Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2012, Az. IV ZB 13/12

4. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2031

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Gegenstand

Vergütungsanspruch des berufsmäßigen Nachlasspflegers: Anforderungen an die fristgemäße Geltendmachung; Durchgreifen des Grundsatzes von Treu und Glauben gegenüber der gesetzlichen Ausschlussfrist


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des [X.]  2. Zivilsenat  vom 14. März 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

[X.]: 2.220,98 €

Gründe

1

I. Die Beteiligte zu 2 wurde mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 7. September 2009 zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin für die damals noch unbekannten Erben des Erblassers eingesetzt. In der Folgezeit berichtete sie in zahlreichen Schriftsätzen von ihrer Tätigkeit (Erbenermittlung und Korrespondenz, Ermittlung der Aktiva und Passiva des Nachlasses). Sie schilderte die Schwierigkeiten, da einerseits eine Reihe gesetzlicher Erben in Betracht kam, die nacheinander - teilweise unwirksam - die Erbschaft ausschlugen, andererseits sich verschiedene Gläubiger meldeten, der Nachlass aber nicht liquide ist, weil er aus Immobilien besteht, teilweise in noch nicht auseinandergesetzter Erbengemeinschaft, und die Ehefrau des Erblassers Unterlagen vor dem Zugriff der Beteiligten zu 2 vernichtete. Nach einem vorläufigen Nachlassverzeichnis erstellte die Beteiligte zu 2 ein berichtigtes Nachlassverzeichnis sowie drei Verwaltungsabrechnungen.

2

Mit Schriftsatz vom 6. August 2010 (Eingang 11. August 2010) stellte sie "fristwahrend" einen Antrag auf Vergütung ihrer nachlasspflegerischen Tätigkeit. Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2011 (Eingang 17. Januar 2011) schrieb sie "rein vorsorglich stelle ich hiermit zur Fristwahrung einen weiteren [X.] bezüglich der hiesigen nachlasspflegerischen Tätigkeit". Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2011 teilte sie mit, die Vergütung müsse aus der Staatskasse erfolgen, weil nahezu keine liquiden Nachlassmittel vorhanden seien. Sie bat außerdem um Mitteilung, ob die [X.] im Hinblick auf die Erbenstellung der Beteiligten zu 3 aufgehoben werde und ob sie ihre Arbeitsstunden bis zum Abschluss der Angelegenheit beziffern solle. Das Nachlassgericht antwortete mit Schreiben vom 23. Juni 2011, die [X.] könne nicht aufgehoben werden, weil im Hinblick auf Zweifel an der wirksamen Ausschlagung eines anderen Miterben die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 3 nicht feststehe. Mit Schreiben vom 23. August 2011 schrieb das Nachlassgericht an die Beteiligte zu 2, wegen des weiterhin bestehenden Schwebezustands werde angeregt, den [X.] der Staatskasse gegenüber zu stellen und Tätigkeiten sowie Zeitaufwand näher darzulegen. Mit Schreiben vom 28. September 2011 übersandte die Beteiligte zu 2 eine Aufstellung ihrer Arbeitszeit als Nachlasspflegerin an das Nachlassgericht über 66,35 Stunden. Die Bezirksrevisorin widersprach der Vergütungsfestsetzung, weil nicht für den gesamten Zeitraum fristwahrende Anträge vorlägen. Die pauschale Anmeldung von Ansprüchen habe mangels nachvollziehbarer Angaben zum Zeitaufwand keine Überprüfung und Festsetzung ermöglicht und könne deshalb nicht als fristwahrend angesehen werden.

3

Mit Beschluss vom 12. Dezember 2011 hat das Amtsgericht der Beteiligten zu 2 eine Vergütung in Höhe von 2.244,50 € zuzüglich Umsatzsteuer zugesprochen, wobei ein Teilbetrag von 449,98 € dem liquiden Nachlass entnommen werden könne, der Restbetrag von 2.220,98 € aus der Staatskasse zu erstatten sei. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 als Vertreterin der Staatskasse Beschwerde eingelegt. [X.] sei nur ein [X.], der eine Aufschlüsselung der Tätigkeit nach Datum, Art und Dauer enthalte. Es genüge nicht, wenn sich das Nachlassgericht anhand der eingereichten Berichte einen Überblick über die Tätigkeiten verschaffen könne. Vielmehr sei der konkrete Zeitaufwand darzustellen. Die in dem Schreiben angekündigten Ansprüche seien erloschen.

4

Das [X.] hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Nach § 2 Satz 1 [X.] erlösche der Vergütungsanspruch, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht werde. Die Vorschrift diene nicht nur dem Schutz des Mündels/Betreuten davor, mit großen aufgesummten Vergütungsforderungen konfrontiert zu werden, sondern auch dem Schutz der Staatskasse davor, nach § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.] bei Mittellosigkeit in Anspruch genommen zu werden, was bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Mündels/Betreuten hätte vermieden werden können. Gehe man davon aus, dass die Tätigkeit des [X.] seit dem 1. Januar 1999 ([X.]) nach Stundensätzen für die jeweilige Tätigkeit - also tageweise - abgerechnet werde, könne eine pauschale Anmeldung dem Grunde nach nicht als ordnungsgemäße Geltendmachung i.S. von § 2 [X.] angesehen werden, denn es fehle an jeglicher Prüffähigkeit. Letztlich müsse dies hier aber nicht entschieden werden; jedenfalls herrsche in der obergerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass zugunsten des [X.] der Gedanke von [X.] und Glauben zu prüfen sei und eine bisher geübte Praxis zwischen Nachlassgericht und Nachlassverwalter nicht unbeachtet bleiben könne. Die Beteiligte zu 2 habe sich hier ausdrücklich auf das durch die Handhabung ihr gegenüber in einer Vielzahl von Fällen gewachsene Vertrauen berufen und der zuständige Rechtspfleger habe seine bisherige Übung auch bestätigt. Der aktenkundige Verlauf stütze diese Deutung und könne nur so verstanden werden, dass zwischen dem Rechtspfleger und der Beteiligten zu 2 aufgrund langjähriger Übung ganz selbstverständlich davon ausgegangen worden sei, dass die Beteiligte zu 2 erst dann eine Spezifizierung ihrer Tätigkeit einreichen müsse, wenn die konkrete Bearbeitung eines [X.] anstand. Ohne einen entsprechenden Hinweis habe sie daher nicht damit rechnen müssen, dass sich an dieser Übung etwas ändere.

5

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der Rechtsbeschwerde.

6

II. Diese hat keinen Erfolg. Sie ist zwar gemäß §§ 342 Nr. 2, 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch gemäß §§ 71 Abs. 1 und 2, 72 FamFG im Übrigen zulässig. Der Senat ist an die Zulassung gebunden. Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerfrei angenommen, dass der [X.] der Beteiligten zu 2 wegen der besonderen Umstände des Falls nicht nach § 2 Satz 1 [X.] erloschen ist.

7

1. Gemäß § 168 FamFG i.V.m. § 1962 BGB setzt das Nachlassgericht auf Antrag eine dem Nachlasspfleger zu bewilligende Vergütung fest. Nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB richtet sich bei berufsmäßiger Führung der [X.] die Vergütung nach dem [X.]. Der Nachlasspfleger kann bei Mittellosigkeit die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Nach § 2 Satz 1 [X.] erlischt der Vergütungsanspruch aber, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht wird.

8

2. Das [X.] weist zutreffend darauf hin, dass § 2 [X.] selbst keine Vorgaben dafür enthält, in welcher Form die Ansprüche angemeldet werden müssen, um die Frist zu wahren, dass aber eine pauschale Anmeldung dem Grunde nach nicht als ordnungsgemäße Geltendmachung angesehen werden könne.

9

Welche inhaltlichen Anforderungen § 2 Satz 1 [X.] an die fristgemäße Geltendmachung stellt, lässt sich weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen (vgl. [X.] 2011, 235, 236; [X.] 2009, 161, 162). § 2 [X.] entspricht sinngemäß der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Regelung in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB (BT-Drucks. 15/4874, [X.]), die vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden war (BT-Drucks. 13/7158, [X.]). Der Vormund soll zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten werden, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, welche die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert und seine Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme nicht erfolgt wäre (BT-Drucks. 13/7158, [X.]). Die pauschale Anmeldung von Ansprüchen, die keine Prüfung der Vergütungshöhe ermöglicht, genügt daher nach ganz einhelliger Ansicht nicht zur Fristwahrung. Ein [X.] muss jedenfalls die Prüfung und Feststellung der zutreffenden Vergütungshöhe ermöglichen ([X.] 2011, 235, 236; [X.] 2009, 161 ff.; [X.] 2006, 815; OLG Frankfurt [X.] 2001, 243; a.[X.], [X.], 112 ff., sie lehnen die Anwendbarkeit des § 2 Satz 1 [X.] auf den Vergütungsanspruch des [X.] ab). Die bloße Angabe der Stundenzahl ohne konkreten [X.] reicht für die fristgerechte Geltendmachung des Anspruchs nicht aus [X.]/Pammler in jurisPK-BGB 3. Aufl. § 1836 Rn. 55).

Ob die [X.] der Beteiligten zu 2 diesen Anforderungen genügen, erscheint fraglich, das [X.] ist aber rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Frage offen bleiben könne, weil hier der Ausschlussfrist nach § 2 [X.] der Grundsatz von [X.] und Glauben entgegenstehe.

3. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1 kann der Grundsatz von [X.] und Glauben auch gegenüber der gesetzlichen Ausschlussfrist von § 2 [X.] durchgreifen.

a) Es gibt keine allgemein geltenden Bestimmungen für die Behandlung gesetzlicher Ausschlussfristen. Je nach Art und Inhalt des Rechts, das erlöschen soll, richtet sich, welcher Zweck mit der Frist verfolgt wird und welche Interessen berücksichtigt werden müssen und können ([X.], Urteil vom 5. Juni 1975 - [X.], NJW 1975, 1698; [X.], Urteil vom 8. Februar 1965 - [X.], [X.]Z 43, 235, 237). Auch wenn das Nachlassgericht nicht gehalten ist, auf Grund seiner allgemeinen Beratungspflicht rechtzeitig auf die Folgen einer verspäteten Antragstellung hinzuweisen, und insbesondere von einem berufsmäßig tätigen Nachlasspfleger die Kenntnis der für die Anmeldung von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen Fristen und der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen erwartet werden kann ([X.] 2011, 235, 236 m.w.N.), hindert dies im Einzelfall nicht die Annahme eines [X.] zugunsten eines mit Blick auf § 2 [X.] säumigen [X.].

b) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann ausgeschlossen ist, wenn der Schuldner den Gläubiger gerade durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten hat, was vorliegend der Fall gewesen sei. Soweit das Beschwerdegericht daran die Frage nach den Grenzen der Anwendung des Grundsatzes von [X.] und Glauben geknüpft hat, handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls ohne grundsätzliche Bedeutung, die einer weiteren abstrakt-generellen Klärung nicht zugänglich ist.

[X.]                                Wendt                                        Felsch

                   Lehmann                           Dr. Brockmöller

Meta

IV ZB 13/12

24.10.2012

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 14. März 2012, Az: 2 W 9/12

§ 1 Abs 2 S 2 VBVG, § 2 VBVG, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.10.2012, Az. IV ZB 13/12 (REWIS RS 2012, 2031)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2031

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IV ZB 16/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 493/14

IV ZB 16/17

IV ZB 16/17

15 W 197/18

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