Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2003, Az. 3 StR 222/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4276

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/02vom20. Februar 2003in der Strafsachegegenwegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der [X.] 19. Dezember 2002 und vom 13. und 20. Februar 2003, an denenteilgenommen haben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,[X.] am [X.] Dr. [X.], [X.], [X.], [X.]als [X.],St[X.]tsanwältin - am 19. Dezember 2002, 13. und 20. Februar 2003 -,Bundesanwalt - am 19. Dezember 2002 - als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger - am 19. Dezember 2002 und 13. Februar 2003 - ,Rechtsanwältin als Vertreterin der Nebenklägerinnen - am 19. Dezember 2002 und 13. Februar 2003 -,Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 22. Oktober 2001 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels unddie den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenennotwendigen Auslagen zu tragen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs vonKindern in drei Fällen und sexuellen Mißbrauchs von [X.] in dreiFällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und ihn imübrigen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagtenrügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie bleibt ohne Erfolg.[X.] Entgegen der Auffassung der Revision liegt eine wirksame Anklagevor; ein Verfahrenshindernis besteht deshalb nicht. Lassen sich - wie hier -wegen der Gleichförmigkeit der Begehungsweise und der langezurückliegenden [X.] aufgrund der Angaben der Geschädigten imErmittlungsverfahren keine konkreten Einzelfälle im Anklagesatz darstellen, sowird den Anforderungen an die gebotene Individualisierung der Taten dadurchgenügt, daß in der Anklage das Tatopfer, die Art und Weise der Tatbegehungin ihren Grundzügen, ein bestimmter Tatzeitraum und die Zahl der [X.] des Vorwurfs bildenden Straftaten mitgeteilt werden (vgl. [X.], 44, 46 f.). Diesen Anforderungen entspricht die Anklage. Daß [X.] bei einem Teil der Fälle lediglich als Geschlechtsverkehr [X.] mit dem Opfer beschrieben wird, ist ersichtlich Folge des [X.] wieder gleich oder sehr ähnlich ablaufenden Geschehens.- 4 -I[X.] Die [X.], das [X.] habe § 265 StPO verletzt, weil esangesichts der in den [X.] 7 und 8 ungenau gefaßtenAnklageschrift den Angeklagten hätte unterrichten müssen, welchen genauerenGeschehensablauf es dem weiteren Verfahren zugrunde legen wolle, istunbegründet.1. In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenenAnklageschrift wurde dem Angeklagten zur Last gelegt, in der [X.] 1994 und dem 14. Geburtstag seiner Tochter am 30. September 1996in mindestens 33 Fällen mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen (Komplex [X.] der Anklage) sowie dieses Verhalten vom September 1996 bis Mai 1997 [X.] acht weiteren Fällen fortgesetzt zu haben ([X.] [X.] [X.] hat den Angeklagten im [X.] der Anklage unterFreisprechung im übrigen wegen eines sexuellen Mißbrauchs verurteilt (Fall [X.] c der [X.]eilsgründe) und hierzu festgestellt, der Angeklagte habe seine 12oder 13 Jahre alte Tochter [X.] ins Schlafzimmer gerufen, wo er sie unterdem Vorwand, er müsse ein etwaiges Übergewicht feststellen, veranlaßt habe,sich auszuziehen. Sodann habe er den Körper des Kindes mit einem Maßbandvermessen, es aufgefordert, sich auf das Bett zu knien, von hinten mit ihm [X.] durchgeführt und in ein mitgebrachtes Handtuch ejakuliert.Zum [X.] der Anklage hat das [X.] den Angeklagten in dreiEinzelfällen des sexuellen Mißbrauchs von [X.] schuldiggesprochen. Nach den Feststellungen zum [X.] der [X.]eilsgründe vollzogder Angeklagte mit seiner etwa 14 Jahre alten Tochter [X.], nachdem er sie auf ihrem Bett eine Zeitschrift lesendangetroffen und sie gefragt hatte, ob sie wisse, wo der "[X.]" sei. Im [X.] 5 -2 e der [X.]eilsgründe kürzte der Angeklagte als Belohnung für das [X.] Tochter beim festgestellten Geschlechtsverkehr einen zuvor verhängtenvierwöchigen Stubenarrest ab. Im [X.] 2 g der [X.]eilsgründe kam es [X.] mit der etwa 14 Jahre alten Tochter, als diese in [X.] unter dem Angeklagten lag und dabei wegen des ihr bis zum Kinnstehenden Wassers [X.] verspürte; der [X.] ins Wasser und forderte seine Tochter auf, die [X.] zu verlassen.2. Bei dieser Sachlage beanstandet der Beschwerdeführer zu Unrecht,daß ihm ein gebotener Hinweis nicht erteilt worden sei und er deswegen nichthabe erkennen können, daß das Gericht beabsichtige, die in den Ziffern II 7und 8 enthaltenen Anklagevorwürfe, soweit er verurteilt worden ist, wiegeschehen zu konkretisieren.a) Zutreffend ist allerdings, daß der [X.] in seinerjüngeren - von der Literatur durchweg zustimmend wiedergegebenen (vgl. u. a.[X.] in [X.], [X.]. § 265 Rdn. 79; [X.],[X.] Aufl. § 265 Rdn. 22 f.) - Rechtsprechung in einer Reihe [X.], auf die sich der Beschwerdeführer für seinen [X.], ausgeführt hat, im Falle einer nach der Natur der angeklagten Taten [X.] notwendigerweise ungenauen Fassung der Anklageschrift (vgl.[X.]St 40, 44) sei das Gericht verpflichtet, den Angeklagten zu unterrichten,welchen genauen Tatablauf es dem weiteren Verfahren zugrunde legen wolle([X.]St 40, 44, 48; 44, 153; [X.], 42). Dem entspricht [X.], daß Mängel in der Informationsfunktion der Anklage durchentsprechende Hinweise in der Hauptverhandlung zu beheben seien ([X.]NStZ 1996, 95).- 6 -Zu den näheren Voraussetzungen der Hinweispflicht in diesenFallkonstellationen wie auch zu den Anforderungen an die Art und Weise [X.] des Hinweises finden sich unterschiedliche Aussagen:[X.]) Es gibt Entscheidungen, die schlicht feststellen, daß das Gericht,wenn sich die in der Anklage im Tatsächlichen nicht oder wenig konkretbeschriebenen Vorwürfe in der Hauptverhandlung konkretisieren, [X.] nach oder entsprechend § 265 StPO zu reagieren hat (vgl. u. a.[X.]St 40, 44; 43, 293, 299; 44, 153; [X.], 95). [X.] sind aber nicht dahin zu verstehen, daß jede Konkretisierung -und sei sie auch noch so unbedeutend - die Verpflichtung zur Erteilung einesHinweises begründet. Kernaussage der zitierten Entscheidungen ist vielmehr,daß eine Anklage ungeachtet ihrer [X.] im [X.] ist, wenn (und weil) die eigentlich gebotene Konkretisierung mit Blickauf Besonderheiten der Sache nicht geleistet werden kann. Soweit [X.] solcher Anklagemängel eine Hinweispflicht statuiert wird, sinddie Erwägungen in diesen Entscheidungen nicht tragend. [X.] ihnen auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, welchen Grad dieKonkretisierung in der Hauptverhandlung erreichen und welche Umstände(Tatzeit, Tatort, Begleitumstände oder Ablauf der Tat) sie betreffen muß, damitdie Hinweispflicht entsteht. Das gilt auch für das [X.]eil [X.]St 44, 153, das sichder Hinweispflicht in zentralen - allerdings nicht entscheidungstragenden -Aussagen, auch leitsatzmäßig, widmet und deren Entstehen daran knüpft, daßsich "die Möglichkeit der genaueren Beschreibung des [X.] nähere Beschreibung der Voraussetzungen der Hinweispflichtenthält der [X.]uß [X.], 295 f.. Danach hat "das Gericht, wennes bei einer zwar noch zulässigen, aber ungenauen Fassung der Anklage -- 7 -anders als diese - von nach Ort, Zeit und Tatbegehung konkret bestimmtenTaten ausgehen will, den Angeklagten entsprechend § 265 StPO [X.]". Ob diese Wendung wörtlich verstanden werden will, [X.] also eine Konkretisierung in Bezug auf Ort, Zeit [X.] voraussetzt oder schon dann entsteht, wenn [X.] konkretere Angaben zu einem dieser Umstände ermöglicht,sich insbesondere etwa der in der Anklage noch unbestimmte Tattag präzisefestlegen läßt, kann der Entscheidung auch unter Berücksichtigung ihrerweiteren Ausführungen nicht eindeutig entnommen werden.Außer Zweifel dürfte aber stehen, daß das Gericht keine Hinweise zuerteilen braucht, wenn sich die Konkretisierung auf Umstände beschränkt, dienicht unmittelbar die Tat betreffen, sondern Feststellungen in Bezug auf dieTatplanung oder -vorbereitung (so - unmittelbar allerdings für den [X.] der Sachlage gegenüber der Anklage - [X.], 48;[X.], [X.]. vom 5. April 2000 - 3 [X.]). Keine Hinweispflicht besteht,wenn die neuen Einzelheiten "lediglich den Tatablauf näher [X.], 95). Dazu, ob die Konkretisierung Tatsachen betreffenmuß, in denen die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes gefunden werden(so - für die Hinweispflicht bei Veränderung der Sachlage gegenüber [X.] - [X.], 48; [X.], [X.]. vom 5. April 2000 - 3 [X.]),hat sich die Rechtsprechung nicht geäußert.bb) Hinsichtlich der Anforderungen an die Art und Weise, in dererforderliche Hinweise zu erteilen sind, wird es teilweise für ausreichenderachtet, daß der Angeklagte durch den Gang der Hauptverhandlungunterrichtet wird (vgl. etwa [X.], 295). Das wird in anderenEntscheidungen dahin präzisiert, daß es nicht ausreicht, wenn die neuen- 8 -Gesichtspunkte lediglich von einer Beweisperson im Rahmen [X.] oder der Erstattung von Gutachten angesprochen [X.] muß das Gericht selbst dem Angeklagten deutlich machen, daß es diein der Anklage nicht enthaltenen neuen tatsächlichen Umstände in [X.] einbeziehen will ([X.] NStZ-RR 1997, 72, 73 m. w. N.). [X.] Entscheidungen muß er durch ausdrücklichen Hinweis konkret undeindeutig unterrichtet werden (vgl. [X.]St 44, 153; [X.], [X.]. vom 5. November2002 - 1 [X.]). Die vom 1. Strafsenat in der Entscheidung [X.]St 44,153 (auch im Leitsatz, allerdings obiter dictu) vertretene Auffassung, [X.] "(müsse) - regelmäßig im [X.] -dokumentiert werden" hat sich nicht durchgesetzt und wird auch vom 1.Strafsenat - wie dieser ausdrücklich klargestellt hat - nicht mehr vertreten([X.], [X.]. vom 5. November 2002 - 1 [X.]; [X.] NJW 1999, 802 f.).b) Der Senat zweifelt, ob die - auch von ihm (NStZ 1996, 95) vertretene -Auffassung, daß [X.] der Anklage, die sich aus der [X.] angeklagten Taten ergeben und ungeachtet ihrer nachteiligenAuswirkungen für eine sachgerechte Verteidigung hinzunehmen sind, in [X.] durch Hinweise nach oder entsprechend § 265 StPOauszugleichen seien, zutrifft und ob die dem entsprechende Rechtsprechung indieser Allgemeinheit fortgeführt werden kann. Nach erneuter Überprüfung hälter, wenn sich im Laufe der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen [X.] durch genauere Beschreibungen von Tatmodalitäten oderBegleitumständen ergeben, einen gerichtlichen Hinweis, mit dem [X.] darüber informiert werden, daß auch diese sich durch dieBeweisaufnahme ergebenden Präzisierungen in die [X.]eilsfindung einbezogenwerden können, im Grundsatz für nicht geboten. Ein solcher Hinweis, derlediglich Informationsdefizite einer Anklageschrift ausgleichen soll, die- 9 -hinsichtlich der vorgeschriebenen Umgrenzung des Anklagevorwurfs ihreFunktion erfüllt (anderenfalls wäre sie unwirksam, vgl. [X.]St 40, 44, 45 m. w.N.), ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und im Regelfall auch mit Blick auf [X.] des Angeklagten nicht geboten.Für diese Auffassung spricht zunächst § 265 StPO. Die Vorschriftbegründet schon nach ihrem Wortlaut eine Hinweispflicht (nur) bei [X.] des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 Abs. 1 StPO) und beimAuftreten straferhöhender oder die Anordnung einer Maßregel der Besserungund Sicherung rechtfertigender Umstände (§ 265 Abs. 2 StPO). [X.] sie als Rechtsfolge auf bloße Veränderungen der Sachlage, die nichtzugleich zu einer - hinweispflichtigen - Änderung der rechtlichen Bewertungführt, ausschließlich die Aussetzung der Hauptverhandlung vor, die das Gerichtauf Antrag oder von Amts wegen anzuordnen hat (§ 265 Abs. 3 und 4 StPO).Diese differenzierte Regelung entspricht auch dem Sinn und Zweck des§ 265 StPO, der den Angeklagten vor Überraschungen schützen will([X.] in [X.], [X.]. § 265 Rdn. 5). Gelangt [X.] zu einer gegenüber der Anklage veränderten Einschätzung [X.], so ist diese Änderung aus der Beweisaufnahme und dem [X.] Hauptverhandlung ohne einen entsprechenden Hinweis nicht ohneweiteres zu erkennen; im Interesse des Angeklagten soll eine solche Änderungder rechtlichen Bewertung, zumal sich auch das Gericht in [X.] festgelegt hat, welche Gesetze es für anwendbar hält,unmißverständlich kundgetan und der Hinweis als wesentliche Förmlichkeit imProtokoll festgehalten werden. Demgegenüber kann es dem Angeklagten undseiner Verteidigung regelmäßig nicht verborgen bleiben, wenn sich - aufgrunddessen Einlassung oder als Ergebnis der Beweisaufnahme - der ihm- 10 -vorgeworfene Sachverhalt anders oder konkreter darstellt, als in der [X.]. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des§ 265 Abs. 4 StPO ausdrücklich eine Hinweispflicht bei veränderter Sachlagegegenüber den "erheblichen, in der Anklage nicht aufgeführten Tatsachen" fürentbehrlich gehalten, weil der Angeklagte "vermöge seiner ununterbrochenenAnwesenheit in der Verhandlung ... ausreichende Gelegenheit hat, sich mit denneuen Ergebnissen der Verhandlung bekanntzumachen" [X.], [X.], Abt. 1 S. 209).Dementsprechend würde in einem solchen Fall ein gerichtlicher Hinweisdarauf, daß es im weiteren von dem näher konkretisierten Sachverhaltausgehen will, die Verteidigungsposition des Angeklagten nicht stärken, denGang der Hauptverhandlung aber unnötig und empfindlich stören. Im Regelfallwürde der gerichtliche Hinweis in der Sache auf die bloße Wiederholung [X.] einer Zeugenaussage, unter Umständen sogar der eigenen, nunmehrgeständigen Einlassung des Angeklagten, hinauslaufen und diesem nicht [X.], als das, wovon er ohnehin ausgeht, nämlich daß auch das Gericht -wie er selbst - die den Sachverhalt konkreter als die Anklage beschreibendenBekundungen zur Kenntnis genommen hat und sich mit ihnenauseinandersetzen wird.Die Annahme einer grundsätzlichen gerichtlichen Hinweispflicht in denhier in Rede stehenden Fällen läßt sich zudem kaum damit in Einklang bringen,daß aus § 265 StPO keine Pflicht zur Unterrichtung folgt, wenn das Gericht dieAussage eines Zeugen etwa anders als die Verteidigung verstanden hat, unddaß sich das Gericht auch zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungennicht erklären muß ([X.]St 43, 212). Hinzu kommt schließlich, daß - [X.] - handhabbare Kriterien, bei welchem Grad der Konkretisierung des- 11 -(zulässigerweise) unbestimmt angeklagten Verhaltens die Hinweispflichtentsteht, bislang nicht gefunden sind (siehe zu a) [X.])) und sich auch kaumfinden lassen dürften.All diese Bedenken gegen die Anerkennung einer prinzipiellenVerpflichtung des Gerichts, auf im Vergleich zur Anklage neu hervorgetreteneTatsachen hinzuweisen, schließen freilich nicht aus, daß im Einzelfallausnahmsweise eine solche Pflicht bestehen kann, um das rechtliche Gehördes Angeklagten zu gewährleisten, ihm eine sachgerechte Einstellung [X.] zu ermöglichen oder ihn vor [X.] zuschützen. Sie mag unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens oder dergerichtlichen Fürsorgepflicht begründet sein und etwa dann in Betrachtkommen, wenn das Tatgericht durch eine zunächst geäußerteSacheinschätzung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, aber imweiteren Verlauf der Hauptverhandlung zu anderen Erkenntnissen gelangt (vgl.[X.] in [X.], 3. Aufl. § 265 Rdn. 10). Denkbar erscheint dem Senat [X.] auch dann, wenn aus dem [X.] [X.] offenbar wird, daß dieser nicht erkannt hat, daß sich das ihm mitder Anklage noch unbestimmt vorgeworfene Verhalten nach Tatzeit, Tatortoder wesentlichen Einzelheiten des Tatablaufs in bestimmter Weisekonkretisiert hat.c) Gemessen daran war das [X.] nicht verpflichtet, [X.] im Anschluß an die Vernehmung der Geschädigten [X.], daß es in Erwägung ziehe oder beabsichtige, dem [X.] im [X.]eil festgestellten - gegenüber der Anklage in Bezug auf [X.],Tatorte und Begleitumstände näher konkretisierten - Sachverhaltezugrundezulegen. Eine solche Hinweispflicht besteht im Grundsatz nicht. [X.] 12 -Ausnahmekonstellation, in der sie begründet sein könnte, hat die Revisionnicht geltend gemacht und ist dem [X.] auch sonst nicht zuentnehmen.d) Die Sache gibt zu einer Anfrage bei den anderen Strafsenaten des[X.] gemäß § 132 Abs. 3 [X.] keinen Anlaß. Mit seinerEntscheidung weicht der Senat von entscheidungserheblich geäußertenAuffassungen der anderen Senate nicht ab. Die Ansicht, daß das [X.] der (gleichwohl wirksamen) Anklage in der Form von ungenauenBeschreibungen der Tat zum Anlaß für Hinweise nehmen muß, wenn sich inder Hauptverhandlung Möglichkeiten der Konkretisierung ergeben, istdurchweg nur in nicht entscheidungstragenden Erwägungen geäußert worden.Zudem sind von der Hinweispflicht ausdrücklich ausgenommen solcheKonkretisierungen, die - wie hier - "lediglich den Tatablauf näherkennzeichnen" ([X.], [X.]. vom 5. November 2002 - 1 [X.]).Zu einer Aufhebung hat eine entsprechende Verfahrensrüge - soweitersichtlich - lediglich im [X.]uß des 4. Strafsenats vom 19. Dezember 1995(4 [X.] = [X.], 295) geführt. Auch in dieser [X.] die Annahme einer Hinweispflicht bei Konkretisierung des [X.] durch neu hervorgetretene Tatsachen aber nichtentscheidungstragend. Wie sich aus der mitgeteilten Verfahrensrüge ergibt,hatte in jener Sache schon die Anklage die dem Angeklagten zur Last gelegtenTaten konkret geschildert. In der Hauptverhandlung hat sich dann ein andererSachverhalt herausgestellt. Damit handelt es sich aber nicht um einen Fallneuer Tatsachen, die den unbestimmten Anklagevorwurf konkretisieren,sondern um den Fall einer veränderten Sachlage, in dem schon die [X.] vorgeworfenen Sachverhalt konkret geschildert und die [X.] -zur Feststellung eines davon abweichenden Sachverhalts geführt hat. [X.] lag dem [X.]uß des 4. Strafsenats die besondere Fallgestaltungzugrunde, daß der Angeklagte die im [X.]eil festgestellten tatsächlichenUmstände nicht einmal aus der Aussage des geschädigten Kindes, auf das dietatrichterliche Überzeugung gestützt war, entnehmen und seine Verteidigungdarauf einstellen konnte. Für eine solche Sachlage bestehen hier keineAnhaltspunkte.3. Ob in der Konsequenz der oben zu [X.]) dargelegten Erwägungen [X.] die Fallgruppe der Veränderung der Sachlage von der Rechtsprechungentwickelte (vgl. dazu Gillmeister in [X.] 1997, 8 ff.) - ebenfalls über § 265StPO hinausgehende, der älteren Rechtsprechung und Literatur nochunbekannte (vgl. etwa die Kommentierung zu § 265 StPO bei [X.]. [X.]) - Verpflichtung des Gerichts zur Erteilung [X.] im hier nicht gegebenen Fall einer Veränderung der Sachlagegegenüber dem in der Anklage beschriebenen Sachverhalt zwingend gebotenerscheint, bedarf hier nicht der Prüfung. Immerhin könnte aber der Umstand,daß eine Anklage mit präzisen Angaben zu Ablauf und Umständen der Tateinen Vertrauenstatbestand schafft, der ausgeräumt werden muß, wenn [X.] von einem anderen Sachverhalt ausgehen will, eine differenzierendeBetrachtung nahelegen.II[X.] Auch die auf § 338 Nr. 5 StPO gestützte Verfahrensrüge, daß überdie Vereidigung der Zeugen [X.] und [X.] B. , bei letzterer auchüber ihre Entlassung, in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt undentschieden worden sei, greift nicht durch.Folgendes prozessuale Geschehen liegt zugrunde: [X.] vom 27. August 2001 wurde der Angeklagte für die- 14 -Dauer der Vernehmung der Zeugin [X.] B. nach § 247 Satz 1 [X.]. Nach der Vernehmung der Zeugin ordnete der Vorsitzende inAbwesenheit des Angeklagten das Absehen von der Vereidigung nach § 61Nr. 2 StPO an. Als der Angeklagte wieder anwesend war, wurde die Zeuginentlassen und der Angeklagte über ihre Aussage informiert. Am [X.] 1. Oktober 2001 kam es - jetzt in Anwesenheit des Angeklagten - zuweiteren Vernehmungen der Zeugin, die jeweils, ohne daß der Angeklagte demwidersprochen hätte, auf Anordnung des Vorsitzenden nach § 61 Nr. 2 [X.] blieb und im allseitigen Einverständnis entlassen wurde.Auch während der Vernehmung der Zeugin [X.] August 2001 wurde der Angeklagte nach § 247 Satz 1 StPO aus demSitzungss[X.]l entfernt. Nach der Vernehmung traf der Vorsitzende eineVerfügung nach § 61 Nr. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten. Auch beider Entscheidung über die Entlassung der Zeugin war der Angeklagte nichtzugegen. In der Sitzung vom 1. Oktober 2001 wurde die Zeugin erneut, nun inAnwesenheit des Angeklagten, vernommen. Die Anordnung des Vorsitzenden,nach der die Zeugin nach § 61 Nr. 2 StPO unvereidigt blieb, stieß auch [X.] auf den Widerspruch des Angeklagten.1. [X.] und Entscheidung über die Vereidigung derZeuginnen [X.] und Natasche B. nach deren Vernehmung am 27.August 2001 in Abwesenheit des aus der Sitzung entferntenBeschwerdeführers verstieß gegen dessen Anwesenheitsrecht. § 247 Satz 1und Satz 2 StPO läßt die Entfernung des Angeklagten nur während [X.] eines Zeugen zu. [X.] und Entscheidung über [X.] eines Zeugen gehören nicht zur Vernehmung im Sinne des § 247- 15 -StPO und bilden einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung ([X.]R StPO§ 338 Nr. 5 Angeklagter 23 m. w. N.).In der Regel erfüllt ein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht [X.] während dieses [X.] die Voraussetzungen desunbedingten [X.] nach § 338 Nr. 5 StPO ([X.], 440).Hier greift dieser Revisionsgrund jedoch nicht ein. War nämlich [X.], der für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen nach § 247StPO ausgeschlossen war, bei der Verhandlung und Entscheidung überdessen Vereidigung verfahrensfehlerhaft nicht anwesend, so wird [X.] regelmäßig geheilt, wenn die Verhandlung und Entscheidungüber die Vereidigung desselben Zeugen nach einer erneuten Vernehmung, wiehier in den Terminen vom 12. September und 1. Oktober 2001, in [X.] Angeklagten stattfindet; jedenfalls kann in einem solchen Fall dieVerhandlung und Entscheidung über die Vereidigung des Zeugen nach dessenerster Vernehmung nicht als ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlungangesehen werden.Hinsichtlich der Vereidigung eines mehrfach vernommenen Zeugen istvon folgenden Grundsätzen auszugehen:Wird ein Zeuge in einem späteren Abschnitt der [X.] vernommen, bedarf es einer neuen Entscheidung über [X.] ([X.]St 1, 346, 348 f.; [X.] bei [X.] 1981, 195). [X.] sich grundsätzlich auf die gesamte bis dahin erstattete Aussage. [X.] Tatrichter kann - etwa bei einem Verletzten im Sinne des § 61 Nr. 2 StPO -frühestens nach dem Abschluß der gesamten Aussage alle [X.] überblicken, die für die Ausübung seines Ermessens von [X.] können. Dabei bindet ihn die Vorentscheidung nicht, vielmehr kann der- 16 -zunächst unvereidigt gebliebene Zeuge nach einer erneuten Vernehmungwiederum unvereidigt bleiben oder vereidigt werden ([X.] in [X.],[X.]. § 61 Rdn. 42).Eine unterschiedliche Entscheidung über die Vereidigung eines Zeugenkommt - auch bei einer wiederholten Vernehmung - nur für Teile einer Aussagein Betracht, die verschiedene Taten betreffen. Dies gilt etwa, wenn ein Zeugenur durch eine von mehreren Taten, zu denen er berichtet, im Sinne des § 61Nr. 2 StPO verletzt worden ist ([X.]St 17, 248, 249). Selbst dabei ist aber zubeachten, daß eine Teilvereidigung dann nicht statthaft ist, wenn die Taten ineinem inneren Zusammenhang miteinander stehen, insbesondere ein nichtoder nur schwer trennbares Gesamtgeschehen bilden (st. Rspr., vgl. [X.]RStPO § 60 Nr. 2 Teilvereidigung 1, 3 und 5 m. w. N.). [X.]enso kann ein Eidweder auf einzelne Bekundungen noch auf zeitlich getrennte Abschnitte [X.] beschränkt werden ([X.] in [X.]. § 59 Rdn. 4).Ausgehend hiervon war das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit beider Verhandlung und Entscheidung über die Vereidigung der gemäß § 247StPO in seiner Abwesenheit vernommenen Zeuginnen - ungeachtet seinerverfahrensfehlerhaften Abwesenheit während dieses Verfahrensabschnitts [X.] vom 27. August 2001 - im Ergebnis dadurchgewahrt, daß er wiederholt, nämlich in den Terminen vom 12. September und1. Oktober 2001, anwesend war, als über die Vereidigung der Zeuginnen nachihrer nochmaligen Vernehmung erneut verhandelt wurde. Dadurch hatte erauch Gelegenheit, auf die Entscheidung über die Vereidigung der [X.] ihre gesamte Aussage, einschließlich ihrer Bekundungen am 27. [X.], Einfluß zu nehmen. Anhaltspunkte dafür, daß das [X.] bei seinenEntscheidungen über die Vereidigung der Zeuginnen in den Terminen vom- 17 -12. September und 1. Oktober 2001 nur hinsichtlich der an diesen Terminengemachten Angaben von einer Vereidigung absehen wollte, sind nichtersichtlich. Eine solche Teilentscheidung wäre im übrigen nach denaufgezeigten Maßstäben nicht zulässig gewesen, weil die weiterenVernehmungen der Zeuginnen denselben Taten galten und deren nähererAufklärung, insbesondere durch Feststellungen zur Aussagegenese [X.] der Zeuginnen, dienten ([X.] ff.).2. Die [X.], auch über die Entlassung der Zeugin [X.] B. seiim Termin vom 27. August 2001 verfahrensfehlerhaft in Abwesenheit des ausdem Sitzungss[X.]l entfernten Beschwerdeführers verhandelt und entschiedenworden, kann wegen Heilung des Fehlers keinen Erfolg haben. Insofern ist imübrigen anerkannt, daß die Entlassung eines Zeugen dann nicht alswesentlicher Teil der Hauptverhandlung zu bewerten ist, wenn der [X.] wie hier der Beschwerdeführer - nach Unterrichtung über den Inhalt [X.] auf Fragen an den Zeugen verzichtet ([X.] NStZ 1998, 425; [X.] StV2000, 240; [X.] [X.] 2001, 128).IV. Im übrigen hat die Nachprüfung des [X.]eils aufgrund [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagtenergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die Sachrüge bleibt erfolglos. ZurStrafrahmenwahl in den Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern bemerktder Senat, daß das [X.] zu Recht § 176 Abs. 3 StGB aF herangezogenhat. Da die [X.] -nahme eines minder schweren Falles fern lag, handelt es sich nach dergebotenen konkreten Betrachtungsweise bei § 176 Abs. 3 StGB aF gegenüber§ 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nF um das mildere Recht (vgl. [X.] bei [X.] NStZ-RR 1999, 323).Tolksdorf [X.] [X.] [X.] [X.]Nachschlagewerk: ja[X.]St: jaVeröffentlichung: [X.] § 200, § 265 Abs. 1 und 4Auch bei einer durch die Natur der Sache bedingt im Tatsächlichenungenauen Fassung der Anklageschrift (vgl. [X.]St 40, 44) ist ein Hinweisentsprechend § 265 StPO grundsätzlich nicht vorgeschrieben, wenn sich [X.] der Hauptverhandlung nähere Konkretisierungen von [X.] genauere Beschreibungen von Tatmodalitäten oder Begleitumständenergeben (Abgrenzung zu [X.]St 44, 153). Ein Hinweis kann nurausnahmsweise geboten sein, etwa um das Recht des Angeklagten aufrechtliches Gehör oder den Schutz vor [X.] zugewährleisten.2. StPO § 59, § 61 Nr. 2Wird ein Zeuge in einem späteren Abschnitt einer Hauptverhandlung noch- 19 -einmal vernommen, bedarf es einer neuen Entscheidung über [X.]. Diese umfaßt grundsätzlich die gesamte bisherige [X.] Zeugen.3. StPO § 247War der Angeklagte, der für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen nach§ 247 StPO ausgeschlossen war, bei der Verhandlung und Entscheidungüber dessen Vereidigung verfahrensfehlerhaft nicht anwesend, so wird [X.] regelmäßig geheilt, wenn die Verhandlung [X.] über die Vereidigung desselben Zeugen nach einer erneutenVernehmung in Anwesenheit des Angeklagten stattfindet.[X.], [X.]eil vom 20. Februar 2003 - 3 [X.]/02 - [X.]

Meta

3 StR 222/02

20.02.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2003, Az. 3 StR 222/02 (REWIS RS 2003, 4276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4276

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