27. Senat | REWIS RS 2011, 10159
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Markenbeschwerdeverfahren – "ROCCO MILES/MILES" – Orientierung am Gesamtnamen führt zu erheblichen Problemen bei der Durchsetzung von Rechten aus sog. Namensmarken - keine selbständig kollisionsbegründende Stellung des Namensbestandteils "MILES" – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen – Zulassung der Rechtsbeschwerde
ROCCO MILES
1. Die Annahme, dass sich die Verbraucher in aller Regel bei aus Vor- und Familiennamen gebildeten Zeichen am Gesamtnamen orientieren, führt insbesondere im Modebereich zu erheblichen nicht hinnehmbaren Problemen bei der Durchsetzung von Rechten aus sog. Namensmarken.
2. Bei der Kombination "ROCCO MILES" spricht gegen eine selbständig kollisionsbegründende Stellung von "MILES", dass es sich dabei nicht um einen bekannten, typischen oder einprägsam-auffallenden Nachnamen handelt, Rocco als Vorname nicht zur Identifizierung einer Person namens Rocco Miles genügt und dass "ROCCO" weder ein beschreibender Begriff ist noch als Bezeichnung einer bestimmten Linie der Marke "MILES" wirkt.
3. Es besteht nicht die Gefahr, dass die Verbraucher "ROCCO MILES" und "MILES" gedanklich miteinander in Verbindung bringen. "MILES" wirkt nicht in einem Maße als Nachname, dass der Verbraucher bei "ROCCO MILES" annehmen wird, er erfahre nun auch den Vornamen des Modeschöpfers Miles oder ein Familienmitglied habe eine weitere Linie kreiert.
4. Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die Frage zugelassen, inwieweit bei einem aus Vor- und Nachname erkannten jüngeren Zeichen der übereinstimmende Bestandteil der Widerspruchsmarke, der in Alleinstellung nicht unmittelbar als Nachname verstanden wird, in einem zusammengesetzten Zeichen im Modebereich eine selbständig kennzeichnende und damit kollisionsbegründende Stellung besitzt.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 307 70 742
hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2011 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin am Landgericht Werner
beschlossen:
1. Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.
2. [X.] wird zugelassen.
I.
Gegen die am 31. Oktober 2007 angemeldete und am 21. Januar 2008 für
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten),
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen,
[X.]: Knöpfe, Haken und Ösen, Stickereien, Bänder und Schnür-
bänder, Reißverschlüsse
eingetragene Wortmarke 307 70 742
[X.] [X.]
hat die Widersprechende am 21. Mai 2008 aus ihrer am 19. September 2006 angemeldeten Gemeinschaftsmarke (Wortmarke) 5322565
[X.]
die seit 12. Juli 2007 für
Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten), Häute und Felle, Reise- und Handkoffer, Rucksäcke, Reisetaschen, Schuhtaschen, Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke, Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren, Brieftaschen, Schlüsseletuis, Kindertragetaschen, [X.] (Lederwaren), Geldgürtel, Hüfttaschen, Gürteltaschen, Taschen für Camper und Campingartikel, Tragetaschen, Schultertaschen,
Klasse 20: Schlafsäcke für Campingzwecke, Campingmöbel zum Falten, Luftmatratzen (nicht für medizinische Zwecke),
Klasse 22: Seile, Bindfaden, Netze, Zelte, Planen, Segel, Säcke (soweit in Klasse 22 enthalten),
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren einschließlich Handtücher und Bettwäsche (soweit in Klasse 24 enthalten), Steppdecken, Tisch-, Bett- und Haushaltswäsche, Schlafsäcke (zu Hüllen genähte Leinentücher),
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
eingetragen ist, Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 4. Februar 2010 zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, die zu vergleichenden Waren der Klassen 18 und 25 seien identisch. Hinsichtlich der Waren der [X.] der jüngeren Marke bestehe zu den Waren der Widerspruchsmarke nur entfernte Ähnlichkeit. Dass Knöpfe im [X.] lägen, da sie gewöhnlich unter derselben Marke vertrieben würden, könne nicht nachvollzogen werden. Bekannte Modemarken wie [X.], [X.] Hilfiger, Diesel, [X.] und [X.] böten gewöhnlich keine Stickereien, Knöpfe, Haken, Ösen an, wie auch eine überblicksartige Recherche im [X.] bestätigt habe.
Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Die ältere Marke bestehe aus dem [X.] Begriff für „Meilen“, was in Bezug auf die strittigen Waren der Widerspruchsführerin nicht beschreibend sei.
Die angegriffenen Marke „[X.] [X.]“ sei in ihrer Gesamtheit zu betrachten und deshalb weder klanglich noch visuell noch begrifflich mit „[X.]“ verwechselbar.
Die beiden Wortmarken unterschieden sich in [X.] und Gesamtlänge deutlich voneinander. Der Bestandteil „[X.]“ der jüngeren Marke finde sich in der Widerspruchsmarke nicht.
Dem gemeinsamen Bestandteil „[X.]“ komme in dem angegriffenen Zeichen weder prägende Bedeutung zu noch trete „[X.]“ hinter „[X.]“ zurück.
Zwar neige der Verbraucher dazu, Bezeichnungen in eine die Aussprache und Merkbarkeit erleichternde Weise zu verkürzen. Es erscheine jedoch zweifelhaft, ob das auch uneingeschränkt gelten könne, wenn es sich – wie im Streitfall – um einen Namen handle, der nicht nur einen Teil seiner Einprägsamkeit, sondern auch seine eigentliche Individualisierungsfunktion durch den Vornamen [X.] erhalte. Da der Verbraucher – vor allem auf dem hier in Frage stehenden Warensektor – jedenfalls daran gewöhnt sei, dass Kennzeichen aus einem vollständigen Vor- und Familiennamen umfassenden Namen bestünden, werde er erfahrungsgemäß in derartigen Fällen die Marke so verstehen, wie sie ihm entgegentrete. |
Dafür, dass das Publikum den Bestandteil „[X.]“ für ein Unternehmenskennzeichen der Widersprechenden halte und ihr deshalb auch „[X.] [X.]“ zurechne, gebe es keine Anhaltspunkte.
Es sei auch nicht zu befürchten, dass die Vergleichsmarken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.
Anzeichen für die Annahme einer Markenserie der Widersprechenden seien weder vorgetragen noch erkennbar. Die Widersprechende habe weder eine Zeichenserie mit „[X.]“ behauptet, noch sei „[X.]“ für das Unternehmen der Widersprechenden besonders charakteristisch noch im Inland als Marke der Widersprechenden sehr bekannt.
Dieser Beschluss ist der Widersprechenden am 10. Februar 2010 zugestellt worden.
Dagegen hat sie am 10. März 2010 Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, es bestehe [X.] bzw. hochgradige [X.]. Die Waren der [X.] seien als ergänzende Waren jedenfalls zu den Widerspruchswaren der Bekleidung in Klasse 25 ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei mindestens durchschnittlich. „[X.]“ habe eine selbständig kennzeichnende Stellung im angegriffenen Zeichen. „[X.] [X.]“ wirke wie ein Name; gerade im Modebereich seien den Verbrauchern solche „Schwestermarken“ ([X.] / [X.]) geläufig.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des [X.] vom 4. Februar 2010 aufzuheben und auf den Widerspruch die Wortmarke 307 70 742.3 „[X.] [X.]“ zu löschen.
Demgegenüber beantragt der Inhaber des angegriffenen Zeichens,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, der Verbraucher orientiere sich nicht an einem möglichen Nachnamen „[X.]“, der mit der Widerspruchsmarke übereinstimme, sondern nehme „[X.] [X.]“ als Ganzes wahr. Das gelte umso mehr, weil der Vorname „[X.]“ auffallend und einprägsam sei. Das [X.] Wort für „Meilen“ sei als solches bekannt und wirke nicht als Nachname. Die Widerspruchsmarke werde außerdem deutsch ausgesprochen, was den Abstand zu seiner Marke, die [X.] [:mails] gesprochen werde, erhöhe.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg.
Mit der Markenstelle kann eine Gefahr von Verwechslung der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht festgestellt werden.
1.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu löschen, wenn unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Dienstleistungs- bzw. [X.] oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht.
Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. [X.], 235 - [X.] / [X.]; [X.], 883 - [X.]; [X.] [X.], 1042 – [X.] Life).
Der Schutz der älteren Marke ist dabei auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. [X.] GRUR 2007, 318 - [X.] / Autec).
Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.] GRUR 2008, 343 - [X.]; [X.], 1042 – [X.] Life; [X.], 1055 - airdsl). Der Gesamteindruck ist deshalb maßgeblich, weil der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. [X.] GRUR 2007, 700 - Limoncello; [X.], 295 - Goldhase).
2.
Nach diesen Grundsätzen hat die Markenstelle zutreffend die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken verneint.
a)
Die Widerspruchsmarke ist durchschnittlich kennzeichnungskräftig.
Durchschlagende Anhaltspunkte für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind ebenso wenig ersichtlich wie für eine Minderung.
Die ältere Marke besteht aus dem Wort „[X.]“. Der [X.] Begriff hat die Bedeutung „Meilen“. Unabhängig von der gegebenenfalls abweichenden Aussprache des Markennamens durch die Markeninhaberin ist entgegen der Annahme des Inhabers des angegriffenen Zeichens die Widerspruchsmarke im Hinblick auf dieses einfache Wort „miles“, das zum Grund- und Aufbauwortschatz der [X.] Sprache gehöre, nicht weniger kennzeichnungskräftig, denn weder „miles“ noch „Meilen“ ist in Bezug auf die Waren der Widerspruchsführerin ohne entsprechenden Kontext beschreibend, etwa als Hinweis auf ein Rabattsystem.
b)
Nachdem Fragen zur Benutzung der Widerspruchsmarke nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der [X.] für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Waren auszugehen.
Die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren der Klassen 18 und 25 werden identisch auch unter der Widerspruchsmarke angeboten.
Knöpfe, Haken und Ösen, Stickereien, Bänder und Schnürbänder, Reißverschlüsse der [X.] dürften als Ergänzungen mit den Waren der Klassen 24 und 25 ähnlich sein (vgl. Richter / Stoppel, [X.], 14. Aufl., [X.] Knöpfe noch ähnlich zu Bekleidungsstücke, S. 133 Haken und Ösen = Schuhhaken und -ösen). Es ist nämlich allgemein bekannt, dass Firmen ihre Marken inzwischen auch auf Knöpfen, Reißverschlüssen, Bändern und Schnürbändern sowie Hacken und Ösen an ihren Waren anbringen und diese mit Stickereien ihrer Marken verzieren. Ferner verwenden Modehersteller teilweise eigentümliche Knöpfe u. ä., so dass die Verbraucher bei deren Verlust wieder Originalzubehör erwerben wollen bzw. müssen, das Verkäufer z. B. in [X.] und auch die Modehersteller selbst anbieten.
Letztlich kann die Frage, ob die betreffenden Waren der [X.] überhaupt im Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchswaren der Klassen 24 und 25 liegen und welchen Grad dieser gegebenenfalls erreicht, allerdings dahinstehen, denn das angegriffene Zeichen wahrt auch den bei [X.] einzuhaltenden deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke.
c)
Auch soweit bei [X.] strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen sind, um eine [X.] im markenrechtlichen Sinn auszuschließen, reichen die begrifflichen, klanglichen und schriftbildlichen Abweichungen vorliegend aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] hinreichend sicher auszuschließen.
(1)
Bei Gegenüberstellung der Marken in ihrer Gesamtheit verhindert der in der jüngeren Marke enthaltene weitere Bestandteil „[X.]“ eine unmittelbare Verwechslung in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht. Die Unterschiede treten bei jeder üblichen Schreibweise deutlich in Erscheinung. Gleiches gilt für die klanglichen Unterschiede, auch wenn dabei unterstellt wird, dass „[X.]“ jeweils englisch ausgesprochen wird.
(2)
Eine den Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens prägende oder selbständig kennzeichnende und damit kollisionsbegründende Stellung des Bestandteils „[X.]“ in dem angegriffenen Zeichen kann der Senat nicht feststellen.
Eine (unmittelbare) [X.] kann gegeben sein, wenn der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen Marke durch den mit der [X.] übereinstimmenden Bestandteil geprägt wird und die übrigen Bestandteile demgegenüber weitgehend in den Hintergrund treten und für den Gesamteindruck des Zeichens vernachlässigt werden können (vgl. zur sog. Prägetheorie [X.], 598, 599 - Kleiner Feigling; [X.] [X.], 1042 – [X.] Life).
In Fällen, in denen einzelne Bestandteile der einander gegenüberstehenden Zeichen übereinstimmen, ist dabei jeweils vom Gesamteindruck der Zeichen auszugehen, um zu ermitteln, ob der übereinstimmende Teil das jeweilige Zeichen derart prägt, dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten. Nicht ausreichend ist es, wenn der übereinstimmende Bestandteil für den Gesamteindruck des Zeichens lediglich mitbestimmend ist (vgl. [X.], 775 - [X.]; GRUR 1998, 942 - Alka-Seltzer; [X.], 233 - Rausch / [X.]; GRUR 2003, 830 - CityPlus).
Dies gilt unabhängig davon, ob die prioritätsältere Marke oder - wie im Streitfall - das angegriffene Zeichen die zusätzlichen Bestandteile aufweist ([X.], 198 - Springende Raubkatze; GRUR 1996, 406 - [X.]; [X.], 233 - Rausch / [X.]).
Nach diesen Grundsätzen kann eine den Gesamteindruck prägende und damit kollisionsbegründende Stellung des Bestandteils „[X.]“ vorliegend nicht bejaht werden.
In Bezug auf die hier maßgeblichen Waren ist ein beschreibender Sinngehalt des Bestandteils „[X.]“ nicht ersichtlich, weshalb dieser weder [X.] ist noch hinter dem weiteren Bestandteil zurücktritt und demnach für den Gesamteindruck der jüngeren Marke von Bedeutung ist.
„[X.]“ ist vorliegend auch nicht als Nachname neben dem als Vornamen verstandenen „[X.]“ selbständig kollisionsbegründend.
Da Verständnis von Zeichen, die aus Personennamen bestehen, ist in den verschiedenen [X.] der [X.] unterschiedlich (vgl. [X.]. 2005, 846 Rn. 57 - [X.] / [X.]; [X.] 2005, 499 - [X.] / [X.]). Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der [X.] Verbraucher bei einer erkennbar aus Vor- und Nachname gebildeten Marken allein oder vorrangig am Nachnamen orientiert, sofern nicht spezielle Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Waren- bzw. Dienstleistungssektor einen speziellen Erfahrungssatz ergeben (vgl. BGH [X.], 233 – Rausch / [X.]; BGH [X.], 1031 – [X.]).
Die Annahme, dass sich die Verbraucher in aller Regel an dem aus Vor- und Familiennamen gebildeten Gesamtnamen orientieren, weil zur Individualisierung auch der Vorname wesentlich beiträgt, wie der Rechtsprechung ([X.], 241 - Lions; [X.], 233 - Rausch / [X.]; [X.], 1031 - [X.]) entnommen werden kann, führt allerdings zu kaum hinnehmbaren Problemen bei der Durchsetzung von Rechten aus "Namensmarken" ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2009, § 9 Rn. 326). Dies sieht der Senat im Modebereich als besonders gravierend.
Deshalb erfuhren jedenfalls Nachnamen, die besonders auffällig sind oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hatten, Schutz gegen jüngere Gesamtnamensmarken mit identischem oder ähnlichem Nachnamensbestandteil (BPatGE 47, 198 - [X.]; nachgehend BGH [X.], 513 - [X.] / [X.]; Beschluss des Senats vom 5. Oktober 2004, [X.]: 27 W (pat) 173/03 - [X.] / BALDESSARINI).
Vorliegend spricht allerdings gegen eine prägende oder selbständig kollisionsbegründende Stellung von „[X.]“, dass es sich dabei nicht um einen bekannten, typischen oder einprägsam-auffallenden Namen handelt, bei dem der Vorname leichter weggelassen wird (vgl. BGH [X.], 233 – Rausch / [X.]; Beschluss des Senats vom 8. Juni 2004, [X.]: 27 W (pat) 319/03 - [X.] / [X.]; [X.] / [X.], a. a. [X.], § 14 Rn. 694, 697). Ferner spricht dagegen, dass „[X.]“ als Vorname auch nicht zur Identifizierung einer Person namens „[X.] [X.]“ genügt ([X.], 1027 - [X.] / [X.] Becker). „[X.]“ ist auch kein beschreibender Begriff (Beschluss des Senats vom 27. Juli 2004, [X.]: 27 W (pat) 257/03 – [X.] / [X.]) und wirkt nicht als Bezeichnung einer bestimmten Linie der Marke „[X.]“ ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. 2009, § 9 Rn. 329), zumal zu „[X.]“ ein Pendant (wie [X.], [X.] etc.) fehlt, das eine andere Linie (etwa Frauenmode) bezeichnen kann.
Obwohl die Verbraucher „[X.]“ als männlichen Vornamen sehen können, ist damit nicht zu erwarten, dass sie ihre Aufmerksamkeit stets nur auf den sich anschließenden Begriff richten, den weiteren Wortbestandteil ausschließlich als Nachnamen verstehen und dieser dann das dominierende Element wird.
Zudem ist bei der allgemein bekannten Übersetzung und Verwendung von „[X.]“ im [X.]n Sprachraum nicht anzunehmen, dass der Verbraucher das Wort „[X.]“ als Nachnamen verstehen wird, wenn es ihm in Alleinstellung begegnet. Insoweit führt der Hinweis der Widersprechenden auf die Entscheidung des [X.] vom 1. März 2003 ([X.].: [X.] - [X.]/[X.]) zu keiner anderen Einschätzung, da der dortige Rechtsstreit sich mit der Frage befasste, ob das Vorhandensein verschiedener Vornamen bei unstreitig identischem Nachnamen [X.] ausschließen könne. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des [X.] zu „[X.]“ ([X.]. 2002, 135), bei der der übereinstimmende Bestandteil „[X.]“ ohne Weiteres als Nachname verstanden wird.
Selbst wenn das Publikum in „[X.]“ ein Firmenschlagwort bzw. Unternehmenskennzeichen sehen würde, existiert kein Erfahrungssatz, dass es solche Angaben außer [X.] lässt (vgl. [X.], 865, 866 - [X.]). Für den [X.] hat der [X.] Herstellerangaben sogar ausdrücklich eine mitprägende Bedeutung zugesprochen ([X.], 406 - Juwel). Ob an der Differenzierung nach Branchen angesichts der [X.] Life-Entscheidung ([X.] [X.], 1042) noch festgehalten werden kann, bedarf keiner Entscheidung, weil entgegen der Annahme der Widersprechenden nach Ansicht des [X.] die Herstellerangabe abweichend von der Rechtsprechung des [X.]s ein zusammengesetztes Zeichen stets dominiert (vgl. [X.] a. a. [X.] – [X.] Life), so dass „[X.]“ in der angegriffenen Marke eine zumindest mitkennzeichnende Stellung zukommt.
(3)
Dem [X.] „[X.]“ kann auch nicht eine den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende Stellung auf der Grundlage einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zuerkannt werden.
Der Grundsatz, wonach die Eignung einzelner Elemente eine Marke zu prägen, ohne Rücksicht auf die [X.] zu ermitteln ist, erfährt eine Einschränkung, wenn der übereinstimmende Bestandteil als isoliertes Zeichen aufgrund seiner tatsächlichen Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat. Eine solche Stärkung würde sich nicht nur auf die Kennzeichnungskraft der älteren einbestandteiligen Marke auswirken, sondern gleichzeitig bewirken, dass dem Zeichen auch dann ein Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnommen wird, wenn es nicht isoliert auftritt, sondern als Bestandteil eines anderen, jüngeren Zeichens begegnet ([X.], 880, 881 - [X.]; [X.], 513, 514 - [X.] / [X.]; [X.], 60, 61 - coccodrillo; [X.], 859, 862 - Malteserkreuz; GRUR 2007, 888, 889 - Euro Telekom).
Die dafür erforderliche erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke lässt sich jedoch weder für den Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke noch für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch feststellen. Die Widerspruchsmarke weist von Haus aus eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Durchschlagende Anhaltspunkte für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft sind - wie bereits dargelegt - nicht ersichtlich.
Sofern eine [X.] auch dann anzunehmen sein kann, wenn die jüngere Marke neben anderen Elementen einen mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil enthält und dieser in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne den Gesamteindruck zu prägen, eine selbstständig kennzeichnende Stellung hat ([X.] [X.], 1042, 1044, Nr. 32 ff. - [X.] life; BGH [X.], 859, 861, Nr. 21 - Malteserkreuz), bedeutet dies nicht, dass jede (insbesondere identische) Übernahme einer älteren Marke in ein jüngeres [X.] zwangsläufig zur Annahme einer [X.] führt. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte dafür, dass der betreffende Bestandteil in dem jüngeren Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung einnimmt ([X.], Markenrecht, 2. Aufl. 2010, Rn. 469, 470). Das kann etwa der Fall sein, wenn der älteren Marke in der jüngeren lediglich ein Handelsname oder eine bekannte Marke hinzugefügt wird.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Sonstige Anhaltspunkte, die den übereinstimmenden Bestandteil „[X.]“ in der angegriffenen Marke als selbständig kennzeichnend erscheinen ließen, liegen nicht vor.
Vielmehr wird der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch die Zusammenstellung zweier Wörter oder sogar eher durch das am Anfang stehende und mit großen Buchstaben geschriebene „[X.]“ bestimmt als durch „[X.]“.
(4)
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Verbraucher die Vergleichsmarken im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbs. [X.] gedanklich miteinander in Verbindung bringen.
Dies wäre der Fall, wenn der Verbraucher, der die Unterschiede der Marken wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass hätte, das jüngere Zeichen (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinn einer gemeinsamen Produktverantwortung zu schließen. Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar behindernde, rufausbeutende oder verwässernde Wirkung haben, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, erfasst § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] nicht ([X.] GRUR 1998, 387 Nr. 18 - Sabèl / [X.]; [X.], 544 – Bank 24).
Eine derartige [X.] wird regelmäßig dann bejaht, wenn die Widersprechende bereits mit einer Serie von Marken aufgetreten ist, die das in den Vergleichsmarken übereinstimmende Element als Stammbestandteil enthalten und das Publikum trotz abweichender Bestandteile das jüngere Zeichen mit der Widerspruchsmarke als ein davon abgeleitetes Serienzeichen in Verbindung bringt (vgl. z. B. [X.], 200 - Innovadiclophlont; [X.], 886 - [X.] / BeiChem).
Dies ist hier nicht der Fall.
Die Widersprechende benutzt zwar die Widerspruchsmarke auch als - allein kennzeichnenden - Bestandteil ihrer Firma „[X.]“, was grundsätzlich die Widerspruchsmarke als Stammbestandteil einer Zeichenserie erscheinen lassen könnte (vgl. [X.] / [X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rn. 323). Der zusätzliche Bestandteil „[X.]“ des angegriffenen Zeichens fügt sich aber nicht in eine serienmäßige Bezeichnungspraxis der Widersprechenden ein.
„[X.]“ wirkt auch nicht in einem Maße als Nachname, dass der Verbraucher bei „[X.] [X.]“ annehmen wird, er erfahre nun den Vornamen des Modeschöpfers [X.] oder ein Familienmitglied habe eine weitere Linie kreiert.
Auch im Übrigen wirkt „[X.]“ nicht wie ein Hinweis auf eine bestimmte Linie des „Hauses [X.]“.
Eine [X.] durch gedankliches Inverbindungbringen ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass der Inhaber des angegriffenen Zeichens eine Markenserie mit dem mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Stammbestandteil „[X.]“ unterhält. Die ältere Marke „[X.]“ ist weder als Abwandlungsbestandteil in eine Zeichenserie des Prioritätsjüngeren aufgenommen worden (vgl. [X.], 64 - T-Flexitel / Flexitel; [X.], 12 - [X.] / T-InterConnect) noch wird sie als Stammbestandteil einer jüngeren Zeichenserie benutzt (so [X.], 96 - [X.] / flow).
Insgesamt besteht deshalb kein solcher Ähnlichkeitsgrad der Marken, dass selbst bei Identität der Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie Berücksichtigung allgemeiner Verkehrskreise [X.] gegeben wäre.
3.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 [X.]).
4.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 [X.] zugelassen, weil der Fall die bisher nicht entschiedene Frage aufwirft, inwieweit bei einem aus Vor- und Nachname erkannten jüngeren Zeichen der übereinstimmende Bestandteil der Widerspruchsmarke, der in Alleinstellung nicht unmittelbar als Nachname verstanden wird, in einem zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende und damit kollisionsbegründende Stellung besitzt.
Meta
25.01.2011
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.01.2011, Az. 27 W (pat) 533/10 (REWIS RS 2011, 10159)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 10159
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
27 W (pat) 68/13 (Bundespatentgericht)
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28 W (pat) 31/13 (Bundespatentgericht)
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26 W (pat) 545/11 (Bundespatentgericht)
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