Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.09.2019, Az. IX R 12/18

9. Senat | REWIS RS 2019, 3940

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Gegenstand

Einziehung einer Forderung stellt keine Veräußerung dar


Leitsatz

Die Einziehung einer Forderung, die von einem Dritten unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, stellt keine "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dar .

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 14.03.2018 - 3 K 407/16 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26.10.2016 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid für 2008, zuletzt geändert unter dem 13.08.2014, wird mit der Maßgabe geändert, dass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 200.000 € berücksichtigt werden.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Einziehung einer Forderung das Tatbestandsmerkmal der "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) erfüllt.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr (2008) --neben weiteren Einkünften-- Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Tätigkeit als Geschäftsführer der [X.]. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erließ unter dem 12.05.2010 einen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es in verschiedenen --vorliegend nicht im Streit stehenden-- Punkten von den Angaben des [X.] in seiner am 28.12.2009 eingegangenen Einkommensteuererklärung abwich.

3

Im November 2013 erhielt das [X.] über eine --im Zuge einer Betriebsprüfung bei der [X.] gefertigte-- Kontrollmitteilung von folgendem Sachverhalt Kenntnis:

Im Juni 2008 hatte der Kläger von der [X.] eine Forderung gegen die [X.] in Höhe von 410.540,94 € [X.] 45.643,34 € Zinsen zum Kaufpreis von 200.000 € erworben. In der zwischen den Beteiligten getroffenen schriftlichen Vereinbarung wurde auszugsweise Folgendes vereinbart:

   

1. Die [X.] benötigt auf Grund der notwendigen Zwischenfinanzierung für das laufende Investitionsvorhaben … dringend Liquidität. Die [X.] hat gegenüber der [X.] eine Forderung aus 2003 in Höhe von 410.540,94 € [X.] 45.643,34 € Zinsen. Diese Forderung kann derzeit auch auf Grund der aktuellen Expansionsphase der [X.] nicht ausgeglichen werden.
2. Es wird vereinbart, dass der alleinige Gesellschafter der [X.] [d.h. der Kläger] diese Forderungen zu einem Betrag von 200.000,00 Euro erwirbt. Im Gegenzug verzichtet die [X.] auf die Zinsen i.H.v. 45.643,34 €.
3. (…) Mit Zahlung des vorgenannten Betrages geht der [X.]. 410.540,94 € von der [X.] an … [den Kläger] über.

4

Der Kläger war im Streitjahr mit 40 % am Kommanditkapital der [X.] beteiligt. Neben dem Kläger waren im Streitjahr mit 20 % Frau X, die [X.] die Ehefrau des [X.] wurde, sowie mit 40 % eine weitere natürliche Person an der [X.] beteiligt. Am Stammkapital der [X.] war der Kläger zu 100 % beteiligt.

5

Unter dem 22.12.2008 bezahlte die [X.] 400.000 € zur (teilweisen) Begleichung der Forderung an den Kläger.

6

Aufgrund der Kontrollmitteilung erließ das [X.] am 30.01.2014 einen nach § 164 Abs. 2 [X.] geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es sonstige Einkünfte des [X.] in Höhe von 200.000 € ansetzte. Das [X.] ging davon aus, dass der Kläger mit der Einziehung der Forderung den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt und einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis der Forderung (200.000 €) und dem eingezogenen Betrag (400.000 €) erzielt habe. Der Einspruch des [X.] hatte keinen Erfolg; das [X.] vertrat insoweit die Ansicht, dass die Einziehung einer Forderung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des [X.] --BFH-- vom [X.], [X.], 331, BStBl III 1962, 127) wirtschaftlich einer Veräußerung gleichstehe.

7

Das Finanzgericht ([X.]) wies die hiergegen gerichtete Klage des [X.] mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2018, 1187 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Das [X.] ging in seiner Entscheidung davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal der "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch die Einziehung der Forderung erfüllt werde. Der Begriff der Veräußerung i.S. der genannten Vorschrift sei weit auszulegen. Zwar fehle es unstreitig bei der Einziehung einer Forderung an dem für eine Veräußerung im engeren Sinne notwendigen Rechtsträgerwechsel; die Einziehung sei indes eine Verwertung der Forderung, die einer Veräußerung gleichstehe.

8

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]. Er vertritt die Auffassung, eine "Veräußerung" setze [X.] die Existenz von zumindest zwei Rechtsträgern voraus; im Falle der Einziehung der Forderung finde ein derartiger Rechtsträgerwechsel indes nicht statt. Überdies fehle es bei der Einziehung einer Forderung --anders als bei deren Veräußerung-- an der Notwendigkeit einer aktiven Mitwirkung des Forderungsinhabers bei der Zession des Rechts. Ein Schuldner könne seine Verbindlichkeit --notfalls auch gegen den Willen des [X.] durch schlichte Überweisung oder --bei [X.] durch Hinterlegung (§ 372 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) tilgen; verzichte der Schuldner auf das Recht der Rücknahme, werde der Schuldner durch die Hinterlegung von seiner Verbindlichkeit in gleicher Weise befreit, wie wenn er zur [X.] an den Gläubiger geleistet hätte (§ 378 BGB). Wolle man in der Tilgung einer Verbindlichkeit eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erblicken, habe es der Schuldner überdies in der Hand, dem Gläubiger eine eventuelle Steuerlast aufzuzwingen; eine dahin gehende, weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Veräußerung" sei indes nicht zulässig. Vielmehr stehe es nur dem Gesetzgeber zu, derartige Sachverhalte innerhalb einer Steuernorm zu erfassen; dies sei jedoch bei § 23 EStG --trotz entsprechender Hinweise der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.2015 – IX R 3/15, [X.], 341, [X.], 351, Rz 21, a.[X.] nicht geschehen. Vor diesem Hintergrund könne die Einziehung einer Forderung nicht als "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen werden.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des [X.] vom 14.03.2018 - 3 K 407/16 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, zuletzt geändert unter dem 13.08.2014, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2016 mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 200.000 € berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung des [X.] sei der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erweiternd dahin auszulegen, dass die Einziehung einer Forderung --namentlich einer solchen unter [X.] das Tatbestandsmerkmal der "Veräußerung" i.S. dieser Vorschrift erfülle. Denn auch in anderen Bereichen des Rechts werde der Begriff der Veräußerung nicht eng, sondern --unter wirtschaftlichen [X.] weiter ausgelegt. Durch die Einziehung der Forderung habe der Kläger im konkreten Fall eine Werterhöhung im Privatvermögen realisiert, da er im Zeitpunkt der Anschaffung lediglich eine Forderung im ([X.] von 200.000 € erworben, im Zeitpunkt der Einziehung jedoch 400.000 € erhalten habe.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger durch Einziehung der von ihm erworbenen Forderung gegen die C-GmbH den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt hat.

1. Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG u.a. Veräußerungsgeschäfte bei "anderen Wirtschaftsgütern", bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

a) Mit den Bestimmungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst das Einkommensteuergesetz --abweichend von dem sonst im Einkommensteuerrecht bestehenden Grundsatz, wonach Einkünfte aus der Veräußerung privater, nicht zu einem Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter nicht steuerbar sind-- innerhalb der Veräußerungsfrist von einem Jahr realisierte Wertänderungen von beweglichen Wirtschaftsgütern jedweder Art im Privatvermögen (vgl. [X.] vom 16.07.2002 -IX R 62/99, [X.], 451, [X.] 2003, 74, unter [X.], Rz 47, m.w.N.).

b) Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwendeten Begriffe "Anschaffung" und "Veräußerung" erschließen sich aus den Regelungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und der §§ 135, 136 BGB. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist danach der   entgeltliche   Erwerb und die   entgeltliche   Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen [X.] --d.h.   auf eine andere Person-- zu verstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 23.07.2019 - IX R 28/18, [X.], 258, www.bundesfinanzhof.de; vom 06.02.2018 – IX R 33/17, [X.], 485, [X.] 2018, 525; vom 08.11.2017 - IX R 25/15, [X.], 202, [X.] 2018, 518; vom 08.04.2003 – IX R 1/01, [X.], 1171). Eine "Veräußerung" i.S. der genannten Vorschrift setzt daher nicht nur die Entgeltlichkeit des Übertragungsvorgangs voraus, sondern auch, dass sich aufgrund der zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen ein Rechtsträgerwechsel an dem veräußerten Wirtschaftsgut vollzieht (s. etwa [X.]-Urteil vom 23.08.2011 – IX R 66/10, [X.], 335, [X.] 2013, 1002).

2. Die bloße Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs stellt keinen entgeltlichen, mit einem Rechtsträger verbundenen Übertragungsvorgang dar.

a) Der Gläubiger erhält im Fall der Erfüllung nicht mehr, als seinem Leistungsanspruch entspricht ([X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 Rz B 202 "Forderungen"). Damit realisiert der Gläubiger insbesondere auch keine Wertänderung hinsichtlich des maßgeblichen (nämlichen) Wirtschaftsguts --im Streitfall einer Geldforderung-- zumal er weiterhin die [X.] trägt ([X.]/[X.], § 23 EStG Rz 125). Der Normzweck des § 23 EStG, innerhalb der Haltefrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 01.10.2014 – IX R 55/13, [X.], 397, [X.] 2015, 265, und in [X.], 485, [X.] 2018, 525, jeweils m.w.N.), ist in solchen Fällen mithin nicht erfüllt. Zudem fehlt es im Fall der Erfüllung einer schuldrechtlichen Forderung an einem Rechtsträgerwechsel, da der Gläubiger bei Tilgung lediglich etwas erhält, was er zivilrechtlich bereits im Zeitpunkt der Abtretung der Forderung erworben hatte ([X.]/[X.], § 23 EStG Rz 125).

b) Unbeschadet dieses (zivil-)rechtlichen Befunds hat die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung --und ihr folgend die [X.] in der Einziehung einer (unter dem Nennwert) entgeltlich erworbenen Forderung innerhalb der nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. bzw. nach § 42 Abs. 1 EStG 1925 maßgeblichen Veräußerungsfrist ein "Spekulationsgeschäft" gesehen, da die Verwertung einer Kapitalforderung durch Einziehung einer Veräußerung gleichstehe (so schon Urteil des [X.] vom 14.03.1934 - VI A 1125/33, [X.] 1934, 711, zu § 42 Abs. 1 EStG 1925, betreffend die Einziehung einer Hypothekenforderung; s. ferner [X.]-Urteile vom 17.07.1959 – VI 67/58 U, [X.], 222, [X.]I 1959, 346; in [X.], 331, [X.]I 1962, 127, und vom 01.12.1967 – VI R 202/66, [X.], 90, [X.] 1968, 267, jeweils zur Einziehung von angeschafften [X.]; s. auch [X.] Hamburg vom 10.08.1984 - VII 14/84, E[X.] 1985, 125, und [X.] München vom 18.07.1996 - 10 K 843/92, E[X.] 1997, 343, jeweils zur Einziehung von [X.]; vgl. auch Nie[X.]ächsisches [X.] vom 29.04.2009 - 9 K 242/06, E[X.] 2009, 1379, zur Abgrenzung der Einziehung von Forderungen und Zinsen). Die frühe höchstrichterliche Rechtsprechung hat diese, über den engen bürgerlich-rechtlichen Begriff der Veräußerung hinausgehende Auslegung u.a. damit gerechtfertigt, dass innerhalb der Norm des § 23 EStG auch im Übrigen --so etwa bei der Bestimmung des Beginns und des Endes der Veräußerungsfrist, welche nicht beim dinglichen Geschäft der Eigentumsübertragung oder Forderungsabtretung, sondern beim obligatorischen Geschäft ansetze-- ein normspezifisches Verständnis des Veräußerungstatbestandes vorherrsche (s. etwa [X.]-Urteil in [X.], 331, [X.]I 1962, 127). Das [X.] ist in seiner angefochtenen Vorentscheidung dieser Rechtsprechung gefolgt.

Im Schrifttum ist diese Rechtsprechung auf Zustimmung (s. etwa [X.] in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 23 Rz 14; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 20 Rz 1360), aber auch auf Kritik gestoßen ([X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 Rz B 202 "Forderungen"; [X.] in [X.]/[X.]/ [X.] --[X.]--, § 23 EStG Rz 142; [X.]/[X.], § 23 EStG Rz 125; [X.]/ [X.], EStG, 38. Aufl., § 23 Rz 54; [X.]/[X.], § 23 EStG, 4. Aufl., Rz 255; vgl. auch [X.]/[X.], § 20 EStG Rz 422).

c) Die jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Frage, ob die Einziehung angeschaffter Forderungen innerhalb der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. bzw. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine "Veräußerung" darstellt, bislang offengelassen ([X.]-Urteile vom 30.11.2010 – VIII R 58/07, [X.], 337, [X.] 2011, 491, zur Aufnahme und Tilgung von Fremdwährungsdarlehen; vom 02.05.2000 – IX R 73/98, [X.], 435, [X.] 2000, 614, zur Anschaffung und Veräußerung von [X.] und [X.]; vom 18.10.2006 – IX R 7/04, [X.], 193, [X.] 2007, 258, zur Vereinnahmung eines Auseinan[X.]etzungsguthabens nach § 235 HGB), im Übrigen aber den Veräußerungsbegriff des § 23 EStG weiter konkretisiert und dabei insbesondere die Rückgabe und Einlösung von Wertpapieren nicht als Veräußerungstatbestände gewertet ([X.]-Urteile in [X.], 341, [X.] 2016, 351, und in [X.], 485, [X.] 2018, 525).

Aus den genannten Entscheidungen wurde im Schrifttum eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung gesehen und hieraus gefolgert, dass ein bloßer Kapitalrückfluss --sei es als Einziehung einer Forderung oder als Vereinnahmung eines [X.] keine Veräußerung und auch kein veräußerungsähnliches Geschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen könne (Nöcker, [X.] 7/2007 [X.]. 4; [X.]mann, Die steuerliche Betriebsprüfung 2007, 61; [X.]., [X.] 2007, 122 f.). Dieser Auffassung ist die finanzgerichtliche Rechtsprechung teilweise gefolgt ([X.] Hamburg vom 20.01.2004 - III 362/01, E[X.] 2004, 805, bestätigt durch [X.]-Urteil in [X.], 193, [X.] 2007, 258; Hessisches [X.] vom 01.10.2014 - 10 K 2040/13, E[X.] 2015, 128).

d) Der erkennende Senat folgt der Auffassung, dass die Einziehung einer Forderung, die von einem [X.] unter Nennwert entgeltlich erworben wurde, keine "Veräußerung" i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt, da sie weder einen entgeltlichen Vorgang beinhaltet noch zu einem Rechtsträgerwechsel führt. Soweit der [X.] in früheren Entscheidungen eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält der erkennende Senat hieran nicht länger fest.

Das bislang in der Rechtsprechung für eine steuerrechtliche Gleichbehandlung der Einziehung und der Veräußerung von Forderungen bemühte Argument einer "wirtschaftlichen Vergleichbarkeit" der beiden Vorgänge (z.B. [X.]-Urteil in [X.], 331, [X.]I 1962, 127, Rz 14, a.E.) vermag nicht zu überzeugen. Zwar wird in beiden Fällen der Forderungsinhaber den in der Forderung verkörperten Wert realisieren können, jedoch kann dieser Umstand nicht den Schluss rechtfertigen, dass in beiden Fällen auch der in der maßgeblichen Vorschrift geregelte Steuertatbestand, welcher ein "Veräußerungsgeschäft" voraussetzt, erfüllt ist. Denn an[X.] als im Fall der Weiterveräußerung einer zuvor angeschafften Forderung vollzieht sich die Einziehung [X.]elben durch eine freiwillige Leistung des Schuldners, der hierdurch die Forderung zum Erlöschen bringt (§ 362 Abs. 1 BGB); die Leistung des Schuldners ist folglich nicht auf eine Übertragung der Forderung (und mithin auch nicht auf einen Rechtsträgerwechsel) gerichtet. Überdies setzt die Einziehung keine Mitwirkung des [X.] voraus; vielmehr kann --wie der Kläger in seiner Revisionsbegründung zutreffend vorträgt-- der Schuldner die gegen ihn gerichtete Forderung ggf. auch gegen den Willen des [X.] zum Erlöschen bringen (§§ 372 Satz 1, 378 BGB; in diesem Sinne auch [X.], in: [X.][X.], EStG, § 23 Rz B 202 "Forderungen"; [X.]/[X.], § 23 EStG Rz 125).

3. Die Sache ist spruchreif. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger durch Einziehung seiner Forderung gegen die C-GmbH den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt hat. Das angefochtene Urteil des [X.] ist daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Einer Anfrage nach § 11 Abs. 3 [X.]O bedarf es nicht, da der erkennende Senat die alleinige sachliche Zuständigkeit für Streitigkeiten betreffend die Einkommensteuer auf sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 2 bis 4 EStG besitzt (s. den Geschäftsverteilungsplan des [X.] für das Jahr 2019, Abschnitt A. Sachliche Zuständigkeit der Senate, IX. Senat, Nr. 2, [X.] 2019, 3 [6]).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

IX R 12/18

03.09.2019

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 14. März 2018, Az: 3 K 407/16, Urteil

§ 23 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, EStG VZ 2008, § 362 BGB, § 372 S 1 BGB, § 378 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.09.2019, Az. IX R 12/18 (REWIS RS 2019, 3940)

Papier­fundstellen: WM2019,2386 REWIS RS 2019, 3940


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX R 12/18

Bundesfinanzhof, IX R 12/18, 03.09.2019.


Az. 3 K 407/16

Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 3 K 407/16, 14.03.2018.


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