Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.10.2010, Az. VIII ZR 46/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2443

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Gegenstand

Wohnraummiete im gemischt genutzten Gebäudekomplex: Formelle Anforderungen an eine Betriebskostenabrechnung; Vorwegabzug der Kosten für gewerblich genutzte Flächen aus Billigkeitsgründen


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 13. Zivilkammer des [X.] vom 9. Februar 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin im Bahnhofscenter D.-M. Die Parteien streiten darüber, ob bei den Betriebskosten ein Vorwegabzug für die in den ersten drei Stockwerken des Komplexes untergebrachten gewerblichen Nutzer - unter anderem Lebensmittelgeschäft, Behörde, Gaststätte, Praxen von Ärzten und Steuerberatern - vorzunehmen ist.

2

Die Klägerin verlangt Bezahlung der sich aus den Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebenden Salden, insgesamt 1.411,34 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 1.389,70 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 101,40 € nebst Zinsen verurteilt worden war. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der [X.]n, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 ff.).

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

5

Der Klägerin stehe lediglich ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von 101,40 € nebst Zinsen zu, der sich aus den Salden der Heizkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebe. Ein Nachzahlungsanspruch aus den Abrechnungen über die weiteren Betriebskosten für die Jahre 2005 bis 2007 stehe der Klägerin nicht zu. Die in den Abrechnungen ausgewiesenen Salden seien nicht fällig, weil die Abrechnungen in mehrfacher Hinsicht nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen entsprächen.

6

Bei der Zusammenstellung der Gesamtkosten habe es die Klägerin unterlassen, die nicht auf die Wohnnutzung entfallenden Kosten zu ermitteln und das Ergebnis nachvollziehbar in der Abrechnung mitzuteilen. Ihre Auffassung, eine Vorerfassung sei nicht nötig, weil keine erhebliche Mehrbelastung der [X.]n als Wohnungsmieterin stattfinde, könne nicht geteilt werden.

7

Hinsichtlich der Grundsteuer habe die Klägerin im Abrechnungsjahr 2005 - ohne das in der Abrechnung selbst darzulegen - aus den Gesamtkosten von 44.347,88 € einen auf die [X.] entfallenden Anteil von 6.106,70 € ermittelt und diesen Betrag nach dem Verhältnis der Wohnflächen auf die [X.] umgelegt. In den Folgeabrechnungen habe sie die gesamte Grundsteuer allein nach dem Flächenanteil umgelegt, ohne auch dies zu erläutern.

8

Die Rechtsprechung des [X.] zur Darlegungs- und Beweislast für erhebliche Mehrkosten bei gewerblicher Nutzung sei angesichts eines gewerblichen Nutzungsanteils von 87 % mit starkem Publikumsverkehr nicht anwendbar. Es liege auf der Hand, dass in den Bereichen Allgemeinstrom, Aufzug, Pflege der Außenanlagen, Müllabfuhr, Hausmeister, Hausreinigung sowie Heizung und Wartung erhebliche Mehrkosten entstünden. Ein Vergleich der Kosten für Allgemeinstrom und Gebäudereinigung mit den Durchschnittskosten nach dem Betriebskostenspiegel des [X.] zeige, dass der [X.]n deutlich zu hohe  Kosten in Rechnung gestellt worden seien.

II.

9

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der sich aus den Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2005 bis 2007 ergebenden Salden nicht verneint werden. Die klagegegenständlichen Betriebskostenabrechnungen sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht wegen formeller Mängel unwirksam.

Formell ordnungsgemäß ist eine Betriebskostenabrechnung nach der Rechtsprechung des Senats, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Soweit keine besonderen Abreden getroffen sind, sind in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig folgende Mindestangaben aufzunehmen: eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und - soweit zum Verständnis erforderlich - die Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der Vorauszahlungen des Mieters (Senatsurteile vom 19. November 2008 - [X.], [X.], 78 Rn. 21; vom 28. Mai 2008 - [X.], [X.], 2260 Rn. 10; vom 9. April 2008 - [X.], [X.], 2258 Rn. 15; st. Rspr.). Diesen Anforderungen werden die Abrechnungen der Klägerin gerecht.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gehört die Vornahme eines [X.] für die gewerbliche Nutzung selbst dann nicht zu den an eine Abrechnung zu stellenden Mindestanforderungen, wenn durch die gewerbliche Nutzung ein erheblicher Mehrverbrauch verursacht wird und deshalb ein solcher Vorwegabzug geboten ist.

Allerdings dürfen nach der Rechtsprechung des Senats die Kosten nicht vorab - außerhalb der dem Mieter erteilten Abrechnung - um nicht umlagefähige Anteile bereinigt werden; in einem solchen Fall fehlt es an der erforderlichen Angabe der „Gesamtkosten“ (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - [X.], [X.], 244 Rn. 9 ff.).

Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor, denn die Klägerin hat die Gesamtkosten angegeben, die für den abzurechnenden Komplex entstanden sind. Ein etwa zu Unrecht unterbliebener Vorwegabzug betrifft (nur) die materielle Richtigkeit der Abrechnung und führt deshalb nicht zur Unwirksamkeit der Abrechnung insgesamt, sondern zu einer entsprechenden Korrektur um den erforderlichen Vorwegabzug.

2. Das Berufungsgericht hat ferner verkannt, dass ein formeller Fehler nur dann zur Unwirksamkeit der Abrechnung insgesamt führt, wenn er sich durchgängig durch die gesamte Abrechnung zieht. Betrifft ein solcher Fehler nur einzelne Kostenpositionen, bleibt die Abrechnung im Übrigen unberührt, wenn die jeweiligen Einzelpositionen unschwer herausgerechnet werden können (Senatsurteil vom 14. Februar 2007 - [X.], aaO Rn. 11). Eine sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebende Nachforderung verbleibt dem Vermieter dann insoweit, als sie auch ohne Berücksichtigung der unwirksam abgerechneten Positionen gerechtfertigt ist.

3. Von [X.] beeinflusst ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die Abrechnungen der Klägerin hinsichtlich der Position „Grundsteuer“ seien mangels ausreichender Erläuterung in der Abrechnung selbst nicht nachvollziehbar und genügten deshalb nicht den Mindestanforderungen.

a) Hinsichtlich der Abrechnungszeiträume 2006 und 2007 beanstandet das Berufungsgericht zu Unrecht, dass die Klägerin ohne weitere Erläuterung eine Umlage nach dem Flächenanteil vorgenommen habe. Einer Erläuterung bedarf es nicht, soweit ein Umlageschlüssel - wie der Flächenmaßstab - aus sich selbst heraus verständlich ist (Senatsurteil vom 19. November 2008 - [X.], aaO).

b) Bezüglich der Abrechnung für das [X.] hat das Berufungsgericht allerdings richtig gesehen, dass eine vorweg vorgenommene Aufteilung der Gesamtkosten der Grundsteuer auf die gewerblichen Mieter einerseits und die [X.] andererseits nachvollziehbar sein muss. Zur Wirksamkeit der Abrechnung ist insoweit erforderlich, dass für den Mieter die Gesamtkosten und der Rechenschritt ersichtlich sind, mit dem der dann weiter auf die [X.] aufgeteilte Betrag von 6.106,70 € ermittelt wurde.

In der Abrechnung der Klägerin ist der Gesamtbetrag der Grundsteuer - 44.347,88 € - angegeben; lediglich der Rechenschritt, mit dem die Klägerin den auf die Mietwohnungen entfallenden Betrag ermittelt hat, erschließt sich aus der Abrechnung selbst nicht. Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, sind jedoch auch Erläuterungen zu berücksichtigen, die der Vermieter dem Mieter außerhalb der Abrechnung mitgeteilt hat, zum Beispiel im Mietvertrag, anlässlich einer vorangegangenen Abrechnung oder auf eine Nachfrage des Mieters hin; dies muss lediglich vor Ablauf der Abrechnungsfrist geschehen (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2008 - [X.], aaO Rn. 27). Das Amtsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin der [X.]n bereits im Rechtsstreit über die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2001 bis 2004 in den Schriftsätzen vom 3. März und 23. Oktober 2006 erläutert hat, dass sie die Gesamtkosten für die Grundsteuer nach dem Verhältnis der Summe der Wohnflächen einerseits und der Summe der Gewerbeflächen andererseits auf beide [X.] aufteilt und die Verteilung des so für die Wohnungen ermittelten Betrags auf die einzelnen Wohnungen nach dem Flächenmaßstab vornimmt. Damit hat die Klägerin letztlich die Verteilung insgesamt nach dem Flächenmaßstab durchgeführt und hierzu nur zwei Rechenschritte vorgenommen. Einer Wiederholung dieser Erläuterung in der für das [X.] am  6. September 2006 erteilten Abrechnung bedurfte es unter diesen Umständen nicht.

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur materiellen Richtigkeit der Abrechnungen getroffen hat. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

Nach der Rechtsprechung des Senats, von der auch das Berufungsgericht im Ansatz ausgeht, ist ein Vorwegabzug aus Billigkeitsgründen erforderlich, wenn die Gewerbenutzung bei der Abrechnung nach dem Flächenmaßstab, also pro Quadratmeter Fläche, zu einer erheblichen Mehrbelastung der Wohnungsmieter führt (Senatsurteile vom 8. März 2006 - [X.], [X.], 1419 Rn. 30 f. sowie vom 25. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 211 Rn. 15 f.).

Darauf, ob zur Abrechnungseinheit nur einzelne gewerbliche Nutzer gehören oder der gewerblich genutzte Flächenanteil - wie hier - überwiegt, kommt es nicht an, da die Kosten pro Quadratmeter maßgeblich sind. Dafür, dass durch die gewerbliche Nutzung erhebliche Mehrkosten entstehen, die einen Vorwegabzug erforderlich machen, trägt der Mieter die Darlegungs- und Beweislast (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 - [X.], aaO Rn. 16). Der Umstand, dass der gewerblich genutzte Flächenanteil überwiegt, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Vermieters. Denn auch in diesem Fall kann der Mieter hinsichtlich der hierfür erforderlichen Informationen Auskunft vom Vermieter und Einsicht in die der Abrechnung zu Grunde liegenden Belege verlangen; soweit der Mieter danach weiterhin nicht in der Lage sein sollte, die für einen Vorwegabzug der Gewerbeflächen maßgebenden Tatsachen vorzutragen, während der Vermieter über die entsprechende Kenntnis verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind, kommt zu Gunsten des Mieters eine Modifizierung seiner Darlegungslast nach den Grundsätzen über die sekundäre Behauptungslast (hier des Vermieters) in Betracht (Senatsurteil vom 25. Oktober 2006, - [X.], aaO).

Ob die Betriebskosten pro Quadratmeter bei den gewerblichen Einheiten wesentlich höher sind als bei den vermieteten Wohneinheiten, lässt sich nicht pauschal mit dem Hinweis auf erhöhten Publikumsverkehr der Gewerbeeinheiten oder durch einen Vergleich mit den in einem Betriebskostenspiegel ausgewiesenen Durchschnittskosten begründen, sondern kann nur anhand der konkreten Gegebenheiten des Gebäudekomplexes einerseits und der Art der gewerblichen Nutzung andererseits beurteilt werden. Dabei ist hinsichtlich der einzelnen Betriebskosten zu differenzieren. So mag der von einem Discounter oder einer Gaststätte verursachte Publikumsverkehr je nach den örtlichen Gegebenheiten beim Turnus der Gebäudereinigung zu einer Vervielfachung mit entsprechenden Kostensteigerungen bei dieser Position der Betriebskosten führen, während die Gartenpflege oder Gebäudeversicherung nicht notwendig aufwendiger oder wesentlich teurer ist, wenn sie sich nicht auf einen reinen Wohnkomplex bezieht, sondern auf ein Gebäude, in dem auch Büros, Arztpraxen oder Läden untergebracht sind.

Ball                                      Dr. Milger                                   Dr. Hessel

              Dr. Schneider                                   Dr. Fetzer

Meta

VIII ZR 46/10

13.10.2010

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Duisburg, 9. Februar 2010, Az: 13 S 156/09, Urteil

§ 556 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 13.10.2010, Az. VIII ZR 46/10 (REWIS RS 2010, 2443)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2443

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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