Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2010, Az. VI ZR 265/09

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 3192

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 265/09 Verkündet am: 21. September 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - - 2Der V[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2010 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Richterin von [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juli 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: [X.] (im Folgenden: der Kläger) macht gegen die [X.] Ersatzansprüche aus übergegangenem Recht des Polizeibeamten [X.], der am 13. September 2004 auf dem Weg zu seiner Dienststelle bei ei-nem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde. [X.] befuhr gegen 11.00 Uhr mit sei-nem Motorrad die Bundesstraße B 189 von [X.] in Richtung [X.] Hinter dem Orts-ausgang von [X.] ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h be-1 - - 3schränkt. Nach dem Durchfahren einer Linkskurve, hinter der ein zuvor [X.] Überholverbot endet, wollte [X.] zwei vor ihm fahrende Pkw überholen, nämlich den von dem [X.] zu 2 gesteuerten Pkw [X.], dessen [X.] die Beklagte zu 3 ist und der bei der [X.] zu 1 haftpflichtversichert ist, und den vor diesem fahrenden Pkw [X.], der von dem Zeugen S. gesteu-ert wurde. Zu dem Unfall, dessen genauer Hergang streitig ist, kam es, weil auch der Beklagte zu 2 den Pkw [X.] überholen wollte und dazu ansetzte. [X.] nahm eine Notbremsung vor und leitete ein Ausweichmanöver ein. Dabei kam er nach links von der Fahrbahn ab und streifte einen Alleebaum. Danach schleuderten er und sein Motorrad zwischen dem [X.] und dem [X.] nach rechts über die Straße und blieben dort neben der Fahrbahn liegen. Zu einer Berührung zwischen dem Motorrad und einem der Pkw kam es nicht. Das [X.] hat der Klage auf der Grundlage einer Haftungsquote von 50 % stattgegeben. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage vollumfänglich abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision, mit der er die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht führt aus, einer Haftung der [X.] gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG stehe zwar nicht schon entgegen, dass es zu keiner Berührung zwischen dem von [X.] geführten Motorrad und dem Pkw Passat des [X.] zu 2 gekommen sei, denn für das [X.] "bei dem [X.]" genüge es, dass sich eine von dem betreffenden Kraftfahrzeug [X.] - - 4hende Gefahr verwirklicht habe und diese den [X.] mitgeprägt [X.]. Erforderlich sei aber, dass die Fahrweise oder der Betrieb des [X.] zu dem Unfallgeschehen beigetragen habe. In den Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung der betreffenden Kraftfahrzeuge gekommen sei, habe der Geschädigte den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des anderen Kraftfahrzeugs und dem Schadensereignis darzutun und zu beweisen; etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit gingen zu seinen Las-ten. Im Streitfall stehe nicht fest, dass [X.] sich durch die Fahrweise des [X.] zu 2 zu einem Ausweichmanöver habe veranlasst sehen müssen, um eine Kollision mit dem zum Überholen ansetzenden Pkw des [X.] zu 2 zu [X.]. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich [X.] zu dem Zeit-punkt, als der Beklagte zu 2 den Überholvorgang einleitete, noch in der rechten Fahrspur befand, sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Umstände er sich durch die Einleitung des Überholvorgangs des [X.] zu 2 zu der von ihm vorge-nommenen Reaktion habe herausgefordert sehen dürfen. Erforderlich sei, dass das Verhalten des [X.] zu 2 für [X.] zu der Befürchtung hätte Anlass geben müssen, dass es ohne eine Reaktion durch ihn zu einer Kollision kommen [X.]. Nach den getroffenen Feststellungen stehe aber nicht fest, dass die von [X.] vorgenommene [X.] subjektiv vertretbar gewesen sei und insbe-sondere für ihn die einzige Möglichkeit dargestellt habe, einen Zusammenstoß mit dem Kraftfahrzeug des [X.] zu 2 zu vermeiden, etwa weil ein rechtzei-tiges Abbremsen nicht mehr möglich gewesen sei. I[X.] Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 4 - - 51. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG und die Haftung des Fahrers aus vermu-tetem Verschulden gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG auch dann eingreifen können, wenn es nicht zu einer Berührung zwischen den am Unfallgeschehen beteiligten Kraftfahrzeugen gekommen ist. Eine Haftung kommt grundsätzlich nämlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kraft-fahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben (Senatsurteile vom 11. Juli 1972 - [X.], [X.], 1074, 1075; vom 4. Mai 1976 - [X.], [X.], 927 und vom 19. April 1988 - [X.], [X.], 641). Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte durch den Betrieb eines Kraft-fahrzeugs zu einer Reaktion wie z.B. zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. In einem solchen Fall kann der für eine Haftung erforderliche Zurechnungszusammenhang je nach Lage des Falles zu bejahen sein. 5 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Zurechnungszusammenhang im Streitfall deshalb fehle, weil [X.] nicht subjektiv vertretbar eine Gefährdung durch das zum [X.] ansetzende Fahrzeug des [X.] zu 2 habe annehmen dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann nämlich auch ein [X.] infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder [X.] gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (vgl. Senatsurteile vom 29. Juni 1971 - [X.], [X.], 1060, 1061; vom 19. April 1988 - [X.], aaO und vom 26. April 2005 - [X.], [X.], 992, 993). Es ist auch nicht erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene [X.]- - [X.] aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es für die Bejahung des Zurech-nungszusammenhangs insbesondere nicht darauf an, ob [X.] einen Zusammen-stoß mit dem Pkw des [X.] zu 2 auf andere Weise, etwa durch [X.], hätte verhindern können. 3. Nach den getroffenen Feststellungen ist zwar ungeklärt geblieben, ob die Notbremsung und das Ausweichmanöver zu Beginn oder erst in der Schlussphase des von dem [X.] zu 2 durchgeführten Überholvorgangs erfolgten. Das Motorrad hatte nach Berechnungen des Sachverständigen eine Ausgangsgeschwindigkeit zwischen 86 km/h und 124 km/h. Offen geblieben ist auch, ob sich [X.] noch vollständig hinter dem Pkw des [X.] zu 2 befand und das Überholmanöver noch nicht eingeleitet hatte, als der Beklagte zu 2 sich zum Überholen entschloss, oder ob [X.] zu diesem Zeitpunkt seinen Überholvor-gang schon eingeleitet hatte. Nach den Darlegungen des Sachverständigen ist es möglich, dass sich [X.] in diesem Moment noch in der rechten Fahrspur [X.], gerade die Mittellinie überfuhr oder schon auf der linken Fahrspur war. Eine Haftung der [X.] kann allein aufgrund des Umstands, dass der [X.] Geschehensablauf insoweit ungeklärt ist, indessen nicht verneint werden. 7 Die Revision weist nämlich zutreffend darauf hin, dass das Berufungsge-richt eine [X.] durch [X.] angenommen hat. Nach den getroffenen Feststellungen kann diese [X.] nur dem Pkw des [X.] zu 2 gegolten haben. Dass [X.] einem anderen Hindernis als dem überholenden Pkw des [X.] zu 2 ausgewichen sein könnte, macht die Revisionserwiderung nicht geltend. Ob die [X.] notwendig oder aber wenigstens sub-jektiv vertretbar war, ist in Fällen, in denen es nicht zu einer Berührung mit dem anderen Kraftfahrzeug gekommen ist, unerheblich. Die Voraussetzungen von 8 - - 7§ 7 Abs. 1 StVG wären selbst dann erfüllt, wenn der Kläger (verkehrswidrig) versucht hätte, die beiden Pkw gleichzeitig, nämlich als diese während des Überholvorgangs auf gleicher Höhe waren, zu überholen. Anders wäre es nur, wenn das Überholmanöver des [X.] zu 2 das des [X.] in keinerlei Weise beeinflusst hätte. Das ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellun-gen, wonach das Ausweichmanöver dem von dem [X.] zu 2 gesteuerten Pkw galt, jedoch auszuschließen. War das Überholmanöver dieses Pkw der Anlass für das den Unfall auslösende Ausweichmanöver des [X.], hat sich der Unfall "bei dem Betrieb" des von dem [X.] zu 2 gesteuerten [X.] ereignet. 4. Nach den getroffenen Feststellungen haben die [X.] weder [X.], dass den [X.] zu 2 kein Verschulden trifft (§ 18 Abs. 1 Satz 2 StVG), noch, dass der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis i.[X.]. § 17 Abs. 3 StVG war. Ebenso wenig ist festgestellt, dass [X.] den Unfall verschuldet hat und sein Verschulden so schwer wiegt, dass die Betriebsgefahr des Pkw 9 - - 8des [X.] zu 2 demgegenüber völlig zurückzutreten hätte. Bei dieser Sach-lage kann die vollumfängliche Klageabweisung keinen Bestand haben. Galke [X.] [X.][X.] von [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.11.2008 - 2 O 301/07 - [X.], Entscheidung vom 23.07.2009 - 12 U 270/08 -

Meta

VI ZR 265/09

21.09.2010

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.09.2010, Az. VI ZR 265/09 (REWIS RS 2010, 3192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3192

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