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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILIII ZR 46/02Verkündet am:9. Januar 2003F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ:neinBGHR:ja BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1Erhält der beurkundende Notar bei einem Kaufvertrag über ein mit einem Vor-kaufsrecht belastetes Grundstück (nur) den Auftrag, dem Vorkaufsberechtigteneine Ausfertigung des Kaufvertrages zu übersenden und gegebenenfalls des-sen Freigabeerklärung entgegenzunehmen, so betrifft dies eine im Zusammen-hang mit der Beurkundung stehende "unselbständige" Betreuungstätigkeit, fürdie im Verhältnis zu den Kaufvertragsparteien das Haftungsprivileg des Notarseingreift; dies gilt auch dann, wenn der Notar in dem Übersendungsschreibenan den Vorkaufsberechtigten von sich aus - unzutreffende - Hinweise auf die imFalle der Ausübung des Vorkaufsrechts einzuhaltende Frist gibt.BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - III ZR 46/02 -OLG München- 2 - LG Traunstein- 3 -Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlungvom 9. Januar 2003 durch die Richter Dr. Wurm, Streck, Schlick, Dörr undGalkefür Recht erkannt:Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats desOberlandesgerichts München vom 29. November 2001 wird mitder Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage insgesamt als zurZeit unbegründet abgewiesen wird.Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.Von Rechts wegenTatbestandDie Klägerin macht gegen den Beklagten, einen Notar, Schadensersatz-ansprüche wegen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Abschlußdes von dem Beklagten beurkundeten Grundstückskaufvertrags vom 22. De-zember 1997 geltend.Mit diesem Vertrag verkaufte die Klägerin eine bestimmte Teilfläche desFlurstücks 304 in der Gemarkung T. für 200.000 DM an Frau P. . Die-ses Grundstück war mit einem Vorkaufsrecht für die Eheleute S. be-- 4 -lastet, wobei in dem zugrundeliegenden - ebenfalls vom Beklagten beurkun-deten - Vertrag vom 10. November 1986 für die Ausübung des Rechts eineFrist von einem Monat bestimmt worden war. Mit (am nächsten Tag zugestell-tem) Schreiben vom 13. Januar 1998 übersandte der Beklagte den EheleutenS. eine Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde und bat sie unter Hin-weis auf die Folgen einer Fristversäumung, ihm "innerhalb der gesetzlichenFrist von zwei Monaten" mitzuteilen, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werdeoder nicht. Die Eheleute S. antworteten dem Beklagten unter dem9. März 1998, sie wollten das Vorkaufsrecht ausüben. Nachdem der Beklagtesie mit Schreiben vom 11. März 1998 darauf aufmerksam gemacht hatte, daßdie Ausübung des Vorkaufsrechts durch Erklärung gegenüber der Verkäuferinerfolgen müsse, ließen die Eheleute S. darüber hinaus durch An-waltsschreiben vom 19. März 1998 die Ausübung des Vorkaufsrechts bezüglichder in Rede stehenden Teilfläche gegenüber der Klägerin erklären, wobei sieden Standpunkt vertraten, die Mitteilung des Beklagten vom 13. Januar 1998habe, da sie inhaltlich unrichtig gewesen sei, die Frist zur Ausübung des Vor-kaufsrechts nicht in Gang gesetzt.Auf die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage wurden die EheleuteS. in erster Instanz vom Landgericht M. verurteilt, die lasten-freie Abschreibung der streitigen Teilfläche aus dem Flurstück 304 zu bewilli-gen, wogegen die auf Auflassung gerichtete Widerklage der EheleuteS. abgewiesen wurde. In der Berufungsverhandlung vor dem Ober-landesgericht München gab dieses den Hinweis:"..., daß die Frist des § 510 BGB mit der Mitteilung des Vorkaufs-falles zu laufen begonnen hat ... Die - nicht notwendige - Mittei-lung, innerhalb welcher Frist das Vorkaufsrecht ausgeübt werden- 5 -muß, seitens des Notars, der abweichend von der vertraglichenBemessung auf einen Monat die gesetzliche Frist von zwei Mo-naten den Vorkaufsberechtigten mitgeteilt hat, stellt nach Ansichtdes Senats eine positive Vertragsverletzung der Vorkaufsver-pflichteten dar, die sich über § 278 BGB das Handeln des Notarszurechnen lassen muß. Der Notar kann für diese außerhalb sei-ner Beurkundungstätigkeit liegende Verrichtung als Erfüllungsge-hilfe der Vorkaufsverpflichteten tätig werden. Wegen der Haftungder Vorkaufsverpflichteten aus pVV können die Vorkaufsberech-tigten verlangen, so gestellt zu werden, wie sie ohne das schädi-gende Verhalten des Vorkaufsverpflichteten gestanden hätten;das bedeutet, daß die Beklagten so behandelt werden müssen,als hätten sie ihr Vorkaufsrecht rechtzeitig ausgeübt. Die telefoni-sche Mitteilung vom Vorkaufsfall durch die Vorkaufsverpflichtetepersönlich ist durch das Handeln des Notars überholt worden. Imübrigen kommt ein Mitverschulden insoweit nicht in Betracht."Daraufhin schloß die Klägerin mit den Eheleuten S. einen Ver-gleich, in dem man sich darüber einig war, daß die Eheleute S. dasVorkaufsrecht hinsichtlich der streitgegenständlichen Teilfläche rechtzeitigausgeübt hätten, darüber hinaus kauften die Eheleute S. der Klägerinauch die noch verbleibende Teilfläche des Flurstücks 304 ab und bezahlten fürdas gesamte Flurstück 304 einen Kaufpreis von 350.000 DM.Im vorliegenden Prozeß hat die Klägerin dem Beklagten angelastet, sei-ne fehlerhafte Mitteilung vom 13. Januar 1998 habe es den Eheleuten S. ermöglicht, sich - trotz Kenntnis vom Fristablauf - auf eine rechtzeitige Aus-übung des Vorkaufsrechts zu berufen. Ihren geltend gemachten Gesamtscha-den von 171.717,99 DM hat die Klägerin wie folgt aufgeschlüsselt:-140.000 DM Mindererlös für das Flurstück 304: Die Klägerin hat hierzu be-hauptet, Frau P. habe ihr für den Fall der Durchführung des Kaufvertra-- 6 -ges vom 22. Dezember 1997 für die verbliebene Restfläche 290.000 DM ge-boten.-26.470,58 DM Zinsschaden im Zeitraum 1. März 1998 bis 14. Juni 2000 imHinblick auf das Ausbleiben des Kaufpreises von 200.000 DM wegen derAusübung des Vorkaufsrechts durch die Eheleute S. .-5.247,41 DM aus dem Vorprozeß auf die Klägerin entfallende Prozeßkosten.Das Landgericht hat die Klage (endgültig) abgewiesen. Das Oberlan-desgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin mit der Maßgabezurückgewiesen, daß die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Zinsscha-dens von 26.470,58 DM als zur Zeit unbegründet abgewiesen werde. Mit derRevision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.EntscheidungsgründeDie Revision der Klägerin führt zwar dazu, daß die "endgültige" Abwei-sung der Klage in Höhe von 145.247,41 DM (= 87.798,01 e-machter Zinsen entfällt. Davon abgesehen ist das Rechtsmittel jedoch unbe-gründet mit der Folge, daß die Klage insgesamt - als zur Zeit unbegründet -abgewiesen bleibt.I.- 7 -1.Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Beklagtedurch die fehlerhafte Belehrung der Eheleute S. über die Frist für dieAusübung des Vorkaufsrechts in dem Schreiben vom 13. Januar 1998 eineAmtspflichtverletzung (auch) gegenüber der Klägerin als Verkäuferin und Vor-kaufsverpflichteten begangen hat; die gegenteilige Auffassung der Revisions-erwiderung trifft nicht zu. Da der Notar mit der Mitteilung des Vertrages an dieVorkaufsberechtigten eine Verpflichtung der Klägerin als Vorkaufsverpflichtetererfüllte (vgl. § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.), bestand jedenfalls die Gefahr, daß- wie es sich auch im vorliegenden Fall ergab - die Klägerin aus in diesem Zu-sammenhang vom Notar hinzugefügten Belehrungen mit haftbar gemacht wer-den konnte.2.Das Berufungsgericht nimmt auch zutreffend einen Ursachenzusam-menhang im Sinne adäquater Kausalität zwischen der Amtspflichtverletzungdes Beklagten und den von der Klägerin geltend gemachten Schäden an. Ent-scheidend ist, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten desNotars genommen hätten (vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 aaO,27. Mai 1993 - IX ZR 66/92 - NJW 1993, 2744 und 18. November 1999 - IX ZR412/97 - NJW 2000, 664). Hätte im Streitfall der Beklagte in seinem Schreibenvom 13. Januar 1998 die richtige Ausübungsfrist für das Vorkaufsrecht genanntoder überhaupt keine Aussage zur Ausübungsfrist gemacht, so hätten dieEheleute S. nicht - erfolgreich - geltend machen können, das Vor-kaufsrecht noch wirksam ausgeübt zu haben. Innerhalb der richtigen (bei derRechtsbegründung vereinbarten) Ausübungsfrist von einem Monat, die ihnen- wie im vorliegenden Prozeß unstreitig ist - bekannt war, hätten die EheleuteS. nach der im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Behaup-tung der Kläger das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt.- 8 -3.Gleichwohl ist das Berufungsgericht der Auffassung, es fehle - mit Aus-nahme der Position Zinsschaden (26.470,58 DM = 13.534,19 - an einemZurechnungszusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung des Beklag-ten und den von der Klägerin geltend gemachten Schäden: die Frage derSchadenszurechnung könne im vorliegenden Fall nicht anders gelöst werden,als wenn die Klägerin den Vorprozeß zu Ende geführt hätte. Die Klägerin habeim Vorprozeß durch den Vergleichsabschluß "bewußt auf die Wirkungen ihrerStreitverkündung gegenüber den Beklagten verzichtet". Weder seien die vonder Klägerin angebotenen Beweismittel ausgeschöpft gewesen, noch habe sichder Rechtsstreit in der letzten Instanz befunden. Wenn man allein darauf ab-stellte, daß die Klägerin aufgrund des Hinweises des Oberlandesgerichts denVergleich hätte abschließen müssen, so hätte dies zur Folge, daß man der(vorläufigen) Auffassung des Gerichts des Vorprozesses faktisch eine Bin-dungswirkung für den Schadensersatzprozeß zumesse, die der einer Streitver-kündung entspreche. Der Beklagte würde "in seiner Rechtsverteidigung mehreingeschränkt, als wenn die Klägerin den Vorprozeß rechtskräftig verlorenhätte".Hänge - so das Berufungsgericht weiter - die Beurteilung des Zurech-nungszusammenhangs eines Schadens davon ab, wie ein Gericht eine be-stimmte Frage entschieden hätte, so sei auf die Beurteilung des jetzt zuständi-gen Gerichts abzustellen, wobei entsprechend der Rechtsprechung zur Rechts-anwaltshaftung sämtliche verfügbaren Beweismittel heranzuziehen seien, auchdie, die in früheren Verfahren noch nicht zur Verfügung standen. Danach wärehier ein Anspruch der Eheleute S. aus positiver Forderungsverlet-zung, so gestellt zu werden, wie wenn die Frist zur Ausübung des Vorkaufs-- 9 -recht nicht bestanden hätte, ausgeschlossen, weil sie - was das Berufungsge-richt im Anschluß an die erstinstanzliche Aussage der Zeugin P. insbeson-dere auch aufgrund der eigenen Angaben der Klägerin in ihrer Berufungsbe-gründung als unstreitig zugrunde legt - gewußt hätten, daß die Mitteilung desBeklagten vom 13. Januar 1998 fehlerhaft war. Bei einem Obsiegen im Vorpro-zeß hätte die Klägerin das gesamte Grundstück an Frau P. veräußern kön-nen. Prozeßkosten hätten die Klägerin nicht getroffen.Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.a) Im Ansatz mit Recht unterzieht das Berufungsgericht den Gesche-hensablauf über die Prüfung der adäquaten Kausalität hinaus einer wertendenBeurteilung. Im Streitfall ist insoweit zunächst von Bedeutung, daß nach denFeststellungen des Berufungsgerichts die von der Klägerin geltend gemachtenVermögenseinbußen maßgeblich auf ein vorsätzliches Fehlverhalten Dritter(vgl. Palandt/Heinrichs BGB 62. Aufl. Vorbem. vor § 249 Rn. 73 ff) zurückge-hen, nämlich die wahrheitswidrige Behauptung der Eheleute S. imVorprozeß, auf die Angaben des Beklagten in seinem Schreiben vom 13. Janu-ar 1998 vertraut zu haben. Indessen hat der Bundesgerichtshof bereits ent-schieden, daß ein adäquater Zurechnungszusammenhang zwischen der Amts-pflichtverletzung des Notars und dem entstandenen Schaden auch dann vor-liegt, wenn ein durch einen notariellen Beurkundungsfehler Begünstigter inKenntnis des Fehlers entgegen der wahren Sach- und Rechtslage bewußt vonder vorteilhaften Position Gebrauch macht und sie zur gerichtlichen Durchset-zung materiell unberechtigter Ansprüche benutzt (Urteil vom 16. November1989 - IX ZR 190/88 - NJW-RR 1990, 204). Der im Streitfall vom Berufungsge-- 10 -richt festgestellte Sachverhalt liegt, wie das Berufungsgericht nicht verkannthat, ähnlich.Weiterhin ist der Umstand zu bewerten, daß der Vergleichsabschluß,der im Streitfall den geltend gemachten Schaden letztlich herbeigeführt hat, aufeinem eigenen Willensentschluß der Klägerin beruhte. Wie das Berufungsge-richt im Ansatz ebenfalls nicht übersehen hat, kommt es in den Fällen der sog.psychisch vermittelten Kausalität darauf an, ob die Handlung des Verletztendurch das haftungsbegründende Ereignis "herausgefordert" worden ist und ei-ne nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses darstellt (Palandt/Heinrichs aaORn. 77 ff m.w.N.). Ob der Abschluß eines Vergleichs, der den Schaden erstherbeiführt, hier einzuordnen ist oder ob er den Ursachenzusammenhang un-terbricht, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei die Erfolgsaus-sichten des Geschädigten im Falle einer gerichtlichen Entscheidung zu be-rücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91 -NJW 1993, 1139, 1141 und vom 11. Februar 1999 - IX ZR 14/98 - NJW 1999,1391). Dient der Vergleich beispielsweise der Beseitigung der Unsicherheit, dieein Rechtsanwalt durch pflichtwidriges Verhalten geschaffen hat, wird eineUnterbrechung des Ursachenzusammenhangs nur ausnahmsweise in Betrachtkommen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 aaO). Auch im Streitfall liegtdie Würdigung nahe, daß der Abschluß des Vergleichs im Vorprozeß eine an-gemessene Reaktion der Klägerin auf die prozessuale Lage war, die durch diePflichtverletzung des Beklagten (mit) geschaffen worden war. Das Oberlandes-gericht hatte durch seinen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom19. Januar 2000 deutlich gemacht, daß es - unter Annahme einer Einstands-pflicht der Klägerin für den Fehler des Beklagten gemäß § 278 BGB - denRechtsstandpunkt der Eheleute S. teilte. Die Klägerin mußte also damit- 11 -rechnen, daß, wenn sie sich nicht verglich, das Oberlandesgericht unter Abän-derung der erstinstanzlichen Entscheidung ihre Klage abweisen und der Wi-derklage der Eheleute S. stattgeben werde. Soweit im Urteil des Be-rufungsgerichts anklingt, die von der Klägerin angebotenen Beweismittel seiennicht ausgeschöpft gewesen, wird dies nicht näher ausgeführt. Die Revisions-erwiderung verweist insoweit zwar auf den von der Klägerin in der ersten In-stanz des Vorprozesses benannten Zeugen B. , der bekunden sollte,daß unmittelbar nach Abschluß des Vertrages vom 22. Dezember 1997 dieKlägerin Frau S. telefonisch darauf hingewiesen habe, daß den Ehe-leuten S. vertraglich lediglich eine Frist von einem Monat zur Ausübungdes Vorkaufsrechts eingeräumt worden sei. Diesen Parteivortrag hat aber dasOberlandesgericht in seinen zitierten rechtlichen Hinweis vom 19. Januar 2000(vorletzter Satz) der Sache nach miteinbezogen.b) Den Blick für eine rechtsfehlerfreie Würdigung der Frage, ob der Ver-gleichsabschluß der Klägerin im Vorprozeß - nach der damaligen Situation -eine vertretbare Reaktion war, hat sich das Berufungsgericht durch den Ge-danken verbaut, es müsse auf den hypothetischen Ausgang des Vorprozessesbei Zugrundelegung der heutigen Beweislage abgestellt werden. Dafür gibt esjedoch keinen Grund. Es geht hier nicht, wie etwa im Haftpflichtprozeß gegeneinen Rechtsanwalt, der einen Prozeß fehlerhaft geführt hat, um die Frage, wieder Prozeß bei richtiger Handhabung hätte ausgehen müssen, sondern darum,ob die Entscheidung der durch die Amtspflichtverletzung eines Notars betroffe-nen Klägerin, den daraus erwachsenen Prozeß mit einem Dritten durch einenVergleich zu beenden, angemessen war und deshalb dem haftungsrechtlichenUrsachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden zuzurech-nen ist. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird auch nicht durch die Erwä-- 12 -gung getragen, daß es für die Klägerin - im Blick auf einen etwaigen Scha-densersatzanspruch gegen den Beklagten - unter Umständen besser gewesenwäre, den Vorprozeß streitig zu Ende zu führen, weil bei einem Obsiegen derhier in Rede stehende Schaden vermieden worden, bei einem Unterliegen hin-gegen das prozessuale Vorgehen gegen den Beklagten möglicherweise er-leichtert (vgl. §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO) worden wäre. Solche Überlegungen moch-ten - neben anderen - bei der Abwägung der Vor- und Nachteile und der Risi-ken eines Vergleichsabschlusses im Vorprozeß durch die (anwaltlich beratene)Klägerin in deren eigenen Interesse geboten sein. Gleichwohl war die Ent-scheidung, den Vorprozeß mit den Eheleuten S. wie geschehen ver-gleichsweise zu beenden, nicht unvertretbar. Schließlich führt auch der vomBerufungsgericht angesprochene Gesichtspunkt, der Beklagte dürfe nichtdurch die Verfahrensweise der Klägerin Nachteile in seiner Rechtsverteidigungerleiden, zu keiner anderen Beurteilung. Ein schützenswertes rechtliches Inter-esse des Beklagten, wegen dessen die Klägerin sich so behandeln lassenmüßte, als hätte sie den Vorprozeß - mit einem aus heutiger Sicht absehbarenErgebnis - zu Ende geführt, ist nicht ersichtlich.4.Da nach allem die (teilweise) endgültige Abweisung der Klage von denAusführungen des Berufungsgerichts nicht getragen wird und diese Entschei-dung im Revisionsverfahren auch nicht mit anderer Begründung aufrechter-halten werden kann, muß diese in diesem Teil der Entscheidung des Beru-fungsgerichts liegende zusätzliche Beschwer (vgl. Senatsbeschluß BGHZ 143,169) beseitigt werden.II.- 13 -Dagegen hat das angefochtene Urteil Bestand, soweit das Berufungs-gericht die Klage in Höhe von 26.470,58 DM (= 13.534,19 zur Zeit unbegründet abgewiesen hat. Die gleiche Entscheidung kann der Se-nat als Revisionsgericht hinsichtlich des zu I. erörterten restlichen Klagan-spruchs, also weiterer 145.247, 47 DM (= 87.798,01 ffen (§ 563 Abs. 3ZPO a.F.).1.Das Berufungsgericht führt weiter aus, der Schadensersatzanspruch derKlägerin gegen den Beklagten scheitere hinsichtlich aller drei Schadensposi-tionen an der Möglichkeit anderweitigen Ersatzes (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO).Der die Verweisung auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten ausschließende2. Halbsatz des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO sei nicht einschlägig, weil in der feh-lerhaften Mitteilung des Beklagten an die Eheleute S. wegen des in-neren Zusammenhangs mit der vorausgegangenen Vertragsbeurkundung kei-ne selbständige Betreuungstätigkeit im Sinne des § 24 BNotO gelegen habe.Als anderweitige Ersatzmöglichkeiten sieht das Berufungsgericht Schadenser-satzansprüche der Klägerin gegen die Eheleute S. wegen Verlet-zung einer nachvertraglichen Treuepflicht und aus Delikt, außerdem bezüglichder mit dem Vorprozeß verbundenen Schadenspositionen mögliche Ersatzan-sprüche gegen den damaligen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wegenunzureichender Beratung vor dem Vergleichsabschluß.2.Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. OhneErfolg macht die Revision geltend, die Subsidiaritätsklausel des § 19 Abs. 1Satz 2 Halbs. 1 BNotO sei auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar.- 14 -a) Wie die Revision nicht verkennt, gilt die Ausnahme des § 19 Abs. 1Satz 2 Halbs. 2 BNotO von der grundsätzlich nur subsidiären Haftung desNotars - im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Auftraggeber "bei Amts-geschäften der in §§ 23, 24 bestimmten Art" - nur bei selbständigen Betreu-ungstätigkeiten des Notars, nicht dagegen bei unselbständigen, im Zusam-menhang mit einer Urkundstätigkeit stehenden Betreuungstätigkeiten (vgl.BGH, Urteil vom 10. Juni 1983 - V ZR 4/82 - DNotZ 1984, 425, 426 f,15. November 1984 - IX ZR 31/84 - NJW 1985, 2028 und 22. Juni 1995- IX ZR 122/94 - WM 1995, 1883, 1885; Haug, Die Amtshaftung des Notars2. Aufl. Rn. 176 ff; Schippel BNotO 7. Aufl. § 19 Rn. 80, 83).Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt er-schöpfte sich zu dem hier maßgeblichen Vorgang der Auftrag an den Beklag-ten darin, den Vorkaufsberechtigten eine Ausfertigung des Kaufvertrages zu-zuleiten und gegebenenfalls ihre Freigabeerklärung entgegenzunehmen. Daswar eine - eher "technische" - geschäftsmäßige Aufgabe zur Durchführung desKaufvertrages, die in einem nicht weniger engen Bezug zur Urkundstätigkeitdes Notars stand als beispielsweise die Einreichung von Urkunden beimGrundbuchamt oder die Abgabe notarieller Bestätigungen, soweit diese in un-mittelbarem Zusammenhang mit Beurkundungen ohne selbständige Überwa-chungspflichten erteilt werden (vgl. dazu Haug aaO Rn. 178, 180; SchippelaaO Rn. 84). Wenn nun der Beklagte bei der Ausführung des besagten Über-sendungsauftrags den Vorkaufsberechtigten von sich aus Hinweise auf dieFrist gab, innerhalb derer sie ihr Vorkaufsrecht auszuüben hätten, so gab diesdem Vorgang noch nicht das Gepräge einer "selbständigen" Betreuung derBeteiligten des Kaufvertrages. Andererseits verbietet es sich - entgegen derAuffassung der Revision -, die Hinweise des Beklagten an die Vorkaufsbe-- 15 -rechtigten in dem Schreiben vom 13. Januar 1998 als überhaupt nicht durchdie Beurkundungstätigkeit beziehungsweise den Übersendungsauftrag an denNotar veranlaßt anzusehen; mit einer solchen Sicht würde ein einheitlicherVorgang künstlich auseinandergerissen werden.b) Weiterhin beanstandet die Revision, es liege ein "Wertungswider-spruch" darin, einerseits die Haftung einer Vertragspartei nach § 278 BGB fürbestimmte Tätigkeiten des Notars im Zusammenhang mit einem beurkundetenVertragsschluß in Betracht zu ziehen (vgl. BGHZ 62, 119; BGH, Urteil vom13. Januar 1984 - V ZR 205/82 - NJW 1984, 1748), andererseits dieselbe Tä-tigkeit in den Bereich der Subsidiaritätsklausel des § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1BNotO einzubeziehen: eine sachgerechte Anwendung der Subsidiaritätsklau-sel könne nur darin bestehen, daß der Kreis derjenigen Tätigkeiten, bei denender Notar gemäß § 278 BGB als Erfüllungsgehilfe eines Beteiligten tätig wer-de, mit denjenigen übereinstimme, bei denen im Verhältnis zu demjenigenBeteiligten, als dessen Erfüllungsgehilfe er tätig geworden sei, der Subsidiari-tätseinwand gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BNotO wegfalle; denn zumeinen setze die Tätigkeit als Erfüllungsgehilfe gerade voraus, daß der Notardie Pflichten desjenigen erfüllte, für den er als Erfüllungsgehilfe tätig werde,dessen Interesse er folglich in erster Linie zu beachten habe; zum anderen er-scheine es unbillig, wenn der Beteiligte sich zwar ein fehlerhaftes Verhaltesdes Notars als eigenes Verschulden gemäß § 278 BGB zurechnen lassenmüsse, diesen für einen dadurch entstandenen Schaden aber nur subsidiär inAnspruch nehmen dürfe.Dieser Meinung kann nach geltendem Recht und auf der Grundlage derRechtsprechung zu § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht beigetreten werden. Bei- 16 -der Prüfung, ob und inwieweit am Urkundsprozeß Beteiligte sich Tätigkeitendes Notars gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müssen, und der Prüfung derAnwendung der "Subsidiaritätsklausel" (§ 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO) handelt essich um Fragen, die sich gegebenenfalls in ganz unterschiedlichen Rechtsbe-ziehungen stellen, die jeweils ihren eigenen Wertungen unterliegen. Für dieAbgrenzung zwischen "unselbständigen" und "selbständigen" Betreuungstätig-keiten im Blick auf die §§ 19, 23, 24 BNotO hilft eine Differenzierung je nachden etwaigen Auswirkungen nach § 278 BGB nicht weiter. Umgekehrt ist esnicht ausgeschlossen, daß der Notar sowohl bei unselbständiger als auch beisonstiger betreuender Tätigkeit auf dem Gebiete vorsorgender RechtspflegeErfüllungsgehilfe eines Beteiligten sein kann. Der Rechtsprechung, die sich mitder Anwendbarkeit des § 278 BGB bei Amtstätigkeiten des Notars befaßt(BGH, Urteile BGHZ 62, 119, 121 ff, vom 13. Januar 1984 aaO und - in Ab-grenzung hierzu - vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92 - NJW 1993, 648; vgl.auch Senatsurteil BGHZ 123, 1, 13), ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen.WurmStreckSchlick DörrGalke
Meta
09.01.2003
Bundesgerichtshof III. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2003, Az. III ZR 46/02 (REWIS RS 2003, 5009)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 5009
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