserheblichen Belangen betroffen ist, wenn etwa die Gemeinde - anders als vorliegend - das örtliche Planungsrecht so verändert, dass eine genehmigte Nutzung auf den passiven Bestandsschutz beschränkt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. März 2016 - 4 [X.] 1.16 - [X.] 2016, 493 Rn. 5; [X.], Urteil vom 11. Mai 2022 - 8 [X.] 10646/21 - juris Rn. 37).

Weiteren [X.]en Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar. Sie beschränkt sich darauf, subventionsrechtliche Folgen zu skizzieren, die sie in der - eher ungewöhnlichen - Situation befürchtet, und denen das Oberverwaltungsgericht sowohl die städtebauliche Relevanz als auch die hinreichende Erkennbarkeit für die Antragsgegnerin abgesprochen hat (UA S. 18).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 BN 24/22

14.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 7. März 2022, Az: 1 C 11462/20, Urteil

§ 47 Abs 2 S 1 VwGO, § 1 Abs 3 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.12.2022, Az. 4 BN 24/22 (REWIS RS 2022, 8637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8637

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 BN 36/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Nichtigkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans; Zugang zur Revisionsinstanz; Konflikttransfer im Bauplanungsrecht


9 CS 16.883 (VGH München)

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Versammlungsraums in einen Gastronomieraum für Veranstaltungen


4 B 26/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Anhörung des Käufers vor Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts


4 BN 47/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Abgrenzung eines erneuten Erlasses einer Veränderungssperre (§ 17 Abs. 3 BauGB) von dem Erlass einer …


4 BN 48/22 (Bundesverwaltungsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.