Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.2017, Az. 1 C 14/17

1. Senat | REWIS RS 2017, 7468

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tatbestand

1

Der Kläger stammt aus [X.] und ist [X.] Staatsangehöriger [X.] Volks- und jezidischer Religionszugehörigkeit.

2

Er reiste Ende März 2015 über [X.] in die [X.] ein und beantragte Asyl. Im Rahmen eines Wiederaufnahmeersuchens teilte die Republik [X.] im Juli 2015 der Beklagten mit, dass dem Kläger bereits im Februar 2015 der Status eines Flüchtlings zuerkannt worden sei.

3

Das [X.] ([X.]) lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 23. März 2016 unter Hinweis auf die anderweitige Schutzgewähr in [X.] als unzulässig ab, drohte dem Kläger die Abschiebung nach [X.] an und stellte fest, dass der Kläger nicht nach [X.] abgeschoben werden darf. Weiterhin wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

4

Auf die hiergegen gerichtete Klage hob das Verwaltungsgericht des [X.] den Bescheid auf, weil [X.] wegen systemischer Mängel im Aufnahmeverfahren anerkannter Schutzberechtigter nicht (mehr) als sicherer [X.] anzuerkennen sei und daher entgegen der gesetzlichen Grundregel des § 31 Abs. 4 [X.] in [X.] in eine (erneute) Prüfung der §§ 3 und 4 [X.] oder von § 60 Abs. 5 bzw. 7 [X.] in Bezug auf [X.] einzutreten sei.

5

Auf die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]es hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit es die Abweisung des Asylantrages als unzulässig betrifft, weil "systemische" Mängel im Asyl- bzw. Aufnahmeverfahren in [X.] nicht anzunehmen seien. In Bezug auf die Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat [X.] sowie die Befristungsentscheidung/das Einreiseverbot sei die Berufung indes unbegründet. Wegen der ungeklärten Durchführbarkeit einer Abschiebung sei zwar unbedenklich, dass die Beklagte lediglich eine Abschiebungsandrohung erlassen habe. Diese sei aber jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte keine (ausdrückliche) Feststellung über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] getroffen habe. Eine solche Entscheidung sei nach dem seit dem 6. August 2016 geltenden § 31 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 [X.] bei Unzulässigkeitsentscheidungen zwingend vorgesehen. Die Beklagte hätte daher vor Erlass der Abschiebungsandrohung eine Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots treffen müssen. Die Gerichte seien nicht verpflichtet, die Sache hinsichtlich der Feststellung eines Abschiebungsverbots, mit dem sich die Beklagte bislang noch nicht befasst hat, spruchreif zu machen. Über die vom Kläger höchsthilfsweise begehrte Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] sei mangels Vorbefassung durch den Beklagten nicht zu entscheiden, zumal hinsichtlich der Aufhebung der Abschiebungsandrohung die Berufung der Beklagten keinen Erfolg habe und daher das höchsthilfsweise gestellte Begehren nicht angefallen sei. Es spreche auch alles dafür, dass auch insoweit die Zulässigkeit eines gegenüber einer gerichtlichen Feststellungsklage (§ 43 VwGO) ohnehin prozessual nachrangigen Verpflichtungsbegehrens (§ 42 Abs. 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) mit der Konsequenz der kompletten Ersetzung der behördlichen Sachprüfung durch die Verwaltungsgerichte grundsätzlichen durchgreifenden Bedenken unterläge. Die Beklagte sei angesichts der bekanntermaßen schwierigen Situation für anerkannte Flüchtlinge in [X.] gehalten, bei ihrer Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegt, sicherzustellen, dass eine Abschiebung nach [X.] nur stattfinde, wenn eine "[X.]" in [X.] für angemessene Zeit zur Verfügung stehe, was - soweit im Einzelfall nicht ausnahmsweise entbehrlich - durch entsprechende individuelle Zusicherungen [X.] Behörden zu leisten sei.

6

Zur Begründung ihrer Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe den Regelungsbereich von § 31 Abs. 3 [X.] und § 86 Abs. 1 VwGO fehlerhaft bestimmt. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei eine Abschiebungsanordnung nach § 34a [X.] bzw. eine Abschiebungsandrohung nach § 35 [X.] nicht allein deswegen rechtswidrig, weil in dem Bescheid die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorgesehene Feststellung zu nationalen [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] fehle. Vielmehr habe das [X.] dann die zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bzw. -drohung erforderlichen Tatsachen aufzuklären und die Sache spruchreif zu machen.

7

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

8

Der Vertreter des [X.] bei dem [X.] hat angezeigt, sich nicht am Verfahren zu beteiligen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass allein eine fehlende oder unzureichende Entscheidung über den nationalen [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führe, ist mit § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 34a, 35 [X.] unvereinbar (§ 137 Abs. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil zu den Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] kann der Senat weder zugunsten noch zulasten des [X.] abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist hier zunächst die Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.], soweit es den Bescheid des [X.] hinsichtlich der Abschiebungsandrohung mit dem Abschiebezielstaat [X.] sowie hinsichtlich der Befristungsentscheidung/Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots aufhebt. Die Entscheidung des [X.] über den Asylantrag selbst, den das [X.] als unzulässig abgelehnt hat, ist rechtskräftig geworden, nachdem der Kläger gegen das Berufungsurteil insoweit kein (Anschluss-)Rechtsmittel eingelegt hat. Der im erstinstanzlichen Verfahren höchsthilfsweise gestellte Antrag "festzustellen, dass nationaler [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] besteht", der sachgerecht als [X.] auszulegen ist (vgl. nunmehr § 31 Abs. 3 [X.]), ist hingegen ebenfalls Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 ([X.]), zuletzt geändert mit Wirkung vom 1. Juli 2017 durch das [X.] vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des [X.] - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte ([X.], Urteil vom 11. September 2007 - 10 [X.] 8.07 - [X.]E 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 [X.] regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in [X.] getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

2. Die Abschiebungsandrohung in dem angefochtenen Bescheid ist nunmehr an §§ 34a, 35 [X.] (in der Fassung des zum 6. August 2016 geltenden [X.]) zu messen. Danach ist in den Fällen, in denen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 oder 2 [X.] nicht ergehen kann, die Abschiebung in den jeweiligen Staat anzudrohen bzw. ist in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 [X.] die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher ist. Nach § 35 [X.] ist in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 [X.] vom [X.] die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher ist.

2.1 Zutreffend ist das Berufungsgericht mit Blick auf § 31 Abs. 3 [X.] davon ausgegangen, dass eine solche Abschiebungsandrohung für ihre Rechtmäßigkeit erfordert, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen (s.a. § 34 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Die Rechtspflicht zur Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen, in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge hätte systematisch keinen Sinn, wenn sich das Ergebnis dieser Prüfung nicht auf die mit der [X.] einhergehende Abschiebungsentscheidung auswirken würde.

Nicht zu entscheiden ist, ob in den Fällen des § 34a Abs. 1 Satz 1 [X.] eine Abschiebungsandrohung nur und erst dann ergehen darf, wenn geprüft und positiv festgestellt worden ist, dass eine Abschiebungsanordnung nicht ergehen kann, weil nicht feststeht, dass sie durchgeführt werden kann, und ob hierfür - wie vom Berufungsgericht angenommen - bereits eine nicht näher dargelegte "offensichtlich ungeklärte Durchführbarkeit" genügt. Eine objektive Rechtswidrigkeit einer bloßen Abschiebungsandrohung verletzte den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. In den Fällen einer [X.] nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 [X.], in die die wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat erfolgte [X.] umzudeuten gewesen wäre (s. [X.], Beschluss vom 23. März 2017 - 1 [X.] 17.16 - juris), hat nach § 35 [X.] ohnehin nur eine Abschiebungsandrohung zu ergehen. Nicht zu vertiefen ist daher auch, ob sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine objektiv rechtswidrige [X.] in Rechtskraft erwachsen ist, für die aber eine Umdeutung in eine rechtmäßige [X.] in Betracht zu ziehen gewesen wäre (zu den möglichen Grenzen der Umdeutung bei vor dem 20. Juli 2015 gestellten Asylanträgen s. indes [X.], Beschluss vom 23. März 2017 - 1 [X.] 17.16 - juris), die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsentscheidungen nach den für die in Rechtskraft erwachsene Behördenentscheidung geltenden Bestimmungen oder nach jenen richtet, die für die umgedeutete Entscheidung anzuwenden sind.

2.2 § 34 Abs. 1 Nr. 3 [X.] enthält für die Abschiebungsandrohung materiell-rechtliche Voraussetzungen (Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.]), zu denen auch dann, wenn nach § 34a [X.] eine Abschiebungsanordnung im Raum steht, nach § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] nunmehr eine ausdrückliche Feststellung in der Entscheidung über einen unzulässigen Asylantrag verlangt ist. Allein der Umstand, dass eine solche Feststellung nicht (ausdrücklich) getroffen worden ist, bedeutet aber nicht, dass - positiv - die Voraussetzungen für nationalen [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen (s.a. [X.], Beschluss vom 27. April 2017 - 1 B 6.17 - juris Rn. 6). Dass eine derartige ausdrückliche Feststellung des [X.] über das Vorliegen von [X.] nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] ergangen ist, ist nicht (gesetzliches) Tatbestandsmerkmal der Abschiebungsanordnungen bzw. -drohungen nach §§ 34a, 35 [X.]. Auch die nunmehr in § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] normierte Rechtspflicht zur (ausdrücklichen) Feststellung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] schafft kein zusätzliches gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Die [X.] erweitert zwar - formell - das (objektivrechtliche) [X.]"programm" des [X.]. Sie erhöht aber nicht - materiellrechtlich - die Anforderungen an den Erlass von Abschiebungsanordnungen oder -drohungen nach §§ 34a, 35 [X.].

2.3 § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] wirkt auch prozessrechtlich nicht als zusätzliche (formelle) Anforderung für den Erlass einer Abschiebungsanordnung oder -drohung bzw. deren umfassende Überprüfung. Verletzt das [X.] seine aus § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] folgende Rechtspflicht zur Feststellung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen, kann der Asylbewerber nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen (§ 44 VwGO) die Anfechtungsklage gegen die [X.] und die mit dieser verbundenen Abschiebungsanordnung bzw. -drohung zwar - wie hier - (hilfsweise) mit einem entsprechenden [X.] verbinden. Dieser Antrag ist aber nicht Voraussetzung des [X.] für die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung bzw. -drohung, zumal ein Rechtsschutzbedürfnis für eine ausdrückliche Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] nicht vorliegen, regelmäßig fehlen dürfte. Dann ist er aber auch nicht Voraussetzung für die gerichtliche Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen, die im Rahmen des - insoweit selbstständigen - Anfechtungsbegehrens gegen eine Abschiebungsanordnung bzw. -drohung nach deren gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorzunehmen ist.

2.4 Für die Anfechtung einer Abschiebungsanordnung oder -drohung nach §§ 34a, 35 [X.] verbleibt es mithin bei dem Grundsatz (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung unterliegt, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, und die Gerichte nach § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO verpflichtet sind, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist (s.a. [X.], Beschluss vom 3. April 2017 - 1 [X.] 9.16 - [X.] 2017, 239). Die Gerichte haben bei der Überprüfung der Abschiebungsanordnung bzw. -drohung alle einschlägigen Rechtsnormen und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenen Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht ([X.], Urteil von 16. November 2015 - 1 [X.] 4.15 - [X.]E 153, 234 Rn. 28).

Die in § 31 Abs. 3 Satz 1 [X.] bei [X.]en vorgegebene Feststellung durch das [X.] führt nicht - wie in den Fällen der [X.] selbst - zu einem mehrstufigen Behördenverfahren, das klar zwischen der Zulässigkeitsentscheidung und der nachfolgenden Sachprüfung und -entscheidung unterscheidet ([X.], Urteil vom 1. Juni 2017 - 1 [X.] 9.17 -). Auch in Fällen, in denen die Prüfung der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] - aus welchen Gründen auch immer - vollständig unterblieben ist, bestehen für die rechtlich gebundene Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen, keine Besonderheiten, die eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle vorrangige, exklusive Prüf- oder [X.]zuständigkeit des [X.] rechtfertigen. Bei der Prüfung und Feststellung der nationalen Abschiebungsverbote sind keine verfahrensrechtlichen Vorgaben oder Besonderheiten des Unionsrechts ersichtlich, welche einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle durch gerichtliche Vollprüfung auch möglicher Abschiebungsverbote entgegenstehen.

3. Die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Lage international schutzberechtigter Personen in [X.] erlauben dem Senat keine Beurteilung, ob in Bezug auf [X.] die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen.

3.1 Das Berufungsgericht hat im Rahmen seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der [X.] allerdings auf die schwierige Situation anerkannter Flüchtlinge in [X.] hingewiesen und ausgeführt, dass bei der Entscheidung darüber, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegt, das [X.] gehalten sei, einzelfallbezogen immer das Vorliegen eines Abschiebungsverbots hinsichtlich [X.]s mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse des konkreten Ausländers zu prüfen und jedenfalls grundsätzlich sicherzustellen habe, dass Abschiebungen nach [X.] nur dann stattfinden, wenn die Betroffenen dort auf eine [X.] für angemessene Zeit zugreifen könnten. Dies stehe indes nicht generell der Qualifizierbarkeit der Republik [X.] als sicherer Drittstaat entgegen; daraus folgten auch nicht "systemische Mängel" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] im Asyl- bzw. Aufnahmeverfahren in [X.]. Darin liegt keine abschließende, positive Wertung der tatsächlichen Erkenntnisse dahin, dass - generell oder in Bezug auf den Kläger - die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen. Eine solche Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem neuerlichen Hinweis des Berufungsgerichts auf die schwierige Situation anerkannter Flüchtlinge in [X.], angesichts derer die Beklagte gehalten sei, bei ihrer Entscheidung, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegt, "sicherzustellen ... , dass eine Abschiebung des [X.] nur dann stattfindet, wenn ihm eine '[X.]' in [X.] für angemessene Zeit zur Verfügung steht". Dies sei "- sofern im Einzelfall nicht ausnahmsweise entbehrlich - durch entsprechende individuelle Zusicherungen [X.] Behörden" zu leisten.

3.2 Eine tragfähige Grundlage für eine eigenständige Beurteilung des [X.], ob in Bezug auf [X.] die Voraussetzungen nationalen [X.]es nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] vorliegen, bildet dies nicht. Das Berufungsgericht hat sich - insoweit auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu seiner begrenzten Prüfungspflicht folgerichtig - einer abschließenden Entscheidung gerade enthalten.

4. Bundesrecht verletzt auch die berufungsgerichtliche Versagung einer Entscheidung über den hilfsweise gestellten, sinngemäßen Antrag, das [X.] zu der Feststellung zu verpflichten, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 [X.] bestehen. Da der Antrag auf Aufhebung der [X.] ohne Erfolg geblieben und die Bedingung damit eingetreten ist, ist dieser Hilfsantrag schon im Berufungsverfahren - und angesichts der Rechtskraft der [X.] auch im Revisionsverfahren - zur Entscheidung angefallen. Das Berufungsgericht wäre aus den oben ausgeführten Gründen auch insoweit verpflichtet gewesen, die Sache spruchreif zu machen (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Da es - wie unter 3. ausgeführt - an hinreichenden Tatsachenfeststellungen zu den Voraussetzungen der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 [X.] fehlt, ist dem Senat auch hier eine eigene Entscheidung verwehrt.

5. Ist der Rechtsstreit somit zur erneuten Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und über den [X.] an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, gilt gleiches auch für die unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Befristung des "gesetzlichen" (§ 11 Abs. 1 [X.]) Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 75 Nr. 12 [X.], die nach aktueller Rechtsprechung des [X.] unionsrechtskonform als behördliche Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verstehen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Rn. 72). Denn die Rechtmäßigkeit eines - hier auf 30 Monate befristeten - Einreiseverbots hängt von der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ab.

6. [X.] bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Meta

1 C 14/17

25.07.2017

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 13. Dezember 2016, Az: 2 A 260/16, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.2017, Az. 1 C 14/17 (REWIS RS 2017, 7468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7468

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 C 11/17 (Bundesverwaltungsgericht)


1 C 12/17 (Bundesverwaltungsgericht)


1 C 10/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Durchentscheiden bei fehlendem Ausspruch zu Abschiebungsverboten


1 C 13/17 (Bundesverwaltungsgericht)


M 26 S 16.50279 (VG München)

Erfolgreiche Klage auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Sofortvollziehung einer Abschiebungsandrohung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.