Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.06.2015, Az. XII ZB 251/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 10065

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Gegenstand

Verlängerung des Unterhalts für die Betreuung eines behinderten, nichtehelichen Kindes


Leitsatz

1. Zur Verlängerung des Unterhalts nach § 1615l Abs. 2 BGB bei Betreuung eines behinderten Kindes.

2. Die Belastung des betreuenden Elternteils durch die Wiederaufnahme eines anlässlich der Geburt eines nichtehelichen Kindes unterbrochenen Studiums stellt keinen elternbezogenen Grund für die Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach § 1615l Abs. 2 BGB dar.

3. Die Lebensstellung des nach den §§ 1615l Abs. 2, 1610 Abs. 1 BGB Unterhaltsberechtigten richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte. Sie ist deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben, so dass sich später ein höherer Bedarf ergeben kann (teilweise Aufgabe der Senatsurteile vom 16. Dezember 2009, XII ZR 50/08, BGHZ 184, 13 = FamRZ 2010, 357 und vom 13. Januar 2010, XII ZR 123/08, FamRZ 2010, 444).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - [X.] - des [X.] vom 28. April 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der [X.] für die [X.] ab 1. November 2013 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten noch um Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB für die [X.] ab November 2013.

2

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 21. Oktober 2010 geborenen [X.] Das Kind ist zu 100 % schwerbehindert; es leidet an einer Chromosomenanomalie des Typs Trisomie 21 (so genanntes Down-Syndrom) und ist in Pflegestufe 2 eingestuft. [X.] lebt bei der Antragstellerin. Diese hatte ihr Studium für das Lehramt infolge der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes unterbrochen. Inzwischen lebt sie mit [X.] im Haus ihrer Eltern und hat neben der Betreuung des Kindes das Studium wieder aufgenommen. [X.] besucht seit September 2012 montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr eine Kindertagesstätte, die von 6.30 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet ist. Diese ist für behinderte Kinder eingerichtet und verfügt über besonders ausgebildete Betreuungskräfte und Therapeuten. Vierteljährlich nimmt das Kind in Begleitung der Antragstellerin an einer ärztlich verordneten Therapiewoche teil. Zusätzlich zu weiteren wöchentlich stattfindenden Therapien muss die Antragstellerin mit dem Kind täglich Übungen durchführen.

3

Der Antragsgegner, der zur [X.] ebenfalls Student war, schloss sein Studium ab und übt inzwischen eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer [X.] aus.

4

Die Antragstellerin hat Betreuungsunterhalt für die [X.] ab November 2012 begehrt. Sie hat geltend gemacht, dass sie auch während der Betreuung des [X.] in der Kindertagesstätte ständig rufbereit sein müsse. Darüber hinaus sei es häufig notwendig, [X.] schon am frühen Nachmittag abzuholen, wenn Therapietermine anstünden, weil er hierfür andernfalls zu erschöpft sei. Außerdem sei das Kind wegen seines schwachen Immunsystems oft krank und könne die Kindertagesstätte nicht besuchen. Diese Umstände ließen sich mit einer geregelten Arbeitszeit nicht vereinbaren. Sie hätten auch dazu geführt, dass sie ihr Studium noch nicht habe abschließen können.

5

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und den Antragsgegner neben der Zahlung eines Rückstands verurteilt, ab 1. Februar 2013 Unterhalt in Höhe von monatlich 800 € zu zahlen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das [X.] die Entscheidung teilweise abgeändert und den Antrag für die [X.] ab 1. November 2013 abgewiesen. Dagegen richtet sich die insoweit zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erstrebt.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang des Angriffs zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

7

1. Dieses hat zur Begründung seiner - in [X.], 1646 im Wesentlichen veröffentlichten - Entscheidung, soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:

8

Der Antragsgegner schulde der Antragstellerin nach Beginn des vierten Lebensjahres des Kindes keinen Betreuungsunterhalt nach § 1615 l Abs. 2 BGB mehr, da sie nicht wegen der Pflege und Erziehung des Kindes, sondern durch das wieder aufgenommene Studium an einer ihren Bedarf deckenden Erwerbstätigkeit gehindert gewesen sei. Mit einer ihr zumutbaren Teilzeiterwerbstätigkeit sei sie in der Lage, die zur Deckung ihres Existenzminimums erforderlichen 800 € monatlich zu verdienen. Sie habe nicht nachgewiesen, dass es aus kindbezogenen oder aus elternbezogenen Gründen gerechtfertigt sei, den Unterhaltsanspruch zu verlängern. Die Behinderung des Kindes erfordere zwar eine von der Antragstellerin belegte erheblich intensivere persönliche Betreuungsleistung als Mutter, als dies bei einem gleichaltrigen gesunden Kind der Fall sei. Gleichwohl treffe die Antragstellerin für die [X.] ab November 2013 eine Erwerbsobliegenheit, die über eine halbschichtige Tätigkeit hinausgehe und ihr Einkünfte von monatlich 800 € ermögliche. [X.] werde in der Tagesstätte im Rahmen einer Einzelintegrationsmaßnahme an fünf Tagen in der Woche betreut. Nach dem Vortrag der Antragstellerin besuche er die Einrichtung regelmäßig täglich von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Es könne dahinstehen, ob auch die längeren Öffnungszeiten genutzt werden könnten, da bereits die bisherige Handhabung der Antragstellerin eine tägliche Arbeitszeit von bis zu fünf Stunden ermögliche. Die Kindertagesstätte sei auf die Betreuung behinderter Kinder spezialisiert und decke auch therapeutische Maßnahmen ab. Soweit die Antragstellerin vorgetragen habe, infolge der häufigen Erkrankungen des Kindes an der Ausübung einer Tätigkeit gehindert zu sein, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die zum Beispiel häufig auftretende Bindehautentzündung oder auch Erkältungen machten nicht unbedingt eine persönliche Betreuung durch die Mutter erforderlich; gegebenenfalls sei eine Abholung und Betreuung des Kindes durch weitere Personen denkbar. Dass solche Personen, etwa die Großeltern, nicht zur Verfügung stünden, habe die Mutter nicht vorgetragen. Der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stünden auch die Therapiemaßnahmen, die die Mutter mit [X.] wahrnehme, nicht entgegen; es sei nicht ersichtlich, dass diese, ebenso wie die Krankengymnastik, nicht ab 16.00 Uhr wahrgenommen werden könnten.

9

Danach könnten kindbezogene Gründe nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, bei dem die Antragstellerin außerstande wäre, ihren Lebensbedarf durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Infolge ihrer Vorbildung und des bisher absolvierten Studiums könne sie zum Beispiel im Lektorat eines Verlags, als Mitarbeiterin in der Verwaltung einer Hochschule, bei einer Privatschule oder einer gemeinnützigen Einrichtung zumindest einen Stundenlohn von 10 € brutto und bei 110 Stunden ein Nettoeinkommen von 858,41 € monatlich erzielen. Unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen verbleibe ein das Existenzminimum geringfügig übersteigendes Einkommen.

Als [X.] Grund sei die starke Belastung der Antragstellerin durch die besondere Betreuungsbedürftigkeit des Kindes anzuerkennen. Dies führe dazu, dass ihr eine Vollzeittätigkeit nicht zugemutet werden könne. Auch außerhalb der Betreuungsmöglichkeiten in der Kindertagesstätte liege bei [X.] ein überdurchschnittlich hoher Betreuungsaufwand vor. Die Einstufung in Pflegestufe 2 setze einen erheblichen pflegerischen Bedarf voraus. Die daraus resultierende Belastung der Mutter stehe einer Erwerbstätigkeit in der [X.] der Fremdbetreuung des Kindes jedoch nicht entgegen. Dass die Antragstellerin wegen der Geburt und der nachfolgenden Betreuung ihr Studium unterbrochen habe, während der Antragsgegner in dieser [X.] sein Studium habe abschließen können, stelle keinen Umstand dar, der aus Billigkeitsgründen eine Verlängerung des [X.] rechtfertige. [X.] Gesichtspunkte könnten eine Verlängerung des Anspruchs nur begründen, wenn aus einer gemeinsamen Lebensplanung der Beteiligten ein entsprechender Vertrauenstatbestand abgeleitet werden könne. Das sei hier nicht der Fall, weil die Beteiligten vor der Geburt des Kindes offensichtlich nicht zusammengelebt hätten. Allein die Tatsache, dass sich beide Beteiligte damals in vergleichbarer Ausbildungssituation befunden hätten und der Antragsgegner in der Zwischenzeit sein Studium habe beenden können, begründe für diesen nicht die Verpflichtung, der Antragstellerin bis zur Beendigung der Ausbildung Unterhalt zu zahlen. Für nicht miteinander verheiratete Eltern fehle eine § 1575 BGB entsprechende Regelung. Durch die vorgenannte Bestimmung sei insbesondere das Vertrauen des Unterhalt begehrenden Ehegatten auf Ausgleich ehebedingter Ausbildungsnachteile geschützt. Eine vergleichbar schützenswerte Vertrauenssituation der Beteiligten liege hier nicht vor, sodass sich auch in einer Gesamtschau unter [X.] die Heranziehung des Rechtsgedankens des § 1575 BGB verbiete. Die Antragstellerin sei darauf zu verweisen, gegebenenfalls ihren Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Eltern geltend zu machen oder sich um [X.] zu bemühen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Nach § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB steht der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes über die Dauer des Mutterschutzes hinaus ein Unterhaltsanspruch gegen den Vater zu, wenn von ihr wegen der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Nach § 1615 l Abs. 2 BGB besteht die Unterhaltspflicht des betreuenden Elternteils für mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Insoweit hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 1615 l Abs. 2 BGB und den nachehelichen Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB weitgehend einander angeglichen ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 444 Rn. 24 mwN).

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine - hier allein noch im Streit stehende - Verlängerung des [X.] über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus kann sich der betreuende Elternteil mithin nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes berufen, wenn und soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte. Für die [X.] ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes steht dem betreuenden Elternteil nur noch dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 1615 l Abs. 2 Satz 4 BGB). Damit verlangt die Regelung allerdings keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks. 16/6980 [X.]). Insbesondere nach Maßgabe der im Gesetz ausdrücklich genannten kindbezogenen Gründe ist unter Berücksichtigung der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (§ 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB) ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 444 Rn. 26 mwN).

Neben den vorrangig zu berücksichtigenden kindbezogenen Gründen sieht § 1570 Abs. 2 BGB für den nachehelichen Betreuungsunterhalt eine weitere Verlängerungsmöglichkeit aus elternbezogenen Gründen vor. Danach verlängert sich der nacheheliche Betreuungsunterhalt über die Verlängerung aus kindbezogenen Gründen hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer der Billigkeit entspricht. Insoweit ist auch ein Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen, der sich aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben kann. Im Rahmen des Anspruchs wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes ist diese Regelung zwar nicht ausdrücklich übernommen worden. Da § 1615 l Abs. 2 Satz 5 BGB jedoch eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs "insbesondere" aus kindbezogenen Gründen zulässt, kommen im Einzelfall auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des [X.] in Betracht. Das kann etwa dann gelten, wenn die Eltern mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und außerdem ein besonderer Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie entstanden ist (BT-Drucks. 16/6980 [X.]). Dabei ist allerdings stets zu beachten, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen [X.]raum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 444 Rn. 26 mwN).

Für die Voraussetzungen einer Verlängerung des [X.] über die Dauer von drei Jahren hinaus trägt der Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast. Er hat also zunächst darzulegen und zu beweisen, dass keine kindgerechte Einrichtung für die Betreuung des gemeinsamen Kindes zur Verfügung steht oder dass aus besonderen Gründen eine persönliche Betreuung erforderlich ist. Auch Umstände, die aus elternbezogenen Gründen zu einer eingeschränkten Erwerbspflicht und damit zur Verlängerung des [X.] führen können, hat der Unterhaltsberechtigte darzulegen und zu beweisen ([X.]surteile [X.]Z 193, 78 = [X.], 1040 Rn. 20; vom 17. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.], 1391 Rn. 20 mwN und [X.], 272 = [X.], 1739 Rn. 97).

b) Die Annahme des [X.], im vorliegenden Fall seien kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des [X.] über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus nicht festzustellen, hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

aa) [X.] Gründe liegen z. B. dann vor, wenn das Kind behindert, dauerhaft krank oder schwer in seiner Entwicklung gestört und deshalb auf weitere Betreuung durch die Mutter angewiesen ist (BT-Drucks. 13/4899 S. 89; [X.]surteil [X.]Z 168, 245 = [X.], 1362, 1363 zum früheren Recht). Auch insoweit ist allerdings stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in einer für das Kind geeigneten Betreuungseinrichtung gesichert werden könnte ([X.]surteil vom 17. März 2010 - [X.]/08 - [X.], 802 Rn. 11 zum volljährigen behinderten Kind; vgl. auch [X.]surteile [X.], 170 = [X.], 770 Rn. 27; vom 6. Mai 2009 - [X.]/08 - [X.], 1124 Rn. 32 und vom 17. Juni 2009 - [X.]/08 - [X.], 1391 Rn. 23).

bb) Das Beschwerdegericht ist davon ausgegangen, die Betreuung des Kindes in der Kindertagesstätte, die von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr erfolge, ermögliche der Antragstellerin eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 5 Stunden. Soweit sie darauf verweise, infolge der häufigen Erkrankungen des Kindes an einer Erwerbstätigkeit gehindert zu sein, sei festzustellen, dass nicht alle Erkrankungen eine Betreuung durch die Mutter erforderten. Vielmehr sei auch eine Abholung und Betreuung durch andere Personen, etwa die Großeltern, denkbar. Die Antragstellerin habe nicht vorgetragen, dass solche Personen nicht zur Verfügung stünden.

Die dagegen erhobene Verfahrensrüge der Rechtsbeschwerde ist gerechtfertigt. Sie macht geltend, das Beschwerdegericht habe für die Antragstellerin überraschend angenommen, das Kind könne auch von anderen Familienmitgliedern abgeholt werden. Hätte das Beschwerdegericht auf die von ihm beabsichtigte Inpflichtnahme der Großeltern hingewiesen, hätte die Antragstellerin vorgetragen, dass ihr Vater bereits im 83. Lebensjahr stehe und nach zwei schweren Operationen im vorausgegangenen Jahr gesundheitlich angegriffen sei, so dass ihm die Abholung des Kindes nicht zugemutet werden könne. Die Mutter der Antragstellerin sei mit der Pflege ihres Mannes sowie ihres eigenen [X.] völlig ausgelastet und werde mit der zusätzlichen Rufbereitschaft für [X.] überlastet.

Der Einwand ist erheblich. Nach der Rechtsprechung des [X.]s ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen, inwiefern die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden kann ([X.]surteil [X.]Z 193, 78 = [X.], 1040 Rn. 22 und [X.]sbeschluss vom 1. Oktober 2014 - [X.]/13 - [X.], 1987 Rn. 21). Nachdem das Amtsgericht auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen ist, sondern der Antragstellerin unbefristeten Unterhalt zuerkannt hat, konnte sie als in erster Instanz obsiegende Beteiligte darauf vertrauen, vom Beschwerdegericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (st. Rspr., vgl. etwa [X.] Beschluss vom 15. März 2006 - [X.] - [X.], 942, 943 mwN).

cc) Da das Beschwerdegericht zu möglicher Hilfe bei der Abholung und anschließenden Betreuung des Kindes durch Dritte keine Feststellungen getroffen hat, ist das Vorbringen der Antragstellerin hierzu im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legen. Dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass für die Antragstellerin allein aus der grundsätzlichen Betreuung des Kindes in der Kindertagesstätte die Möglichkeit folgt, an bis zu fünf Stunden werktäglich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Denn angesichts der erheblichen Anzahl von Krankheitstagen des Kindes (nach den Angaben der Mutter in der [X.] von Januar 2013 bis Januar 2014 an 60 Werktagen) muss sie ständig damit rechnen, dass eine persönliche Betreuung notwendig wird. Darüber hinaus hat sie [X.] während der vierteljährlich stattfindenden Therapiewoche zu begleiten, die verschiedenen anderen Therapietermine wahrzunehmen und täglich Übungen durchzuführen. Unter diesen Umständen ist schon die Annahme nicht gerechtfertigt, die Antragstellerin könne durch eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden ihren Bedarf decken. Deshalb kommt bereits ein kindbezogener Grund für eine Verlängerung des [X.] in Betracht.

c) Auch ein [X.] Grund ist entgegen der Auffassung des [X.] nicht ausgeschlossen.

aa) Ein solcher Grund kann, wie bereits ausgeführt, auch im Rahmen eines Unterhaltsanspruchs nach § 1615 l Abs. 2 BGB vorliegen, wenn die Eltern mit ihrem gemeinsamen Kind zusammengelebt haben und außerdem ein besonderer Vertrauenstatbestand als Nachwirkung dieser Familie entstanden ist. Das Beschwerdegericht hat dies mit der Begründung abgelehnt, die Beteiligten hätten vor der Geburt des Kindes offensichtlich nicht zusammengelebt.

Die Rechtsbeschwerde macht insofern geltend, die Beteiligten hätten ab Juni 2010 an ihrem Studienort zusammengelebt, und zwar zunächst im Studentenzimmer der Antragstellerin und ab 20. Juli 2010 in einer gemeinsam eingerichteten Wohnung. Die gemeinsame Anschrift ergebe sich bereits aus der von der Antragstellerin vorgelegten Vaterschaftsanerkennungsurkunde vom 17. August 2010 für das am 21. Oktober 2010 geborene Kind. Das Beschwerdegericht hätte die Antragstellerin deshalb darauf hinweisen müssen, dass es ab November 2013 einen Unterhaltsanspruch verneinen wolle, weil diese mangels gemeinsamer Lebensplanung nicht auf eine Absicherung durch den Antragsgegner habe vertrauen dürfen.

Mit dieser Rüge dringt die Rechtsbeschwerde allerdings nicht durch. Das Vorbringen ist nicht erheblich, so dass keine Hinweispflicht bestand. Die Antragstellerin hat auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geltend gemacht, mit dem Antragsgegner und dem gemeinsamen [X.] zusammengelebt zu haben. In der [X.] vor der Geburt des Kindes konnte sie indessen nicht auf eine unterhaltsrechtliche Absicherung durch den Antragsgegner vertrauen, weil das Gesetz für nichteheliche Lebensgemeinschaften ohne gemeinsames Kind keine Unterhaltsansprüche kennt ([X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 444 Rn. 26, 30). Allein aus der Vaterschaftsanerkennung des Antragsgegners kann nicht auf die Übernahme unterhaltsrechtlicher Verantwortung für die Antragstellerin geschlossen werden. Dieser Umstand kann allenfalls verstärkend für die Begründung besonderen Vertrauens sprechen ([X.] [X.], 553, 557; vgl. auch [X.]/Schilling 3. Aufl. § 1615 l Rn. 14), d. h. wenn hierfür bereits weitere Gesichtspunkte vorliegen.

bb) Soweit das Beschwerdegericht es abgelehnt hat, der Antragsgegnerin verlängerten Betreuungsunterhalt über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus allein deswegen zuzubilligen, weil sie wegen der Geburt und der anschließenden Betreuung des Kindes ihr Studium unterbrochen hat, während der Antragsgegner sein Studium abschließen konnte, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die Belastung des betreuenden Elternteils durch berufliche Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen stellt schon keinen elternbezogenen Grund im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB dar. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich vielmehr um Umstände handeln, die unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindererziehung und Erwerbstätigkeit in der Ehe von Bedeutung sind. Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass das Vertrauen in die vereinbarte und so auch gehandhabte Rollenverteilung hinsichtlich der Kinderbetreuung geschützt werden soll. Soweit der betreuende Elternteil nach Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes von einer Erwerbstätigkeit aber nicht allein in dessen Interesse absieht, sondern auch um ein Studium oder eine andere Ausbildung zu beenden, dienen der entsprechende zeitliche Aufwand und der Einsatz, die ihn insoweit von einer Erwerbstätigkeit haben absehen lassen, seinen eigenen beruflichen Interessen und nicht denjenigen des Kindes. Maßgebend können solche Umstände deshalb im Rahmen des nachehelichen Unterhalts nur für die Frage einer angemessenen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 1574 BGB oder für die Gewährung von Ausbildungsunterhalt nach § 1575 BGB sein ([X.]surteil vom 8. August 2012 - [X.]/10 - [X.], 1624 Rn. 24).

Für den Unterhaltsanspruch der nichtehelichen Mutter nach § 1615 l Abs. 2 BGB gilt hinsichtlich der Beurteilung als [X.] Grund nichts anderes. Andernfalls würde sie besser stehen als eine eheliche Mutter, was der [X.] nicht entspricht. Ausbildungsunterhalt billigt das Gesetz der Mutter eines nichtehelichen Kindes indessen nicht zu (ebenso [X.]/Schilling 3. Aufl. § 1615 l Rn. 14; [X.] FF 2010, 214, 215; aA: [X.] [X.], 577, 578). Sie ist insoweit vielmehr gehalten, entweder ihre Eltern auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu [X.]surteil vom 29. Juni 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1560 Rn. 17 ff.) oder Leistungen nach dem [X.] zu beantragen.

Dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Gesichtspunkt, der Antragsgegner habe sein Studium beenden können, ohne dass die Antragstellerin ihn in dieser [X.] zur Zahlung von Unterhalt herangezogen habe, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu. Die Rechtsbeschwerde zeigt im Übrigen nicht auf, dass der Antragsgegner in dem betreffenden [X.]raum zur Zahlung von Betreuungsunterhalt leistungsfähig gewesen wäre.

cc) Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils allerdings entgegenstehen, dass die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann ([X.]surteile [X.]Z 193, 78 = [X.], 1040 Rn. 24; vom 21. April 2010 - [X.]/08 - [X.], 1050 Rn. 36; [X.], 170 = [X.], 770 Rn. 31 f. und [X.], 272 = [X.], 1739 Rn. 103). Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes in unterschiedlichem Umfang anfallen können ([X.]surteil [X.]Z 193, 78 = [X.], 1040 Rn. 24 für den Anspruch nach § 1570 BGB).

Diesen Gesichtspunkt hat das Beschwerdegericht nicht hinreichend gewürdigt. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, für die Vorbereitung des Kindes auf die Kindertagesstätte etwa eine Stunde zu benötigen, weil es z. B. nicht selbständig essen könne. Für das Bringen zu und das Abholen von der Betreuungseinrichtung brauche sie jeweils ebenfalls eine Stunde. Darüber hinaus müsse sie mit [X.] Therapietermine wahrnehmen und mehrfach täglich Übungen absolvieren. Diese Umstände bedingen einen erheblichen zeitlichen Einsatz, der bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Betreuung des schwerbehinderten Kindes und einer Erwerbstätigkeit angemessen zu berücksichtigen ist. Konkrete Feststellungen hierzu hat das Beschwerdegericht nicht getroffen.

3. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] ist nicht zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage, da es hierzu weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb im Umfang der Aufhebung des Beschlusses an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

4. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

a) Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin könnte nicht vollständig durch erzielbare eigene Einkünfte aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit gedeckt sein. Der [X.] hat zwar entschieden, dass ein im [X.]punkt der Geburt des gemeinsamen Kindes bestehender (Mindest-) Bedarf später auch durch eine Teilzeittätigkeit bestritten werden kann. Soweit daraus eine vollständige Bedarfsdeckung auch für künftige [X.]en abgeleitet wurde ([X.]surteile [X.]Z 184, 13 = [X.], 357 Rn. 54 ff. und vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 444 Rn. 15 ff., 20), hält er daran aber nicht fest. Die Lebensstellung des nach den §§ 1615 l Abs. 2, 1610 Abs. 1 BGB Unterhaltsberechtigten richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte ([X.]surteil vom 15. Dezember 2004 - [X.]/03 - FamRZ 2005, 442); sie ist deshalb nicht auf den [X.]punkt der Geburt des Kindes festgeschrieben. Den hieraus folgenden Bedarf dürfte die Antragstellerin, die ihr Studium ohne dessen Unterbrechung wegen der Betreuung des Kindes abgeschlossen haben dürfte, nicht durch eine Teilzeittätigkeit decken können.

b) Im Hinblick auf den hiernach möglichen höheren Bedarf wird nicht offen bleiben können, ob die Antragstellerin die längeren Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsstätte (6.30 Uhr bis 18.00 Uhr) zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nutzen könnte. Vielmehr wird das Beschwerdegericht in tatrichterlicher Verantwortung zu prüfen haben, inwieweit eine Fremdbetreuung des Kindes im Rahmen der vorgenannten [X.]en mit dessen Wohl vereinbar ist.

Dose                                  [X.]Klinkhammer

             Nedden-Boeger                                      Guhling

Meta

XII ZB 251/14

10.06.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 28. April 2014, Az: 2 UF 238/13, Beschluss

§ 1610 Abs 1 BGB, § 1615l Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.06.2015, Az. XII ZB 251/14 (REWIS RS 2015, 10065)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2257 REWIS RS 2015, 10065

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